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#107 Jüdische Gottesvorstellungen

July 12, 2016
F

Einer meiner atheistischen Freunde schickte mir kürzlich diese Frage und diese Angaben, bei denen ich Hilfe brauche:

„Das alte Israel begann als ein polytheistisches Volk, das später eine Entwicklung zu einer monotheistischen Religion durchlief und seine heiligen Bücher (religiöse Überlieferung) zu einem Buch zusammenmischte und seine Götter – El und Jahwe [Herr] – zu einem einzigen Gott verschmolz. Ein gründliches Studium der Bibel macht klar, dass Jahwe nicht derselbe ist wie El. Diese beiden waren verschiedene Gottheiten, die später zu einem einzigen synthetisiert wurden. Jahwe war ursprünglich der Gott des Krieges, die Gottheit des Jahwismus – einer sehr alten beduinischen Religion in Arabien. Seine Name ist höchstwahrscheinlich ein Diminutiv zu „Jahwe Zebaoth“, was bedeutet: „er stellt Heere auf“. Ein Hinweis darauf lässt sich in 2. Mose 15,3 finden: „Der HERR ist ein Kriegsheld, Jahwe sein Name.“ Er ist ausschließlich der Gott der Hebräer (2. Mose 7,16) und er ist es, der die verschiedensten Kunststücke vollführt und den Pharao und die Ägypter bestraft. Jahwe ist es auch, der als oberster Befehlshaber auftritt, als die Israeliten unter der Führung von Mose und später von Josua eine Nation nach der anderen überfallen, die Bewohner massakrieren und ihre Städte plündern, und er verspricht, ihnen den Sieg über ihre Feinde zu geben, deren Länder den Juden versprochen worden waren (2. Mose 23,27-33). Der Jahwismus war die Religion des Stammes Juda, der sich in den südlichen Gebieten Palästinas ansiedelte, und muss sich von dort aus im übrigen Arabien verbreitet haben. Jahwe ist im Grunde ein Stammesführer, dem sehr daran gelegen ist, eine neue Heimat für seinen Clan zu finden und sie in ihren Kriegen zu unterstützen. Die älteste Version des Jahwismus war die Religion des alten Arabiens.

Der Gott Jakobs dagegen war El. El wurde in Aramäa verehrt, woher Jakob stammte (5. Mose 26,5). Deshalb waren die Israeliten ursprünglich Aramäer. Und El wurde im Königreich Israel verehrt. Psalm 82 lässt keinen Zweifel, dass El und Jahwe tatsächlich zwei verschiedene Götter waren. Dieses kurze Kapitel ist das Protokoll vom Ratschluss der Götter, bei dem Jahwe den Vorsitz führt. Sie alle sind Söhne von El, dem Höchsten. Jahwe ermahnt andere Götter, tadelt sie und verwirft sie wegen Unfähigkeit. Tatsächlich erinnert er sie daran, dass sie die Söhne des Allmächtigen (Eljon) sind. Dies zeigt klar, dass Jahwe nicht der Allerhöchste ist. Der Allerhöchste ist El oder Eljon, der Vater Jahwes und der Vater aller Götter. Am Ende erlässt er eine schreckliche Verurteilung über die Göttergeschwister und warnt sie, dass sie alle wie Sterbliche umkommen werden. Die Bibel sagt nicht, ob diese Götter tatsächlich starben, aber Jahwe [HERR] ruft den Allerhöchsten [Eljon] an, aufzustehen und die Erde zu richten, weil alle Nationen ihm gehören. In Psalm 82,6-8 steht: „Ich sagte zwar: Ihr seid Götter, Söhne des Höchsten seid ihr alle! Doch wie ein Mensch werdet ihr sterben, wie einer der Obersten werdet ihr fallen. Stehe auf, o Gott, richte die Erde! Denn du sollst zum Erbteil haben alle Nationen.“

Alle Götter zu entlassen, sie zum Tod zu verurteilen und das Machtmonopol in den Händen Els zu vereinen muss ein politischer Schachzug gewesen sein, durch den Israel seine Vorherrschaft über die Nationen durchsetzte. Möglicherweise wurde diese Entscheidung während der Königsherrschaft von Jerobeam I im Namen Eljons getroffen, um die Vorherrschaft Israels über Juda und wahrscheinlich andere Nationen zu etablieren. Psalm 82 ist zwar politisch motiviert, hat aber immense Bedeutung für die Geschichte des Monotheismus und die nachfolgenden monotheistischen Religionen. Von diesem Moment an ist es Eljon, der Gott des Himmels, der Allerhöchste, der im Alleingang und ohne die Hilfe von Mittlern über die ganze Welt herrscht. Dieser Psalm leitet den Monotheismus nicht sofort ein. Aber er ebnet den Weg für die direkte Herrschaft eines einzigen Gottes über alle Nationen. Mit diesem Psalm ist der Same des Monotheismus gesät, aber die Frucht wird erst geerntet, als Paulus nach Rom und Athen reist, um den jüdischen Gott als den Gott der ganzen Menschheit zu präsentieren, als denselben Gott, der von den Athenern und den Römern verehrt wird (Apg 17,22-23).

Die Verse 8 und 9 in 5. Mose 32 bestätigen die Existenz vieler Götter – von denen jeder für eine Nation zuständig ist. Die folgende Übersetzung stammt aus der New Revised Standard: „Als der Allerhöchste den Nationen das Erbe austeilte, als er die Menschheit teilte, da legte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Götter fest; der eigene Anteil des HERRN war sein Volk, Jakob sein Erbteil.“ In anderen Übersetzungen wird dieser Vers anders wiedergegeben. In der Hebrew Names Version of the World English Bible (HNV) [1] lesen wir: „Als Ha`Eljon den Nationen ihr Erbe austeilte, als er die Menschenkinder trennte, legte er die Grenzen der Völker nach der Zahl der Kinder Yisra’els fest. Denn des Herrn Anteil ist sein Volk; Ya`akov ist sein Erbteil.“ Hier ist klar, dass der Allerhöchste der Eljon ist. Doch anders als in der Übersetzung der New Revised Standard steht hier, dass die Nationen der Welt nach der Zahl der Kinder Israels geteilt wurden und nicht nach der Zahl der Götter. Eljon (Höherer, Allerhöchster) ist unter anderem ein Name für den Gott Israels. Es kann auch eine vorbiblische Gottheit sein, an welche die Hebräer geglaubt hatten. Vergleichen Sie die aramäische Gottheit Iljaan in keilschriftlichen Texten. (Iljaan = Eljon; genauso wie das hebräische olam = das arabische aalam, „Welt“). Eljon kann also mit „Allerhöchster“ übersetzt werden, aber wenn man einen Artikel über biblische Textkritik schreibt, kann man Eljon als den Namen einer früheren Gottheit erwähnen.

„Nach der Zahl der Kinder Israels“ ist korrekt – es bezieht sich auf die 70 Kinder Israels, die gleich zu Beginn im Buch Exodus erwähnt werden. Das ist die Bedeutung, die sowohl kritische als auch fromme Verfasser (wie Raschi, der Kommentator der Thora im 11. Jahrhundert, parallel zu Dschalālain im Islam) nannten, aber die kritischen Kommentatoren lassen auch die Bedeutung „nach der Zahl der Söhne Els“ zu. El war eine kanaanitische Gottheit und hatte 70 Söhne.

Wann immer „elohim“ in der Bibel erscheint, wurde es im Griechischen mit „ho theos“ (Gott, lateinisch „Deus“) übersetzt, während „JHWH“ mit „ho kyrios“ (Meister, Herr, lateinisch „Dominus“) übersetzt wurde. Der Gott der Hebräer hat viele Namen: Elohim (Plural zu „elo[a]h“ = im Arabischen „ilaah“), El, JHWH, Schaddai. Vielleicht sind es die Namen früherer, voneinander verschiedener männlicher Gottheiten (es gab auch weibliche Gottheiten wie „tehom“, Tiefe in Genesis 1, welche im Babylonischen „tiamat“ ist, die Meeresgöttin, wenn ich mich recht erinnere). Es besteht kaum ein Zweifel, dass die Hebräer des Altertums an viele Götter glaubten, aber mit der Zeit wurde ein einzelner Himmelsgott führend unter ihnen, der ihre Existenz schließlich ganz ausklammerte. Was wir in der Bibel haben, sind redigierte Texte, die den alten Polytheismus auszulöschen versuchen; deshalb müssen wir den alten Glauben herausfiltern, um ihn zu erkennen. Ob die Kinder Israels zwischen den verschiedenen Göttern schwankten, ist unklar – die Möglichkeit besteht, aber man kann nicht sicher sein, dies durch alles Herausfiltern verifizieren zu können.“

Würden Sie mir nun bitte bei dieser Frage und diesen Angaben helfen? Vielen Dank und Gottes Segen.

Jeremiah

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Jüdische Gottesvorstellungen

Wenn ich eine interessante Frage aus einem Fachgebiet erhalte, mit dem ich mich bislang nicht intensiv befasst habe, bitte ich manchmal einen Kollegen, der auf diesem Gebiet ein Experte ist, auf die Frage zu antworten. Die Antwort dieser Woche stammt von Prof. Dr. Richard Hess, der den Earl S. Kalland Lehrstuhl für Altes Testament und Semitische Sprachen am Denver Seminary innehat und Fachmann für die israelitische Religion des Altertums ist. Hier seine Antwort:

In Ihrer Frage schneiden Sie einige sehr wichtige Themen an. Erlauben Sie mir im Blick auf den Umfang Ihrer Frage, sie in einige der wichtigsten Aspekte zu gliedern und darauf einzugehen.

Sie beginnen mit einer Einschätzung, die von einer beträchtlichen Zahl gegenwärtiger alttestamentlicher Gelehrter vertreten wird: dass Israel als polytheistische Nation begann und sich zu einer Nation mit einer monotheistischen Religion entwickelte. Verschiedene Gelehrte zitieren unterschiedliche Belege dafür. Einige der wichtigen Argumente fassen Sie zusammen und ich werde versuchen, hier darauf einzugehen. Bevor ich das tue, erlauben Sie mir den Hinweis, dass ich in der Tat glaube, dass einige Israeliten an viele Götter glaubten, von denen Jahwe einer war. Doch es gibt auch Belege innerhalb und außerhalb der Bibel, die zeigen, dass es andere Israeliten gab, die an eine einzige Gottheit glaubten.

Bitte unterscheiden Sie zwischen einem persönlichen Namen einer Gottheit, einem Titel einer Gottheit und einem Beinamen.

In der Bibel ist „Jahwe“ ein persönlicher Name, der als solcher in 2. Mose 6,2-8 zu erkennen ist. „Jahwe“ erscheint in einer Reihe früher israelitischer Gedichte (2. Mose 15; 5. Mose 33; Richter 5), in denen er mit der südlichen Wüste und mit einer Kriegsgottheit in Zusammenhang gebracht wird. Ein Gott namens „Jahwe“ mag durchaus in diesem Gebiet bekannt gewesen sein, wie eine frühe Inschrift und die Verbindung von Moses Schwiegervater Jitro und dessen Clan mit dem Gott Israels (2. Mose 3,1; 18,1.12) nahelegen. Die Art und Weise, wie Mose Jitro akzeptiert und ins Vertrauen zieht, scheint Gesetzen der Intoleranz gegenüber anderen Gottheiten zu widersprechen, sofern nicht der Gott, den Jitro verehrte und dem er als Priester diente, dieselbe Gottheit war, der Mose diente. Jitros Verständnis dieser Gottheit entsprach allerdings nicht der Offenbarung Jahwes an Israel durch seinen historischen Akt der Befreiung aus Ägypten (2. Mose 20,2) und durch den beispiellosen Bund, den er mit dieser Nation schloss. Die Bibel macht deutlich, dass Jahwe nicht nur an seinem Namen erkannt wird, sondern an dem (in Wort und Tat) göttlich verfügten Bundesschluss, durch den Gott Israel an sich bindet. Ähnlich wie der römische Kaiser des dritten Jahrhunderts, der eine Jesus-Statue zwischen die Darstellungen der vielen Gottheiten stellte, die er verehrte, so hatte Jitro vielleicht nur eine Ahnung von dem wahren Wesen des Gottes Israels. Die Identität Jahwes findet sich nicht nur in einem distinktiven Namen, sondern viel mehr noch in seinen Taten der Liebe und Barmherzigkeit zu seinem Volk. (Übrigens sind die obigen Bemerkungen über Massaker und Plünderungen durch diesen Gott eine Fehldeutung des tatsächlichen Textes von Josua und anderen Stellen; das erläutere ich gerne näher bei einer anderen Gelegenheit, denn es würde den Rahmen dieser Frage sprengen.)

Jüdische Gottesvorstellungen – Die Titel „El“ und „Elohim“

„El“ erscheint in der Bibel als ein Titel. Wie die viel häufigere Bezeichnung „Elohim“ ist er von alten semitischen Wörtern für „Gottheit/Gott“ abgeleitet. Es stimmt, dass „El“ als Name des Hauptgottes in den Mythen von Ugarit, einer westsemitischen (Hebräisch ist ebenfalls eine westsemitische Sprache) Stadt aus dem 13. Jahrhundert vor Christus, erscheint. Doch das Wort scheint sich dort auch auf andere Gottheiten oder sogar einen Geist zu beziehen. Deshalb muss es sich nicht auf den Gott Israels beziehen. Sie erörtern Psalm 82 recht ausführlich. Es ist möglich, dass dieser Text davon handelt, dass Mitgliedern des himmlischen Rates, die wir Engel nennen würden, eine Verantwortung über verschiedene Nationen der Erde zugeteilt wird. Ihr Versäumnis, mit Gerechtigkeit zu handeln, hat zur Folge, dass Gott ihre Herrschaft beendet. Nichtsdestoweniger wird Jahwe häufig mit El identifiziert (4. Mose 23,22-23; 2. Samuel 23,5; Psalm 118,27; Jesaja 40,18; 43,12; 45,22; usw.). Doch die Bibel erkennt El auch als einen von Jahwe verschiedenen Gott an, etwa in Texten wie Hesekiel 28,2, wo der Fürst von Tyrus behauptet, er sei El (aber dies ist wahrscheinlich ebenfalls eine andere Verwendung von „El“, nämlich als Titel „Gott“). Zu beachten ist, dass der Begriff „Söhne Els“ sich nicht auf leibliche Söhne eines Gottes beziehen muss. Er kann einfach diejenigen bezeichnen, welche dieselben göttlichen Eigenschaften besitzen (zum Beispiel im Sinne von Autorität und Herrschaft). Vergleichen Sie die „Söhne Belials“ in 5. Mose 13,14; Richter 19,22; 20,13; 1. Samuel 2,12; 10,27; 25,17; 1. Könige 21,10.12; usw. Dieser Ausdruck bedeutet nicht, dass alle diese Personen leibliche Söhne dessen waren, der Belial genannt wird. Nein, er bezeichnet eine gemeinsame Eigenschaft aller dieser Personen. Es gibt weitere solche Beispiele, sowohl innerhalb der Bibel als auch in der zeitgenössischen außerbiblischen Literatur.

Übrigens wird die Verbindung Jakobs mit El manchmal auf den anderen Namen Jakobs gestützt, auf den Namen „Israel“, dessen letzter Bestandteil „El“ ist. Wie schon gesagt ist „El“ ein Titel für Gott, der in anderen persönlichen Namen in Israel (wie etwa in „Samuel“) und in benachbarten Nationen oft verwendet wird. In der ammonitischen Liste von Eigennamen enthalten über 150 den Namen „El“, doch die meisten würden bekräftigen, dass der Hauptgott der Ammoniter Milkom war und dass „El“ ein Titel für Milkom war. Man muss sehr zurückhaltend sein, viele Schlussfolgerungen aus einem Wort zu ziehen, das in der westsemitischen Welt ein Titel für jede Gottheit sein kann.

Jüdische Gottesvorstellungen – Beinamen heben Attribute Gottes hervor

„Eljon“ ist ein Beiname, der in Bezug auf Gott verwendet wird. Er bedeutet „der Allerhöchste“. Beachten Sie, dass er nichts mit „El“ zu tun hat. „El“ beginnt mit dem hebräischen Buchstaben aleph, während „Eljon“ mit einem ajin beginnt. Diese Unterscheidung ist sehr wichtig und muss in Erinnerung behalten werden. In 1. Mose 14,18-22 wird Melchisedek als Priester von El Eljon (Gott, dem Allerhöchsten) bezeichnet, einem Gott, mit dem Abram sich in Vers 22 identifiziert. Es gibt einige, die diesen Beinamen mit einer eigenen Gottheit identifizieren möchten. Sie argumentieren, dass El Eljon ursprünglich ein anderer Gott als Jahwe war und von den Kanaanitern in Jerusalem angebetet wurde. Erst später wäre die israelitische Überlieferung von Jahwe damit verschmolzen, sodass es ein Titel für Jahwe wurde. Doch diese Argumentation setzt die Hypothese einer ansonsten unbekannten Gottheit dieses Namens voraus – einer Gottheit, die nirgendwo innerhalb oder außerhalb der Bibel unter diesem Namen belegt ist. Auch die Verwendung von „Eljon“ in der Bibel unterstützt eine solche Interpretation nicht. In Psalm 82,6 sind diejenigen, die als „Kinder“ (oder „Söhne“) Eljons bezeichnet werden, gewiss die „Kinder“ des Gottes Israels, der hier den Vorsitz über diesen göttlichen Rat führt und alles regelt, was dieser Rat tut. Jahwe ist nicht ihr leiblicher Vater. Er ist ihr Herrscher.

Was nun 5. Mose 32,8-9 betrifft, übersetze ich das Hebräische, wie es uns vorliegt: „Als der Allerhöchste (Eljon) den Nationen ihr Erbe unter den Menschen gab, legte er Grenzen für das Volk nach der Zahl der Söhne Israels fest. (Er tat dies), weil Jahwes Anteil sein Volk ist. Jakob ist sein Erbteil.“ Um „Söhne Gottes“ anstelle von „Söhne Israels“ zu finden, muss man sich auf die griechische Übersetzung der Septuaginta stützen, in der tatsächlich „Engel Gottes“ steht. Das steht nicht im Hebräischen. Das soll nicht heißen, dass diese alte hebräische Dichtung leicht zu übersetzen wäre. Aber das ist etwas völlig anderes, als dies als einen Beweis für eine Unterscheidung zwischen Eljon und Jahwe zu zitieren. Ganz im Gegenteil identifiziert das Hebräische beide als persönlich mit Israel verbunden und somit höchstwahrscheinlich als identisch. Was die vermutete aramäische Gottheit Iljaan betrifft, finde ich keine Belege für diesen Namen in den frühen aramäischen Texten oder als Bestandteil in Eigennamen. Andererseits findet man die Verbindung der „Zahl der Söhne Israels“ in 5. Mose 32,8 mit den 70 Kindern Israels, die nach Ägypten zogen, zumindest in der späteren jüdischen Überlieferung. Die Auffassung jedoch, dass dies sich auf die 70 Söhne Els und der Aschera beziehen muss – eine Zahl, die nur in den ugaritischen Mythen so definiert wird – ist kaum notwendig. Einige mittelalterliche Auslegungen brachten sie mit den 70 Nationen der Welt in Verbindung, die in der Völkertafel von 1. Mose 10 aufgezählt werden. Dies ist möglich. Es ist klar, dass 70 eine häufige Zahl ist, die etwa 57mal in der Bibel erscheint und oft benutzt wird, um Vollständigkeit oder Vollkommenheit zu beschreiben. Ein Rückgriff auf ugaritische Mythen und den Polytheismus lässt sich ohne zwingendere Beweise nicht rechtfertigen.

Was die Feststellung betrifft, dass der Gott der Hebräer viele Namen hatte, würde ich Ihnen noch einmal eine Unterscheidung zwischen dem Eigennamen „Jahwe“, verschiedenen Titeln für „Gott“ wie „Elohim“ oder „El“ und Beinamen wie „Schaddai“ (vielleicht bezogen auf den göttlichen Rat oder die himmlischen Heerscharen) nahelegen. „Elohim“ scheint tatsächlich in sich ein Plural zu sein (mit der Endung -im). Doch wenn dieser Titel auf den Gott Israels bezogen wird, wird er immer von Verben im Singular begleitet und als Nomen im Singular behandelt.

Ich schließe mit der Anmerkung, dass das alte Israel sich die hebräische Sprache und viele andere kulturelle Merkmale aneignete, die es in der Bibel so umgestaltete, wie es seiner unverwechselbaren Theologie entsprach. Dasselbe gilt für verschiedene religiöse Praktiken. Der Name „El“ kann sich also auf den Hauptgott in Ugarit im 13. Jahrhundert v.Chr. beziehen. Das bedeutet aber nicht, dass es sich um den Namen eines anderen Gottes als Jahwe in der Bibel handeln muss. Als Titel für verschiedene Götter innerhalb und außerhalb der Bibel kann er auf Jahwe bezogen werden, ohne dass dies irgendetwas über frühe israelitische Glaubensüberzeugungen beweisen würde.

Mehr zu diesem Thema finden Sie in meinem Buch: Israelite Religions: An Archaeological and Biblical Survey (Baker: 2007).

Prof. Dr. Richard Hess

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/jewish-beliefs-about-god

  • [1]

    Die Hebrew Names Version Bibel ist eine englische Bibelübersetzung, die der früheren American Standard Version ähnlich ist, aber an die aktuelle englische Sprache angepasst wurde; sie ist hier online einsehbar: http://www.biblestudytools.com/hnv/ (A.d.Übers.)

- William Lane Craig