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#494 Bauchlandung

January 20, 2017
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe gerade eine krasse Niederlage erlitten und brauche dringend Ihre Hilfe und Rat. Heute Abend habe ich in einem Streitgespräch über die Existenz Gottes den Kürzeren gezogen. Ich habe der Ansicht, dass der christliche Glaube vernünftig ist, keinen Dienst, sondern einen Bärendienst erwiesen.

Ich befasse mich schon seit einiger Zeit mit der christlichen Apologetik und dachte, dass ich mich ganz gut auskannte. Jetzt bin ich nicht mehr so sicher. Dr. Craig, ich kenne Sie als einen der großen christlichen Diskussionsredner. Haben Sie, als Sie jünger waren, auch einmal den Eindruck gehabt, dass Sie in einer Diskussion voll auf dem Bauch gelandet sind? So fühle ich mich nämlich jetzt gerade!

Meine Frau und ich sind mit ein paar Freunden Abendessen gegangen, und eine der jungen Damen dort brachte ihren neuen Freund mit. Ich kam mit ihm ins Gespräch, und er sagte mir, dass er bei der Kriminalpolizei arbeitet. Wir unterhielten uns über Recht und Gesetz und kriminelles Verhalten. Das brachte mich auf das Thema „Moral“, und ich fragte ihn, ob er glaubte, dass es objektive, von einem Schöpfer gestiftete moralische Gesetze gibt, oder ob er die ganze Moral nur für ein soziales Konstrukt hielt. Darauf sagte er mir, dass er Atheist sei, und schon diskutierten wir darüber, was Glaube ist, ob der Glaube an Gott vernünftig ist usw. Ich war dabei ein recht stümperhafter Verteidiger des Christentums. Rückblickend erkenne ich, dass dieser Mann das Gespräch dominierte und mich ständig in der Defensive hatte. Er bediente sich allerlei rhetorischer Mittel und versuchte mit allen Tricks, meine Argumente zu durchlöchern, doch seine eigenen Argumente belegte er eigentlich nicht. Er fragte mich andauernd „Warum?“, wo ich das ihn hätte fragen sollen. Ich hätte den Spieß umdrehen und ihm die Beweislast aufbürden sollen. Ja, hätte … Er hatte es ständig damit, dass doch niemand wissen könne, ob es so was wie absolute Wahrheit gibt, und warum ich unbedingt beweisen wollte, dass es sie gibt. Es sei doch okay, wenn wir das nicht wissen, und man solle mehr Mut haben, mit der Ungewissheit zu leben. Er fragte mich, woher ich dieses Bedürfnis hatte, an einen Schöpfer zu glauben, und eigentlich wollte ich ihm antworten, dass es mir nicht um ein „Bedürfnis“ geht, sondern dass ich die Wahrheit wissen möchte und dass das mein großes Motiv ist. Und dass ohne einen Schöpfer und ohne objektive Moral und das objektive Gute unser ganzes Leben letztlich sinnlos ist. Aber ich war wie blockiert.

Meine Fragen beantwortete er mit allgemeinen Vergleichen und Bildern oder anderen Fragen, aber er ging nie ins Detail. Einer von den anderen sagte mir später, dass sie den Eindruck hatten, dass er mich glatt an die Wand drückte. Es gelang ihm, mich mit seiner Schlagfertigkeit dumm dastehen zu lassen – aber Belege für seine Weltanschauung gab er keinen einzigen, sondern sagte nur immer wieder, dass man die Existenz Gottes doch nicht beweisen könne. Ich brachte kosmologische, teleologische und moralische Argumente vor und versuchte, ihm das Kontingenzargument im Detail zu erklären; er zuckte nur die Schultern und wollte wissen, woher ich dieses „Bedürfnis nach einem Schöpfer“ hatte. Bestimmt, so fand er, trug ich eine Menge Schuldgefühle mit mir herum und deswegen brauchte ich Gott und die Kirche und all das so sehr … Er war ein Meister darin, meine eigenen Worte gegen mich zu wenden.

Ich muss hier an Ihre Debatte mit Christopher Hitchens denken. Er war bekannt für seine Rhetorik und Schlagfertigkeit, aber er beantwortete keinen einzigen Ihrer Einwände und brachte keine Alternativen zu Ihren Argumenten vor. Nur dass in meinem Fall die anderen den Eindruck haben, dass der Atheist die Oberhand hatte. Ich bin echt ratlos, Dr. Craig. Ich frage mich sogar, ob das mit der Apologetik überhaupt einen Sinn hat. Was bringt mir mein ganzes Wissen, wenn ich in einer Diskussion auf einmal nicht mehr vor und zurück weiß? Sollte man überhaupt mit Atheisten diskutieren? Der Mann war total von sich eingenommen. Er sagte zwar, dass er dann, wenn jemand Beweise für die Existenz Gottes beibringen könnte, seine Meinung ändern würde – aber es gibt doch schon so viele Beweise! Diese Diskussion heute Abend war die totale Niederlage für mich. Was soll ich machen? Wie kann ich mich besser auf solche Diskussionen im wirklichen Leben vorbereiten? Was hätte ich anders machen müssen? Bitte helfen Sie mir!

Marshall

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Werden Sie nicht mutlos, Marshall! So eine Bauchlandung ist peinlich und tut weh, aber in Ihrem Fall kann sie genau der Anreiz sein, den Sie brauchen, um besser zu werden. Ich glaube, es war Douglas Hyde, ein marxistischer Aktivist, der später Christ wurde, der berichtete, dass seine Genossen die jungen Männer, die zu ihnen stießen, als Erstes auf die Straße schickten, um mit den Passanten über die Vorzüge des Kommunismus zu diskutieren. Sie wussten, dass die Armen in diesen Gesprächen kein Bein auf die Erde kriegen würden – und dass diese Niederlagen genau das waren, was sie brauchten, um Meister im Diskutieren zu werden.

Ich glaube, wir alle können das, was Sie da erlebt haben, gut nachvollziehen. Ich weiß noch gut, wie ich nach Abschluss meines Studiums am Wheaton College versuchte, einem Professor an der Northern Illinois University von meinem Glauben zu erzählen, und anschließend völlig frustriert war über das schwache Bild, das ich abgegeben hatte. Ich versuchte, mich mit ihm zu einem zweiten Gespräch zu treffen, in dem ich meine Scharte auswetzen wollte, aber er winkte ab – kein Interesse! Das Wichtige ist, dass man aus solchen Erlebnissen lernt. Untersuchen Sie, was Sie falsch gemacht haben, und ergreifen Sie konkrete Maßnahmen, um das nächste Mal besser vorbereitet zu sein.

Das Interessante an Ihrem Fall ist, dass Ihr Gesprächspartner offenbar keine Argumente oder Einwände vorbrachte, die Sie nicht hätten beantworten können. Es ist nicht so, als ob Sie keine Antworten gehabt hätten. Sie haben die Antworten; was Sie brauchen, sind bessere Methoden, sie an den Mann zu bringen – effektive Techniken, wie man mit einem Nichtgläubigen ein Gespräch über den christlichen Glauben führt. Es gibt zu diesem Thema Bücher, z. B. Greg Koukl, Tactics (Zondervan, 2009). Es war völlig richtig, dass Sie den anderen haben reden lassen. Falsch war (wie Sie selber zugeben), dass Sie sich von ihm in die Defensive drängen ließen. Koukl schlägt zwei einfache Fragen vor, mit denen man im Gespräch die Initiative an sich ziehen und sicherstellen kann, dass der andere seinen Anteil an der Beweislast schultert. Diese Fragen lauten: 1. „Wie meinen Sie das?“ – 2. „Warum sind Sie dieser Meinung?“

Am Anfang Ihres Gespräches, als Ihr Gegenüber sich als Atheist outete, hätten Sie ihn als Erstes fragen sollen, was er damit genau meinte. Ist er lediglich ein Agnostiker oder behauptet er, zu wissen, dass Gott nicht existiert? Falls das Letztere der Fall ist: Wie begründet er diese radikale Position? Sie könnten hier ein paar Sätze darüber sagen, wie schwierig es ist, zu beweisen, dass es Gott nicht gibt, und ihn damit aus der Reserve locken. Wenn er lediglich ganz allgemein behauptet, dass es keine Beweise dafür gibt, dass Gott existiert, ist das eine Steilvorlage für Sie; sagen Sie ihm: „Augenblick mal! Sie sind doch Detektiv, nicht wahr? Da wissen Sie doch sicher, dass ‚keine Beweise‘ noch lange nicht bedeutet, dass die Tat nicht passiert ist. Was für Beweise haben Sie denn dafür, dass Gott nicht existiert?“

Und wenn er einen Satz bringt wie: „Es gibt keine Möglichkeit, zu wissen, ob es so etwas wie absolute Wahrheit gibt“, sollten Sie auch darauf vorbereitet sein. Nehmen Sie ein Blatt Papier zur Hand, schreiben Sie seine Behauptung darauf, halten Sie ihm das Blatt hin und fragen Sie ihn: „Ist dieser Satz absolut wahr?“ Nein? Dann ist das also nur seine persönliche Meinung? Oder ja? Aber woher weiß er das denn, wenn es gar nicht möglich ist, das zu wissen? Beißt sich da der Hund nicht in den berühmten eigenen Schwanz? (Sie sollten sich natürlich etwas gewählter ausdrücken. Sagen Sie: „Vielleicht liege ich jetzt falsch, aber Ihre Position kommt mir selbstreferentiell inkohärent vor.“)

Wenn er sagt, dass es okay ist, nicht zu wissen, ob es absolute Wahrheit gibt, und dass wir mehr Mut haben sollten, mit der Ungewissheit zu leben, sollten Sie erwidern: „Habe ich behauptet, dass ich mit absoluter Gewissheit weiß, dass es Gott gibt? Ich sage lediglich, dass dann, wenn man alle Faktoren betrachtet, es wahrscheinlicher ist, dass Gott existiert, als dass er nicht existiert.“ Das sieht er doch sicher auch so? Nein? Warum nicht?

Wenn er von Ihnen Beweise für die Existenz Gottes verlangt, sollten Sie auch darauf vorbereitet sein. Ich habe den Eindruck, Marshall, dass Sie die Argumente für Gottes Existenz und ihre Prämissen nicht auf Ihrer inneren Festplatte gespeichert haben. Die beste Vorbeugung gegen innere Blockaden ist, dass man diese Dinge auswendig kann. Sie sollten den folgenden Satz parat haben: „Mir fallen mindestens fünf Argumente dafür ein, dass es Gott gibt.“ Wenn Ihr Gegenüber darauf fragt: „Und die wären?“, schießen Sie die folgende auswendig gelernte Liste ab:

  1. Gott ist die beste Erklärung dafür, dass es überhaupt etwas gibt und dass nicht das große Nichts herrscht.
  2. Gott ist die beste Erklärung für den Ursprung des Universums.
  3. Gott ist die beste Erklärung für die Feinabstimmung des Universums für die Entstehung intelligenten Lebens.
  4. Gott ist die beste Erklärung für die Existenz objektiver moralischer Werte und Pflichten.
  5. Die bloße Möglichkeit der Existenz Gottes impliziert, dass er existiert.

Der durchschnittliche Nichtgläubige ist erst einmal platt, wenn er diese Liste hört. Falls er dann über einen oder mehrere dieser Punkte diskutieren möchte, nennen Sie ihm aus dem Gedächtnis die Prämissen des jeweiligen Argumentes, z. B. für den Punkt 4.:

  1. Wenn Gott nicht existiert, gibt es auch keine objektiven moralischen Werte und Pflichten.
  2. Objektive moralische Werte und Pflichten existieren.
  3. Also existiert Gott.

Gerne können Sie die Prämissen auch auf ein Blatt Papier aufschreiben, damit der andere sie in Ruhe studieren kann.

Wenn Ihr Gegenüber Ihre Argumente damit kontert, dass er zum Angriff auf Ihre Person übergeht, etwa indem er behauptet, dass Sie einen großen Sack voll Schuldgefühlen mit sich herumschleppen müssen, wenn Sie Gott so brauchen, dann lächeln Sie einfach und sagen: „Wissen Sie nicht, dass das argumentum ad hominem ein klassischer logischer Trugschluss ist?“ (Da Sie es ganz offenbar mit einem Gegner von der abfälligen Sorte zu tun haben, können Sie ruhig etwas mehr auf Konfrontation schalten.) „Selbst wenn (was nicht der Fall ist) das, was Sie da sagen, stimmte, hätte es mit meinem Argument nicht das Geringste zu tun. Wenn Sie die Schlussfolgerung, zu der ich komme, für falsch halten, müssen Sie davon ausgehen, dass mindestens eine der Prämissen falsch ist. Bitte sagen Sie mir, welche das ist und warum.“ Lernen Sie diese Antwort auswendig, und Sie werden nicht sprachlos sein, wenn Ihr Gegner mit seinen Attacken kommt.

Bitte verstehen Sie das mit dem Auswendiglernen nicht falsch! Ich sage nicht, dass Sie kein echtes Gespräch mit dem Nichtchristen suchen sollten. Ganz im Gegenteil: Mit dieser Taktik können Sie das Gespräch in Bahnen lenken, die echt fruchtbar und interessant sind, und dem anderen zeigen, dass Sie ihn als Person achten und dass er Ihnen wert ist.

Worum es bei all dem letztlich geht, ist, in den Worten des Paulus in 1. Korinther 9,22 (Hoffnung für alle), auf die Menschen zuzugehen, „um auf jede erdenkliche Weise wenigstens einige Menschen zu retten.“ Sehen Sie sich einmal die persönlichen Zeugnisse auf dieser Website an, die illustrieren, auf welch erstaunliche Weisen Gott diese Argumente benutzt hat, um Menschen zu sich zu rufen. Schön, es kann sein, dass der andere sich von Ihren Argumenten nicht erschüttern lässt – aber Sie pflanzen und begießen geduldig, in der Hoffnung, dass mit der Zeit das Pflänzchen heranwächst und reift und Früchte trägt.

Darf ich Ihnen eine andere Zuschrift zitieren, die ich in dieser Woche erhielt und die fast wie eine Antwort auf Ihre Frage klingt? Ein gewisser Scott schreibt:

Ich kann Ihnen gar nicht genug danken für all das, was Sie tun! Ich bin ein einfacher Lastwagenfahrer, der Jesus liebt, und es fiel mir nicht immer leicht, meinen Glauben weiterzugeben – bis ich Ihr Buch On Guard las. Jetzt bin ich nicht mehr halb so unsicher, wenn ich mit Kollegen oder Nachbarn über den Glauben rede. Ich laufe nicht mehr weg vor den schwierigen Fragen. Ich bin nach wie vor nur ein Lastwagenfahrer, und ich werde weiterhin daran arbeiten, Ihr Buch durchzuarbeiten. Jemand aus meiner Gemeinde fragte mich kürzlich: „Warum versuchst du, dich in christliche Apologetik einzuarbeiten?“ Ich merkte schnell, dass er jemand war, der nicht oft seinen Glauben an andere weitergibt.

Marshall, wenn Sie meine obigen Ratschläge beherzigen, werden Sie das, was Scott da erlebt hat, immer häufiger selber erfahren.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/belly-flopping

- William Lane Craig