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#399 Brief eines trauernden Vaters

February 02, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

vor etwas über einem Monat ist meine Tochter gestorben. Am 18. Januar wäre sie drei Jahre alt geworden. Ich liebte sie über alles. Sie wurde mit einer seltenen neurologischen Krankheit geboren, und meine Frage ist: Wie konnte ein allliebender Gott, der seine Kinder liebt und so viel „Macht“ hat, das zulassen? Wie kommt es, dass alles Gute, das einem Gläubigen widerfährt, ihn in seinem Glauben stärkt und dass das Böse als „Prüfung“ gilt oder mit „Gottes unerforschlichen Wegen“ wegerklärt wird? Wenn Gott so groß und so gut ist, warum hat er mir dann meine Tochter weggenommen?

Es gibt Rabeneltern, die ihre Kinder misshandeln oder verlassen usw., und solche, die echt gute Eltern sein wollen, verlieren ihre Kinder auf einmal. Herr Prof. Craig, wie soll ich noch an Gott glauben können? Es sagt sich so leicht, dass „Gott einen Plan hat“ oder dass er uns nichts schuldig ist usw. Warum kommt er nicht zu seinen Leuten und redet selber mit ihnen? In der Bibel steht, dass ich mich nicht um den nächsten Tag sorgen soll, weil Gott für mich sorgen wird. Mein „nächster Tag“ war ein kleines Kind, das an einer schweren Krankheit gestorben ist.

Wenn fromme Leute gesunde Kinder und ein gutes Leben haben, können Sie leicht sagen: „Gott ist ja so groß und so toll“ etc. Was für eine Frechheit! Klar, denen geht’s gut. Gott ist groß, jawohl, aber für wen? Etwa für mich? Das ist wie eine Ohrfeige.

Herr Prof. Craig, ich halte Sie für einen ungewöhnlich intelligenten Mann. Sie sind ein gestandener Philosoph und ein toller Redner. Aber ich habe den Eindruck, dass manche Ihrer Antworten auf Fragen wie die meinen doch etwas subjektiv eingefärbt sind. Ihre Vorstellung von der Wahrheit gründet auf einem Gott, den man nicht erkennen kann, auf Ihrer rein persönlichen Meinung darüber, was real ist und was nicht, und auf Ihrem persönlichen Verständnis der Bibel.

Herr Prof. Craig, bitte helfen Sie mir, zu glauben! Entschuldigen Sie, wenn ich etwas aggressiv klinge. Ich bin so wütend auf Gott. Mein Mädchen war mein Ein und Alles. Diese ganze Geschichte mit Gott kommt mir auf einmal wie lauter Hokuspokus vor. Ich lese gerade viel von Sam Harris, dem großen Atheisten. Herr Prof. Craig, um Himmels willen, helfen Sie mir, ich bin absolut am Ende!

Ich muss dauernd heulen. Mein Herz ist gebrochen. Für mich gibt es keinen Gott mehr, keine Hoffnung, es ist alles dunkel. Es gibt keinen Himmel und keine Hölle mehr, nur noch diese furchtbare Leere. Sie hieß Evelynn, und sie war mein Ein und Alles, und Herr Prof. Craig, ich will nicht mit dieser totalen Leere im Herzen leben. Ich möchte so gerne glauben, aber mein Glaube ist wie eines dieser schwarzen Löcher im Weltraum. Er war einmal und ist nicht mehr. Ich warte geduldig auf Ihre Antwort. Danke, Dass Sie sich Zeit für mich nehmen.

Patrick

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Ich kann mir nicht entfernt vorstellen, was Sie durchmachen müssen, Patrick. Ich zögere schier, diese Woche Ihre Frage zu beantworten, weil ich Angst habe, dass Sie meine Antwort als kalt und gefühllos empfinden werden, denn so etwas wie Sie habe ich in meinem Leben noch nicht durchgemacht. Sie beklagen sich auch, dass manche meiner Antworten subjektiv eingefärbt seien. Nun, ich hoffe, Sie vergeben mir daher, wenn ich Ihnen eine Antwort gebe, die sich auf objektive Argumente gründet.

Ich glaube, dass man dort, wo es um scheinbar sinnloses Leiden geht (wie bei Ihnen), unbedingt zwischen dem intellektuellen Problem des Leidens und dem emotionalen Problem des Leidens unterscheiden muss. Dies gilt besonders, wenn man einen lieben Menschen verloren hat. Sie wissen sicher, dass zu dem Trauerprozess typischerweise eine Phase der Wut gehört, wie das ja auch bei Ihnen der Fall ist. In dieser Phase muss man mit vielen Gefühlen fertigwerden. Wenn ich Ihren Brief recht verstanden habe, erleben Sie gerade das emotionale Problem des Leidens und nicht das intellektuelle, denn in Ihrem Brief finde ich so gut wie keine gedanklichen Argumente, sondern nur Ausdrücke des nackten Schmerzes. Um mit diesem Problem fertigzuwerden, brauchen Sie nicht die Hilfe eines Philosophen wie mir, sondern die eines Pastors oder Seelsorgers. Alles, was ich Ihnen bieten kann, sind einige Gedanken zu dem intellektuellen Problem des Leidens, die Ihnen vielleicht helfen können, innerlich so weit zur Ruhe und ins Lot zu kommen, dass Sie fähig werden, sich dem emotionalen Problem zu stellen.

Wenn wir vor dem intellektuellen Problem des Leidens stehen, ist es zunächst einmal wichtig, dass wir uns darüber klar sind, wer hier die Beweislast trägt. Der Atheist behauptet, dass das sinnlose Leiden in der Welt es unwahrscheinlich macht, dass Gott existiert. Diese Behauptung hat er nun zu beweisen, indem er Argumente beibringt, die zu der Schlussfolgerung führen: „Daher ist es unmöglich (oder unwahrscheinlich), dass Gott existiert.“ Nur zu oft lassen Christen es sich gefallen, dass die Nichtchristen ihnen die Beweislast aufhalsen. „Gebe mir eine gute Erklärung dafür, warum Gott Leiden zulässt“, sagt der Atheist, worauf er sich in seinem Sessel zurücklehnt und den skeptischen Schiedsrichter über die Erklärungsversuche des Christen macht; er selber, der Atheist, muss dagegen gar nichts beweisen. Dies mag vonseiten des Atheisten eine clevere Diskussionsstrategie sein, aber es ist philosophisch nicht legitim und intellektuell unredlich. Es ist ja der Atheist, der behauptet hat, dass es angesichts all des Leidens in der Welt keinen Gott geben kann; folglich ist er derjenige, der Argumente für seine Position liefern muss, und der Christ kann die Rolle des Skeptikers übernehmen, der kritisch prüft, ob es dem Atheisten gelingt, nachzuweisen, dass Gott keinen guten Grund dafür hat oder haben kann, dass er das Leiden in der Welt zulässt.

So ziemlich das Einzige, was der Atheist hier tun kann, ist, dass er konkrete Beispiele für Leiden nennt, das keinen ersichtlichen Grund hat (wie bei Evelynns viel zu frühem Tod), und daraus schließt, dass es dann, wenn wir keinen Grund sehen können, auch keinen gibt. Ich glaube, Sie sehen, wie dürftig diese Schlussfolgerung ist.

In meinem Buch On Guard[1] und in dem von mir mitverfassten Philosophical Foundations for a Christian Worldview[2] gebe ich drei Erwiderungen auf die Position des Atheisten.

1. Wir haben nicht die epistemischen Voraussetzungen dazu, zu dem Urteil zu kommen, dass es unwahrscheinlich ist, dass Gott gute Gründe dafür hat, das Leiden, um das es geht, zuzulassen.

Jedes Ereignis in der Welt hat – wie der berühmte Stein, der ins Wasser fällt und seine Kreise zieht – Auswirkungen auf den Gang der Geschichte. Es kann durchaus sein, dass Gottes Gründe dafür, etwas zuzulassen, erst Jahrhunderte später und in einem anderen Land zutage treten. Nur ein allwissender Gott ist in der Lage, eine von Menschen mit einem freien Willen bevölkerte Welt so zu lenken, dass er seine Ziele erreicht. Denken Sie nur daran, wie viele Dinge zusammenkommen müssen, damit es zu einem bestimmten historischen Ereignis wie z.B. der Landung der Alliierten in der Normandie 1944 kommt! Wir wissen schlicht nicht, wie viel Leiden dazu gehören mag, damit Gott über die freien Handlungen freier Menschen ein bestimmtes Ziel erreicht. Wir sollten auch nicht erwarten, Gottes Gründe für das Zulassen von Leiden erkennen zu können. Dass Leiden uns oft sinnlos und unnötig vorkommt, ist nur zu erwarten, weil wir mit unserem begrenzten Verstand die ganze Komplexität, um die es hier geht, nicht erfassen können.

Nein, ich flüchte mich hier nicht in das bekannte Klischee von den geheimnisvollen Wegen Gottes, sondern ich weise auf die Begrenztheit unseres Verstandes hin, die es uns unmöglich macht, angesichts eines Leides zu sagen, dass Gott wahrscheinlich keinen guten Grund dafür hat, es zuzulassen. Diese Begrenztheit erkennen in anderen Kontexten auch die Nichtchristen. So lautet z.B. einer der Haupteinwände gegen die u.a. von Sam Harris vertretene Ethik des Konsequentialismus, nach welcher wir stets das tun sollten, was für das Wohl der Menschen und das Wohl anderer empfindungsfähiger Wesen am besten ist, dass wir ja nicht wissen können, was für Folgen unsere Handlungen am Ende wirklich haben werden. Eine Entscheidung, die sich kurzfristig gut auswirkt, kann langfristig katastrophal sein. Wir wissen es einfach nicht.

Bedenken wir, dass letztlich Gott es ist, der über der ganzen Menschheitsgeschichte steht, dann sehen wir, glaube ich, dass jeder Versuch, mit unseren menschlich begrenzten Möglichkeiten darüber zu spekulieren, ob Gott gute Gründe für das von uns beobachtete Leiden haben könnte, zum Scheitern verurteilt ist. Wir sind einfach nicht in der Lage, dies zuverlässig abzuschätzen.

2. Nimmt man die Gesamtmenge der verfügbaren Fakten und Indizien, dann ist es wahrscheinlich, dass Gott existiert.

Wenn der Atheist sagt, dass es unwahrscheinlich ist, dass Gott existiert, sollte man ihn sofort fragen: „Unwahrscheinlich in Bezug auf was?“ Auf das Leiden in der Welt? Wenn ich nur an das Leiden denke, ist es kein Wunder, dass Gottes Existenz unwahrscheinlich erscheint. (Obwohl, wie ich gerade erwähnt habe, der erste Schein trügen kann!) Aber das ist ja nicht die eigentlich interessante Frage. Die wirklich interessante Frage ist, wie wahrscheinlich Gottes Existenz ist, wenn wir alle verfügbaren Fakten einbeziehen. Ich bin davon überzeugt, dass alle Zweifel, die das Leiden an der Existenz Gottes aufkommen lassen kann, mehr als aufgewogen werden von den Argumenten, die es für Gottes Existenz gibt.

In diesem Sinne, Patrick, haben Sie absolut nicht recht, wenn Sie sagen: „Ihre Vorstellung von der Wahrheit gründet auf einem Gott, den man nicht erkennen kann, auf Ihrer rein persönlichen Meinung darüber, was real ist und was nicht, und auf Ihrem persönlichen Verständnis der Bibel.“ Wenn Sie meine Schriften konsultieren, wie z.B. die beiden oben erwähnten Bücher, werden Sie dort gründliche, durchdachte Argumente für die Existenz Gottes finden, die ich in öffentlichen Diskussionen mit Berufsphilosophen verteidigt habe. Ich bin davon überzeugt, dass man Gott erkennen kann und dass es gute Gründe dafür gibt, an ihn zu glauben – Gründe, die unabhängig von der Bibel sind.

Die meisten Menschen, die sich über das Problem des Leidens äußern (wie es scheint, auch Sie), gehen von der stillschweigenden Annahme aus, dass es keine guten Argumente für die Existenz Gottes gibt. Für sie ist die Waagschale, die für Gott spricht, schlicht leer, sodass nur noch die Frage bleibt, wie wahrscheinlich das Leiden den Atheismus macht. Aber ich glaube, dass es in Gottes Waagschale sehr gewichtige Argumente gibt – so gewichtig, dass ich es mir leisten kann, einzuräumen, dass, sieht man nur das Leiden in der Welt, Gottes Existenz unwahrscheinlich erscheint – weil die Argumente, die für Gottes Existenz sprechen, einfach so viel stärker sind.

3. Zum christlichen Glauben gehören Lehren, die die Wahrscheinlichkeit, dass es Gott und das Leiden gibt, erhöhen. Wenn der Gott des Christentums existiert, dann ist es nicht unwahrscheinlich, dass auch das Leiden existiert. Was sind diese Lehren? Für Ihren Fall sind  insbesondere die folgenden drei relevant:

a) Der Hauptzweck des Lebens ist nicht, dass wir glücklich werden, sondern dass wir zu Gott finden. Einer der Gründe, warum das Leiden solch ein Problem für uns ist, ist die Annahme, dass dann, wenn es Gott gibt, er doch nur wollen kann, dass wir in diesem irdischen Leben glücklich werden. Gott hat seinen menschlichen Lieblingen das Dasein so angenehm wie möglich zu machen. Diese Annahme scheint mir hinter Ihrer Frage zu stehen, wie ein Gott, der seine Kinder liebt und so viel Macht hat, das mit Ihrer kleinen Tochter zulassen konnte. Gottes Job ist es, uns glücklich zu machen …

Aus der christlichen Perspektive ist diese Annahme schlicht falsch. Wir sind nicht Gottes Lieblinge, die er zu verwöhnen hat. Das große Ziel unseres Lebens ist nicht das Glücklichsein als schönes Gefühl, sondern dass wir Gott kennenlernen – was uns langfristig die einzig wahre und nachhaltige Erfüllung gibt. Viel Leid in dieser Welt mag völlig sinnlos sein, wenn es um unser irdisches Glück geht, aber es ist vielleicht ganz und gar nicht sinnlos, wenn es darum geht, Gott besser kennenzulernen. Aber ob Gott unser Leiden dazu benutzen kann, seine Ziele mit uns zu erreichen, hängt natürlich auch von unserer Reaktion auf das Leiden ab: Werden wir wütend und verbittert auf Gott oder flüchten wir uns in seine Arme, um Kraft zum Durchhalten zu bekommen?

Tatsache ist, dass Gott es uns weder versprochen hat noch es uns schuldig ist, uns „glücklich zu machen“. Christen folgen einem gekreuzigten Heiland nach und sollten sich nicht wundern, wenn es in ihrem Leben Schmerz und Leid gibt. Sie fragen: „Warum kommt er nicht zu seinen Leuten und redet selber mit ihnen?“ Das würde unsere Welt zu einem Spukschloss machen. Jedes Mal, wenn wir leiden, würden wir eine leise Stimme hören, die uns sagt: „Du leidest gerade, weil …“ Und selbst wenn Gott dies täte – hätten wir etwas davon? Wir wären vielleicht immer noch verbittert oder würden so reagieren, dass wir Gottes Ziele sabotieren. Gott hat uns in der Bibel ein für alle Mal erklärt, dass dann, wenn wir leiden, er im Regiment sitzt und uns Kraft geben wird, und er hat uns gute Gründe dafür gegeben, ihm zu vertrauen. Mehr können wir nicht verlangen.

b) Gottes Plan für uns ist nicht auf dieses irdische Leben beschränkt, sondern reicht über das Grab hinaus in das ewige Leben hinein. Im Christentum ist das Leben auf dieser Erde gleichsam nur ein enges Vorzimmer, das in den großen Festsaal der Ewigkeit führt. Gott verheißt allen, die ihr Vertrauen auf Christus als ihren Erlöser und Herrn setzen, ewiges Leben. Wenn Gott uns in diesem Leben Leiden zumutet, geschieht dies aus der Perspektive der Erwartung einer Freude und Belohnung, die wir im Himmel bekommen werden und die alles menschliche Verstehen übersteigt.

Der Apostel Paulus hat unglaublich viel mitgemacht in seinem Leben, aber er konnte schreiben:

„Darum verlieren wir nicht den Mut. … Was wir jetzt leiden müssen, dauert nicht lange. Es ist leicht zu ertragen und bringt uns eine unendliche, unvorstellbare Herrlichkeit. Deshalb lassen wir uns von dem, was uns zurzeit so sichtbar bedrängt, nicht ablenken, sondern wir richten unseren Blick auf das, was jetzt noch unsichtbar ist. Denn das Sichtbare vergeht, doch das Unsichtbare bleibt ewig.“ (2. Korinther 4,16–18 HOFA)

Paulus lebte sein Leben aus der Perspektive der Ewigkeit. Er wusste, dass das irdische Leben, das endlich ist, im Vergleich zum ewigen Leben, das wir bei Gott verbringen werden, winzig klein ist. Je länger wir in der Ewigkeit sein werden, desto mehr werden die Leiden dieses Lebens zu einem Nichts zusammenschrumpfen. Darum kann Paulus von diesen Leiden sagen, dass sie nicht lange dauern und leicht zu ertragen sind. Nein, er redet sie nicht klein, er erfuhr sie ja an seinem eigenen Leib; aber er sah, dass sie letztlich nur ein Tropfen sind gegenüber dem Ozean der ewigen Freude und Herrlichkeit, die Gott denen geben wird, die ihm vertrauen.

Evelynn ist jetzt bei Gott und wartet darauf, dass Sie eines Tages auch dort ankommen werden. In der Ewigkeit der Freude wird das Leiden, das Evelynn und Sie durchgemacht haben, weniger als ein Augenblick sein.

c) Gott kennen ist ein unvergleichlich hohes Gut. Auch dies betont Paulus in der zitierten Stelle aus dem 2. Korintherbrief. Er stellt sich gewissermaßen eine Waage vor, in der all das Leiden dieser Welt in der einen Schale liegt und die Herrlichkeit, die Gott seinen Kindern im Himmel schenken wird, in der anderen. Das Gewicht der Herrlichkeit ist so groß, dass das Leiden wie ein Nichts ist. Gott, die unendliche Güte und Liebe, kennen ist ein unvergleichlich hohes Gut und die Erfüllung der menschlichen Existenz. Wer Gott kennt, der kann, egal wie groß sein Leiden und wie furchtbar sein Schmerz ist, immer noch allen Ernstes sagen: „Gott ist gut zu mir!“ Er kann dies, weil er Gott kennt und damit das Höchste und Schönste, was es gibt.

Diese Lehren des Christentums machen die gleichzeitige Existenz Gottes und des Leidens in der Welt wahrscheinlicher und schwächen das Argument, dass das Leiden in der Welt mit der Existenz Gottes nicht vereinbar sei. Hier wäre es die Aufgabe des Atheisten, entweder zu zeigen, dass diese christlichen Lehren wahrscheinlich falsch sind, oder nachzuweisen, dass selbst angesichts dieser Lehren die Existenz Gottes unwahrscheinlich ist. In beiden Fällen liegt die Beweislast bei ihm.

Patrick, lassen Sie mich mit einigen Worten des seelsorgerlichen Rates enden (schnallen Sie sich an!). Erstens: Was wollen Sie in ihrer Situation mit den Büchern von Sam Harris? Leiden Sie so unter der Trauer, dass Sie nicht mehr klar nachdenken? Warum lesen Sie solch einen destruktiven Schund? Kann er Ihnen in Ihrer Situation Trost und Wahrheit bringen?

Zweitens: Sie schreiben: „Es ist alles dunkel. Es gibt keinen Himmel und keine Hölle mehr, nur noch diese furchtbare Leere.“ Das ist eine gute Beschreibung dessen, was der Atheismus Ihnen zu bieten hat. Warum wenden Sie sich nicht lieber Gott zu, dem Einzigen, der Ihnen Hoffnung und Trost bieten kann? Hat etwa Evelynn auch die Hoffnung auf Gott verloren und ist am Ende eine Atheistin geworden? Was hätte sie Ihnen geraten? Wenn der christliche Glaube wahr ist, dann wartet sie jetzt im Himmel, wo es auf ewig keinen Schmerz und keine Tränen mehr gibt, auf Sie. Wollen Sie dieses Rendezvous verpassen?

Und drittens: Ich finde es merkwürdig, dass Sie in Ihrem Brief nirgends von Evelynns Mutter reden. Ist es möglich, dass Sie so sehr in Ihrer eigenen Trauer gefangen sind, dass Sie sie und das, was sie durchmachen muss, komplett vergessen haben? Wollen Sie nicht für sie da sein und ihr durch diese schlimmen Tage hindurchhelfen? Wollen Sie in dieser Stunde der Mann Gottes sein, der sich fragt, wie er den anderen helfen kann, oder wollen Sie davonlaufen? Möge Gott Ihnen Kraft geben!

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/letter-from-a-grieving-father

 

[1]                William Lane Craig: On Guard: Mit Verstand und Präzision den Glauben verteidigen, CVMD 2015.

[2]                J.P. Moreland, William Lane Craig: Philosophical Foundations for a Christian Worldview, InterVarsity 2003.

- William Lane Craig