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#612 Wie man zu Jesus Christus kommt

April 28, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich versuche, es kurz zu machen. Ich bin auf der Suche nach der Wahrheit und finde die Belege und Argumente für Gott und den christlichen Glauben, die Sie (und viele andere Apologeten) präsentieren, sehr stichhaltig, wohlstrukturiert und intelligent. Nachdem ich mir viele Monate lang Ihre Debatten und Videos auf YouTube angesehen und Ihre diversen Schriften gelesen (und mit vielen anderen Büchern aus vielen Weltanschauungen verglichen) habe, bin ich zu dem Schluss gekommen, dass die Wahrheit des Christentums besser belegt ist und mehr Sinn macht als jede andere Weltanschauung – wissenschaftlich, historisch und moralisch. Ich habe mir dann gedacht, ich befolge Ihren Rat und lese einmal das Neue Testament durch, um es zu testen und zu sehen, ob ich darin Gott für mich ganz persönlich finde, aber nach langem Suchen und viel Beten bin ich auf ein Hindernis gestoßen.

Sie erwähnen in Ihrem eigenen persönlichen Zeugnis immer wieder, dass Sie an einem bestimmten Punkt Ihres Lebens, nachdem Sie als Teenager die Geschichten über Jesus gelesen hatten, zu Gott schrien und ihn dann kennenlernten; Sie behaupten, dass man Gott erfahren kann und dass auch Sie ihn erfahren. Was mich an der Wahrheit des christlichen Glaubens am meisten zweifeln lässt, ist die Tatsache, dass ich nicht sicher bin, dass ich jemals Gott erfahren habe (obwohl ich zu ihm gerufen und ihn gefragt habe, ob er da ist) oder dass die Bibel wahr ist. Ich weiß immer noch nicht recht, ob ich mein volles Vertrauen auf einen Jesus setzen kann, der so schweigt und mir nicht ein Erlebnis geschenkt hat wie das, von dem Sie und so viele andere Christen berichten. In Johannes 14,13 heißt es: „Und alles, was ihr bitten werdet in meinem Namen, das will ich tun, damit der Vater verherrlicht wird in dem Sohn.“ Schließt das nicht auch den Fall ein, dass man ihn um Glauben bittet oder um irgendeinen Beweis oder eine Zusicherung, dass er wirklich da ist? (Ich meine damit nicht ein Zeichen wie einen Feuerwagen am Himmel, weil meine Sinne mich ja auch täuschen können.)

Wenn Jesus wirklich da ist, würde ich ihm so gerne mein Leben geben und für ihn da sein. Er ist so beeindruckend, und was er gepredigt hat, klingt so wahr und so richtig – aber wenn ich mein Leben etwas weihen soll, möchte ich vorher ABSOLUT sicher sein, dass es die Wahrheit ist.

Bitte sagen Sie mir, wenn Sie können, wie ich Gott in meinem Leben so erfahren kann, wie Sie und so viele andere Christen das von sich berichten. Am einfachsten kann ich mein Problem wohl so formulieren: Ich glaube an die Schwerkraft, weil ich sie jeden Tag meines Lebens persönlich erfahre. Ich glaube an meine Familie, weil ich jeden Tag meines Lebens ihre Liebe erfahre. Aber wie, um alles in der Welt, kann ich mein Vertrauen und meine Hoffnung auf ein Leben nach dem Tod und auf einen Sinn, der hinter allem steckt, an jemandem festmachen, den ich noch nie erfahren habe? Ihre Argumente sind toll und die Bibel ist super, aber ich habe den Eindruck, dass ich, um wirklich glauben zu können, diese persönliche Erfahrung brauche. Da Gott (wenn er denn da ist) sich trotz all meines Suchens so in Schweigen hüllt, habe ich vielleicht etwas vergessen oder falsch gemacht? Ich habe ihm meine Sünden bekannt. Ich habe versucht, auf seinem Weg zu gehen. Was soll ich machen? Was raten Sie mir? Danke.

Joe

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Mir imponiert Ihre entschlossene Suche nach Gott, Joe. Eigentlich müssten wir uns einmal unter vier Augen zusammensetzen, damit ich Sie wirklich ganz verstehe, aber ich versuche, diese meine Antwort so hilfreich wie möglich zu machen.

Offenbar wissen Sie etwas über meinen eigenen Kampf, Gott zu finden. Ich kann Ihren Kampf darum, die Brücke zwischen dem Kopf und dem Herzen zu finden und das, was Sie mit Ihren grauen Zellen als wahr akzeptieren, bestätigt zu bekommen, sehr gut verstehen. Als ich selber durch diesen Kampf ging, hat mir der Bibelvers Trost gegeben, in welchem es heißt, „dass wir durch viele Bedrängnisse in das Reich Gottes eingehen müssen“ (Apostelgeschichte 14,22, Schlachter). Als ehrlicher Gottsucher sollten Sie sich auf die Zusage Jesu berufen: „Bittet, so wird euch gegeben; sucht, so werdet ihr finden; klopft an, so wird euch aufgetan! Denn jeder, der bittet, empfängt; und wer sucht, der findet; und wer anklopft, dem wird aufgetan“ (Lukas 11,9-10).

Ein Fehler, den Sie machen, scheint mir der zu sein, dass Sie erst Gott erfahren wollen, bevor sie mit ihm ernstmachen. Die Verheißung Jesu aus Johannes 14,13, die Sie zitieren, richtet sich nicht an suchende Menschen, die noch „draußen stehen“, sondern an die Jünger. Jesus verspricht uns nirgends „irgendeinen Beweis oder eine Zusicherung, dass er wirklich da ist“. Denken Sie nur an den ungläubigen Thomas. Als Jesus ihm erschien, sagte er zu ihm: „Thomas, du glaubst, weil du mich gesehen hast; glückselig sind, die nicht sehen und doch glauben!“ (Johannes 20,29). Thomas hätte aufgrund des Zeugnisses der Apostel für die Auferstehung Jesu glauben sollen. Nun, wir haben das gleiche Zeugnis (ganz zu schweigen von dem Zeugnis des Heiligen Geistes) und sollten auf dieser Basis glauben.

Weiter: Sie manövrieren sich in eine Sackgasse hinein, wenn Sie verlangen, dass die Erfahrung, die Sie da suchen, unzweifelhaft ist: „Wenn ich mein Leben etwas weihen soll, möchte ich vorher ABSOLUT sicher sein, dass es die Wahrheit ist.“ Ich möchte das genaue Gegenteil behaupten! Wenn Sie sich in den Bergen verlaufen haben und sehen, dass sich ein heftiger Schneesturm zusammenbraut, werden Sie keine absolute Sicherheit verlangen, wenn Ihnen ein anderer Wanderer zeigt, wo der Weg ist, der Sie in Sicherheit bringt. Ihre Situation ist so verzweifelt, dass es absurd ist, irgendeine absolute Gewissheit zu verlangen, dass der Wanderer sie nicht angelogen hat. Als ich auf der Suche nach Gott war, musste ich einmal denken: Wenn die Wahrscheinlichkeit, dass der christliche Glaube wahr ist, nur 1 zu 1 Million wäre, es würde sich lohnen, zu glauben, weil die Belohnung, um die es geht, so ungeheuer groß ist.

Ich weiß nicht recht, wie ich Ihre Forderung nach einer Gotteserfahrung verstehen soll, Joe. Wollen Sie solch eine Erfahrung haben, um verbindlich zu wissen, dass der christliche Glaube wahr ist, damit Sie sich endgültig für Gott entscheiden können? Das ist, wie ich gerade erklärt habe, unangemessen und unnötig. Fragen Sie sich einmal: Glaube ich, dass der christliche Glaube wahr ist – ja oder nein? Wenn ja, dann braucht es keine zusätzlichen Erfahrungen, um die Wahrheit dieses Glaubens zu beweisen. Sie können sich hier und jetzt für Christus entscheiden aufgrund dessen, was Sie als wahr erkannt haben (selbst dann, wenn Sie sich nicht absolut sicher sind).

Oder sind Sie frustriert, weil Sie in Ihrem Kopf längst gläubig geworden sind und jetzt darauf warten, dass Ihre Erfahrungen nachziehen? Das ist ein ganz anderer Fall! Hier bräuchten wir beiden wirklich ein persönliches Gespräch, Joe, um uns genauer anzuschauen, was für Schritte Sie bisher getan haben, um Gott zu finden. Offensichtlich haben Sie das Neue Testament gelesen. Sehr gut! Aber was haben Sie mit dem, was Sie dort entdeckt haben, gemacht? Sie schreiben: „Ich habe ihm meine Sünden bekannt. Ich habe versucht, auf seinem Weg zu gehen.“ Seine Sünden bekennen ist ein guter erster Schritt. Aber so, wie Sie das ausdrücken, scheint es so zu sein, dass Sie jetzt wacker versuchen, als Christ zu leben. Das heißt den Wagen vor das Pferd spannen, Joe. Bevor wir als Christen leben können, müssen wir zuerst, wie Jesus das ausdrückt, „von neuem geboren werden“ (Johannes 3,1-15). In unserem sündigen Zustand der Entfremdung von Gott sind wir geistlich tot. Wir sind wie ein Handy, dessen Batterie leer ist. Gott versucht die ganze Zeit, uns anzurufen, aber wir merken das nicht, weil wir, geistlich gesprochen, tot sind. Wir müssen wiederaufgeladen werden oder (besser noch) eine neue Batterie bekommen. Wie das geschieht? Indem wir den Heiligen Geist empfangen, der in uns wohnt und uns neu macht, indem er uns neues inneres Leben gibt und unsere Beziehung zu Gott wiederherstellt. Und weil der Heilige Geist stellvertretend für Christus agiert, reden wir hier oft auch davon, dass wir „Christus in uns aufnehmen“.

Die Frage ist also, Joe: Sind Sie schon wiedergeboren? Vielleicht denken Sie jetzt: Wie kann ich das wissen? Nun, lassen Sie mich es so ausdrücken: Sie haben Christus also Ihre Sünden bekannt. Aber haben Sie ihm auch als Ihrem Retter und Herrn Ihr Leben übergeben? Ihr Leben Jesus als Ihrem Retter übergeben, das bedeutet, dass Sie sich nicht mehr auf Ihre eigenen Leistungen oder moralische Güteklasse verlassen, um gerettet zu werden und die Vergebung Ihrer Sünden zu bekommen, sondern allein auf das stellvertretende Sühneopfer, das Jesus für Sie am Kreuz vollzogen hat. Und Ihr Leben Jesus als Ihrem Herrn übergeben, das bedeutet, dass Sie ihn als Gott und als den Führer und Bestimmer Ihres Lebens und Ihres Schicksals anerkennen. Wenn Sie diese Lebensübergabe an Christus noch nicht vollzogen haben, ist sie das, was Sie tun müssen, bevor Sie Gott in Ihrem Leben erfahren können.

Als Hilfestellung zu diesem Schritt möchte ich Ihnen das folgende Gebet vorschlagen, das ich schon oft benutzt habe, um Gottsuchern bei ihrer Lebensübergabe an Christus zu helfen. Die Worte dieses Gebets sind keine magischen Formeln; was zählt, ist die Einstellung Ihres Herzens.

Gott, ich brauche dich. Ich gebe zu, dass ich mein Leben vermasselt und in Gedanken, Worten und Taten gegen dich gesündigt habe. Ich glaube, dass du Jesus Christus in die Welt geschickt hast, damit er durch seinen Tod am Kreuz meine Sünde wegnimmt, und dass du ihn danach von den Toten auferweckt hast. Und jetzt übergebe ich, nach bestem Wissen und Gewissen, mein Leben ihm als meinem Erlöser und Herrn. Komm hinein in mein Leben, vergib mir meine Sünde, mache mein Leben neu und mache mich so, wie du mich haben willst. Danke, dass du dieses Gebet erhörst.

Es kann passieren, dass Sie also dieses Gebet sprechen, Joe – und sich hinterher genauso fühlen wie vorher. Ist es also nichts mit Gott erfahren? Seien Sie geduldig. Wir sind alle emotional und psychologisch verschieden. Unser Glaube an Christus ist faktenbasiert und nicht gefühlsbasiert. Manche Menschen haben in dem Augenblick Ihrer Lebensübergabe ein inneres Erlebnis. Ich kenne andere, bei denen dieses Erlebnis erst kam, als sie sich im Gehorsam zu dem, was Christus befohlen hat, taufen ließen. Bei wieder anderen kommt es vielleicht während eines Gottesdienstes oder beim Beten. Richten Sie Ihren Blick ganz auf Gott und überlassen Sie das mit den Gefühlen ihm. Auf seine Gefühle schauen anstatt auf Gott ist im Grunde eine subtile Art von Götzendienst; man stellt dabei seine Erlebnisse über Gott. Wie echt unsere Treue zu Gott ist, zeigt sich am deutlichsten dann, wenn wir beharrlich mit ihm weitermachen, obwohl wir nichts fühlen.

Gleichwohl gibt es gewisse geistliche Gewohnheiten und Disziplinen, die Sie als Mensch, der Christus nachfolgt, pflegen sollten, weil sie Ihnen helfen, Ihren Weg mit Jesus zu gehen:

  • Taufe
  • Regelmäßiges Gebet
  • Regelmäßiges Lesen in der Bibel
  • Sünden, die man erkannt hat, sofort vor Gott bekennen
  • Sich einer Gemeinde anschließen und gute Gottesdienste besuchen
  • In solch einer Gemeinde Dienste übernehmen
  • Menschen, die noch nicht an Christus gläubig sind, von seinem Glauben erzählen

Ich möchte hier wieder betonen, Joe, dass diese Dinge in erster Linie für Menschen gedacht sind, die bereits ihr Leben Christus übergeben haben; sie sind kein „Rezept“, wie man Christ wird.

Es ist mein Gebet, dass meine Worte Ihnen helfen werden, Joe, und dass Sie Jesus Christus persönlich als Ihren Retter und Herrn kennenlernen.

William Lane Craig

 (Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/writings/questions-answer/how-to-find-christ

- William Lane Craig