English Site
back
05 / 06

Erwiderung auf Evan Fales: Über das leere Grab Jesu

Summary

Evan Fales‘ bizarre Hypothese, dass die Evangelienberichte über das leere Grab zum Genre der Mythologie gehörten und daher von den Verbreitern wie den Empfängern der Texte nicht als historische Darstellungen betrachtet worden seien, wird kritisch untersucht. Es folgt eine Untersuchung dessen, was Fales zu elf Indizien zu sagen hat, die die Historizität der Entdeckung des leeren Grabes Jesu stützen.

„Reply to Evan Fales: On the Empty Tomb of Jesus”, Philosophia Christi 3 (2001), S. 67-76.

Evan Fales schreibt mit einer Selbstsicherheit und Selbstverständlichkeit, die zu dem unkonventionellen Charakter seiner reichlich unorthodoxen Ansichten über das Neue Testament nicht recht passen wollen. Fales hält die Evangelien weder für im Wesentlichen historische Berichte über das Wirken Jesu noch für weitgehend legendäre Geschichten über ihn, sondern ordnet sie der Gattung der Mythen zu, parallel zu zeitgenössischen heidnischen Mythen, die weder von ihren Autoren noch ihren Empfängern wörtlich genommen und als Geschichtsschreibung verstanden wurden.

Von David Friedrich Strauß bis Rudolf Bultmann ist die Rolle des Mythos bei der Entstehung der Evangelien Gegenstand lebhafter Diskussionen unter den Neutestamentlern gewesen. Doch mit dem Beginn der erneuten Erforschung des historischen Jesus (sog. „Third Quest“) sowie der, wie ein Autor sie genannt hat, „jüdischen Reklamierung Jesu“ [1] – also der Wiederentdeckung des Jüdischseins Jesu – erkannte die Forschung zunehmend, dass der richtige Kontext zum Verstehen der Person Jesu und der Evangelien das Judentum im Palästina des 1. Jahrhunderts ist, und nicht irgendwelche heidnischen Mythologien. Ein höchst informativer Artikel über das Ende des Mythos als nützlicher Verständnishilfe für den Leser der Evangelien ist Craig Evans‘ „Life-of-Jesus Research and the Eclipse of Mythology“, eine Chronik und Erklärung des „großen Umschwungs“ weg von der Mythologie als relevantem Faktor für das Verständnis der Evangelien. [2]

Die Tatsache, dass Jesus und die Evangelien ihre natürliche Heimat im palästinensischen Judentum des 1. Jahrhunderts haben, macht den Versuch, sie über die heidnische Mythologie zu erklären, müßig. So fragt sich James Dunn, der Autor des Artikels „Myth“ im Dictionary of Jesus and the Gospels, ob solch ein Artikel überhaupt nötig ist:

Der Begriff „Mythos“ ist für das Studium Jesu und der Evangelien von bestenfalls zweifelhafter Relevanz. … Dass er in diesem Lexikon überhaupt als Thema im Zusammenhang mit dem Studium Jesu und der Evangelien erscheint, ist fast völlig auf die Benutzung des Begriffs durch die beiden Neutestamentler Strauß und Bultmann zurückzuführen. [3]

Fales‘ Klage, dass die meisten Ausleger „die Hilfsmittel, die die moderne Anthropologie für die Analyse von Mythen und Mythenkonstruktion bereitstellt, nicht kennen oder jedenfalls ignorieren“, ist ein stillschweigendes Eingeständnis, dass seine Art der Evangelienauslegung bei der ganz großen Mehrheit der Neutestamentler (also nicht bloß bei den „Fundamentalisten“!) auf Ablehnung stößt. Worüber er sich nicht klar ist, ist, dass seine Deutung der Evangelien als Mythen von der Forschung schlicht gewogen und zu leicht befunden worden ist.

Fales‘ Position (so, wie er sie an anderer Stelle zum Ausdruck gebracht hat) ist eine, wie man es nennen könnte, soziologische Theorie der Mythen. Er glaubt, dass die Menschen in ihren Mythen ein theoretisch explizites Bewusstsein der Ontologie sozialer Strukturen zeigen, das viel tiefer ist, als bisher angenommen wurde. Mythenbildung durch die einheimische Bevölkerung ist buchstäblich eine Art des intelligenten Spekulierens über die soziale Interaktion in ihrer Gesellschaft und des Artikulierens der rechtlichen Satzung für sie. Mythen sind in erster Linie als soziale Satzungen gedacht, die davon sprechen, wie die Gesellschaft strukturiert ist oder sein sollte. Für Fales ist das Reden über Götter, Geister usw. eigentlich ein Theoretisieren über soziale Phänomene und Normen. Offenbar hält er auch die Auferstehungsberichte in den Evangelien für einen Ausdruck solch sozialen Theoretisierens, aber die Wahrheit, die sie angeblich zum Ausdruck bringen, gehört zu der „langen Geschichte“, die zu erzählen Fales wiederholt unterlässt.

Was sofort auffällt, ist, dass diese soziologische Theorie der Mythen (die, wie Fales selber zugibt, die meisten Experten nicht teilen) außerordentlich unplausibel ist. Die Halbwahrheit, die in ihr steckt, ist, dass Mythen in der Tat dazu dienen können, gesellschaftliche Institutionen und Praktiken zu stiften. Aber der Sprung von dieser Tatsache zu der Behauptung, dass das Schaffen von Mythen buchstäblich ein theoretisches Spekulieren über soziale Strukturen ist, ist gewaltig. Ohne Zweifel glauben Eingeborenenvölker nicht nur scheinbar, sondern tatsächlich an die Götter, Geister usw. ihrer Religion, und wenn Fale behauptet, wir wüssten besser als diese Menschen selber, was sie glauben, ist das schlicht anmaßend.

Doch die Anwendung dieser Theorie auf die Ursprünge des Christentums ist auch ein glatter Kategorienfehler. Denn anders als Fales glaubt, gehören die Evangelien gar nicht zur Gattung der Mythen. Gattungsmäßig entsprechen sie am ehesten der antiken Biografie. Die Apostelgeschichte – der zweite Teil des lukanischen Doppelwerkes – ist zweifellos ein Stück Geschichtsschreibung, und exakte Geschichtsschreibung noch dazu, wie Colin Hemer in seinem Buch The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History ausführlich nachweist. [4] Und der Althistoriker A.N. Sherwin-White schreibt: „Der Erweis der Historizität der Apostelgeschichte ist überwältigend klar. … Jeder Versuch, ihre Grundhistorizität selbst in Detailfragen zu verneinen, muss heute absurd erscheinen. Für die Historiker, die sich mit der Geschichte des alten Rom befassen, ist sie schon lange selbstverständlich." [5] Lukas‘ historisches Interesse und die nachgewiesene Exaktheit seiner Angaben in der Apostelgeschichte geben uns allen Grund, sein erklärtes historisches Interesse und seine Sorgfalt für sein gesamtes Doppelwerk ernst zu nehmen (vgl. Lukas 1,1-4).

Was die Auferstehungsberichte betrifft, wärmt Fales‘ Theorie die alte „religionsgeschichtliche Methode“ des späten 19. und frühen 20. Jahrhunderts wieder auf. Damals suchten die vergleichenden Religionswissenschaftler in der antiken und zeitgenössischen Mythologie fieberhaft nach Parallelen zu diversen christlichen Glaubensinhalten, ja manche versuchten, diese Glaubensinhalte als Produkt der Beeinflussung durch solche Parallelen zu erklären. So glaubten manche, dass sich in den Auferstehungsberichten und sogar in dem plötzlich entstehenden Glauben der Jünger an die Auferstehung Jesu heidnische Mythen über den ägyptischen Gott Osiris (alias Tammuz oder Adonis) oder über vergöttlichte Menschen wie Herkules niederschlugen. Außer seiner soziologischen Mythentheorie scheint Fales dieser alten Geschichte nichts Neues hinzuzufügen.

Die religionsgeschichtliche Deutung der Auferstehung konnte sich nicht lange halten und wird heute von fast niemandem mehr vertreten, und dies vor allem aus zwei Gründen. Erstens: Die behaupteten Parallelen erwiesen sich als falsch. In der Antike wimmelte es von Mythen über Götter und Helden, und vergleichende Studien in Religion und Literatur erfordern ein feines Gespür für die Ähnlichkeiten und Unterschiede, oder man geht unweigerlich in die Irre. Manche dieser mythologischen Figuren sind bloße Symbole für die Vegetationsperioden (so z.B. Osiris), bei anderen geht es um Apotheosen durch die Aufnahme in den Himmel (Herkules, Romulus), um das Verschwinden des Helden, der angeblich in eine höhere Sphäre eingegangen ist (Apollonius, Empedokles), oder um einen politischen Herrscherkult (Cäsar, Augustus). Keiner dieser Typen ist der jüdischen Vorstellung von der Auferstehung von den Toten vergleichbar. David Aune, ein Spezialist in der Erforschung der Literatur der Antike, kommt zu dem Schluss, dass es „in den griechisch-römischen Biografien nichts [den Auferstehungserzählungen] Vergleichbares gibt.“ [6] Die Auferstehungsberichte wollen vielmehr, wie die Evangelien allgemein, innerhalb des Kontextes des Judentums verstanden werden.

Was speziell die Geschichte vom leeren Grab betrifft: Welche mutmaßliche Parallelen zu so einer Geschichte will Fales in der antiken Mythologie finden? Die besten Kandidaten dürften noch die Apotheosen sein, wie sie z.B. Diodorus Siculus (Diodor von Sizilien) erzählt. Als Herkules auf den Scheiterhaufen steigt, fährt ein Blitz herab, der den Scheiterhaufen verzehrt. Von Herkules ist keine Spur, und der Erzähler kommentiert: „Er war aus dem Kreise der Menschen unter die Götter versetzt worden.“ [7] Doch das leere Grab ist etwas ganz anderes. Die Auferstehung ist nicht die Verwandlung des Mannes aus Nazareth in Gott. „Die Idee der Vergöttlichung“, schreibt Aune, „ist den synoptischen Evangelien völlig fremd.“ [8] Was wir in der Geschichte vom leeren Grab haben, ist keine Apotheose, sondern die jüdische Idee der Auferstehung. Der literarische Schlüssel zu der Geschichte sind die Worte des Engels: „Er ist auferstanden … sagt seinen Jüngern und Petrus, dass er vor euch hingeht nach Galiläa“ (Markus 16,6-7). [9] Wäre dies eine Apotheosengeschichte, würde der Engel etwa so sagen: „Er ist aus der Welt der Sterblichen hinweggegangen und wie Gott geworden.“ [10] Das leere Grab ist eine gute Illustration dafür, dass es, wenn einem einmal klar geworden ist, dass die Berichte der Evangelien im Judentum beheimatet sind, keinen Grund dafür gibt, diesen direkten Kontext zu ignorieren und nach vermeintlichen heidnischen Parallelen zu suchen. [11]

Zweitens: Es gibt keine genealogische Verbindung zwischen heidnischen Mythen und dem Ursprung des Glaubens der Jünger an die Auferstehung Jesu. Rechtgläubige Juden kannten diese heidnischen Mythen und nannten sie „Gräuel“ (Hesekiel 8,14-15), und obwohl Philon (De vita Moysis 2.2888) und Josephus (Jüdische Altertümer, 4. Buch, Kap. 8.48, Abschnitt 326) bereit sind, Mose aufgrund seiner großen Tugenden und Leistungen einen Mann Gottes zu nennen, widerstehen sie jedem Versuch, ihn zu verewigen oder zu vergöttlichen. Laut Martin Hengel war der jüdische Glaube an die Auferstehung von den Toten nachgerade ein Schutzschild gegen die heidnischen Mythen:

Die Ausbildung der apokalyptischen Auferstehung-, Unsterblichkeits- und Gerichtslehren im jüdischen Palästina erklärt auch, warum dort – im Gegensatz zum alexandrinischen Judentum – die hellenistischen Mysterienkulte und ihre Sprache kaum Einfluss erlangen konnten. Indem nämlich die apokalyptisch-chasidische Frömmigkeit die Frage nach dem Schicksal des Einzelnen nach dem Tode aufnahm, beantwortete sie jene Grundfrage menschlicher Existenz, die im hellenistischen Zeitalter in elementarer Weise aufgebrochen war und die Ausbreitung der Mysterienreligionen ab dem 2. Jh. v.Chr. begünstigte. [12]

Daher finden wir im Palästina des 1. Jahrhunderts fast keine Spuren von Kulten sterbender und wieder auferstehender Götter. [13]

Im Übrigen wäre es, wie Hans Grass bemerkt, ohnehin „ganz undenkbar“, dass die Jünger Jesu zu dem festen Glauben gekommen wären, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte, bloß weil sie von Mythen über Osiris gehört hatten! [14] Fales versucht, diesem K.o.-Schlag dadurch zu entgehen, dass er behauptet, dass die Jünger ja nicht wirklich glaubten, dass Jesus von den Toten auferstanden war; dieser Mythos sei in Wirklichkeit eine Aussage über soziale Strukturen gewesen (soziologische Theorie der Mythen). Doch dieser Schachzug ist die reductio ad absurdum von Fales‘ Rekonstruktionsversuch. Wie Gregory Boyd sehr treffend ausführt:

Wenn aus den Schriften des Paulus eines erhellt, dann dies, dass er und seine Adressaten tiefe Überzeugungen über die Geschichte Christi hatten … Sie glaubten, dass sie wahr war. Man kann natürlich argumentieren, dass sie da falsch lagen. … Aber wir müssen ernsthaft hinterfragen, ob jemand 2.000 Jahre [später] wirklich in der Lage sein kann, anzunehmen, dass ihre Grundmotivation dafür, ihrer Geschichte zu glauben, nicht das war, was sie dachten. Solch eine Vorgehensweise bedeutet ein anmaßendes, spekulatives Psychologisieren der Indizien.

Hätten wir unabhängige, zwingende Beweise dafür, dass diese frühen christlichen Gemeinden Mythen zur Rechtfertigung ihres sozialen Programms in die Welt setzten, wäre die Lage anders. Aber dergleichen Beweise gibt es nicht. Die bloße Tatsache, dass das, was Paulus und seine Adressaten glaubten, möglicherweise nicht in das Weltbild des Naturalismus passt, berechtigt noch lange nicht dazu, den Aposteln und ihren Adressaten vorschreiben zu wollen, was sie damals „eigentlich“ gemacht haben. [15]

Die neutestamentliche Erwartung, dass angesichts der Auferstehung Jesu die allgemeine Auferstehung von den Toten nahe war, Paulus‘ energische Ausführungen in seiner Antwort auf die skeptische Frage der Korinther, was für einen Leib die Toten bei der allgemeinen Auferstehung haben werden (1. Korinther 15,35), wie auch die in den Apostelbriefen erfolgende Darstellung der Auferstehung Jesu als tatsächliches, von Zeugen verifiziertes Ereignis zeigen, dass der Glaube an die Auferstehung Jesu eine historische Behauptung war und nicht eine verkleidete Sozialtheorie. Wir haben jeden Grund zu der Annahme, dass die Jünger und die von ihnen gegründeten Gemeinden glaubten, dass Jesus wörtlich von den Toten auferstanden war.

Kurz: Fales‘ Art, die Evangelien zu deuten, ist von ihrem ganzen Ansatz her falsch und wird von den Neutestamentlern auch so bewertet.

Wie geht Fales nun mit den verschiedenen konkreten Indizien um, die ich für die Historizität des Begräbnisses Jesu und des leeren Grabes angeführt habe?

1. Mehrfache, voneinander unabhängige Bezeugungen des Begräbnisses. Fales schreibt, dass er nicht sieht, warum die Unabhängigkeit des Johannes von den Synoptikern eine unabhängige Quelle impliziert. Die Antwort ist schlicht, dass die Unterschiede zwischen den Berichten des Johannes und Markus zeigen, dass sie nicht dieselbe Quelle benutzt haben. [16] Das Mindeste, was die literarische Unabhängigkeit des Johannes beweist, ist die Existenz einer gemeinsamen vormarkianischen Begräbnisüberlieferung. Zudem haben Matthäus und Lukas andere Quellen als Markus. Dann gibt es die frühe Überlieferung bei Paulus (1. Korinther 15,4). Diese Vielzahl der Quellen ist wichtig, da sie nach Marcus Borg das „erste‘“ und „objektivste“ Historizitätskriterium ist: „Die Logik ist ganz einfach: Wenn eine Tradition in einer frühen Quelle erscheint und in einer anderen, eigenständigen Quelle, dann ist sie nicht nur alt, sondern es ist auch unwahrscheinlich, dass sie erfunden ist.“ [17] Die Begräbnisgeschichte besteht diesen Test und sollte somit als historisch betrachtet werden.

2. Josef von Arimathäa. Fales gibt keine Antwort. Aber man beachte, dass die Grablegung Jesu durch ein Mitglied des Sanhedrin die Annahme, dass die Lage des Grabes unbekannt war und blieb, unplausibel macht, selbst falls das Grab anfangs nur Josef bekannt gewesen sein sollte.

3. Schlichtheit der Begräbnisgeschichte. Keine Antwort durch Fales.

4. Interesse der Juden an Begräbnisstätten. Wieder keine Antwort.

5. Keine anderen Überlieferungen über das Begräbnis. Fales glaubt, in der Apostelgeschichte Spuren eigenständiger Traditionen zu finden, nach denen Jesus von den Juden beigesetzt wurde. Was Fales hier übersieht, ist die Antipathie der jungen Kirche gegenüber den Oberen der Juden, die in den Augen der Christen einen Justizmord an Jesus eingefädelt hatten. [18] So neigt Lukas dazu, für alles, was Jesus angetan wurde, den Juden die Schuld zu geben, bis dahin, dass er sie sogar für die Kreuzigung verantwortlich macht (Apostelgeschichte 2,23.36; 4,10). Diese Tendenz ignorierend, nimmt Fales die Verse, dass die Juden Jesus hingerichtet und „an das Holz gehängt“ hatten (Apostelgeschichte 10,39), wörtlich. Dies ist eine erbärmlich schlechte Exegese. Die drei neutestamentlichen Autoren, die dieses Bild für die Kreuzigung benutzen, schreiben auch explizit, dass Jesus gekreuzigt wurde. Der Grund für das Bild mit dem Erhängen am „Holz“ ist, dass es die Brücke zu dem Fluch in 5. Mose 21,22 schlägt; es soll zeigen, dass Christus den Fluch über die Sünde auf sich genommen hat, um uns zu erlösen (Galater 3,13). Darüber hinaus ist die Kreuzigung Jesu als historische Tatsache unbestritten. [19] Selbst der Skeptiker Robert Funk, Leiter des Jesus Seminar, erklärt: „Die Kreuzigung war eine unbestreitbare Tatsache, die weder [die ersten Christen] noch ihre Gegner leugnen konnten.“ [20]

6. Das Begräbnis bestätigt das leere Grab. Fales leugnet diese Implikation nicht, die der Grund dafür ist, dass die Leugner des leeren Grabes gezwungen sind, das ehrenvolle Begräbnis Jesu zu bestreiten, das aber „eine der ältesten und bestbezeugten Tatsachen über Jesus“ ist. [21]

7. Paulus setzt das leere Grab voraus. Keine Antwort von Fales. Ich möchte hier nur erwähnen, dass Paulus‘ Identifikation mit Christi Tod, Begräbnis und Auferstehung in einem geistlichen Sinne (Römer 6,3-4) in keiner Weise die wörtliche, körperliche Auferstehung ausschließt (Römer 8,11.22-23).

8. Vormarkianische Passionsgeschichtenquelle. Fales streitet nicht ab, dass in dieser frühen Quelle das leere Grab erscheint. Aber er zählt vier andere öffentliche Ereignisse in der Passionsgeschichte auf, die er für nicht historisch glaubwürdig hält, denn wären sie historisch, sollte man erwarten, dass sie separat auch in anderen Quellen bezeugt sind, was nicht der Fall ist. Sind sie aber nicht historisch, sollten wir – so Fales weiter – erwarten, dass die Juden sie widerlegten, es sei denn, die Geschichten sind Mythen, die Freund wie Feind nicht für historisch hielten.

Fales‘ Argument ist historisch ungenau. Das fängt damit an, dass er nicht zwischen Legende, Mythos und Redaktion unterscheidet. Wir haben bereits gesehen, dass die Evangelien nicht zum Genre des Mythos gehören. Daher ist Fales‘ Betonung, dass Mythen (wie redaktionelle Eingriffe) keinen langen Entstehungsprozess erfordern, völlig irrelevant für die Frage, um die es hier geht – nämlich ob die Evangelienberichte ihrem Wesen nach legendenhaft sein können. Wenn A.N. Sherwin-White schreibt, dass „selbst zwei Generationen eine zu kurze Spanne ist, um der mythischen Tendenz die Oberhand über die harten historischen Fakten der mündlichen Überlieferung zu geben“, [22] redet er über Legenden, nicht Mythen. Das hohe Alter der Passionstradition spricht entschieden dagegen, dass sie im Wesentlichen legendenhaft ist. Dies schließt nicht aus, dass es zur Redaktion der Tradition gekommen ist oder sogar zu legendenhaften Ausschmückungen.

Alle vier von Fales erwähnten Ereignisse sind Begleitumstände und Nebenaspekte der Kreuzigungsgeschichte. Selbst wenn man sie als durch Redaktion oder Legendenbildung entstandene unhistorische Zusätze versteht, wird niemand (außer vielleicht Fales!) dies zum Anlass nehmen, die Historizität des Kerns der Geschichte (nämlich dass Jesus gekreuzigt wurde) infrage zu stellen. Eine genauere Prüfung zeigt zudem, dass die Auferstehung der Heiligen eine matthäische Hinzufügung ist, die sich in der vormarkianischen Passionsgeschichte nicht findet, und das Bekenntnis des römischen Hauptmanns kann kaum als öffentliches Ereignis gelten, das der Kreuzigung vergleichbar wäre. Das Zerreißen des Vorhangs im Tempel kann nur ein denkbar unöffentliches Ereignis gewesen sein, da allein der Hohepriester Zugang zum Allerheiligsten hatte; hier hätte Fales höchstens argumentieren können, dass ein solch verborgenes Ereignis wie das Zerreißen des Vorhangs den Evangelisten nicht bekannt gewesen sein könne.

Bleibt noch die Finsternis um die Mittagszeit als Beispiel für ein angeblich nicht historisches Ereignis in der ältesten Tradition. Kann sie ein historisches Ereignis gewesen sein? Fales‘ Argument, dass sie nicht auch in anderen, unabhängigen Quellen bezeugt ist, illustriert lediglich die Indizien-Gemengelage, vor der der Historiker typischerweise steht. Das hohe Alter der Überlieferung spricht für die Historizität des berichteten Ereignisses; dass es nicht auch anderswo bezeugt ist, spricht dagegen. [23] Der Historiker muss solche Überlegungen gegeneinander abwägen. Falls Fales recht hat, gäbe uns das einen guten Grund, bezüglich dieses Details der Passionsgeschichte skeptisch zu sein, aber dies würde nicht die Verneinung der Kreuzigung Jesu als solcher bedeuten, für die es zahlreiche separate, unabhängige Bezeugungen gibt. Fales‘ Behauptung, dass dann, wenn dieses Ereignis nicht historisch wäre, die Juden den entsprechenden Bericht in den Evangelien widerlegt hätten, ist mehr als naiv. Er scheint nicht zu berücksichtigen, dass wir fast keine jüdische Literatur aus dem 1. Jahrhundert haben; die späteren Erwähnungen Jesu (manchmal unter Pseudonymen) in der rabbinischen Literatur sind kurze Behauptungen, er sei ein Zauberer gewesen. Gäbe es nicht die Geschichte über die Grabwache bei Matthäus, wir wüssten noch nicht einmal, was die jüdischen Zeitgenossen der Jünger auf deren Verkündigung der Auferstehung erwiderten. Es ist daher unrealistisch in excelsis, zu glauben, dass unhistorische Behauptungen in den Evangelien zu einer bis heute erhaltenen schriftlichen Dokumentation der jüdischen Widerlegungen geführt hätten, und eine solche Behauptung spielt auch keine Rolle in meiner Verteidigung des leeren Grabes.

Aber hat Fales recht? Der bereits erwähnte Mangel an relevanter Literatur mildert die Kraft seines argumentum ex silentio. Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass dann, wenn solch ein Ereignis wie die Finsternis bei der Kreuzigung Jesu tatsächlich geschah, es in der Hauptquelle, die wir über diese Zeit haben – Josephus – erwähnt wurde? Josephus erwähnt Jesus nur ganz an Rande; warum hätte er dann die Finsternis am Mittag, die man noch nicht einmal eindeutig als Wunder bezeichnen kann, erwähnen sollen, so sie denn geschah? Ich bin mir definitiv nicht sicher, dass er sie erwähnt hätte. Aber ich bin mir sehr wohl sicher, dass unsere historische Beurteilung solcher Nebenaspekte in dem Bericht keinen wirklichen Einfluss auf die Historizität des Kerns der Erzählung hat.

9. Keine legendenhaften Ausschmückungen in der Erzählung vom leeren Grab. Keine Antwort von Fales. Man beachte jedoch, dass die Art Ausschmückungen, die Fales in der Kreuzigungsgeschichte zu sehen glaubt, in der Geschichte vom leeren Grab eindeutig fehlt.

10. Frauen als Zeugen des leeren Grabes. Fales sieht in ihnen einen Niederschlag heidnischer Mythen. Wir haben bereits gesehen, wie wenig plausibel heidnische Mythen als Quellen der Geschichten von der Auferstehung und vom leeren Grab sind, und was speziell die Rolle der Frauen betrifft, so braucht man sich nur die Mythen des Tammuz, Osiris usw. anzuschauen, um zu sehen, dass Fales‘ Theorie völlig aus der Luft gegriffen ist. Im Adonis- und Attis-Kult spielen Frauen eine zentrale Rolle bei den jährlichen Klageritualen für den toten Gott. Doch diese Rolle hat keinerlei Ähnlichkeit mit der Entdeckung des leeren Grabes Jesu durch die Frauen, und in dem Bibelabschnitt über das leere Grab kommt (überraschenderweise!) eine Totenklage nicht vor. Auch die Reise der Ischtar in die Unterwelt, um ihren Ehemann Tammuz aus dem Totenreich zurückzuholen, ist nicht mit der Entdeckung des leeren Grabes vergleichbar. Und im Osiris-Mythos sucht Osiris‘ Gemahlin Isis die Teile seines zerstückelten Leichnams und begräbt sie an verschiedenen Stellen, die über ganz Ägypten verstreut sind (was der Grund dafür ist, dass es in Ägypten so viele angebliche Osiris-Gräber gibt!); in der Geschichte vom leeren Grab findet man keine solche Suche nach dem Leichnam, weil das Grab Jesu ja bekannt ist. Es ist mehr als weit hergeholt, die Basis der Auferstehungsgeschichten in solchen Mythen zu suchen, wenn die Lösung vor der Nase liegt: Jüngerinnen Jesu, die, den jüdischen Gebräuchen folgend, genau das taten, was in der Bibel über sie geschrieben steht.

11. Die jüdische Polemik. Fales behauptet, dass wir über die früheste jüdische Polemik gegen die Verkündigung der Auferstehung Jesu nichts wissen. Alles, was wir hätten, sei eine einzige, unbestätigte christliche Geschichte, die wahrscheinlich eine Legende sei. Doch mein Argument setzt die Historizität der Grabwachengeschichte bei Matthäus gar nicht voraus. Was wichtig ist, ist, dass ein Gerücht, das „sich bei den Juden verbreitet [hat] bis auf den heutigen Tag“ (Matthäus 28,15), Matthäus so beschäftigte, dass er eine ausführliche Ergänzung zu der markianischen Geschichte vom leeren Grab schrieb, um dieses Gerücht zu entkräften. Ich habe an anderer Stelle aufgrund des Vokabulars und der Überlieferungsgeschichte argumentiert, dass der Streit zwischen Juden und Christen über das leere Grab recht alt sein muss. [24] Und die Überlieferung zeigt, dass auch die Gegner der jungen christlichen Bewegung anerkannten, dass der Leichnam Jesu verschwunden war.

Kurz: Wir haben gute Gründe dafür, das leere Grab als Teil unseres Bildes von dem historischen Jesus zu akzeptieren, während es Fales‘ religionsgeschichtlicher Alternative an Glaubwürdigkeit mangelt.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/reply-to-evan-fales-on-the-empty-tomb-of-jesus

  • [1]

    Donald A. Hagner, The Jewish Reclamation of Jesus (Grand Rapids, Mich.: Zondervan, 1984).

  • [2]

    Craig A. Evans, „Life-of-Jesus Research and the Eclipse of Mythology”, Theological Studies 54 (1993), S. 336.

  • [3]

    Joel B. Green et.al. (eds.), Dictionary of Jesus and the Gospels (Downers Grove, Ill.: InterVarsity Press, 1992), Artikel “Myth” von James D.G. Dunn.

  • [4]

    Colin J. Hemer, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic History, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 49 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 1989).

  • [5]

    A.N. Sherwin-White, Roman Society and Roman Law in the New Testament (Oxford: Clarendon Press, 1963), S. 189.

  • [6]

    D.E. Aune, „The Genre of the Gospels”, in: R.T. France und David Wenham (ed.), Gospel Perspectives II (Sheffield: JSOT Press, 1981), S. 48. Mittlerweile wird in der Forschung sogar bezweifelt, dass es die Kategorie des „sterbenden und auferstehenden“ Gottes überhaupt gegeben hat. Mark Smith schreibt, Buckert zitierend, dass „die Indizien für eine Auferstehung bei Adonis spät und zweifelhaft sind und bei Attis praktisch nicht existieren; noch nicht einmal Osiris kehrt in das wirkliche Leben zurück, sondern erlangt ein nachtodliches transzendentes Leben“, und er kommentiert: „Angesichts der vielen Schwierigkeiten ist es gegenwärtig unmöglich, eine allgemeine Kategorie eines ‚sterbenden und wieder auferstehenden Gottes‘ im antiken Mittelmeerraum und der Levante zu akzeptieren.“ (Mark Smith, The Ugaritic Baal Cycle, Leiden: E.J. Brill, 1994, S. 70.)

  • [7]

    Diodorus Sicilus, Historische Bibliothek 4.38, übersetzt von Julius Friedrich Wurm (Stuttgart: 1831–1839).

  • [8]

    Aune, „The Genre of the Gospels”, S. 47. “Das leere Grab … und [Jesu] verschiedene Erscheinungen sind kein Hinweis auf eine Vergöttlichung; sie dienen vielmehr der Bestätigung der Realität der Auferstehung“ (ebd., S. 48).

  • [9]

    Bibelzitate folgen der Lutherübersetzung 2017. (Anm. d. Übers.)

  • [10]

    Vgl. Diodorus‘ Urteil über Aristeas, dass er „nicht mehr unter den Menschen gesehen ward und der Empfänger unsterblicher Ehren wurde“ (Diodorus of Sicily, Library of History 4.82, Loeb Classical Library 340, trans. C.H. Oldfather, Cambridge, Mass.: Harvard University Press, 1939).

  • [11]

    Eine ähnliche Schlussfolgerung ergibt sich für die Berichte über die Erscheinungen des Auferstandenen. Vgl. dazu John Alsup, The Post-Resurrection Appearance Stories of the Gospel Tradition (Stuttgart: Calwer Verlag, 1975), der aufzeigt, dass weder die Mythen über Osiris, Adonis, Attis und Tammuz noch die Apotheosenerzählungen über Tyana, Romulus, Aristeas und andere noch kultische Praktiken im Zusammenhang mit Asclepius und Apullias bei näherer Betrachtung die gleiche Form aufweisen wie die Geschichten über die Erscheinungen des Auferstandenen in den Evangelien.

  • [12]

    Martin Hengel, Judentum und Hellenismus, Wissenschaftliche Untersuchungen zum Neuen Testament 10 (Tübingen: J.C.B. Mohr, 1969), S. 368f.

  • [13]

    Gerhard Kittel, „Die Auferstehung Jesu“, Deutsche Theologie 4 (1937), S. 159. Erst zur Zeit Hadrians, im 2. Jahrhundert, lässt sich in Bethlehem ein Adonis-Kult nachweisen.

  • [14]

    Hans Grass, Ostergeschehen und Osterberichte (Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 4. Aufl. 1974), S. 133. Siehe auch Walter Künneth, Theologie der Auferstehung (München: Claudius Verlag, 4. Aufl. 1951), S.50ff.

  • [15]

    Gregory Boyd, Cynic, Sage, or Son of God (Wheaton, Ill.: Victor Books, 1998), S. 177. – Dies gilt im Übrigen auch für Fales’ Rekurs auf anthropologische Studien über solche modernen Phänomene wie Cargo-Kulte, Schamanismus und die Religion der Ureinwohner Amerikas. All dies ist schlicht irrelevant für das palästinensische Judentum des 1. Jahrhunderts.

  • [16]

    Es hat Überlegungen gegeben, ob Johannes und Lukas möglicherweise auf eine gemeinsame Überlieferung zugriffen (womit wir immer noch eine unabhängige vormarkianische Tradition hätten). Vgl. aber meinen Artikel „The Disciples‘ Inspection of the Empty Tomb (Luke 24,12.24; John 20,1-10)”, in: A. Denaux (ed.), John and the Synoptics, Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 101 (Louvain: University Press, 1992), S. 614-619. (Deutsche Übersetzung: “Die Inspektion des leeren Grabes durch die Jünger“, Scholarly Article <> Anm. d. Übers.)

  • [17]

    Marcus J. Borg und N. T. Wright, The Meaning of Jesus (San Francisco: Harper Collins, 1999), S. 12.

  • [18]

    Siehe S.G. Wilson, „The Jews and the Death of Jesus in Acts”, in: Peter Richardson (ed.), Anti-Judaism in Early Christianity, vol. 1: Paul and the Gospels, Studies in Christianity and Judaism 2 (Waterloo, Ontario: Wilfrid Laurier Press, 1986), S. 155-164. Vgl. auch Lloyd Gaston, “Anti-Judaism and the Passion Narrative in Luke and Acts”, in: ebd., S. 129.

  • [19]

    Wie John Meier erklärt: „Aus zwei naheliegenden Gründen findet man praktisch niemanden, der die Tatsache, dass Jesus durch die Kreuzigung hingerichtet wurde, verneint: 1. Dieses zentrale Ereignis wird nicht nur von der großen Mehrheit der neutestamentlichen Autoren berichtet oder erwähnt, sondern auch von Josephus und Tacitus. … 2. Solch ein peinliches Ereignis schuf für die Bekehrung von Juden wie Heiden ein großes Hindernis … das zu überwinden die Kirche einige Mühe kostete. …“ (John P. Meier, „The Circle of the Twelve: Did It Exist during Jesus’ Public Ministry?”, Journal of Biblical Literature 16 [1997], S. 664f.

  • [20]

    Robert Funk, in einem auf Video aufgenommenen Vortrag des Jesus Seminar.

  • [21]

    John A.T. Robinson, The Human Face of God (Philadelphia: Westminster, 1973), S. 131.

  • [22]

    Sherwin-White, Roman Society, S. 190.

  • [23]

    Fairerweise ist hier darauf hinzuweisen, dass der Chronist Julius Africanus, der um das Jahr 221 herum schrieb, sagt, dass der antike Historiker Thallus in seiner Historie (52 n. Chr.) die Finsternis am Mittag erwähnt: „Diese Finsternis nennt Thallus im dritten Buch seiner Historie – wie mir scheint, ohne Grund – eine Sonnenfinsternis.“ (Chronography 18, in: Alexander Roberts und James Donaldson (eds.), Ante-Nicene Fathers, 10 vols. [repr. ed.: Peabody, Mass.: Hendrickson, 1994], Bd. 6, S. 136.) Origenes hält, wie Africanus, die Erwähnung einer Sonnenfinsternis in der Regierungszeit des Tiberius im 13. oder 14. Buch der Chroniken des Historikers Phlegon (geb. 80 n. Chr.) für einen Versuch, diese Finsternis um die Mittagszeit zu erklären (Origenes, Acht Bücher gegen Celsus, Buch II.33, in: Des Origenes acht Bücher gegen Celsus, I. Teil: Buch I–IV, München: Kösel & Pustet, 1927, S. 148 [= Bibliothek der Kirchenväter Bd. 52]; vgl. Tertullian, Apologetikum, Kap. 21, in: Tertullians ausgewählte Schriften, ins Deutsche übersetzt, Bd. II, Kempten/München: Kösel, 1915 [= Bibliothek der Krichenväter Bd. 24]). Diese Erwähnungen illustrieren sehr schön das Problem, vor dem wir hier stehen. Da die Werke des Thallus und Phlegon verloren gegangen sind und weder Origenes noch Africanus direkte Zitate bieten, wissen wir nicht, ob diese Autoren sich explizit auf die Kreuzigung Jesu bezogen, und wenn ja, wie sie von ihr erfahren hatten. Im Jahre 29 n. Chr. gab es eine Sonnenfinsternis, deren tiefster Halbschatten Kleinasien und das östliche Ende des Mittelmeers erfasste (siehe: sunearth.gsfc.nasa.gov/eclipse/SEHistory.html), sodass die Kirchenväter Erwähnungen dieser Sonnenfinsternis irrigerweise als Erwähnungen der Finsternis bei der Kreuzigung gedeutet haben könnten. Und selbst wenn die antiken Historiker sich auf die Finsternis bei der Kreuzigung bezogen haben sollten, wissen wir nicht, ob sie ein unabhängiges Wissen von ihr hatten. Phlegon scheint das Johannesevangelium gekannt zu haben, sodass es nicht unwahrscheinlich ist, dass er schlicht auf die Evangelienberichte reagierte. Doch dieser Schluss ist bei Thallus nicht so leicht, da seine Geschichte möglicherweise schon vor den Evangelien abgefasst wurde; aber sie würde dafür eine extrem alte Überlieferung reflektieren. Im schlimmsten Falle müssen wir feststellen, dass wir nichts Genaues wissen. Es steht uns nicht zu, mit Fales zu behaupten, dass es keine separate Bezeugung des Ereignisses gegeben hat, und bedenken wir, wie dürftig die aus dem 1. Jahrhundert bis zu uns gekommene Literatur ist und dass die Ereignisse möglicherweise lediglich lokal von Bedeutung waren, ist ein argumentum ex silentio von Natur aus eher dürftig. Vgl. hier die sehr vernünftigen Ausführungen von R.T. France, The Evidence for Jesus, The Jesus Library (London: Hodder & Stoughton, 1986), S. 19f. und 24.

  • [24]

    Siehe meinen Artikel „The Guard at the Tomb”, New Testament Studies 30 (1984), S. 273-281 (als Scholarly Article demnächst auf reasonablefaith.org verfügbar; Anm. d. Übers.)