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Hasker über göttliches Wissen

Summary

William Hasker hat einflussreiche Argumente gegen göttliches Vorauswissen und mittleres Wissen präsentiert. Ich argumentiere, dass seine Einwände verfehlt sind. In Bezug auf göttliches Vorauswissen ergeben sich drei zentrale Themen: temporale Notwendigkeit, Fähigkeitsimplikationsprinzipien [1] und das Wesen der Willensfreiheit. In jedem dieser Fälle ist Haskers Analyse fehlerhaft. In Bezug auf göttliches mittleres Wissen präsentiert Hasker vier Einwände bezüglich der Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit. Gegen Hasker argumentiere ich, dass solche Propositionen auf Sachverhalten gründen, die logisch vor ihrer vollständigen Instanziierung zur aktualen Welt gehören, und dass sie kontingent wahr oder falsch sind.

Quelle: „Hasker on Divine Knowledge“, Philosophical Studies 67 (1992): 57-78.

Einleitung

Das positivste Merkmal in William Haskers kürzlich erschienener Veröffentlichung God, Time, and Knowledge ist, wie mir scheint, die Fokussierung der umfassenden Diskussion über die verschiedenen Fragen, die über das Problem des göttlichen Vorauswissens und zukünftiger Kontingenzen aufgeworfen werden, auf einige wenige zentrale Fragen. In diesem Paper werde ich argumentieren, dass der Vertreter des göttlichen Vorauswissens zukünftiger Kontingenzen seine Position zu diesen Fragen erfolgreich gegen Haskers Angriffe verteidigt hat.

I. Theologischer Fatalismus

In dem Disput über das Argument für theologischen Fatalismus – Notwendigerweise gilt: Gott hat immer angenommen, dass p; wenn Gott immer angenommen hat, dass p, dann gilt notwendigerweise p; also gilt notwendigerweise p – isoliert Hasker drei zentrale Fragen, welche die Disputanten trennen: temporale Notwendigkeit, Fähigkeitsimplikationsprinzipien und das Wesen der Willensfreiheit. Untersuchen wir jede dieser Fragen.

Frage 1: Temporale Notwendigkeit

Der Schlüssel in dem Argument für theologischen Fatalismus ist die Behauptung, dass Gottes vergangene Überzeugung durch eine Art temporale Notwendigkeit gekennzeichnet ist, die ihn kontrafaktisch durch zukünftige Ereignisse unantastbar macht. Da der Ockhamist und der Molinist behaupten, dass dies nicht der Fall ist – dass es in meiner Fähigkeit liegt, so zu handeln, dass Gottes Überzeugung, falls ich so handeln würde, anders gewesen wäre, als sie es tatsächlich war –, obliegt es dem theologischen Fatalisten, zu zeigen, dass eine solche Position nicht möglich ist, das heißt er muss zeigen, dass warum Gottes vergangene Überzeugung als eine „harte“ und nicht als eine „weiche“ Tatsache zu kategorisieren ist.

Haskers Vorgehensweise besteht darin, den Unterschied zwischen harten und weichen Tatsachen durch eine Reihe von Schritten zu explizieren. Zuerst expliziert er den Begriff einer unmittelbaren oder zukunftsindifferenten Proposition:

H1: Eine elementare Proposition ist dann und nur dann zukunftsindifferent, wenn sie konzeptuell damit vereinbar , wenn ,ist, dass es nach der Gegenwart keine Zeiten gibt, und auch damit, dass es nach der Gegenwart Zeiten gibt.

Als nächstes expliziert er den Begriff einer „harten Tatsache“, indem er behauptet:

H5: Jede zukunftsindifferente Proposition, die wahr ist, ist eine harte Tatsache.

„Kein Argument wird für (H5) angeführt“, sagt er, „denn diejenigen, die harte und weiche Tatsachen erörtern, gehen allgemein davon aus, dass wahre Propositionen, die ‚wirklich die Vergangenheit betreffen‘, solcher Art sind, dass niemand bewirken kann, dass sie falsch sind.“ [2] Doch Haskers Vorgehensweise ist hier allzu voreilig. Denn Plantinga hat gezeigt, dass die Zukunftsindifferenz einer Tatsache nach ockhamistischen Prinzipien keine Garantie dafür ist, dass es sich um eine harte Tatsache handelt, [3] und ich habe an anderer Stelle Beispiele zukunftsindifferenter Tatsachen angeführt, die in unterschiedlichen Kontexten plausibel als weiche Tatsachen betrachtet werden. [4] Somit ist (H5) einfach nicht akzeptabel, und da Hasker kein Argument dafür gibt, steht es uns frei, sie kurzerhand abzulehnen. [5]

Doch selbst wenn wir (H5) akzeptieren würde, ist Gottes vergangene Überzeugung prima facie nicht zukunftsindifferent und somit keine harte Tatsache. Hasker versucht dieser Konsequenz zu entgehen, indem er „Gott“ in „Gott hat immer angenommen, dass p“ durch den Namen „Jahwe“ ersetzt. Als nicht-konnotativer Eigenname hat „Jahwe“ keine Konnotationen der Unfehlbarkeit wie „Gott“, sodass „Jahwe hat immer angenommen, dass p“ zukunftsindifferent ist und somit eine harte Tatsache ausdrückt. Doch ein solches Argument ist offensichtlich nicht überzeugend. Denn Hasker geht davon aus, dass Eigennamen nicht-konnotativ sind. Auffassungen, nach denen Eigennamen einen fregeschen Sinn haben, werden von ihm nicht einmal erwähnt, geschweige denn widerlegt. Nach einer solchen Auffassung kann jemand aus begrifflicher Unkenntnis übersehen, dass der Satz „Jahwe hat immer angenommen, dass p“ die Proposition „Gott hat immer angenommen, dass p“ ausdrückt. [6] Solange Hasker keine Widerlegung solcher alternativen Theorien über Eigennamen bietet, ist sein Argument unwirksam. Doch selbst wenn „Jahwe“, zweitens, ein nicht-konnotativer Eigenname wäre, welche Relevanz hätte dies für die Frage, ob „Jahwe hat immer angenommen, dass p“ eine harte oder eine weiche Tatsache ausdrückt? Denn nach Theorien der direkten Referenz bezeichnet „Jahwe“ dasselbe Individuum wie „Gott“ und die beiden Sätze drücken dieselbe singulare Proposition aus: Wenn der Referent p annimmt, dann ist p wahr. Wichtig ist hier der Referent, nicht das Mittel zur Festlegung der Referenz.

Deshalb erscheint mir Haskers Analyse der temporalen Notwendigkeit überhaupt nicht zwingend, und es wurde keine Inkohärenz in der ockhamistischen/molinistischen Position aufgezeigt.

Frage 2: Fähigkeitsimplikationsprinzipien

Hasker unterscheidet den Begriff „herbeiführen, dass“ von jeder Art der kausalen Relation oder rein kontrafaktischer Abhängigkeit. „Der Kerngedanke in dem Begriff ‚herbeiführen‘ ist, dass etwas als Konsequenz dessen, was ein Akteur tut, der Fall ist…“ [7] Die Fähigkeit, „herbeizuführen, dass“ liegt irgendwo zwischen kontrafaktischer und kausaler Fähigkeit.

Nun will Hasker auf der Grundlage seines Fähigkeitsimplikationsprinzips

PEP5: Wenn S' die Fähigkeit hat, herbeizuführen, dass P, und aus „P“ „Q“ folgt und „Q“ falsch ist, dann hat S' die Fähigkeit, herbeizuführen, dass Q,

argumentieren, dass aus der ockhamistischen Lösung für den theologischen Fatalismus

1. Es liegt in der Fähigkeit von S, so zu handeln, dass Gott, wenn S so handeln sollte, nicht angenommen hätte, dass p,

die Behauptung folgt, dass S' die Fähigkeit hat, die Vergangenheit herbeizuführen. Konkreter gesagt, folgt aus der Fähigkeit von S', etwas anderes zu tun, als das, wovon Gott vorausweiß, dass S' es tun wird, die Fähigkeit von S', Gottes vergangene Überzeugung herbeizuführen.

Die Frage ist hier, ob (PEP5) wahr ist. Das bezweifle ich. Denken Sie an Thomas Flints Einwand, dass die Fähigkeit von S' zu P kausal sein könnte, seine Fähigkeit zu Q aber nur kontrafaktisch:

Wenn zwei Propositionen logisch äquivalent sind und ich die Fähigkeit über die Wahrheit von einer von ihnen habe (d. h. ihre Wahrheit liegt an mir), dann scheint klar zu sein, dass die Wahrheit der anderen Proposition auch in meiner Fähigkeit liegt; was nicht klar zu sein scheint, ist, dass ich in demselben Sinne von „Fähigkeit“ die Fähigkeit über die zweite wie über die erste haben muss. Angenommen, ich habe kausale Fähigkeit über die Wahrheit zweier logisch äquivalenter Propositionen; genügt es dann nicht, dass ich kontrafaktische Fähigkeit über die andere habe? Genügt es nicht, wenn ich sage, dass jede von ihnen solcher Art ist, dass ihre Wahrheit an mir liegt? [8]

Wenn Flint recht hat, dann „liegt es an mir“, was Gott über irgendein freies Handeln von mir annimmt, aber ich habe nicht die Fähigkeit, Gottes vergangene Überzeugung über dieses Handeln herbeizuführen. Hasker erwidert: „Einerseits muss die Fähigkeit, etwas herbeizuführen, keine kausale Fähigkeit sein; andererseits ist die kontrafaktische Abhängigkeitsrelation (und somit auch die ‚kontrafaktische Fähigkeit‘) nicht ‚ausreichend, damit ich sagen kann, dass jede von ihnen solcher Art ist, dass ihre Wahrheit an mir liegt.‘“ [9] Diese Erwiderung geht an Flints Punkt vorbei. Wir mögen zustimmen, dass „herbeiführen“ keine kausale Fähigkeit impliziert und dass meine kontrafaktische Fähigkeit über irgendetwas nicht impliziert, dass diese Sache an mir liegt. Flints Punkt ist, dass der zusammengesetzte Sachverhalt von „S' hat die Fähigkeit, herbeizuführen, dass P“ und „es ist der Fall, dass PQ impliziert, dass Q“ an S liegt, obwohl S nicht herbeiführen kann, dass Q. Dementsprechend würde Flint genauso wenig Folgendes akzeptieren:

PEP5*: Wenn es in der Fähigkeit von S' liegt, herbeizuführen, dass P, und aus „P„Q“ folgtund „Q“ falsch ist, dann liegt es an S, ob es der Fall ist, dass Q.

Hasker kann also nicht zeigen, warum die Fähigkeit „herbeizuführen, dass“ unter logischer Konsequenz geschlossen ist.

Zweitens lassen sich Gegenbeispiele zu (PEP5) nennen, auch wenn hier nicht der Raum ist, diese Gegenbeispiele zu erörtern. [10] Doch selbst wenn wir (PEP5) einräumen, hängt die Frage, ob sie schädliche Konsequenzen für göttliches Vorauswissen hat, davon ab, wie wir Frage drei beurteilen.

Frage 3: Das Wesen der Willensfreiheit

Hasker argumentiert, dass der Ockhamist, um einen theologischen Fatalismus zu vermeiden, behaupten muss, dass man die Fähigkeit hat, die Vergangenheit herbeizuführen, schlimmer noch, „die Fähigkeit, vergangene Ereignisse herbeizuführen, die nicht geschehen sind.“ [11] Hasker ist bereit, um des Arguments willen die Fähigkeit einzuräumen, aktuale vergangene Ereignisse herbeizuführen, doch „was erklärt werden muss, aber nicht erklärt wurde, ist, wie es möglich ist, dass Gott eine gewisse Sache immer geglaubt hat und es doch in jemandes Fähigkeit liegt, herbeizuführen, dass Gott diese Sache nicht immer geglaubt hat.“ [12] Hasker denkt, dass der Ockhamist behaupten muss: S hat die Fähigkeit, herbeizuführen, dass während es zum Zeitpunkt t1 wahr war, dass Gott immer p angenommen hatte, es zu Zeitpunkt t2 nicht mehr wahr ist, dass Gott immer S angenommen hatte. So muss S also die Fähigkeit haben, die vergangene Tatsache, dass Gott p annahm, zu eliminieren, was die Fähigkeit bedeutet, die Vergangenheit zu ändern – eine offenkundige Absurdität.

Hasker nimmt zur Kenntnis, dass Ockhamisten dagegen protestieren, eine solche Fähigkeit zu behaupten, und diese Tatsache, die ihn irritiert, veranlasst Hasker zu dem Schluss, dass Ockhamisten ein anderes Verständnis von Fähigkeit und Freiheit haben als nach der Standardanalyse der libertären Freiheit. Wenn Hasker von Fähigkeit spricht, handelt es sich

bei der fraglichen Fähigkeit um die Fähigkeit, unter gegebenen Umständen eine bestimmte Tat auszuführen, und nicht um eine allgemeine Fähigkeit, Handlungen einer bestimmten Art auszuführen… Allgemein ausgedrückt: Wenn es in der Fähigkeit von N' liegt, zum Zeitpunkt T Handlung A auszuführen, dann gibt es in den Umständen nichts,18 was zum Zeitpunkt T gilt, das verhindert oder ausschließt, dass N' zum Zeitpunkt T Handlung A ausführt.

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18 Man wird sich erinnern, dass die Umstände, die zum Zeitpunkt T gelten, alle harten Tatsachen in Bezug auf T und nur diese umfassen. [13]

In diesem Sinn liegt es nicht in jemandes Fähigkeit, anders zu handeln, als Gott es vorauswusste. In einem anderen Sinn, im Sinne allgemeiner Fähigkeiten, „kann ich durchaus eine Fähigkeit haben … etwas zu tun, obwohl es entweder logisch oder kausal unmöglich ist, dass ich die Fähigkeit unter den Umständen, die zu einem bestimmten Zeitpunkt gelten, ausübe.“ [14] Doch das Problem bei diesem Verständnis von Fähigkeit ist, wie er argumentiert, dass es für libertäre Willensfreiheit nicht ausreicht. In diesem Sinn von Fähigkeit

. . . kann Petrus die Fähigkeit haben, Sünden zu unterlassen, obwohl es logisch unmöglich ist, dass er diese Fähigkeit unter den bestehenden Umständen ausübt. Doch wenn man nur in diesem Sinn die „Fähigkeit hat, anders zu handeln“ – in dem Sinn, dass das Haben der Fähigkeit nicht garantiert, dass es möglich ist, die Fähigkeit zu gebrauchen –, dann ist die zentrale Idee des Libertarismus verlorengegangen. Wieder sehen wir, dass der Kompatibilist in der Frage des Vorauswissens den libertären freien Willen nicht konsistent bekräftigen kann. [15]

Es ist bemerkenswert, wie klar das Echo von Richard Taylors Fatalismus in diesen Abschnitten nachhallt. [16] Haskers Analyse, wie der Ausdruck „in jemandes Fähigkeit“ zu verstehen ist – Taylor klagt, dass seine Kritiker dies nie verstanden haben – ist buchstäblich mit der von Taylor identisch und weist somit dieselben Mängel auf.

Der beste Ansatz, an dieses Problem heranzugehen, besteht darin, einige hilfreiche Unterscheidungen zu treffen, die den mittelalterlichen Diskutanten dieser Frage sehr vertraut waren. Da ist vor allem die Unterscheidung zwischen dem sensus compositus und dem sensus divisus einer Proposition. Haskers Versäumnis, diese Bedeutungen zu unterscheiden, führt ihn ins Durcheinander. Nehmen Sie beispielsweise das Problem der Unveränderlichkeit der Vergangenheit und der Zukunft. Hasker versucht zu erklären, dass die Unveränderlichkeit der Vergangenheit keine bloße Tautologie und die Veränderlichkeit der Zukunft kein Selbstwiderspruch ist, weil die Vergangenheit eine konkrete Gesamtheit ist, die besteht, während die Zukunft ein Bereich bloßer Möglichkeiten ist. [17] Diese Bekräftigung einer A-Theorie der Zeit bringt jedoch keinerlei Klarheit für die aufgeworfenen logischen Fragen. Betrachten Sie jedoch unter Anwendung der oben genannten mittelalterlichen Unterscheidung die Proposition:

2. Es kann sein, dass ein zukünftiges Ereignis nicht geschieht.

Im sensus divisus bedeutet (2)

3. Möglicherweise wird ein Ereignis, das zukünftig ist, nicht geschehen,

und ist wahr, wenn das Ereignis kontingent ist. Doch im sensus compositus bedeutet (2)

4. Möglicherweise wird ein zukünftiges Ereignis nicht geschehen,

was notwendigerweise falsch ist. Bei dem missverständlichen Ausdruck „die Zukunft ändern“ geht es also eigentlich darum, ob man die Fähigkeit hat, ein zukünftiges Ereignis im sensus divisus zu verhindern. Man kann das Ereignis verhindern, aber würde man dies tun, dann wäre es kein zukünftiges Ereignis. Indem man sagt, dass man ein zukünftiges Ereignis nicht im sensus compositus verhindern kann, behauptet man nur, dass man nicht herbeiführen kann, dass das Ereignis sowohl geschehen als auch nicht geschehen wird – wohl kaum eine Einschränkung der menschlichen Freiheit! Betrachten Sie nun:

5. Es kann sein, dass ein vergangenes Ereignis nicht geschehen ist.

Im sensus compositus, bedeutet (5):

6. Möglicherweise ist ein Ereignis, das vergangen ist, nicht geschehen,

was ein Selbstwiderspruch ist. Im sensus divisus bedeutet (5):

7. Möglicherweise ist ein vergangenes Ereignis nicht geschehen.

Es geht eindeutig um diese letztere Bedeutung, wenn Hasker die Frage nach der „Fähigkeit, vergangene Ereignisse herbeizuführen, die nicht geschehen sind“ aufwirft – sonst wäre dieser Ausdruck so widersprüchlich wie „eckige Kreise“. Die sogenannte Unveränderlichkeit der Vergangenheit im sensus compositus bedeutet nicht mehr als die logische Unmöglichkeit, herbeizuführen, dass ein Ereignis sowohl geschehen als auch nicht geschehen ist. Diese triviale Bedeutung ist für Überlegungen zu Fähigkeit und Freiheit irrelevant. Die wirklich interessante Frage ist, ob es in unserer Fähigkeit liegt, ein vergangenes Ereignis im sensus divisus zu postvenieren. In einem solchen Falle kann man herbeiführen, dass ein Ereignis, das vergangen ist, nicht geschah, doch würde man dies tun, dann wäre es kein vergangenes Ereignis gewesen.

Insofern, als eine solche Postvention der Vergangenheit von einer Retro-Kausalität abhängt, können wir gewiss Hasker zustimmen, dass Gesichtspunkte der Zeit und des objektiven Werdens eine kausale Postvention der Vergangenheit ausschließen. Hasker scheint aber vergessen zu haben, dass die Relation des „Herbeiführens“ nicht-kausal ist. In diesem schwachen Sinn von „herbeiführen“ haben wir nach (PEP5) tatsächlich Macht über die Vergangenheit, denn wie Freddoso gezeigt hat, führen wir die vergangene Wahrheit von futurischen Propositionen herbei, indem wir die Wahrheit von Gegenwarts-Propositionen herbeiführen, aus denen sie folgen. [18] Es war Taylors Versäumnis, diese Macht über die Vergangenheit im sensus divisus zu unterscheiden, das sich für seinen Fatalismus als fatal erwies.

Doch gibt es im theologischen Fatalismus nicht einen ähnlich fatalen Fehler? Betrachten Sie:

8. Es kann sein, dass ein von Gott vorausgewusstes Ereignis nicht geschieht.

Im sensus compositus bedeutet dies

9. Möglicherweise wird ein Ereignis, das Gott vorausweiß, nicht geschehen,

was selbst-widersprüchlich ist. Doch im sensus divisus bedeutet (8)

10. Möglicherweise wird ein von Gott vorausgewusstes Ereignis nicht geschehen,

was wahr sein kann. Meine Fähigkeit, das Ereignis zu verhindern, ist also nicht die Fähigkeit, den selbst-widersprüchlichen Sachverhalt herbeizuführen, dass Gott das Ereignis vorauswusste und das Ereignis nicht geschieht. Es ist die Fähigkeit, das Ereignis zu verhindern, die Gott vorausweiß, und würde ich dies tun, dann hätte Gott es nicht vorausgewusst.

Geht man von (PEP5) aus, impliziert das oben Gesagte, dass es in jemandes Fähigkeit liegt, herbeizuführen, dass die Vergangenheit anders wäre als sie ist, indem man herbeiführen kann, dass Gott etwas anderes annehmen würde, als er es tut. Das ist nicht die Fähigkeit, vergangene Ereignisse im sensus compositus zu ändern oder zu eliminieren, was absurd ist, sondern die Fähigkeit, herbeizuführen, dass die Vergangenheit anders gewesen wäre. Denn indem man jetzt anders handelt, führt man die Wahrheit anderer Gegenwartspropositionen und indirekt die vergangene Wahrheit anderer futurischer Propositionen herbei. Da Gott essentiell allwissend ist, führt man somit indirekt herbei, dass er andere Propositionen annahm, als er es tut. Was ist dagegen einzuwenden?

Hasker würde erwidern, dass es unter diesen Umständen nicht in meiner Fähigkeit liegt, jetzt anders zu handeln. Doch der Fehlschluss in dieser Erwiderung wird durch eine zweite, mit der ersten eng verbundenen Unterscheidung erkennbar, welche die mittelalterlichen Diskutanten trafen, die Unterscheidung zwischen necessitas consequentiae und necessitas consequentis oder zwischen der Notwendigkeit einer hypothetischen Inferenz und der Notwendigkeit des Sukzedens‘ des Hypothetischen. So bedeutet die Proposition

11. Wenn Gott vorauswusste, dass Petrus sündigen würde, dann kann es nicht ausbleiben, dass Petrus sündigt,

richtig verstanden

12. Notwendigerweise gilt: Wenn Gott vorauswusste, dass Petrus sündigen würde, dann bleibt es nicht aus, dass Petrus sündigt.

Hasker wird durch (11) dazu verleitet, eine necessitas consequentis zu behaupten, die er als Verkürzung der persönlichen Fähigkeit von Petrus interpretiert. Was unmöglich ist, ist jedoch nicht Petrus‘ Unterlassen der Sünde, sondern der zusammengesetzte Sachverhalt des göttlichen Vorauswissens von Petrus‘ Sünde und des Unterlassens von Petrus. Das heißt, die Proposition:

13. Petrus kann die Sünde unterlassen, von der Gott vorauswusste, dass er sie begehen würde

ist im sensus compositus falsch, aber im sensus divisus wahr.

Die Wahrheit von (13) im sensus divisus impliziert natürlich, dass hier – da der zusammengesetzte Sachverhalt unmöglich ist – insofern ein rückwärtsgerichtetes Kontrafaktual angebracht ist, als Petrus‘ Fähigkeit der Unterlassung impliziert, dass die Umstände (Gottes Vorauswissen) anders gewesen wären, wenn er Abstand nehmen würde. Ein solches Kontrafaktual ist gerechtfertigt, da es keine möglichen Welten gibt, in denen Gott irrt. Hasker wird natürlich – wie uns die Fußnote in dem oben angeführten Zitat zeigt – darauf beharren, dass die Umstände, von denen er spricht, ausschließlich harte Tatsachen enthalten, sodass die ockhamistische Lösung zwar für den logischen Fatalismus funktioniert, aber für den theologischen Fatalismus scheitert. Doch eine solche Erwiderung wirft uns einfach auf die Frage zurück, ob Gottes vergangene Überzeugung eine harte Tatsache ist, und wir haben gesehen, dass Haskers inadäquate Analyse dieses Ausdrucks kein überzeugendes Argument gegen die ockhamistische Position gebracht hat.

Kurz: Der Ockhamist operiert keineswegs mit einem nicht-libertären Verständnis von Fähigkeit oder Freiheit. Sobald die richtigen Unterscheidungen getroffen sind, sehen wir, dass Hasker in keiner Weise gezeigt hat, dass man nicht die Fähigkeit hat, herbeizuführen, dass Gott anderes angenommen hätte, als er es getan hat.

II. Mittleres Wissen

Die Lehre des mittleren Wissens spielt bei Diskussionen über göttliches Vorauswissen, göttliche Vorsehung und Prädestination eine fundamentale Rolle. Hasker erhebt jedoch vier Einwände gegen die Lehre des mittleren Wissens:[19]  (i) Was, wenn überhaupt etwas, ist der Grund für die Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit? (ii) Entscheidende Kontrafaktuale der Freiheit sind, wenn sie überhaupt wahr sind, notwendigerweise wahr, was inkohärent ist. (iii) Kontrafaktuale der Freiheit können Gottes Erschaffung der Welt nicht leiten, denn nur durch die Entscheidung, welche Welt er erschaffen würde, bestimmt Gott, welche Welt aktual ist und welche Kontrafaktuale deshalb wahr sind. (iv) Die Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit wird durch den entsprechenden Akteur entweder herbeigeführt oder nicht herbeigeführt. Aber sie kann nicht durch den Akteur herbeigeführt werden; und wenn sie nicht durch den Akteur herbeigeführt werden kann, dann wird die Freiheit des Akteurs umgangen. Somit gibt es keine wahren Kontrafaktuale der Freiheit. Betrachten wir nun jeden dieser Einwände.

Einwand (i)

Hasker will wissen, was Kontrafaktuale der Freiheit wahr macht. So formuliert, ist dies kaum ein Einwand; es ist einfach eine Frage, die zu weiteren philosophischen Nachforschungen veranlassen sollte. Das Nicht-Wissen einer Antwort auf die Frage bedeutet nicht, dass der Standpunkt inkohärent ist. Die Antwort scheint mir jedenfalls zu sein, dass Kontrafaktuale der Freiheit durch das wahr sind, was jede nicht-wahrheitsfunktionale Proposition wahr macht, nämlich Korrespondenz. Tarskis T-Schema der Wahrheit – Tp º p – gilt für Kontrafaktuale genauso wie für jede atomische Proposition. Die Proposition „Wenn ich reich wäre, würde ich einen Mercedes kaufen“ ist, wenn sie wahr ist, aufgrund der Tatsache wahr, dass ich einen Mercedes kaufen würde, wenn ich reich wäre. Wahre Kontrafaktuale entsprechen der Realität und sind deshalb wahr; falsche Kontrafaktuale entsprechen der Realität nicht und sind deshalb falsch.

Es könnte natürlich gesagt werden, dass diese Antwort die Frage nur um eine Stufe zurückversetzt: Jetzt müssen wir fragen, was bewirkt, dass bestimmte kontrafaktische Sachverhalte gelten. Hasker sagt:

Damit ein (kontingenter) konditionaler Sachverhalt gilt, muss seine Gültigkeit in einem kategorischen Sachverhalt begründet sein. Allgemeinverständlicher ausgedrückt, muss eine Wahrheit über das, „was der Fall wäre, wenn…“ in einer Wahrheit darüber begründet sein, was tatsächlich der Fall ist. [20]

Zum Beispiel: „…die Wahrheit kausaler Konditionalsätze und der damit verbundenen Kontrafaktuale sind [sic] begründet in den Naturen, kausalen Kräften, inhärenten Neigungen und dergleichen mehr der natürlichen Entitäten, die in ihnen beschrieben werden.“ [21]

Haskers Prinzip ist in dieser Formulierung eindeutig falsch, denn wir können Kontrafaktuale darüber haben, wie die Welt wäre, wenn andere Naturgesetze oder Grenzbedingungen gelten würden. Zum Beispiel:

14. Würde sich ein Meterstab durch den Äther bewegen, würde er eine Lorentz-Kontraktion erfahren.

Dieses Kontrafaktual ist wahr, aber nicht durch das, was tatsächlich der Fall ist, da der klassische Äther nicht existiert. Man könnte sagen, dass der kategorische Sachverhalt, der ihn zum Teil begründet, der folgende Sachverhalt ist:

15. Der Äther hat die Eigenschaft der Bewegungslosigkeit.

Das Problem ist jedoch, dass (15) in Wirklichkeit falsch ist, da es keinen Äther gibt und nur mögliche Objekte weder existieren, noch Eigenschaften haben. Wahr ist vielmehr:

15'. Würde der Äther existieren, hätte er die Eigenschaft der Bewegungslosigkeit.

Doch (15') ist selbst ein kontrafaktischer Sachverhalt, sodass ein kontrafaktischer Sachverhalt durch einen anderen begründet wird.

Vielleicht würde Hasker sein Prinzip jedoch nur abändern, sodass ein kontrafaktischer Sachverhalt letztlich auf dem individuellen Wesen der Dinge beruhen muss, auf welche die kontrafaktische Proposition verweist. Da das Wesen der „Ätherhaftigkeit“ die Eigenschaft der Bewegungslosigkeit einschließt, ist (15') wahr, und weil (15') wahr ist, ist (14) wahr. Doch auch hier sind Kontrafaktuale aus der natürlichen Welt denkbar, für welche dies nicht der Fall zu sein scheint. Denken Sie etwa an das Einstein-Podolsky-Rosen-Gedankenexperiment mit Zwillingsphotonen, die sich in entgegengesetzte Richtungen bewegen. Wenn wir den Impuls von Photon 1 messen, dann muss Photon 2 denselben Impuls haben, auch wenn keine Messung dazu vorgenommen wird. Doch wir hätten genauso gut die Position von Photon 1 messen können, und dann hätte Photon 2 eine präzise Position gehabt. Photon 2 muss also simultan sowohl eine Position als auch einen Impuls haben. Zu beachten ist, dass kontrafaktische Logik eine Schlüsselrolle in diesem Argument hat. Da die Quantenphysik uns verbietet, sowohl den Impuls als auch die Position von Photon 1 simultan zu messen, erlaubt uns die Physik nur die folgende Behauptung:

16. Da die Impulsmessung von Photon 1 einen bestimmten Wert ergibt, hat Photon 2 einen ähnlichen Wert.

Oder:

17. Da die Messung der Position von Photon 1 einen bestimmten Wert ergibt, hat Photon 2 einen ähnlichen Wert.

Doch das Gedankenexperiment verlangt, dass wir sagen: Wenn beispielsweise (16) wahr ist, dann ist auch wahr:

18. Hätten wir stattdessen entschieden, die Position von Photon 1 zu messen, dann hätte Photon 2 einen bestimmten Wert für seine Position gehabt.

Den meisten Denkern erscheint (18) intuitiv offensichtlich, doch man sucht vergeblich nach irgendetwas im Wesen von Quantengrößen, um es zu begründen. Nun mag es ein Irrtum von Einstein, Podolsky und Rosen gewesen sein, (18) anzunehmen; vielleicht ist (18) falsch. Aber sie ist gewiss nicht offensichtlich falsch, und die drei Wissenschaftler können wohl kaum als unvernünftig oder ihr Standpunkt als inkohärent bezeichnet werden, weil sie dies annahmen. Genauso kann von dem, der die Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit akzeptiert, kaum gesagt werden, dass er eine Inkohärenz annimmt.

Und woher wissen wir, dass Kontrafaktuale der Freiheit das Prinzip von Hasker nicht erfüllen? Plantinga hat die Möglichkeit einer transweltlichen Verderbtheit verteidigt – dass jede geschöpfliche Essenz solcher Art ist, dass ihre Exemplifikation, wenn sie exemplifiziert würde, moralisch Böses begangen hätte. [22] In jüngerer Zeit hat Kvanvig argumentiert, dass geschöpfliche Essenzen alle relevanten Kontrafaktuale der Freiheit darüber enthalten, was ihre Exemplifikationen in beliebigen Umständen tun würden. [23] Nach solchen Auffassungen sind Kontrafaktuale geschöpflicher Freiheit in den relevanten individuellen Essenzen der Akteure begründet, auf welche die Propositionen verweisen. Gegen Kvanvig wendet Hasker ein: „Doch das ist für die Theorie fatal. Kein Individuum wählt – oder ist verantwortlich für – das, was in der Essenz dieses Individuums enthalten ist.“ [24] Doch dieser Einwand sagt nichts gegen eine Auffassung wie die von Plantinga, nach der geschöpfliche Essenzen Eigenschaften haben, zu denen Kontrafaktuale kontingent gehören; und Kvanvig könnte den Einwand vermeiden, indem er die kontrafaktischen Eigenschaften welt-indexiert macht. Wenn geschöpfliche Essenzen kontrafaktische Eigenschaften besitzen, dann könnte behauptet werden, dass Kontrafaktuale geschöpflicher Freiheit in individuellen geschöpflichen Essenzen begründet sind.

Natürlich könnte man immer noch fragen, warum individuelle geschöpfliche Essenzen die kontrafaktischen Eigenschaften haben, die sie haben. Doch warum sollte man denken, dass volitionale kontrafaktische Eigenschaften oder Sachverhalte überhaupt in ihren relevanten kategorischen Entsprechungen begründet sein müssen? Vielleicht charakterisiert dies nur kausale kontrafaktische Sachverhalte am besten. Die Forderung nach einer Begründung für volitionale kontrafaktische Sachverhalte scheint verfehlt. Sie setzt implizit voraus, dass der Libertarismus und die Akteur-Kausalität falsche Lehren sind. Um den Punkt zu verstehen, betrachten Sie die libertäre Behauptung „Jones wählt aus freien Stücken x.“ Würde ein Kompatibilist fragen, was diese Proposition wahr macht, könnte der Libertarier durchaus antworten, dass nichts sie wahr macht, dass sie einfach aufgrund der Tatsache wahr ist, dass Jones aus freien Stücken x wählt. Doch angenommen der Kompatibilist ist beharrlich und fragt weiter, warum dieser Sachverhalt gilt. Wenn die Wahl von Jones nicht determiniert war, warum galt nicht irgendein anderer Sachverhalt, etwa, dass Jones aus freien Stücken y wählt? Der Libertarier wird antworten, dass der Kompatibilist den entscheidenden Punkt nicht verstanden hat. Jones selbst ist die Ursache seiner Wahl, und es gibt sonst nichts, durch das es der Fall ist, dass Jones aus freien Stücken x wählte; danach zu fragen bedeutet, implizit genau die Freiheit zu leugnen, die der Libertarier voraussetzt. Doch in derselben Weise ist die Proposition „Wäre Jones in den Umständen C, würde er aus freien Stücken x wählen“ aufgrund der Tatsache wahr, dass der kontrafaktische Sachverhalt gilt, den sie beschreibt. Die Frage: „Aber was bewirkt, dass Jones, wenn er in den Umständen C wäre, aus freien Stücken x wählen würde?“ verneint implizit Jones Freiheit. Es gibt keine weitere Begründung dafür, warum Jones aus freien Stücken x wählen würde, wenn er in den Umständen C wäre. Die Annahme, dass es so etwas geben muss, verneint die Hypothese des freien kausalen Handelns von Jones. Haskers Rückfrage ist also einfach verfehlt.

Einwand (ii)

Hasker stellt fest, dass Kontrafaktuale in Bezug auf eine Welt wahr oder falsch sind. Beim kontrafaktischen Diskurs soll man nach der Semantik möglicher Welten diejenige Sphäre möglicher Welten in Betracht ziehen, die der aktualen Welt am ähnlichsten ist, in welcher das Antezedens des Kontrafaktuals wahr ist. Besser noch: Alles, was man betrachten muss, sind die anfänglichen Weltsegmente solcher Welten bis zu dem Zeitpunkt, der in dem Kontrafaktual spezifiziert wird, da das, was nach diesem Zeitpunkt geschieht, für die Wahrheit des Kontrafaktuals kaum relevant sein kann. Wenn also das Sukzedens in allen solchen Weltsegmenten, die das Antezedens erlauben, wahr ist, dann ist das Kontrafaktual wahr. Hasker argumentiert aber, dass die Einschränkung „der aktualen Welt am ähnlichsten“ überflüssig wird, wenn das Antezedens maximal spezifiziert ist. Denn es gibt nur eine Sphäre möglicher Weltsegmente, die solche maximal spezifizierten Antezedenzien erlaubt. Ein Antezedens-erlaubendes Weltsegment könnte nicht irgendein Merkmal haben, das es der aktualen Welt mehr oder weniger ähnlich macht, weil alle solche Merkmale schon in dem maximal spezifizierten Antezedens berücksichtigt wurden. Doch dann wird es ungeachtet dessen, welche mögliche Welt man als Bezugspunkt wählt, diese selbe Sphäre der Welten sein, die dieser Welt am nächsten kommt. Wenn also ein Kontrafaktual wahr ist, ist es in allen Antezedens-erlaubenden Weltsegmenten wahr, unabhängig davon, welche mögliche Welt man als Bezugspunkt hat. Es gibt somit keine mögliche Welt, in der das Kontrafaktual falsch ist. Somit ist notwendigerweise wahr – was der Hypothese widerspricht –, dass es wahre Kontrafaktuale der Freiheit gibt.

Was dieser Einwand übersieht, ist, dass gemeinsame Kontrafaktuale selbst ein Maß für die Ähnlichkeit von Welten sind. [25] Wenn also ein Kontrafaktual in der aktualen Welt wahr ist, dann gibt es immer noch Antezedens-erlaubende Weltsegmente, die von der aktualen Welt weiter entfernt sind als die Sphäre von Antezedens-erlaubenden Weltsegmenten, in der das Sukzedens universal wahr ist, nämlich diejenigen Welten, in denen das Sukzedens falsch ist. Diese Welten können jedoch einer anderen möglichen Welt näher kommen; in dieser Welt ist also das Kontrafaktual wahr, das in der aktualen Welt falsch ist.

Hasker entgegnet, dass diese Antwort „von vornherein den Grund für die Einführung des Begriffs der vergleichenden Ähnlichkeit missachtet – nämlich den Grund … sicherzustellen, dass Kontrafaktuale in Welten bewertet werden, die der aktualen Welt in nicht-kontrafaktischer Hinsicht ausreichend ähnlich sind.“ [26] Doch wenn das die Motivation der Ähnlichkeitsrelation war, folgt daraus nur, dass die Motive derjenigen, die eine Semantik möglicher Welten für Kontrafaktuale entwarfen, vereitelt wurden. Doch wie Plantinga erklärt, folgt daraus weder, dass eine solche Semantik die Wahrheitsbedingungen für Kontrafaktuale nicht richtig spezifizieren kann, noch dass sie einen Zirkelschluss darstellt. [27]

Einwand (iii)

Welche Kontrafaktuale wahr sind, hängt davon ab, welche Antezedens-erlaubenden, anfänglichen Weltsegmente der aktualen Welt am ähnlichsten sind. Welche Welt jedoch aktual ist, fährt Hasker fort, hängt teilweise von Gottes Entscheidung darüber ab, was er erschaffen wird. Daher konnte Gott bei seiner Entscheidung, welche Welt er verwirklichen würde, nicht von der Wahrheit von Kontrafaktualen geschöpflicher Freiheit geleitet sein, da solche Propositionen nur als Konsequenz dessen wahr sind, welche Welt aktual ist.

Was dieser Einwand nicht berücksichtigt, ist, dass es parallel zu der logischen Sequenz in Gottes Wissen – natürliches Wissen, mittleres Wissen, freies Wissen – auch eine logische Sequenz in der Instanziierung der aktualen Welt gibt. In dem ersten logischen Moment des natürlichen Wissens Gottes gelten alle umfassend logisch notwendigen Sachverhalte bereits. In dem zweiten logischen Moment des mittleren Wissens Gottes ist die aktuale Welt sogar noch umfassender instanziiert als in dem ersten Moment. Denn nun gelten alle diejenigen Sachverhalte, die wahren Kontrafaktualen geschöpflicher Freiheit entsprechen. Es gilt zum Beispiel der Sachverhalt: Wäre Petrus in den Umständen C, würde er Jesus dreimal verleugnen. Dann kommt logisch der göttliche Schöpfungsbeschluss, und Gott verwirklicht aus freien Stücken alle verbleibenden Sachverhalte der aktualen Welt. In dem dritten logischen Moment besitzt Gott freies Wissen der aktualen Welt, die in ihrer ganzen Fülle (zeitlos gesprochen) exemplifiziert ist. Nur an diesem Punkt kann von der aktualen Welt als solcher gesagt werden, dass sie gilt.

Es ist daher irreführend zu sagen, dass die aktuale Welt vor dem göttlichen Schöpfungsbeschluss nicht simpliciter gilt, denn bestimmte Aspekte tun es und andere Aspekte tun es nicht. Und diejenigen Sachverhalte, die tatsächlich gelten, sind für die Wahrheit von Kontrafaktualen geschöpflicher Freiheit ausreichend, da letztere der bis dahin existierenden Realität entsprechen und da mögliche Welten nach ihrer Ähnlichkeit – nach dem Grad gemeinsamer Kontrafaktuale – zur bis dahin instanziierten aktualen Welt eingestuft werden können, sodass sie die Wahrheitsbedingungen für eine Mögliche-Welten-Analyse der Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit liefern. Sobald man berücksichtigt, dass es eine logische Sequenz in der Instanziierung der aktualen Welt gibt, genauso wie es sie in Gottes Wissen gibt, gehen Einwände gegen mittleres Wissen ins Leere, die darauf beruhen, dass Kontrafaktuale „zu spät“ wahr sind, um ein solches Wissen zu ermöglichen.

Hasker beklagt, dass wir bei einer solchen Antwort nicht in der Lage sind, die Tatsache zu erklären, dass diejenigen Kontrafaktuale geschöpflicher Freiheit wahr sind, die wahr sind. Doch das ist nur eine Wiederholung seines ersten Einwandes bezüglich der Wahrheit von Kontrafaktualen geschöpflicher Freiheit, was die Diskussion nicht weiterbringt.

Jedenfalls erscheinen mir Einwände gegen mittleres Wissen, die auf dessen vermeintlicher Unvereinbarkeit mit der Mögliche-Welten-Erklärung der Wahrheitsbedingungen von Kontrafaktualen beruhen, wenig beeindruckend. Diese Erklärung wurde ohne Berücksichtigung der besonderen Gegebenheiten entworfen, die sich aus dem Theismus (vergleiche die Art und Weise, in der ein anselmscher Gott unsere Intuitionen über allgemein logische Modalität durchkreuzt! [28]) oder dem mittleren Wissen ergeben. Die Erklärung ist für die Anliegen des Religionsphilosophen vielleicht einfach inadäquat. Ich denke, es ist sogar evident, dass die Mögliche-Welten-Semantik für kontrafaktische Konditionalsätze fehlerhaft ist, denn diese Erklärung kann Kontrafaktuale mit unmöglichen Antezedenzien nicht adäquat berücksichtigen. [29] Wenn der Kritiker des mittleren Wissens diese Lehre also widerlegen will, dann muss er wesentlich stärkere Argumente bringen als ihre vermeintliche Unvereinbarkeit mit gängigen semantischen Theorien.

Einwand (iv)

Das vierte Argument von Hasker enthält eine umständlich formulierte Illustration, [30] die, mit Haskers Zustimmung, glücklicherweise von Thomas Flint auf drei entscheidende Prämissen reduziert wurde: [31]

I. Wenn E herbeiführt, dass „Q“ wahr ist, dann ist E ein Token eines Ereignistyps T, sodass [(ein Token von T geschieht) Q] und [ ~ (ein Token von T geschieht) ~Q], und E das erste Token von T ist, das geschieht.

II. Kontrafaktuale der Freiheit sind fundamentalere Merkmale der Welt, als bestimmte Tatsachen es sind. (Somit sind Welten, die sich von der aktualen Welt in Bezug auf den faktischen Inhalt unterscheiden, ähnlicher als solche, die sich von ihr in Bezug auf Kontrafaktuale der Freiheit unterscheiden.)

III. Wenn S' die Fähigkeit hat, herbeizuführen, dass P, und aus „P“ „Q“ folgt und „Q“ falsch ist, dann hat S' die Fähigkeit, herbeizuführen, dass Q.

Auf der Grundlage dieser Prämissen argumentiert Hasker wie folgt: Es sei A B ein wahres Kontrafaktual der Freiheit über mich und A sei wahr. Nehmen wir an, dass ich die Wahrheit dieses Kontrafaktuals herbeiführen kann, indem ich die in B spezifizierte Handlung ausführe. Wenn Prämisse (I) stimmt, dann kann ich die Wahrheit von A B (d.h. Q) nur herbeiführen, wenn es zutrifft, dass A B falsch gewesen wäre (d. h. A B), wenn ich die in B (d. h. E) spezifizierte Handlung nicht ausgeführt hätte. Doch wenn (II) richtig ist, wird diese notwendige Bedingung nie erfüllt werden, weil die Welten, die der aktualen Welt am nächsten sind, immer Welten sein werden, in denen es zutrifft, dass A, und nicht Welten, in denen es zutrifft, dass A B. Also kann ich die Wahrheit von Kontrafaktualen der Freiheit nicht herbeiführen. Außerdem behauptet der Molinist: Aus A & B folgt A B. Wenn ich also nach (III) die Fähigkeit habe, herbeizuführen, dass A & B (d. h. P), dann habe ich auch die Fähigkeit, herbeizuführen, dass A B (d. h. Q). Doch da ich die Wahrheit von A B nicht herbeiführen kann, folgt daraus, dass ich nicht herbeiführen kann, dass A & B. Dies liegt nicht an meiner Unfähigkeit, A herbeizuführen, da A schon der Fall ist; also muss es so sein, dass es nicht in meiner Fähigkeit liegt, herbeizuführen, dass B. Da dies meine Freiheit beschneidet, müssen wir die ursprüngliche Annahme verneinen, dass es wahre Kontrafaktuale der Freiheit gibt.

Nun liegt es, denke ich, auf der Hand, dass die in (II) gezogene Schlussfolgerung ein non sequitur ist. In einer Hinsicht sind kontrafaktische Sachverhalte über geschöpfliche Freiheit fundamentaler als Sachverhalte über bestimmte Tatsachen; Erstere gelten nämlich schon logisch vor Gottes Schöpfungsbeschluss, während Letztere ihm logisch nachgeordnet sind. So ist also vor Gottes Beschluss der Fall, dass Petrus Christus dreimal verleugnen würde, wenn er in den Umständen C wäre; aber es ist nicht der Fall, dass Petrus ein galiläischer Fischer ist. (Dasselbe könnte auch von bestimmten kontrafaktischen Sachverhalten über natürliche Dinge gesagt werden. Freddoso würde zum Beispiel sagen, dass es logisch vor Gottes Beschluss der Fall ist, dass Wasser frieren würde, wenn es auf 0 °C gekühlt würde, aber es ist nicht der Fall, dass das meiste Wasser der Erde Salzwasser ist. [32]) Doch selbst wenn kontrafaktische Sachverhalte über geschöpfliche Freiheit also Sachverhalten über bestimmte Tatsachen logisch vorausgehen, sind sie deshalb nicht weniger kontingent, denn Geschöpfe könnten beschließen, anders zu handeln, und dann wären andere Kontrafaktuale geschöpflicher Freiheit wahr. „Fundamental“ im Sinne einer logischen Priorität in der Instanziierung der aktualen Welt hat also überhaupt nichts mit der Auflösung der Unbestimmtheit zwischen Welten zu tun, um zu bestimmen, welche Welten der aktualen Welt am ähnlichsten sind.

Warum sollte also der Verteidiger des mittleren Wissens verpflichtet sein, Kontrafaktuale der Freiheit auf Kosten der Naturgesetze zu bewahren, um zu bestimmen, welche Welten der aktualen Welt am ähnlichsten sind? Nehmen wir beispielsweise an, dass wahr ist, dass ich den Hörer abheben würde, wenn mein Telefon klingeln würde, und dass das Telefon tatsächlich klingelt. Welche Welt ist der aktualen Welt ähnlicher: eine, in der ich den Hörer nicht abhebe, wenn es klingelt, oder eine, in der ein fliegender rosa Elefant durch mein Bürofenster hereinplatzt und mein Telefon zertrümmert – wobei ich den Hörer abgehoben hätte, wenn es geklingelt hätte? Haskers (II) würde von uns verlangen zu sagen, dass die zweite dieser Welten der aktualen Welt ähnlicher ist. Doch es gibt in der Lehre vom mittleren Wissen nichts, was ihren Verteidiger zu einer so unsinnigen Supposition verpflichtet.

In seiner Antwort auf Flint argumentiert Hasker, dass der Molinist zu einer solchen These verpflichtet ist, weil Kontrafaktuale, die auf den Naturgesetzen basieren, lediglich „würde wahrscheinlich“-Konditionalsätze sind, während Kontrafaktuale der Freiheit Notwendigkeitskonditionalsätze sind. „Würde wahrscheinlich“-Konditionalsätze sind – nach Robert Adams, dessen Analyse Hasker zustimmt – Konditionalsätze, in denen das Sukzedens wahrscheinlich wäre, wenn die Bedingung gelten würde, die in dem Antezedens spezifiziert wird. In solchen Konditionalsätzen gibt es keine Garantie, dass, wenn das Antezedens gilt, dann auch das Sukzedens gilt. Im Gegensatz dazu gilt in Kontrafaktualen der Freiheit definitiv auch die Sukzedens-Bedingung, wenn die Antezedens-Bedingung gilt. Nun denkt Hasker offenbar, dass die moderne Physik bewiesen hat, dass alle fundamentalen Gesetze eher probabilistischen als deterministischen Charakter haben. Deshalb müssen Kontrafaktuale der Freiheit gewiss stärker gewichtet werden als durch Naturgesetze gestützte Kontrafaktuale, um die relative Ähnlichkeit möglicher Welten zu bestimmen.

Doch diese Antwort (ganz abgesehen von der falschen Behauptung, dass alle Naturgesetze eher probabilistisch als deterministisch sind [33]) ist in mehrfacher Hinsicht verfehlt: (1) Der Molinist ist in keiner Weise verpflichtet, Robert Adams‘ Analyse probabilistischer Kontrafaktuale zu akzeptieren. Ich sollte sogar sagen, dass Plantinga Adams in dieser Hinsicht überzeugend widerlegt hat, dass es der gesamte Konditionalsatz ist, der wahrscheinlich ist – Wahrscheinlich ( f y ) –, und nicht das Sukzedens allein, und dass Wahrscheinlichkeit nicht einen bestimmten Wert in einer breiten Reihe von Wahrheitswerten spezifiziert, sondern unser Maß an epistemischer Gewissheit darüber anzeigt, welche von zwei Wahrheitswerten die Proposition besitzt. [34] Doch von der Überlegenheit der Analyse Plantingas einmal abgesehen ist der Punkt, dass Hasker, wenn er mittleres Wissen widerlegen will, dies dadurch tun muss, dass er entweder irgendeine Inkohärenz der eigenen Annahmen des Molinismus aufzeigt oder aber diese Annahmen widerlegt. Aber er kann nicht einfach ohne Argument Analysen von Kontrafaktualen importieren, welche Molinisten ablehnen würden, und dann zeigen, dass das mittlere Wissen nach dieser Analyse scheitert. (2) Kontrafaktuale, die durch Naturgesetze gestützt werden, sind genauso wenig „Würde wahrscheinlich“-Konditionalsätze, wie Kontrafaktuale der Freiheit es sind. Die Bestimmtheit des Wahrheitswertes des Kontrafaktuals wird nicht durch die Determiniertheit der involvierten Kausalbeziehungen beeinflusst. Alethische Bivalenz ist einfach eine andere Kategorie als kausale Determiniertheit. Dies zeigt sich darin, dass einige Molinisten, wie Freddoso, sagen würden, dass selbst ein Kontrafaktual über kausal indeterminierte Ereignisse wie

19. Würde ein Photon zum Zeitpunkt t durch die Apertur gefeuert, würde es bei den Koordinaten > auf die Bildfläche treffen.

bivalent ist und, soweit wir wissen, wahr sein kann. [35] Ich denke, die Ursache für Haskers Verwirrung kann in seiner Verwechslung der Gewissheit einer Proposition und ihrer Definitivität liegen. [36] Definitivität bezieht sich darauf, dass die Proposition einen von zwei Wahrheitswerten besitzt; Gewissheit charakterisiert nicht die Proposition selbst, sondern unseren Grad der Überzeugung darüber, welchen Wahrheitswert sie hat. So kann (19) für uns völlig ungewiss, aber nichtsdestoweniger definitiv wahr sein. In dem Sinne, als (19) definitiv wahr ist, ist das Sukzedens nach dem Antezedens garantiert, unabhängig von der kausalen Indeterminiertheit. In Wirklichkeit gibt es so etwas wie „Würde wahrscheinlich“-Kontrafaktuale in Haskers Sinne nicht; es gibt bivalente Kontrafaktuale, von denen wir mit unterschiedlichen Graden der Wahrscheinlichkeit wissen, dass sie wahr oder falsch sind. (3) Selbst wenn Hasker recht hätte, kann ich immer noch nicht erkennen, inwiefern dies für die Auflösung der Unbestimmtheit zwischen möglichen Welt relevant ist. Inwiefern folgt aus seiner Analyse, dass eine Welt, in der ich den Hörer nicht abhebe, wenn mein Telefon klingelt, der aktualen Welt weniger ähnlich ist als eine Welt, in der die Quantenbewegung der subatomaren Teilchen in meinem Telefon alle zufällig so zusammentreffen, dass mein Telefon sich durch meine Bürowand „bohrt“ statt zu klingeln, obwohl es wahr bleibt, dass ich den Hörer abheben würde, wenn es klingeln würde?

In seiner Antwort auf Flint schlägt Hasker vor, dass Kontrafaktuale der Freiheit letztlich doch nicht fundamentaler zu sein brauchen als Kontrafaktuale, die auf den Naturgesetzen beruhen, solange sie nur weit fundamentaler sind als bestimmte Tatsachen. [37] Doch ich sehe nicht, dass der Verteidiger des mittleren Wissens selbst dazu verpflichtet sein müsste. Ist nach derselben Hypothese über das mittlere Wissen, die oben genannt wurde, offensichtlich, dass eine Welt, in der ich den Hörer nicht abhebe, wenn das Telefon klingelt, der aktualen Welt weniger ähnlich ist als eine Welt, in der, sagen wir, ein Kurzschluss verhindert, dass mein Telefon klingelt? Ich sehe nicht, warum der Molinist ein solches Urteil fällen müsste.

Besonders seltsam an Haskers Argument aufgrund von (II) ist, dass es ihn zu verpflichten scheint, in diesem Fall rückwärtsgerichtete Kontrafaktuale zu verwenden. Denn sein auf (II) beruhendes Argument impliziert: Wenn ich die in B spezifizierte Handlung nicht ausführen würde, dann hätte es nicht zugetroffen, dass A, das heißt ~B ~A. In unserem Beispiel: Wenn ich den Hörer nicht abheben würde, dann hätte das Telefon nicht geklingelt, obwohl es tatsächlich geklingelt hat. Doch die Verwendung von rückwärtsgerichteten Kontrafaktualen verlangt eine besondere Auflösung der Unbestimmtheit, sodass Welten, die Anpassungen der Vergangenheit involvieren, der aktualen Welt ähnlicher sind als Welten ohne solche Anpassungen. Es sind gerade solche rückwärtsgerichteten Kontrafaktuale, auf welche der Verteidiger des göttlichen Vorauswissens zukünftiger Kontingenzen sich beruft, um den theologischen Fatalismus zu widerlegen, und er achtet sorgfältig darauf, eine Rechtfertigung dafür zu geben, dass sie dort angebracht sind. [38] Hasker hat es jedoch versäumt zu rechtfertigen, warum wir immer eine besondere Auflösung verwenden müssen, wenn es in unserer Fähigkeit liegen soll, das Sukzedens irgendeines Kontrafaktuals der Freiheit zu verneinen.

Doch nun tritt ein noch tieferes Problem in Erscheinung. Denn wenn ~B ~A wahr ist, liegt es dann nicht in meiner Fähigkeit herbeizuführen, dass dieses Kontrafaktual der Freiheit wahr ist, was Haskers Hypothese widerspricht? Um diese Schlussfolgerung abzuwenden, muss Hasker zeigen, dass es nicht in meiner Fähigkeit liegt, ~ B auszuführen. Hasker argumentiert, dass es nicht in meiner Fähigkeit liegt, ~ B auszuführen, weil dies bedeutet, A & ~B herbeizuführen, was A ~ B zur Folge hat, was herbeizuführen nicht in meiner Fähigkeit liegt. Doch diese Argumentationslinie ist offensichtlich inkonsequent. Denn wir haben schon gesehen, dass Hasker zu dem rückwärtsgerichteten Kontrafaktual ~ B ~ A, verpflichtet ist, sodass das Herbeiführen, dass ~B, nicht herbeiführt, dass A & ~ B, sondern herbeiführt, dass ~ A & ~ B. Was also durch (III) in meiner Fähigkeit liegt, ist, herbeizuführen, dass ~A ~ B, was weder A B noch B ~ A widerspricht.

Der Ursprung von Haskers Irrtum scheint in seiner Annahme zu liegen: Wenn A bereits gegeben ist, dann impliziert meine Fähigkeit, ~ B auszuführen, die Fähigkeit, herbeizuführen, dass A & ~ B. Er schließt aus meiner Unfähigkeit, den zusammengesetzten Sachverhalt (A & ~ B) herbeizuführen, und aus der Gegebenheit von A, dass es nicht in meiner Fähigkeit liegt, herbeizuführen, dass ~ B. Der Leser wird erkennen, dass dies einfach dasselbe alte Argument für theologischen Fatalismus in neuem Gewand ist, nur wird es in Haskers Händen zu einem Mischmasch aus inkonsistenten Elementen sowohl aus dem Molinismus als auch aus dem theologischen Fatalismus. Ich ziehe den Schluss, dass Hasker keinen guten Grund genannt hat, warum man annehmen soll, dass die Lehre des mittleren Wissens inkohärent und somit eine mögliche Lösung für die Probleme des göttlichen Vorauswissens, göttlicher Vorsehung und Prädestination ist.

(Übers.: Marita Wilczek) Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/hasker-on-divine-knowledge

  • [1]

    Eng.: power entailment principles – Anm. d. Übers.

  • [2]

    William Hasker, God, Time and Knowledge, Cornell Studies in the Philosophy of Religion (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1989), S. 89.

  • [3]

    Alvin Plantinga, „On Ockham’s Way Out“, in:Faith and Philosophy 3 (1986): 235-269.

  • [4]

    William Lane Craig, „‚Nice Soft Facts‘: Fischer on Foreknowledge“, in: Religious Studies 25 (1989): 235-246.

  • [5]

    Hasker behauptet fälschlich, dass Freddoso nun denkt, dass Gottes vergangene Überzeugung eine harte Tatsache ist (Hasker, God, Time and Knowledge, S. 95; vgl. idem, Rezension zu On Divine Foreknowledge, Faith and Philosophy 7 [1990]: 358-59). Er übersieht, dass die molinistische Definition einer harten Tatsache sich von der ockhamistischen unterscheidet und der kausalen Geschlossenheit der Vergangenheit gleichkommt. Doch die Vergangenheit ist kontrafaktisch immer noch offen, und so bleibt Gottes Überzeugung in ockhamistischem Sinne eine weiche Tatsache. Siehe Alfred J. Freddoso, „Introduction“ zu: On Divine Foreknowledge, von Luis de Molina, übers. und mit Anmerkungen versehen von A.J. Freddoso (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1988), S. 59-60.

  • [6]

    Siehe Alvin Plantinga, The Nature of Necessity, Clarendon Library of Logic and Philosophy (Oxford: Clarendon Press, 1974), S. 86; idem, „The Boethian Compromise“, in: American Philosophical Quarterly 15 (1978): 129-138.

  • [7]

    Ibid., S. 107.

  • [8]

    Thomas Flint, „In Defense of Theological Compatibilism“, in: Faith and Philosophy 8 (1991): 240.

  • [9]

    Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 109.

  • [10]

    Siehe meine Erörterung in: Divine Foreknowledge and Human Freedom, Studies in Intellectual History 19 (Leiden: E. J. Brill, 1990), S. 89-90. Ich wäre bereit zu akzeptieren:

    PEP5': Wenn es in der Fähigkeit von S' liegt, herbeizuführen, dass P, und aus „P“Q“ folgt und „Q“ falsch ist, und Q eine Konsequenz von P ist, dann liegt es in der Fähigkeit von S', herbeizuführen, dass Q.

    Ich würde dazu neigen zu sagen, dass es in demselben Sinne in der Fähigkeit von S' liegt, Gottes vergangene Überzeugung über das freie Handeln von S' herbeizuführen, wie es in der Fähigkeit von Sokrates lag, Xantippe zur Witwe zu machen, indem er den Schierlingsbecher trank. 

  • [11]

    Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 129.

  • [12]

    Ibid., S. 130.

  • [13]

    Ibid., S. 134.

  • [14]

    Ibid., S. 135.

  • [15]

    Ibid., S. 141.

  • [16]

    Richard Taylor, „Fatalism“, in: Philosophical Review 71 (1962): 56-66; idem, „Fatalism and Ability I“, in: Analysis 23 (1962-1963): 25-27; idem, „A Note on Fatalism“, in: Philosophical Review 72 (1963): 497-99.

  • [17]

    Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 126.

  • [18]

    Alfred J. Freddoso, „Accidental Necessity and Power Over the Past“, Pacific Philosophical Quarterly 63 (1982): 54-68.

  • [19]

    Hasker, God, Time and Knowledge, S. 29-52.

  • [20]

    Ibid., S. 30.

  • [21]

    Ibid.

  • [22]

    Plantinga, Nature of Necessity, S. 188.

  • [23]

    Jonathan L. Kvanvig, The Possibility of an All-Knowing God (New York: St. Martin's Press, 1986), S. 124-125.

  • [24]

    Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 32.

  • [25]

    Siehe Plantinga, Nature of Necessity, S. 177-78.

  • [26]

    Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 35-36.

  • [27]

    Plantinga, Nature of Necessity, S. 179; Alvin Plantinga, „Reply to Robert Adams“, in: Alvin Plantinga, hrsg. von James Tomberlin und Peter Van Inwagen, Profiles 5 (Dordrecht: D. Reidel, 1985), S. 378.

  • [28]

    Siehe Thomas V. Morris, The Logic of God Incarnate (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1986), S. 111-119.

  • [29]

    Siehe meinen Artikel: „‚Lest Anyone Should Fall‘: A Middle Knowledge Perspective on Perseverance and Apostolic Warnings“, in: International Journal for Philosophy of Religion 29 (1991): 65-74.

  • [30]

    Zum Beispiel haben die von Hasker verwendeten Kontrafaktuale nicht die kanonische Form von Kontrafaktualen geschöpflicher Freiheit – wenn S in C wäre, würde S aus freien Stücken entscheiden, A zu tun – und könnten so von Molinisten als weder wahr noch falsch verworfen werden. Flint hat Hasker jedoch den Dienst erwiesen, das wesentliche Argument von seinen illustrativen Umständlichkeiten zu befreien. 

  • [31]

    Thomas S. Flint, „Hasker's God, Time und Knowledge“, in: Philosophical Studies 60 (1990): 104-05; William Hasker, „Response to Thomas Flint“, in: Philosophical Studies 60 (1990): 118.

  • [32]

    Alfred J. Freddoso, „The Necessity of Nature“, in: Midwest Studies in Philosophy, Bd. 11, hrsg. von S. French, T.E. Uehling, Jr. und H. Wettstein (Minneapolis: University of Minnesota Press, 1987).

  • [33]

    Die moderne Physik ruht auf den zwei Säulen der Quantentheorie und der Relativitätstheorie, doch diese beiden Gesetzeskorpora sind nicht miteinander vereinbar. Relativisitsche Gesetze sind nicht probabilistisch.

  • [34]

    Plantinga, „Reply to Robert Adams“, S. 380-381.

  • [35]

    Freddoso, „Introduction“, S. 28-29.

  • [36]

    Betrachten Sie seine Aussage: „. . . wie können diese psychologischen Tatsachen eine gute Grundlage für die Behauptung darstellen, dass der Akteur definitiv in dieser Weise antworten würde (etwa im Gegensatz dazu, dass er sehr wahrscheinlich so antworten würde)? (Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 24) Vgl. S. 31, wo er die Auffassung psychologischer Tatsachen als Evidenz dafür, dass eine Proposition wahr ist, mit der Auffassung verwechselt, dass solche Tatsachen eine Proposition wahr machen.

  • [37]

    Hasker, „Response“, S. 118-19.

  • [38]

    Wenn Gottes Überzeugungen in der aktualen Welt nur irrtumslos sind, dann gewährleistet diese Irrtumslosigkeit eine besondere Auflösung der Unbestimmtheit; wenn Gott essentiell allwissend ist, dann ist keine besondere Auflösung erforderlich, um rückwärtsgerichtete Kontrafaktuale zu rechtfertigen, da keine Welt existiert, in welcher Gott irrt, sodass die Standardauflösung genügt.