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#622 Einige Einwände von Ayn Rand

July 07, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

zunächst einmal freue ich mich auf Ihren Besuch im Mai dieses Jahres [2019], bei dem Sie auch in meiner Universität sprechen werden. Ich beschäftige mich gerade mit der Philosophie von Ayn Rand[1], insbesondere mit ihrem Atheismus. Es ist mir leider nicht gelungen, apologetische Antworten auf ihre Arbeit und ihre Einwände gegen das Christentum zu finden. Mehrere der Einwände, die die Gegner des Glaubens vorbringen, kommen mir falsch vor, scheinen mir aber eine harte Nuss zu sein. Erstens: In einem ihrer Romane schreibt Rand, dass, wenn sie ein Christ wäre, es sie empören würde, dass ein vollkommener Mensch (Christus) sich für nicht vollkommene Menschen opfert. Sie sieht in dem Selbstopfer für jemanden, der unter einem steht, die Wurzel alles Bösen (den Altruismus). Zweitens: Einer ihrer langjährigen Freunde und Schüler, Leonard Peikoff, hat behauptet, dass für ihn ein Gottesbeweis eine Katastrophe wäre, da er notwendigerweise Gott begrenzen würde. Und drittens behauptet Rand, dass Adam und Eva dafür bestraft wurden, dass sie die Kerntugenden der Vernunft und des Eigennutzes praktizierten. Wie soll man auf diese Einwände antworten?

Amos

United Kingdom
 

 

[1] Ayn Rand (1905-1982) war eine amerikanische Schriftstellerin russischer und jüdischer Herkunft, die u.a. durch ihre Romane The Fountainhead (dt. Der ewige Quell) und Atlas Shrugged (dt. Atlas wirft die Welt ab) bekannt wurde. (Anm. d. Übers.)

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort


A

Wir freuen uns wirklich sehr auf unseren English Schools Trip vom 16. bis 25. Mai, der uns nach Wellington, Harrow, Eton, Bedales und Winchester führen wird, mit der Universität Oxford als krönendem Abschluss. Wenn wir bei Ihnen sind, Amos, sprechen Sie mich unbedingt an!

Ayn Rand ist in der Zunft der Philosophen kein großer Name, hat aber in der Populärkultur ihre Fans. Ich selber habe sie nicht studiert, versuche aber gerne, Ihre Fragen zu beantworten.

1. Ayn Rand empört es, dass ein vollkommener Mensch (Christus) sich für nicht vollkommene Menschen opfert. Was ist denn am Altruismus so schlimm? Warum soll man sich nicht für jemanden, der unter einem steht, opfern? Ist das überhaupt ein Argument oder nicht vielmehr bloß eine Art „Beleidigtsein“? Das einzige Argument, das ich mir hier vorstellen kann – einmal abgesehen von dem Glauben des Atheisten, dass der Eigennutz über alles geht, sodass er sich noch nicht einmal für jemanden opfern dürfte, der besser ist als er – ist, dass dann, wenn schon jemand sterben muss, dies der sein sollte, der weniger wertvoll ist, und nicht der Edlere, denn sonst würde man ja ein größeres Gut für ein geringeres hingeben, was nicht recht ist. Selbst dann, wenn wir alle Menschen für gleich wertvoll erklären, weil sie doch nach Gottes Bild erschaffen sind, ist Christus in seiner Eigenschaft als Gott von größerem Wert als jeder Mensch, sodass er nicht sein Leben für sie hingeben sollte.

Dies wirft alle möglichen Fragen auf. Ich möchte nur eine Sache erwähnen: Als Christus am Kreuz starb, hörte er nicht auf, zu existieren. Rand geht von einer naturalistischen Position aus, nach der der Tod unweigerlich das Ende der menschlichen Existenz bedeutet, sodass das Ende des Lebens eines guten Menschen das Ende jeglichen Wertes, den er hat, bedeutet. Aber der Christ weiß, dass Christus nach dem Tod seines irdischen Leibes weiterexistierte, ja dass er aus dem Tod zu ewigem Leben auferstand. Das Gute seines Lebens ist also nicht verloren, sondern erhalten geblieben. Ja, mehr noch: Indem er sein Leben für andere hingegeben hat, hat Christus ihre Erlösung vollbracht, damit auch sie das unvergleichliche Gut einer Beziehung zu Gott und des ewigen Lebens mit ihm bekommen können. Durch die Hingabe seines Lebens für andere hat Christus also einen großen Gewinn an Gutem erworben.

2. Ein Gottesbeweis wäre eine Katastrophe, da er notwendigerweise Gott begrenzen würde. Wie das? Wie soll meine Argumentation für die Existenz einer unabhängigen Realität – z.B. Zebras – diese in irgendeiner Weise begrenzen? Zebras existieren und sind das, was sie sind, völlig unabhängig davon, ob ich irgendwelche Belege für ihre Existenz habe. Mit Gott ist es genauso. Gut, man könnte sagen, dass ein Zebra-Beweis Zebras in dem Sinne begrenzen würde, dass ich jetzt etwas über ihr Wesen weiß, z. B. dass sie pferdeähnliche Tiere sind und nicht ein Gebirge oder eine Rock-Band. Doch diese „Begrenzung“ begrenzt nicht die Zebras, sondern lediglich die Vorstellung, die ich von ihnen habe; sie macht diese Vorstellung genauer, mehr dem entsprechend, wie die Welt tatsächlich ist, und das ist etwas Gutes! Ähnlich möchten wir wissen, ob ein metaphysisch notwendiger, nicht verursachter, ewiger und moralisch vollkommener Schöpfer des Universums existiert, und wenn wir dafür Belege bekommen, ist das eine große Bereicherung für uns. Ich habe den bösen Verdacht, dass der eigentliche Grund dafür, dass Peikoff einen Gottesbeweis für eine Katastrophe halten würde, der ist, dass dieser Beweis ihn (Peikoff) begrenzen würde! Sobald ich gute Gründe für die Annahme habe, dass Gott existiert, weiß ich, dass nicht ich der große Boss bin (wie Ayn Rand das behauptet), sondern – Gott.

3. Adam und Eva wurden dafür bestraft, dass sie die Kerntugenden der Vernunft und des Eigennutzes praktizierten. Das ist eine Fehldeutung der Sündenfallgeschichte in 1. Mose 3. Adam und Eva wurden für ihren Ungehorsam gegen Gott bestraft. Gott hatte ihnen verboten, von der Frucht des Baumes der Erkenntnis des Guten und Bösen zu essen. Sie aßen trotzdem davon und rebellierten damit gegen ihren Schöpfer und Gesetzgeber. Man kann natürlich fragen, was denn an der Erkenntnis des Guten und Bösen so schlimm war, dass Gott sie den Menschen verbat. Leider wird die „Erkenntnis des Guten und Bösen“ in 1. Mose 3 nicht genauer definiert, was zu langen Diskussionen unter den Bibelauslegern geführt hat. Ich glaube, dass eine mögliche Spur das hebräische Verständnis des „Erkennens“ als etwas Erfahrungsmäßigem ist. So bedeutet der Satz „Adam erkannte seine Frau“, dass er Geschlechtsverkehr mit ihr hatte. Sehr wahrscheinlich geht es in 1. Mose 3 also nicht um ein bloßes Erkennen bzw. Wissen mit den grauen Zellen, sondern um das Praktizieren von Gut und Böse – und das Praktizieren des Bösen ist definitiv etwas Schlechtes und letztlich Selbstzerstörerisches. Gott will nicht, dass wir diese Art von Erkenntnis des Bösen haben, und so verbot er den ersten Menschen, von dem Baum, der diese Erkenntnis symbolisierte, zu essen. Aber da alles, was Gott uns befiehlt, eine moralische Pflicht für uns ist, wäre selbst die Übertretung eines völlig willkürlichen Verbotes wie „Geht nicht aus dem Garten Eden hinaus“ Ungehorsam und daher Sünde gewesen.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/writings/questions-answer/some-objections-from-ayn-rand

- William Lane Craig