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05 / 06

#343 Konkordism

January 20, 2017
F

20. Januar 2013, Podcast von William Lane Craig:

“Über 50% evangelikaler Pastoren glauben, dass die Welt weniger als 10 000 Jahre alt ist. Wenn man darüber nachdenkt, Kevin, dann ist das einfach ungeheuer peinlich, dass über die Hälfte unserer Prediger wirklich glaubt, dass unser Universum nur etwa 10 000 Jahre alt ist. Das ist wissenschaftlich gesehen einfach Unsinn, und doch ist das die Sicht, welche die meisten unserer Pastoren vertreten.”

Konkordismus: Der Versuch, die Bibel und moderne Wissenschaft in Einklang zu bringen, indem man die Tage als Äonen von jeweils vielleicht Millionen von Jahren betrachtet (Wimmer, S.68).

Prof. Craig, obwohl Sie versuchen, ein Lippenbekenntnis für die Tatsache abzulegen, dass sie „nicht“ ein Konkordist sind (Sie erkennen oft an, dass dies genauso häretisch ist wie Arianismus, Nestorianismus usw.), so sind Sie es doch offensichtlich nach Ihrer eigenen Definition. Immer und immer wieder verwenden Sie den Ausdruck, dass „die moderne Wissenschaft uns das sagt“, aber dann fügen Sie schnell hinzu: „Ich bin kein Konkordist!“

Ich habe immer und immer wieder erlebt, wie Sie dieser Frage ausweichen. So bin ich nahezu sicher, dass ich darauf keine Antwort erhalten werde und Sie damit meinen Standpunkt bestätigen. Ich muss Sie fragen, „inwiefern sind Sie kein Konkordist?“ (Ich habe Ihren Versuch gesehen, die Bedeutung einer evidentialistischen Definition umzudefinieren, wodurch Sie sich selbst als einen „traditionellen“, aber nicht modernen Evidentialisten einordnen).

Gleicherweise haben Sie kein Problem mit der Hypothese, die beispielsweise in Bill Dembskis Buch End of Christianity dargelegt wird, dass die Vergangenheit nach dem „Fall“ erschaffen wurde. Ich finde an dieser Hypothese überhaupt nichts Falsches und Sie offenbar auch nicht, doch dies würde, so scheint es, irgendwie mit der Vorstellung des JEK [1] übereinstimmen? WIEDERUM sind Sie dieser Frage ausgewichen. Und wie können Sie mit Dembski übereinstimmen, aber vertreten, dass wir mit einem JEK nicht übereinstimmen sollen, weil dieser „wissenschaftlicher Unfug“ sei?

Ich bin an sich kein JEK, aber ich kann ihn nicht auf der Grundlage moderner Wissenschaft oder Kosmologie ausschließen, einfach, weil ich in keinerlei Hinsicht ein Konkordist bin. Ich bete einfach, dass Sie wirklich die Löcher in Ihrem Standpunkt stopfen und sich selbst so weit wie möglich vom Konkordismus distanzieren. (Ich bin ein Fan und ein Anhänger von Ihnen, darum haben Sie keine Angst, von einem Anhänger kritisiert zu werden).

„Three Views of Creation and Evolution“ [2], die der ID [3] -Vertreter Paul Nelson vertritt, wenn er über das spricht, was er als Kurzzeitkreationismus bezeichnet, steht nicht für einen extremen Standpunkt wie etwa AIG [4]. Auf diese Ansicht reagiert Ihr Kollege Dr. J.P. Moreland mit der Bemerkung: “Ich denke wirklich, die Sicht der JEK könnte richtig sein.”

Bevor Sie also Paul Nelson oder J. P. Moreland als “wissenschaftlich unsinnig” bezeichnen oder einfach als “gegenüber biblischer Exegese ignorant“, wie Sie es in diesem Podcast tun, wäre vielleicht ein wenig mehr Demut von Ihrer Seite angebracht? (Ich kann Ihnen natürlich alle Quellenangaben und Bibliografien liefern, wenn erforderlich).

Meine Gruppe hat lange Ihre Arbeit finanziell unterstützt und hatte eine tolle Zeit mit Ihnen in den Staaten und auf der Mittelmeerkreuzfahrt, aber ich muss ernsthaft darauf bestehen, genauso wie ich es gegenüber Bekannten von Jehovas Zeugen oder Mormonen tun würde, dass Konkordismus nicht nur unbiblisch ist, sondern, wie ich finde, sogar noch weniger plausibel als Szientismus. Anstatt also „vielleicht waren Adam und Eva die erste Erscheinung von Hominiden“ zu behaupten und so Ihre Exegese am Leben zu halten, ist es vielleicht Ihre Exegese, die einer Justierung bedarf?

Demut ist eine Eigenschaft, die alle Christen besitzen müssen, und darum stehe ich Francis Schaeffer in dieser Frage näher: mit einer Haltung demütiger Offenheit; vielleicht haben Sie recht, vielleicht hat Paul Nelson recht, vielleicht hat Dembski recht. Bis Sie in der Lage sind, einige der Fragen, die ich (neben zahllosen anderen, die nicht wissen, ob WLC ein Alte Erde-Kreationist oder theistischer Evolutionist oder was auch immer ist; ich bin bei WEITEM nicht der Einzige, der keine Ahnung hat, wo Sie stehen) an Sie gestellt habe, zu beantworten, muss ich jedenfalls damit schließen, dass Paul Nelsons und Dembskis Standpunkte VIEL plausibler und exegetisch bibeltreuer sind als Ihr eigener.

So denken Sie bitte betend in Ihren persönlichen Studien und Gebetszeiten darüber nach, aber bitte hören Sie auch auf, auf eine sehr unchristliche Weise „andere den Wölfen zum Fraß vorzuwerfen“ und BITTE geben Sie die modifizierte Version von Konkordismus auf, die Sie zu unterstützen scheinen (aber nicht unterstützen) und buchstabieren Sie kristallklar, wo Sie (WLC) in Bezug auf diese Fragen stehen. Und haben Sie keine Angst davor, was andere denken.

***Ich habe bei verschiedenen Gelegenheiten mit dem Discovery Institute gearbeitet und Casey Luskin, John West und Jay Richards stimmen mit mir in dieser Hinsicht überein (dass Ihre Anschauung sehr kompliziert und unklar ist, obwohl sie sich selbst natürlich nicht zu den JEK rechnen). Ich bin also sicher nicht der einzige.

Hochachtungsvoll,

CL

Australia

Prof. Craigs Antwort


A

Ich nehme normalerweise Fragen wie diese nicht, CL, aber Ihr Brief ist so voller Irrtümer, dass ich ihre Frage, nachdem ich erst einige Monate in unserer Defenders-Klasse mit Vorlesungen über Schöpfung und Evolution verbracht habe, unwiderstehlich finde. Ich hoffe, Dass aus meinem Aufgreifen dieser Frage etwas Gutes entsteht und Leser auf meine Vorlesungen aufmerksam gemacht werden, in denen ich mein Denken klar zum Ausdruck bringe.

Erstens: Die Definition von Konkordismus, die Sie geben, ist nicht die übliche. Ich weiß nicht, wer Wimmer ist, aber er verwendet das Wort auf eine idiosynkratische Weise, die vom normalen Gebrauch abweicht. Konkordismus ist nicht der Versuch, die Bibel und moderne Wissenschaft durch eine Tage-Zeitalter-Theorie in Einklang zu bringen. Die Tage-Zeitalter-Theorie ist eine spezielle Interpretation von Genesis.

Konkordismus ist vielmehr eine hermeneutische Annäherungsweise an die Schrift. Es ist eine Hermeneutik, die eine Interpretation der Schrift im Lichte der modernen Wissenschaft vertritt. Man versucht, moderne Wissenschaft in den Text hineinzulesen. Konkordismus ist eine Hermeneutik, die von Junge-Erde- oder Alte-Erde-Kreationisten vertreten werden kann. Beispielsweise können die Alte-Erde-Kreationisten den biblischen Ausdruck, dass der Herr „die Himmel ausbreitet“ als eine Beschreibung der Ausdehnung des Weltraums deuten, wie er von der modernen Kosmologie postuliert wird. Die Junge-Erde-Kreationisten mögen den biblischen Ausdruck, dass sich „ein jedes nach seiner Art“ vermehrte, als Bezugnahme auf moderne biologische Spezies deuten.

Nun lehne ich die Hermeneutik des Konkordismus ab. Stattdessen sollten wir die hermeneutische Methode übernehmen, die versucht, zu bestimmen, wie der ursprüngliche Autor und Leser den Text verstanden hätten. Anstatt zu versuchen, dem Genesisbericht über die Schöpfung moderne Wissenschaft aufzuzwängen oder ihn im Lichte moderner Wissenschaft zu lesen, wollen wir den Bericht so lesen, wie er von den ursprünglichen Lesern verstanden worden wäre. Dies erfordert von uns, unsere Kenntnis der modernen Wissenschaft auszuklammern und uns selbst in die Schuhe dieser alten Hebräer zu versetzen.

(Übrigens: Konkordismus ist keine Häresie, sondern einfach schlechte Hermeneutik, die den Text eher verdunkelt als erhellt).

Ich gehe davon aus, dass dies Ihre Frage beantwortet, “inwiefern sind Sie kein Konkordist?” (Ironischerweise bin ich auch in Wimmers idiosynkratischen Sinne kein Konkordist, da ich die Tage-Zeitalter-Interpretation ablehne. In meinen Apologetikvorlesungen habe ich diesbezüglich kein Blatt vor den Mund genommen). Somit habe ich mich von nichts zu „distanzieren“.

Ihr Punkt in Bezug auf William Dembskis Theodizee ist rätselhaft. Wie ich ihn verstehe, zielt sein Vorschlag genau darauf, zu erklären, wie es eine Welt von Tod und Leid lange vor dem Sündenfall des Menschen gegeben haben kann. Seine Lösung ist, dass die weitere Welt außerhalb des Garten Edens proleptisch gefallen ist. Das soll besagen, dass Gott, der vorauswusste, dass der Mensch in Sünde fallen würde, ihn in einer gefallenen Welt erschuf, die seiner gefallenen Lage am meisten angemessen sein würde. Seine Sicht entspricht nicht der absurden Sicht, dass „die Vergangenheit nach dem Fall erschaffen wurde“, als ob es eine rückwärtige Verursachung gäbe! Dembskis provokative Sicht ist eine Alte-Erde-Theodizee.

Ich finde es seltsam, dass Sie Francis Schaeffers Vorgehensweise der “demütigen Offenheit” vertreten, da dies genau das ist, was ich in meinen apologetischen Vorlesungen in Bezug auf die Interpretation von Genesis 1 vertrete. Ich skizziere etwa acht verschiedene Interpretationen von Genesis 1, die von evangelikalen Exegeten vertreten werden, von der wörtlichen Interpretation bis hin zur mythologischen Interpretation.

Am Ende lasse ich die Frage offen, welches Verständnis das korrekte ist, obwohl einige dieser Ansichten (wie John Waltons) mir als viel plausibler erscheinen als andere. Wie steht es da mit Ihnen? Sind Sie offen gegenüber Henri Blochers wörtlichem Interpretationsrahmen? Oder Waltons funktionaler Interpretation? Oder sind Sie nur offen für die Anschauungen der Junge-Erde-Kreationisten?

Über die Frage hinaus, wie man am besten Genesis 1 interpretieren sollte, geht die logisch nachfolgende Frage, wie diese Interpretation mit den Erkenntnissen der modernen Wissenschaft integriert werden soll, um zu einem synoptischen Weltbild zu gelangen (was das Ziel jedes systematischen Theologen sein sollte). Beachten Sie, dass dies zwei verschiedene Fragen sind, die in meinen Vorlesungen separat behandelt werden. Als jemand, der sich seit mehr als 30 Jahren für eine Urknallkosmologie ausspricht, habe ich vollkommen klar gemacht, dass ich glaube, dass das Universum ca. 13,8 Milliarden Jahre alt ist.

Kein informierter Leser könnte darüber im Unklaren sein. Aber anders als ein Konkordist wie Hugh Ross denke ich nicht, dass die Bibel den Urknall lehrt. Ich wiederhole nochmals: Es gibt zwei verschiedene Fragen hier: (i) wie Gen 1 richtig zu interpretieren ist (was es erforderlich macht, Konkordismus zu vermeiden) und (ii) wie diese Interpretation in die Erkenntnisse der modernen Wissenschaft zu integrieren ist (was es erforderlich macht, sowohl die Befunde der modernen Wissenschaft als auch der – angemessen interpretierten – Schrift zur Kenntnis zu nehmen).

Was den Ursprung des Lebens und die Entwicklung biologischer Komplexität betrifft, habe ich wiederum keine festen Ansichten zu dem Thema. Ich behalte eine demütige Offenheit bei und bin bereit, den Indizien dorthin zu folgen, wo sie hinführen. Vielleicht geht ein Teil der mangelnden Klarheit über meine Ansichten, die Sie erwähnen, darauf zurück, dass ich in Bezug auf diese Fragen unentschieden und somit ernsthaft offen für Alternativen bin. Aber wie ich in meinen Vorlesungen erklärte, so scheint mir, dass eine Art progressiver Kreationismus vielleicht die Sicht ist, die biblische und wissenschaftliche Befunde am besten integriert.

(Übers.: B. Currlin)


Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/concordism#ixzz3hnR5BjCl

  • [1]

    JEK = Junge-Erde-Kreationismus: Eine Richtung des Kreationismus, die davon ausgeht, dass die Erde und das Leben auf ihr vor höchstens 10.000 Jahren durch das direkte Handeln Gottes geschaffen wurden. https://de.wikipedia.org/wiki/Junge-Erde-Kreationismus [10.01.2017]. Anm. d. Übers.

  • [2]

    Dt. „Drei Ansichten über Schöpfung und Evolution“ – Anm. d. Übers.

  • [3]

    ID = „Inteligent Design“ – Anm. d. Übers.

  • [4]

    Antworten in Genesis“ – Anm. d. Übers.

- William Lane Craig