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#513 Gibt es Auferstehungen schon vor dem Ende der Welt?

February 02, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

Ich beziehe mich auf Fakt 4, Punkt 2 Ihres Eingangsstatements in Ihrer Debatte mit Bart Ehrman. Sie sagen dort, dass die jüdische Vorstellung vom Leben nach dem Tod eine Aufnahme in die Herrlichkeit vor der allgemeinen Auferstehung von den Toten am Ende der Welt ausschloss. Aber bei der Verklärung Jesu sehen die Jünger Mose und Elia neben Jesus stehen. Elia starb zwar laut 2. Könige 2 nicht, aber Mose laut 5. Mose 34 sehr wohl. Ob er nun tatsächlich so von den Toten auferweckt und in Gottes Herrlichkeit geholt wurde wie Jesus oder nicht – könnten die Jünger das nicht geglaubt haben? Erscheinungen von Toten waren ja im Alten Testament nichts Unbekanntes; man denke nur an den toten Samuel, der Saul und der Totenbeschwörerin von En-Dor erschien (1. Samuel 28).

Arnold

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Erklären wir zunächst den Lesern, die die von Ihnen erwähnte Debatte – siehe https://youtu.be/vRTUrvTTRAQ – nicht kennen, um was es geht. Unter den Tatsachen über Jesus, die von Historikern (darunter auch Ehrman) allgemein anerkannt werden, ist auch

„Fakt #4: Die Jünger Jesu kamen plötzlich und aufrichtig zu dem Glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden war, obwohl ihre religiöse und kulturelle Prägung gegen einen solchen Glauben sprach.“

Ich erwähnte in der Debatte drei Aspekte der historischen Situation, in der die Jünger sich nach Jesu Kreuzigung befanden. Der zweite Aspekt war:

„2. In den damaligen jüdischen Vorstellungen über das, was nach dem Tod kommt, gab es keinen Raum für den Glauben, dass jemand vor der allgemeinen Auferstehung am Ende der Welt von den Toten auferstand und Herrlichkeit und Unsterblichkeit erlangte.“

Genau dies aber ist der Glaube, zu dem die Jünger kamen, und es stellt sich die Frage, was es war, das sie zu einem so unjüdischen und bizarren Glauben führte. Das Buch Die Auferstehung des Sohnes Gottes von N.T. Wright (Marburg: Francke, 2014) geht dieser Frage auf über 1.000 Seiten nach.

Sie bezweifeln nun diesen Punkt 2, indem Sie ihm den Bericht über die Verklärung Jesu und die Geschichten über Erscheinungen von Toten wie bei der Totenbeschwörerin von En-Dor entgegenhalten.

Ich glaube, dem sorgfältigen Leser wird sofort auffallen, dass Sie die Formulierung in meinem Punkt 2 nicht genau genug studiert haben. Es heißt dort nicht, dass die jüdische Vorstellung „eine Aufnahme in die Herrlichkeit vor der allgemeinen Auferstehung von den Toten am Ende der Welt ausschloss“, sondern dass es im Judentum keinen Raum für den Glauben gab, dass jemand vor der allgemeinen Auferstehung am Ende der Welt von den Toten auferstand und Herrlichkeit und Unsterblichkeit erlangte. Möglich war höchstens die Wiederbelebung eines Verstorbenen, wie bei der Tochter des Jairus oder Lazarus, die Jesus aus dem Tod zurückholte. Hier kehrte der Tote in sein irdisches Leben zurück; er hatte keinen verherrlichten Körper und musste irgendwann endgültig sterben. Die Auferstehung zu Herrlichkeit und Unsterblichkeit kommt erst am Ende der Menschheitsgeschichte, wenn Gott alle Toten auferweckt, um sie zu richten.

Nun handelt es sich ganz offensichtlich weder bei der Verklärung Jesu noch bei der Szene mit der Totenbeschwörerin von En-Dor um eine Auferstehung von den Toten. Bei der Auferstehung werden die sterblichen Überreste des Körpers des Toten (nach jüdischem Verständnis vor allem seine Gebeine) auferweckt und verwandelt. Dies geschieht in diesen Geschichten nicht, sondern es geht um Visionserlebnisse bzw. um die vorübergehende Erscheinung einer Person, die bei Gott ist und auf die allgemeine Auferstehung wartet. Der jüdische Glaube an solche Phänomene erklärt überhaupt nicht, wie die Jünger zu der Überzeugung kamen, dass Jesus buchstäblich von den Toten auferstanden war, ganz unabhängig von und zeitlich vor der allgemeinen Auferstehung. Warum behaupteten sie nicht, dass sie eine Erscheinung des verherrlichten Jesus gesehen hatten, wie die Erscheinung Elias und Moses auf dem Berg der Verklärung?

Es bleibt natürlich eine andere Frage: Könnten bloße Jesus-Visionen die Jünger zu der irrigen Annahme geführt haben, dass Jesus von den Toten auferstanden war? Lesen Sie dazu meinen Artikel Jesusvisionen: Eine kritische Bewertung von Gerd Lüdemanns Halluzinationshypothese. Ich halte die Visionshypothese für sehr zweifelhaft. Wie N.T. Wright in seinem Buch klarstellt: In der Antike waren Visionen eines Verstorbenen kein Beweis dafür, dass diese Person lebte, sondern dass sie tot war!

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/resurrections-prior-to-the-worlds-end

ENDANSWER

- William Lane Craig