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Die leibliche Auferstehung Jesu

Summary

Aufgrund des Zeugnisses des Paulus ist behauptet worden, dass der Auferstehungsleib Jesu „geistlich“ im Sinne von „unausgedehnt“, „nicht materiell“, „unkörperlich“ usw. war. Doch weder das Argument mit dem Bekehrungserlebnis des Paulus auf der Straße nach Damaskus noch das Argument der paulinischen Lehre vom Auferstehungsleib stützt eine solche Folgerung. Ganz im Gegenteil: Was Paulus schreibt, bestätigt die Evangelienberichte über die leibliche Auferstehung Jesu. Der Physikalismus der Evangelien ist nicht nur wohlbegründet, sondern auch, genau wie bei Paulus, ein differenzierter Physikalismus.

Quelle: „The Bodily Resurrection of Jesus”, in: Gospel Perspectives I, hg. R.T. France und D. Wenham (Sheffield, England: JSOT Press, 1980), S. 47-74. [1]

Es gibt wohl wenige Geschehnisse in den Evangelien, die historisch zwingender belegt sind als die Auferstehung Jesu. Die in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts erfolgten historisch-kritischen Untersuchungen, die sich von den deistischen Präsuppositionen, die 150 Jahre lang die Ergebnisse der Auferstehungsforschung weitgehend im Voraus bestimmt hatten, zunehmend befreit haben, haben den skeptischen Trend bezüglich der historischen Auferstehung umgekehrt, mit dem Ergebnis, dass in den letzten Jahren der Trend in die Richtung der Akzeptierung der historischen Glaubwürdigkeit der Auferstehung Jesu geht.

Doch einen Aspekt der Auferstehung können sehr viele Gelehrte sich nach wie vor nicht zu eigen machen: dass Jesus wirklich leiblich von den Toten auferweckt wurde. Für die Skepsis der Forschung gegenüber der Historizität der Evangelienberichte über die leibliche Auferstehung Jesu ist meines Erachtens mehr als jeder andere Faktor die physikalistische Darstellung des Auferstehungsleibes Jesu ursächlich. Das klassische Beispiel ist hier in der Literatur zweifellos Hans Grass‘ Studie Ostergeschehen und Osterberichte[2] Grass wendet sich gegen den „massiven Realismus“ der Evangelienberichte, wischt die Erscheinungsgeschichten als bloße Legenden beiseite und fährt alle verfügbaren kritischen Geschütze gegen das leere Grab auf. Nicht, dass er offen die Auferstehung lediglich als Überleben der Seele Jesu deutet; er bejaht eine leibliche Auferstehung, doch der Leib hat wesensmäßig „geistlich“ zu sein wie bei dem Apostel Paulus, und nicht physisch. Da die Beziehung zwischen dem alten, physischen Leib und dem neuen, geistlichen Leib eine „Totaliter aliter“-Beziehung ist, bedeutet für Grass die Auferstehung nicht, dass das Grab Jesu leer wurde, sondern dass ein neuer Leib erschaffen wurde. Und weil der Auferstehungsleib geistlich ist, waren die Erscheinungen des auferstandenen Christus himmlische Visionen, die Gott in den Gehirnen derer schuf, die sie empfangen sollten.

Der Einfluss, den Grass ausgeübt hat, lässt sich kaum übertreiben. Bei der Leugnung des leeren Grabes folgen ihm zwar nur wenige, da die Faktenlage in die umgekehrte Richtung weist, aber nicht selten findet man Aussagen des Inhaltes, dass, da der Auferstehungsleib unabhängig von dem alten Leib sei, wir nicht gezwungen seien, an das leere Grab zu glauben. Und allerorten heißt es – selbst bei denen, die das leere Grab entschieden verteidigen –, dass das geistliche Wesen des Auferstehungsleibes physische Erscheinungen des Auferstandenen, wie die Evangelien sie berichten, ausschließe. John Alsup bemerkt, dass „ ... kein anderes Werk … so oft benutzt worden [ist] oder von solch einer Bedeutung für die Interpretation der Evangelienberichte [gewesen ist] … wie das von Grass“. [3] Doch er wendet ein, dass Grass‘ Insistieren, dass den leiblichen Erscheinungen in den Evangelien der Typus der himmlischen Vision zugrunde liege, auf der Annahme der „Unmöglichkeit des materiellen Realismus“ dieser leiblichen Erscheinungen „als akzeptabler Antwort auf die ‚Was ist da geschehen?‘-Frage“ basiert, und er fährt fort: „Grass stülpt den Erscheinungsgeschichten in den Evangelien dieses Kriterium über und beurteilt sie nach ihrer Konformität mit bzw. Abweichung von ihm.“ [4] Das Ergebnis, so Alsup, ist, dass „das gegenwärtige Spektrum der Erforschung der Erscheinungen des Auferstanden in den Evangelien“ einen „Hang zu dem vergangenen Jahrhundert (und zu Celsus im 2. Jahrhundert) aufweist, und dies zum Großteil unter dem Einfluss von Grass‘ Modell. Die Evangelienberichte werden so in gewissem Sinne zu etwas Peinlichem; ihr ‚Realismus“ ist anstößig.“ [5]

Wie kann man eine solche Sicht legitim begründen? Die Stimmen, die einen leiblichen Auferstehungsleib Jesu leugnen, haben hier eine Argumentation entwickelt, die heute zum theologischen Grundrepertoire gehört:

Die Kirche des Neuen Testaments ist sich nicht einig über das Wesen des Auferstehungsleibes Christi. Nach Stellen im Lukas- und Johannesevangelium scheint dieser Leib seinem Wesen nach physisch zu sein.43 Paulus dagegen argumentiert eindeutig, dass dieser Leib geistlich ist. Wenn in den Berichten der Apostelgeschichte über die Bekehrung des Paulus eine echte historische Erinnerung enthalten ist, muss er die Erscheinung Christi nicht als körperliche Erscheinung verstanden haben. Die meisten Kritiker identifizieren diese Bekehrung mit dem in 1. Kor 15,8 angesprochenen Ereignis: „Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.“ … Die Argumentation in den Versen 47-50 dieses Kapitels für die Identität zwischen dem Leib Christi und dem geistlichen Auferstehungsleib lässt darauf schließen, dass für den Apostel sein Herr in einem geistlichen Leib von den Toten auferstand. Vor allem aber setzt Paulus die Christuserscheinung vor ihm mit den Erscheinungen vor den anderen Aposteln gleich. Der auferstandene Christus, wie er sich der Kirche zeigte, ist mithin ein geistlicher Leib. …

43 Lk 24,29-43; Joh 20,26-38. Es gibt natürlich widersprüchliche Elemente in den Geschichten, die implizieren, dass der Leib mehr als physisch ist. [6]

Wir können dieses Räsonnement wie folgt formulieren:

1. Die Information, über die Paulus verfügt, ist zumindest prima facie verlässlicher als die Evangelien.

a. Denn er befindet sich in größerer zeitlicher und persönlicher Nähe zu dem, was da geschah.

2. Die Information des Paulus lässt, im Gegensatz zu den Evangelien, darauf schließen, dass Jesus einen rein geistlichen Auferstehungsleib hatte.

a. Erstes Stützargument für 2.:

(1) Paulus setzte die Erscheinung Jesu vor ihm mit den Erscheinungen Jesu vor den Jüngern gleich.

(2) Die Erscheinung Jesu vor Paulus war eine nichtkörperliche Erscheinung.

(3) Folglich waren auch die Erscheinungen Jesu vor den Jüngern nichtkörperlicher Art.

b. Zweites Stützargument:

(1) Paulus setzte Jesu Auferstehungsleib mit unseren künftigen Auferstehungsleibern gleich.

(2) Unsere künftigen Auferstehungsleiber werden geistlicher Art sein.

(3) Folglich war auch der Auferstehungsleib Jesu ein geistlicher Leib.

3. Folglich hatte Jesus einen rein geistlichen Auferstehungsleib.

Damit können die Evangelienberichte über die leibliche Auferstehung Jesu als bloße Legenden abgetan werden.

Ich bin davon überzeugt, dass dieses Räsonnement die Erwartungen, die die, welche eine leibliche Auferstehung leugnen, an es herantragen, nicht erfüllen kann. Ich werde im Folgenden die Prämisse 1. nicht angreifen, dafür aber umso mehr die Prämisse 2. Die Argumente, die zu ihrer Stützung vorgebracht werden, scheinen mir beide nicht zutreffend zu sein, sondern auf ernsten Fehlannahmen zu beruhen.

Was das erste Stützargument betrifft – die Erscheinung Jesu vor Paulus –, so scheinen mir die Prämissen (1) und (2) höchst zweifelhaft zu sein. Betrachten wir sie in der umgekehrten Reihenfolge: Was sind die Belege dafür, dass die Erscheinung Jesu vor Paulus eine nichtkörperliche Erscheinung war? Gewöhnlich wird hier auf die Berichte über dieses Ereignis in der Apostelgeschichte verwiesen, in denen die Erscheinung angeblich als Visionserlebnis zu verstehen ist (Apg 9,1-19; 22,3-16; 26,9-23). Tatsache ist jedoch, dass diese Erscheinung zwar visionäre Elemente hat, aber nicht ohne Weiteres als bloß visionär bezeichnet werden kann, da sie in allen drei Berichten von nichtmentalen Phänomenen begleitet ist (dem Licht und der Stimme), die die Begleiter des Paulus wahrnahmen. Grass tut diese Phänomene als Beispiele für die Neigung des Lukas zum Objektivieren ab, [7] doch diese Erklärung ist höchst zweifelhaft, denn Lukas versucht nicht, die Jesuserscheinungen nach der Himmelfahrt zu objektivieren, sondern es sind die Erscheinungen vor der Himmelfahrt, deren außermentale Realität er betont. Hätten zu der Lukas vorliegenden Überlieferung nicht auch die Begleiter des Paulus gehört, hätten wir hier eine Vision wie bei Stephanus, ohne nichtmentale Phänomene. Und zweitens: Hätte Lukas die außermentalen Aspekte der Erscheinung vor Paulus nur erfunden, wäre er sicher widerspruchsfreier vorgegangen und hätte keine Unstimmigkeiten gebracht wie die, dass die Begleiter des Paulus in der einen Version die Stimme hören und in der anderen nicht. Diese Unstimmigkeiten legen es nahe, dass die nichtmentalen Phänomene zu den verschiedenen Lukas vorliegenden Traditionen gehörten.

Grass behauptet weiter, dass Lukas eine Tradition des Erlebnisses des Paulus vorliegen hatte, die nicht an die mehr körperlichen Erscheinungen Christi vor seinen Jüngern angeglichen werden konnte, und dass deswegen diese Tradition verlässlich sei; die außermentalen Aspekte seien das Ergebnis mythischer oder legendenhafter Einflüsse. [8] Aber man könnte ebenso gut genau andersherum argumentieren: dass deswegen, weil die Christuserscheinung vor Paulus eine nachhimmelfahrtliche Erscheinung ist, Lukas sie als himmlische Vision konstruieren muss, da Jesus ja leiblich zum Himmel aufgefahren war. Grass‘ anthropomorphe Parallelen aus der griechischen Mythologie (Homer, Ilias a 158; Odyssee p.v. 161; Apollonius, Argonauten 4.852) haben wenig Ähnlichkeit mit dem Erlebnis des Paulus; eine genealogische Verbindung zwischen ihnen ist höchst unwahrscheinlich. Man kann mithin nicht legitimerweise die Berichte über die Christuserscheinung vor Paulus in der Apostelgeschichte als Belege dafür anführen, dass diese Erscheinung rein visionärer Art war.

Paulus selber lässt uns über die genaue Art der Christuserscheinung vor Damaskus im Unklaren. Aber es ist interessant, dass er, als er von seinen „Erscheinungen und Offenbarungen des Herrn“ spricht (2. Kor 12,1-7), diese Erscheinung nicht nennt. Paulus wie die ganze frühchristliche Kirche kannten religiöse Visionen und unterschieden diese klar und deutlich von Erscheinungen des auferstandenen Herrn. [9] Aber worin bestand der Unterschied? Laut Grass lediglich in dem Inhalt: Bei einer Erscheinung sieht man den erhöhten Christus. [10] Aber es muss auch religiöse Visionen des erhöhten Christus gegeben haben; sowohl die Vision des Stephanus als auch die Johannesoffenbarung sind Belege für die Existenz von Berichten in der Kirche über Visionen des erhöhten Christus, die keine Erscheinungen des Auferstandenen waren. Man kann auch nicht behaupten, dass das entscheidende Merkmal einer Erscheinung die Beauftragung ist, denn man kannte Erscheinungen ohne dieses Element (die Emmausjünger und die 500 Brüder). Mir scheint die naheliegendste Lösung die zu sein, dass eine Erscheinung mit nichtmentalen Phänomenen einherging (etwas wurde buchstäblich sichtbar), während eine Vision, auch wenn sie von Gott kam, sich lediglich im Kopf abspielte. Wenn dies korrekt ist, dann sagt Paulus, wenn er behauptet, eine Christuserscheinung (und nicht eine Christusvision) erlebt zu haben, dass er etwas nicht bloß „im Geist“ gesehen hat, sondern „da draußen“ in der realen Welt. Nach dem, was wir von Paulus wissen, könnte diese Erscheinung genauso körperlich gewesen sein wie die in den Evangelien beschriebenen, und es ist nicht unmöglich, dass Lukas sie anschließend „spiritualisiert“ hat, um sie in sein Schema „vor/ nach der Himmelfahrt“ einpassen zu können. Wie auch immer: Es ist vergebliche Liebesmühe, beweisen zu wollen, dass die Apostelgeschichte oder Paulus eine rein visionäre Christuserscheinung auf der Straße nach Damaskus hergeben.

Aber tun wir einmal so, als ob dies nicht stimmt und die Damaskus-Erscheinung bloß eine Vision war. Was für Gründe haben wir dann, der Prämisse (1) (Paulus setzte die Erscheinung Jesu vor ihm mit den Erscheinungen Jesu vor den Jüngern gleich) zu glauben? Gewöhnlich wird hier die Tatsache zitiert, dass Paulus sich in die Liste der Auferstehungszeugen einreiht, woraus – so heißt es – folgt, dass die anderen Erscheinungen des Auferstandenen ebenfalls Visionen gewesen sein müssen, wie bei ihm. Doch dies muss mitnichten folgen. Erstens: Damit, dass Paulus sich in die Liste der Zeugen einreiht, impliziert er nicht, dass die früheren Erscheinungen von derselben Art waren wie sein Erlebnis. Es geht ihm hier nicht um das wie der Erscheinungen, sondern darum, wer erschien. Er will Zeugen des auferstandenen Christus auflisten, und die Art und Weise der Erscheinung spielt keine Rolle. Und zweitens versucht Paulus hier gar nicht, die anderen Erscheinungen auf die gleiche Ebene wie die von ihm erlebte zu stellen, sondern vielmehr seinem eigenen Erlebnis etwas von der Objektivität und Realität der anderen zu geben. Die Gegner des Paulus bezweifelten bzw. verneinten ja sein Apostelamt (1. Kor 9,1-2; 2. Kor 11,5; 12,11), und da war die Tatsache, dass er Christus gesehen hatte, ein wichtiger Pluspunkt für ihn (Gal 1,1.11-12.15-16; 1. Kor 9,1-2; 15,8-9). Doch was, wenn seine Gegner sein Erlebnis als bloße, eingebildete Vision abtaten? Und so betont Paulus, dass er, wie die anderen Apostel, eine echte, objektive Erscheinung des auferstandenen Herrn erlebt hat. Indem er sich in die Liste aufnimmt, sagt er, dass das, was er gesehen hat, eine genauso reale Erscheinung Jesu war wie das, was sie sahen. Man könnte das Ganze geradezu als einen Antrag auf Aufnahme in die Kategorie der Augenzeugen des Auferstandenen sehen! Auf jeden Fall ist es ein non sequitur, aus der Selbstaufnahme des Paulus in die Liste der Zeugen zu schließen, dass alle anderen Erscheinungen von derselben Art gewesen sein müssen wie die, die Paulus erlebte.

Das erste Stützargument gegen die leibliche Auferstehung Jesu scheint mithin gleich doppelt anfechtbar zu sein. Nicht nur sprechen die Fakten dagegen, dass Paulus bloß eine Vision hatte; es spricht auch nichts dafür, dass Paulus davon ausging, dass die Art der Erscheinung Jesu vor ihm die gleiche war wie die der Erscheinungen vor den anderen Jüngern.

Kommen wir nun zu dem zweiten Stützargument für einen bloß spirituellen Auferstehungsleib Jesu – dem Argument aufgrund von Paulus‘ Formulierung swma pneumatikon. Die Prämisse (1) – Paulus setzte Jesu Auferstehungsleib mit unseren künftigen Auferstehungsleibern gleich – ist zweifellos korrekt (Phil 3,21; 1. Kor 15,20; Kol 1,18). Doch die Wahrheit der Prämisse (2) – Unsere künftigen Auferstehungsleiber werden geistlicher Art sein – hängt davon ab, wie man die in ihr benutzten Begriffe definiert. Bevor wir uns Paulus‘ Diskussion des Auferstehungsleibes in 1. Kor 15,35-57 genauer anschauen, sind daher einige Bemerkungen zu Paulus‘ anthropologischen Begriffen swma, sarx und yuch angemessen.

Der wichtigste Begriff in der zweiten Hälfte von 1. Korinther 15 ist swma. [11] Im 19. Jahrhundert interpretierten viele Theologen unter dem Einfluss des Idealismus das swma als die Form einer Sache und das sarx als ihre Substanz. [12] Auf diese Weise konnten sie die anstößige Vorstellung einer leiblichen Auferstehung vermeiden, denn das, was da von den Toten auferweckt wurde, war die Form, die eine neue, spirituelle Substanz erhielt. Und so stellten die alten Kommentare sich das swma pneumatikon als einen Leib vor, der aus „himmlischer Lichtsubstanz“ bestand. Diese Deutung ist heute so gut wie aufgegeben worden. [13] Das Verständnis von swma als bloßer Form und sarx als seiner Substanz ist exegetisch nicht haltbar; swma ist vielmehr der ganze Leib, mit Form und Substanz. Was nicht bedeutet, dass die Theologen des 20. Jahrhunderts unter swma den physischen Leib verstehen! Sie betrachten swma, wenn es in der Theologie benutzt wird, vielmehr– unter dem Einfluss des Existentialismus, wie er besonders von Bultmann übernommen wurde – als die ganze Person, abstrakt definiert nach existentialistischen Kategorien der Selbsterkenntnis. swma ist hier nicht der physische Leib, sondern die Person, und eine leibliche Auferstehung bedeutet nicht eine Auferstehung des Leibes, sondern der Person. Damit wird die Lehre von der leiblichen Auferstehung genauso geschickt umgangen wie in den Tagen des philosophischen Idealismus. In seiner Studie weist Gundry nach, dass dieses Verständnis total falsch ist. Auch wenn seine Exegese zuweilen des Guten zu viel tut, [14] vermag sein Hauptargument zu überzeugen: dass swma im Neuen Testament nie zur Bezeichnung der ganzen Person ohne ihren physischen Leib benutzt wird, sondern vielmehr zur Bezeichnung des Leibes bzw. des Menschen mit besonderer Betonung des Leibes. Gundrys Fazit ist es wert, zitiert zu werden:

Das soma bezeichnet den physischen Körper und ist grob synonym mit „Fleisch“ in der neutralen Bedeutung. Es bildet den Teil eines Menschen, in dem und durch den er in der Welt lebt und agiert, und wird im Ungläubigen zur Ausgangsbasis für die Sünde und im Gläubigen für den Heiligen Geist. Kommt es nicht vorher zur Parusie, wird das soma sterben; das ist die Nachwirkung der Sünde selbst im Gläubigen. Aber es wird auch auferweckt werden. Das ist sein letztes Ziel und ein wichtiger Beweis seines Wertes und seiner Notwendigkeit für die Ganzheit des Menschen, und es ist der Grund für seine Heiligung jetzt. [15]

Die Bedeutung dieses Fazits kann gar nicht genug betont werden. Zu lange haben wir gehört, dass für Paulus das swma das Ego, das Ich des Menschen ist. Gundrys Studie ist wie eine heilsame kalte Dusche, die uns zurück zu dem tatsächlichen anthropologischen Bewusstsein des Menschen des 1. Jahrhunderts bringt. Die Vorstellung des Leibes als des „Ich“ ist eine Perversion der biblischen Bedeutung von swma. Wie Robert Jewett schreibt: „Bultmann hat swma praktisch in sein Gegenteil verkehrt: in ein Symbol für jene Struktur der individuellen Existenz, die im Wesentlichen nichtkörperlich ist.“ [16] Von daher sind die existentialistischen Darstellungen von swma, genauso wie die idealistischen, zu einem Hemmschuh einer exakten historisch-kritischen Exegese von 1. Korinther 15 geworden, der die Theologie einer inzwischen bereits überholten philosophischen Mode opfert. [17]

Zu sagen, dass swmaprimär den physischen Leib meint, bedeutet nicht, dass das Wort nicht auch als Synekdoche benutzt werden kann, die den ganzen Menschen mit einem Teil von ihm bezeichnet. „Das swmakann für die ganze Person stehen, einfach weil das swmain der Vereinigung mit der Seele/ dem Geist lebt. Aber es bedeutet nicht ‚die ganze Person‘, weil es benutzt wird, um auf das physische Objekt hinzuweisen, das der Leib der Person ist, und nicht auf die ganze Persönlichkeit.“ [18] Auch eine metaphorische Verwendung des Wortes ist nicht ausgeschlossen, wie in „der Leib Christi“ (= die Kirche), denn es ist eine physische Metapher; die Kirche ist nicht das „Ich“ Christi. Wenn wir also 1. Korinther 15 aufschlagen und nach dem Wesen des Auferstehungsleibes fragen, zielt unsere Frage auf einen Leib, und nicht auf ein Ego, ein „Ich“ oder eine in Abstraktion von dem Leib vorgestellte „Person“.

Paulus‘ Gebrauch des Wortes sarxhabe ich bereits angesprochen und muss dem nicht viel hinzufügen. Die Theologen kennen sarxals die menschliche Neigung zum Bösen. Dies trifft in der deutschen Theologie einen Nerv, weil in dem Glaubensbekenntnis in der älteren deutschen Formulierung von der „Auferstehung des Fleisches“ die Rede ist (und nicht des „Leibes“ = „body“ wie in der englischen Übersetzung). Viele Theologen distanzieren sich (zu Recht) von einer Lehre, nach welcher das „Fleisch“ als moralisch böses Prinzip auferweckt werden wird. Dabei scheinen sie jedoch zu übersehen, dass Paulus sarxoft in einem nichtmoralischen Sinne benutzt, einfach zur Bezeichnung unserer Leiblichkeit, und in diesem moralisch neutralen Sinn bedeutet „Auferstehung des Fleisches“ die Auferstehung des Leibes. Es ist offensichtlich, dass Paulus in 1. Korinther 15 von sarxin einem physischen, moralischen neutralen Sinn redet, denn er spricht dort auch von dem Fleisch der Vögel, Tiere und Fische, was absurd wäre, wäre sarxmoralisch gemeint. Die Lehre von der „Auferstehung des Fleisches“ ist mithin, wenn man sie rein physisch versteht, moralisch unproblematisch.

Schließlich ein paar Worte zu dem dritten Begriff, yuch: Paulus lehrt nicht einen systematischen swma/yuc-Dualismus, aber benutzt häufig pneuma und andere Ausdrücke, um das nichtmaterielle Element im Menschen zu bezeichnen. Die Adjektivform, yuchikoV, hat sogar eine Bedeutung, die nicht Immaterialität bedeutet, sondern das natürliche Wesen einer Sache im Gegensatz zu dem übernatürlichen Wesen des Geistes Gottes. So unterscheidet Paulus in 1. Kor 2,14–3,3 drei Arten von Menschen: den anJrwpoVyuchikoV(„natürlicher Mensch“, ohne den Geist Gottes), den anJrwpoV pneumatikoV(„geistlicher Mensch“, der von Gottes Geist geführt und bevollmächtigt ist), und den anJrwpoV sarkinoV(„fleischlicher Mensch“, der zwar den Geist Gottes hat – vgl. 1. Kor 12,13 –, aber noch unter der Macht des sarx als bösen Prinzips im Wesen des Menschen steht). Daraus erhellt, dass für Paulus yuchikoVnicht die Konnotationen hatte, die wir heutzutage mit „Seele“ assoziieren.

Wenden wir uns nach dieser Begriffsklärung nun Paulus‘ Erörterung in 1. Kor 15,35-57 zu. Paulus beginnt mit zwei polemischen Fragen: „Wie werden die Toten auferstehen?“ und: „Mit was für einem Leib werden sie kommen?“ (V. 35; vgl. 2. Bar [Baruch-Apokalypse] 49,2-3). Die Gegner des Paulus konnten die Auferstehung offenbar nicht akzeptieren, weil die Auferweckung eines materiellen Leibes für ihr griechisches Denken entweder unvorstellbar oder gar zu anstößig war (vgl. Bultmanns „Wiederbelebung eines Leichnams“). Die Antwort des Paulus geht einen vorsichtigen Mittelweg zwischen den radikaleren Varianten der pharisäischen Auferstehungslehre (in der die Auferweckten z.B. je tausend Kinder zeugen und vom Fleisch des Leviathan essen werden) und der platonischen Lehre von der Unsterblichkeit der vom Leib getrennten Seele. Paulus betont, dass der Auferstehungsleib radikal anders sein wird als unser natürlicher Leib, aber dennoch ein Leib; die Befreiung der Seele aus dem Gefängnis des Leibes sucht man bei Paulus vergebens. Paulus‘ Position ist, dass der Auferstehungsleib eine wunderbare Verwandlung unseres gegenwärtigen irdischen Körpers sein wird, sodass er in der neuen Welt existieren kann – eine Lehre, die für das Judentum zur Zeit des Paulus nicht ungewöhnlich war und bemerkenswerte Parallelen zu dem zeitgenössischen Buch 2. Baruch [Baruch-Apokalypse] 50–51 aufweist, das man zusammen mit Paulus‘ Ausführungen lesen sollte. [19] Dies ist höchst instruktiv, vor allem wenn wir davon ausgehen, dass der Autor des Lukasevangeliums und der Apostelgeschichte ein Begleiter des Paulus war und dass Lukas die paulinische Auferstehungslehre ausdrücklich mit der der Pharisäer gleichsetzt (Apg 23,6; vgl. 24,14; 26,6.21-23).

Im ersten Abschnitt (V. 36-41) sucht Paulus nach Analogien zur Auferstehung der Toten (V. 42). Die erste Analogie ist die des Samenkorns. Mit ihr will Paulus schlicht darauf hinweisen, wie unterschiedlich die fertige Pflanze von dem in den Boden gesäten Samen ist (in Mt 13,31-32 benutzt Jesus in einem anderen Kontext eine ähnliche Analogie). Es ist eine geschickt gewählte Analogie, denn das Säen des Samenkorns und sein Sterben in der Erde erinnern an das Begräbnis eines Toten (V. 42-44). Paulus‘ Analogie aus der Perspektive der modernen Botanik zu kritisieren (z.B. zu sagen, dass ein Samenkorn ja nicht wirklich „stirbt“), bürdet ihr zu viel auf. Manche Kommentatoren kritisieren auch, dass Paulus noch nicht wusste, dass ein Samenkorn automatisch zu einer ganz bestimmten Art von Pflanze führt; Paulus dachte, dass Gott allein bestimmt, was für eine Pflanze aus dem ausgesäten Samen hervorgeht (V. 38). Doch diese Kritik will nicht überzeugen; Paulus wäre wohl kaum auf die Idee gekommen, dass aus einem Weizenkorn eine Dattelpalme wachsen konnte! Er sagt konkret, dass Gott „einem jeden Samen seinen eigenen Leib“ gibt (V. 38) – ein Anklang an den Schöpfungsbericht, wo Gott auch alles „nach seiner Art“ schuf (1. Mose 1,11). Dergleichen Kritiken gehen an dem Sinn der Analogie vorbei: dass Gott aus dem bloßen Samenkorn eine Pflanze wachsen lässt, die wunderbar anders ist.

Als zweite Analogie führt Paulus erneut die verschiedenen Arten von Fleisch bzw. Leibern an, um aufzuzeigen, dass dann, wenn wir schon in der physischen Welt Unterschiede zwischen verschiedenen Arten von Leibern erkennen, auch der Auferstehungsleib anders sein kann als unser gegenwärtiger Leib. Möglicherweise denkt er hier an den Schöpfungsbericht, doch meines Erachtens dürfte die Parallele zu der jüdischen Unterscheidung zwischen reinen und unreinen Tieren bzw. Speisen näherliegen (vgl. 3. Mose 11; Tiere: V. 1-8, Fische: V. 9-12, Vögel: V. 13-19, Insekten: V. 20-23; Kleingetier: V. 29-30). [20] Ich glaube daher nicht, dass sarxhier identisch mit swmaist. Eine solche Identität würde nicht nur das Argument des Paulus auf die recht banale Aussage reduzieren, dass Menschen andere Körper haben als Fische, sondern auch die falsche Aussage implizieren, dass alle Tiere dieselbe Art Leib haben. sarxbedeutet hier vielmehr „Fleisch“ oder „organische Materie“. Die alten Kommentare lagen daher falsch, wenn sie sarxeinfach als „Substanz“ definierten, denn inorganische Materie ist kein sarx; Paulus würde nie von dem „Fleisch“ eines Steines sprechen. Zu behaupten, dass der Auferstehungsleib somit eine andere Art Fleisch hat als der irdische Leib, würde die Analogie wahrscheinlich zu weit führen; Paulus möchte hier lediglich zeigen, dass dann, wenn es Unterschiede zwischen den Dingen unseres Alltags gibt, auch der übernatürliche Auferstehungsleib Unterschiede zu unserem gegenwärtigen Leib aufweisen kann.

Die dritte Analogie ist die der irdischen und himmlischen Körper (1. Kor 15,40-41). V. 41 erlaubt keinen Zweifel daran, dass Paulus astronomische Körper und keine Engel meint. Der Sinn der Analogie ist der gleiche wie vorher: Es gibt erhebliche Unterschiede zwischen den Körpern in der physischen Welt; warum sollte da der Leib in der kommenden Welt nicht anders sein als unser jetziger Leib? Diese Analogie ist besonders treffend, denn so wie die himmlischen Körper herrlicher sind als die irdischen, ist auch der Auferstehungsleib herrlicher als der irdische Leib (V. 43; vgl. Phil 3,21). [21] Die doxa der Himmelskörper ist ihre Helligkeit, die unterschiedlich ausfällt (von „Lichtsubstanz“ ist hier keine Spur). Doch bei dem Auferstehungsleib scheint doxa eher Ehre zu bedeuten (V. 43).

Damit hat Paulus seine Lehre von der künftigen Welt durch drei Analogien aus der gegenwärtigen Welt vorbereitet. Alle drei zeigen, wie innerhalb der gleichen Kategorie die Dinge radikal unterschiedlich sein können; ähnlich ist ein swma pneumatikonradikal anders als ein swmayuchikon. Die Analogien des Paulus bilden desweiteren eine aufsteigende Skala von Pflanzenkörpern über Tierkörper bis hin zu himmlischen Körpern; die nächste Art Körper, die er erwähnt, wird der wunderbarste und herrlichste von allen sein.

In V. 42-50 legt Paulus seine Lehre vom swma pneumatikondar. Der künftige Leib unterscheidet sich von unserem gegenwärtigen Leib dadurch, dass er unvergänglich, herrlich, stark und geistlich ist, während der gegenwärtige Leib vergänglich, niedrig, schwach und physisch ist (V. 42-44). Dies sind vier wesentliche Unterschiede zwischen dem gegenwärtigen Leib und dem Auferstehungsleib. Was zeigen sie uns über das Wesen des Auferstehungsleibes?

Erstens: Es wird gesät en jJora, aber es wird auferstehen en ajJarsia. Diese Begriffe zeigen uns deutlich, dass Paulus hier nicht von unserem Ego oder Ich redet, sondern von unserem Körper. Denn erstens bezieht sich das speiretai-egeiretai in erster Linie auf das Begraben und Auferwecken eines Leichnams und nicht auf die „Person“ in Abstraktion vom Körper, und zweitens kann nur der Leib als vergänglich bezeichnet werden (2. Kor 4,16), denn der Geist des Menschen überdauert den Tod (2. Kor 5,1-5; vgl. Röm 8,10; Phil 1,23). Die Disjunktion, um die es hier geht, betrifft die radikale Veränderung, die in unseren Leibern stattfinden wird: Paulus lehrt die persönliche leibliche Unsterblichkeit, nicht die Unsterblichkeit allein der Seele (vgl. V. 53-54). So merkwürdig es klingen mag, aber die christliche (oder jedenfalls paulinische) Lehre ist nicht, dass unsere Seelen ewig leben werden, sondern dass wir im Leben nach dem Tod Körper haben werden.

Zweitens: Es wird gesät en atimia, aber es wird auferweckt en dunamei. Unsere gegenwärtigen Leiber sind von der Sünde durchdrungen; es sind Leiber des Todes, die mit der ganzen Schöpfung stöhnen und sich nach der Befreiung von Sünde und Verfall sehnen. Wir sehnen uns – so Paulus – nach der Erlösung unserer Leiber (2. Kor 5,4; Röm 8,19-24). Und diesen Körper, den die Sünde und der Tod verunstaltet haben, wird Christus so verwandeln, dass er seinem Herrlichkeitsleib ähnlich wird (Phil 3,21). In einem geistlichen Sinne haben wir bereits einen Vorgeschmack auf diese Herrlichkeit, insofern wir innerlich dem Bilde Christi gleichgestaltet und durch seinen Geist geheiligt werden (2. Kor 3,18), aber Paulus lehrt, dass der Leib nicht einst von uns abfallen wird wie eine nutzlos gewordene Hülse, sondern verwandelt werden wird, um ebenfalls an dieser Herrlichkeit teilzuhaben.

Drittens: Es wird gesät en asJenia, aber es wird auferweckt en dunamei. Mit Schwäche kannte Paulus sich aus! Mit einem gesundheitlichen Leiden behaftet, das eine Last auch für die Menschen um ihn herum war, entdeckte er in seiner Schwäche die Kraft Christi (Gal 4,11-13; 2. Kor 12,7-10). An seinem armen Leib, der für die Sache des Evangeliums gesteinigt, geschlagen und ausgepeitscht worden war, trug Paulus die Male Christi in solch einem Maße, dass er schreiben konnte: „[Ich] erfülle durch mein Fleisch, was an den Leiden Christi noch fehlt …“ (Kol 1,24). So wie Christus „gekreuzigt wurde in Schwachheit‘“, aber „lebt … aus Gottes Kraft“ (2. Kor 13,4), so sehnte Paulus sich danach, die Kraft der Auferstehung zu erfahren, und freute sich auf den Tag, an dem auch er den Auferstehungsleib erhalten würde (2. Kor 5,1-4; Phil 3,10-11).

Viertens: Es wird gesät ein swmayucikon, aber es wird auferweckt ein swmapneumatikon. Mit swmayucikonmeint Paulus eindeutig nicht einen Körper, der aus yuchbesteht. So wie Paulus häufig den Ausdruck sarkikoV nicht benutzt, um die physische Zusammensetzung einer Sache zu bezeichnen, sondern ihre Orientierung, ihr dominierendes Prinzip, so bezeichnet hier auch yucikonnicht eine Zusammensetzung, sondern eine Orientierung. Im Neuen Testament hat yucikonstets eine negative Konnotation (1. Kor 2,14; Jak 3,15; Jud 19); etwas, das yucikonist, hat Teil an dem Wesen und der Ausrichtung der menschlichen Natur, so wie sie von Geburt ist. Soma yucikonmeint hier also nicht so sehr, dass der Leib physisch ist, sondern dass er natürlich ist. Von daher lautet die richtige Übersetzung von swmayucikon„natürlicher Leib“; gemeint ist unser gegenwärtiger menschlicher Körper. Dies ist der Leib, der „gesät“ wird. Aber was auferweckt wird, ist ein swma pneumatikon. Und gerade so, wie swmayucikonnicht einen Leib bedeutet, der aus yuchbesteht, so bedeutet swmapneumatikonnicht einen Körper, der aus pneuma besteht.

Wenn swmapneumatikoneinen Leib bedeutete, der aus Geist besteht, dann wäre sein Gegenteil nicht ein swmayucikon, sondern ein swmasarkinon. Für Paulus sind yuchund pneuma nicht Substanzen, aus denen Körper bestehen, sondern dominierende Prinzipien, durch die Körper geleitet werden. So gut wie alle heutigen Kommentatoren sind sich einig: Paulus meint hier nicht so etwas wie einen Geist- oder Ätherleib, sondern er meint einen Leib, der unter der Herrschaft und Leitung des Geistes Gottes steht. Der gegenwärtige Leib ist yucikon insofern, als sein dominierendes Prinzip die yuchist (vgl. anJrwpoV yuchikoV, 1. Kor 2,14). Der künftige Leib dagegen wird pneumatikonsein – nicht in dem Sinne, dass er aus einer spirituellen Substanz bestünde, sondern insofern das pneuma sein dominierendes Prinzip sein wird (vgl. anJrwpoV pneumatikoV, 1. Kor 2,15). Die beiden Leiber unterscheiden sich nicht qua swma, sondern qua Orientierung. Die philologische Analyse führt so, in den Worten von R. Clavier, zu dem Schluss, dass „der ‚geistliche Leib‘ im Wesentlichen derselbe Leib, dieser Leib des Fleisches ist, aber beherrscht durch den Geist, wie es der Leib Jesu Christi war.“ [22] Der Kontrast lautet nicht: physischer Leib/ nichtphysischer Leib, sondern: natürlich orientierter Leib/ geistlich orientierter Leib. Ich finde es von daher sehr unglücklich, dass der Ausdruck swmapneumatikonmeist mit „geistlicher Leib“ übersetzt worden ist, denn dies führt leicht gründlich in die Irre. Wie Héring erläutert:

Im Französischen jedoch riskiert man mit der wörtlichen Übersetzung corps spirituel die schlimmsten Missverständnisse. Denn die meisten Französisch sprechenden Leser erliegen hier, alldieweil sie mehr oder weniger bewusst Kartesianer sind, der Versuchung, das Geistliche mit dem Unausgedehnten und logischerweise auch mit dem Immateriellen gleichzusetzen, was den paulinischen Vorstellungen zuwiderläuft und darüber hinaus eine contradictio in adjecto schafft, denn was wäre ein Leib ohne Ausdehnung und ohne Materie? [23]

Héring schlägt daher vor, swmapneumatikonals das Gegenteil des natürlichen Körpers (swmayucikon) besser mit übernatürlicher Leib zu übersetzen. Dies hat zwar den Nachteil, die Konnotation von pneumatikonals „vom Geist dominiert“ zu ignorieren, vermeidet aber die unvermeidlichen Missverständnisse, in die man mit dem Ausdruck „geistlicher Leib“ gerät. Wie Héring ganz richtig anmerkt, ist dieser Ausdruck, wenn man ihn im Substanz-Sinne versteht, praktisch ein Widerspruch in sich selber. Entsprechend ist der Ausdruck „physischer Leib“ eigentlich eine Tautologie. Die Begriffe „natürlicher Leib“/ „übernatürlicher Leib“ geben mithin das von Paulus hier Gemeinte besser wieder.

Nachdem er die vier Unterschiede zwischen dem gegenwärtigen Leib und dem Auferstehungsleib beschrieben hat, stellt Paulus seine Lehre von ersten und zweiten Adam genauer dar. Seine Aussage, dass der erste Adam eiV yuchn zwsan ist und der zweite eiV pneuma zwopoioun (V. 45), will im Lichte des gerade Erörterten verstanden sein. So wie Paulus nicht meint, dass Adam eine körperlose Seele war, meint er auch nicht, dass Christus zu einem körperlosen Geist wurde; dergleichen würde der Lehre von der Auferstehung des swmawidersprechen. Vielmehr meinen auch diese Ausdrücke zum einen den natürlichen Leib, der bei der Schöpfung entstand, und zum anderen den übernatürlichen Leib, der aus der Auferstehung hervorgeht (vgl. V. 43b). Jetzt haben wir unseren natürlichen Körper hier auf der Erde, wie ihn auch Adam hatte, und in der künftigen Welt werden wir unseren übernatürlichen Körper haben, wie Jesus ihn hat (V. 46.49; vgl. V. 20-23). Dass es hier nicht um die Frage „materiell/ immateriell“ geht, erhellt aus V. 47:

o prwtoV anJrwpoV ek ghV coikoV
o deuteroV anJrwpoV ex ouranou

Es fällt auf, dass in dieser Parallele zwischen to yucikon und to pneumatikon (V. 46) etwas absichtlich ausgelassen ist: Der erste Adam ist von der Erde, aus Erde gemacht; der zweite Adam ist vom Himmel – aber aus was ist er gemacht? [24] Paulus weigert sich, zu sagen, dass der zweite Adam aus einer himmlischen Substanz gemacht ist. Der Unterschied zwischen den beiden Adamen ist ihr Ursprung, nicht ihre Substanz. Die Lehre vom ersten und zweiten Adam bestätigt mithin die philologische Analyse.

Und jetzt kommt ein Satz, der vielen Auslegern große Kopfschmerzen bereitet hat: „Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit“ (V. 50). Ist dies nicht ein deutlicher Hinweis darauf, dass der Auferstehungsleib nichtmateriell sein wird? J. Jeremias hat versucht, diese Folgerung durch das Argument zu umgehen, dass „Fleisch und Blut“ die zur Zeit der Parusie noch Lebenden meint und „das Verwesliche“ die in Christus dann bereits Verstorbenen; Paulus sagt, dass weder die Lebenden noch die Toten das Reich Gottes so erben können, wie sie sind, sondern verwandelt werden müssen (V. 51). [25] Doch dies ist unwahrscheinlich, denn es würde erfordern, dass V. 50 und 51 eine Einheit bilden. Tatsächlich sieht aber V. 50 ganz nach einer Zusammenfassung des vorangehenden Abschnitts aus, und V. 51 eröffnet einen neuen Abschnitt mit einem neuen Gedankengang (vgl. das einleitende „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis“, das darauf hindeutet, dass jetzt etwas Neues, bisher noch nicht Bekanntes kommt).

Man muss auch nicht zu dem Lösungsversuch von Bornhäuser greifen, dass Paulus meint, dass Fleisch und Blut im Grab verwesen, aber dass die Gebeine auferweckt werden, [26] gerade so, als ob Paulus hier über anatomische Dinge redet. Die Ausleger sind sich einig, dass „Fleisch und Blut“ ein typisch semitischer Ausdruck ist, der die allgemeine Gebrechlichkeit des menschlichen Wesens ausdrückt. [27] Er betont unsere Sterblichkeit und Schwäche und vergleicht sie mit Gottes Unsterblichkeit und Kraft; die zweite Hälfte von V. 50 ist nichts anderes als eine Wiederholung dieses Gedankens mit anderen Worten. Die Tatsache, dass das Verb im Singular steht, kann auch ein Hinweis sein, dass Paulus hier nicht über physische Aspekte des Leibes spricht, sondern über eine begriffliche Einheit: „Fleisch und Blut ist nicht in der Lage, zu erben …“ An anderen Stellen benutzt Paulus den Ausdruck „Fleisch und Blut“ auch einfach im Sinne von „Menschen“ oder „sterbliche Geschöpfe“ (Gal 1,16; Eph 6,12). Paulus redet hier also nicht über anatomische Dinge, sondern sagt, dass sterbliche Menschen nicht in Gottes ewiges Reich hinein können; dazu müssen sie erst unverweslich werden (vgl. V. 53). Diese Unverweslichkeit bzw. Unvergänglichkeit impliziert nicht Immaterialität oder Unausgedehntheit; im Gegenteil: Paulus‘ Lehre von der zukünftigen Welt besagt, dass unsere Auferstehungsleiber sozusagen zu einer Auferstehungsschöpfung gehören werden (Röm 8,18-23). Das Universum wird nicht von seiner Materialität erlöst werden, sondern von der Sünde und dem Tod, und unsere Leiber werden ein Teil dieses neuen Universums sein.

Im nächsten Abschnitt erklärt Paulus, wie dies geschehen wird. Wenn er sagt: „Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden“ (V. 51), ist unklar, ob er mit dem „alle“ die Christen allgemein meint oder die zu diesem Zeitpunkt lebenden Christen (vgl. 1. Thess 4,15-17). Doch in beiden Fällen ist zweierlei klar. Erstens: Paulus war davon überzeugt, dass die Verwandlung mit einem Mal, im Augenblick der Auferstehung stattfinden wird (V. 52). Hier unterscheidet er sich radikal von 2. Bar 50–51, wonach man bei der Auferstehung zunächst den alten Körper zurückbekommt, der dann erst nach dem Gericht verwandelt wird. [28] Paulus lehrt, dass wir unverweslich und verherrlicht auferweckt werden.

Und zweitens ist für Paulus die Auferstehung eine Verwandlung, nicht ein Tausch. B. Klappert bringt die Unterschiede auf den Punkt:

Es geht also in der Auferstehung nach Paulus weder 1. um eine Wiederbelebung. d.h. um eine Neuschöpfung aus (!) dem Alten, noch 2. um eine Schöpfung aus dem Nichts, d.h. um eine Neuschöpfung anstelle (!) des Alten, sondern 3. um eine radikale Verwandlung des sterblichen Leibes, d.h. um eine Neuschöpfung an (!) dem Alten[29]

Bei der Auferstehung tauscht das Ich des Menschen nicht einen Körper gegen einen anderen, sondern der natürliche Körper wird auf wunderbare Weise in einen übernatürlichen Körper verwandelt. Darauf weist das Bild vom Säen und Auferwecken des Körpers hin, ja dies ist bereits in dem ganzen Begriff der Auferstehung impliziert, denn bei einem Austausch von Körpern gäbe es nichts, was auferweckt wird. Wenn Paulus sagt: „wir werden aber alle verwandelt werden“, meint er damit sowohl die Leiber der Toten als auch die der Lebenden. Paulus‘ Lehre ist, dass bei der Parusie die Toten verwandelt aus ihren Gräbern aufstehen werden und dass die noch Lebenden ebenfalls verwandelt werden (V. 51-52; 1. Thess 4,16-17).

Die Vorstellung eines Austausches des alten Leibes gegen einen neuen ist eine typisch moderne Idee. Für die Juden betraf die Auferstehung der Toten die sterblichen Überreste im Grab, genauer: die Gebeine. [30] Das Fleisch verweste, aber die Knochen blieben, und diese waren der Hauptgegenstand der Auferstehung. Aufgrund dieser Auferstehungshoffnung sammelten die Juden nach der Verwesung des Fleisches die Gebeine der Verstorbenen sorgfältig in Ossuarien. Nur in Fällen, wo die Gebeine zerstört waren (wie bei den jüdischen Märtyrern), kam die Option einer göttlichen Erschaffung eines Auferstehungsleibes ex nihilo in Betracht.

Es ist instruktiv, dass Jesus sich in der Frage der Auferstehung auf die Seite der Pharisäer schlug. Er glaubte, dass das Grab der Ort war, wo die Gebeine ruhten und dass die Toten in den Gräbern eines Tages auferweckt würden (Mt 23,27; Joh 5,28). Man vergesse hier auch nicht, dass Paulus ein Pharisäer war und dass Lukas seine Auferstehungslehre mit der der Pharisäer identifiziert. Paulus‘ Sprache ist durch und durch pharisäisch, und es ist unwahrscheinlich, dass er die gleichen Ausdrücke mit einer ganz anderen Bedeutung verwendet hat. Dies bedeutet: Wenn Paulus sagt, dass die Toten unverweslich auferstehen werden, meint er die Toten in den Gräbern. Als Jude des 1. Jahrhunderts und als Pharisäer konnte er die Auferstehung gar nicht anders verstehen.

Somit liegt Grass schlicht falsch, wenn er die Auferstehung als einen Austausch bzw. eine Neuschöpfung versteht und nicht als eine Verwandlung. [31] Er beruft sich hier zu Unrecht auf 1. Kor 15,50; seine Behauptung, dass Paulus kein Interesse daran habe, dass die Gräber sich leeren, ignoriert die eindeutigen Aussagen in 1. Thess 4,16 (das sich im Lichte des vorangehenden Verses 14, der nach der damals gängigen jüdischen Vorstellung wahrscheinlich die Seelen der Verstorbenen meint, nur auf die Leichname in den Gräbern beziehen kann) und in 1. Kor 15,42-44.52. Er versucht, seine Sicht durch das Argument zu stützen, dass die Beziehung der alten Welt zu der neuen eine der Vernichtung und anschließenden Neuerschaffung sei und dass dies analog der Beziehung zwischen dem alten und dem neuen Körper sei. Doch die Texte, die er dazu anführt, sind im Wesentlichen nichtpaulinisch (Hebr 1,10-12; Mk 13,31; Offb 6,14; 20,11; 21,1; 2. Petr 3,10). Wie wir gesehen haben, geht Paulus von einer Verwandlung der Schöpfung aus (Röm 8,18-23; vgl. 1. Kor 7,31). Für Paulus sind es diese Schöpfung und dieser Leib, die aus der Gefangenschaft in Sünde und Verfall befreit werden. Paulus glaubte somit, dass die Körper derer, die bei der Parusie noch lebten, verwandelt werden würden (und nicht abgelegt oder vernichtet) und dass die Überreste (die Gebeine?) der Verstorbenen ebenfalls verwandelt würden.

Doch hier stellt sich sofort die Frage: Was geschieht dann mit den Christen, die vor der Parusie sterben? Sind sie bis zum Tag der Auferstehung einfach ausgelöscht? Den Schlüssel zu der Antwort, die Paulus hierauf gibt, finden wir möglicherweise in 2. Kor 5,1-10. Hier entspricht das „irdische Haus“ (wörtlich: „Zelt“) dem swmayucikon und der „Bau, von Gott erbaut“ dem swmapneumatikon. Wann bekommen wir das himmlische Haus? Die Sprache von V. 4 erinnert unwillkürlich an 1. Kor 15,53-54, das sich, wie wir sahen, auf die Parusie bezieht. Damit aber ist klar, dass wir dieses himmlische Haus nicht unmittelbar nach dem Tod bekommen, sondern erst bei der Parusie. Es ist unvorstellbar, dass Paulus, wenn er seine Meinung, dass die Toten ihren Auferstehungsleib bei der Parusie erhalten, geändert hätte, dies den Korinthern nicht mitgeteilt, sondern weiter die gleiche Ausdrucksweise benutzt hätte. Wenn wir den neuen Leib direkt nach dem Tod bekämen, gäbe es keinen Grund, Angst vor dem „entkleidet sein“ in 2. Kor 5,4 zu haben, und V. 8 würde unverständlich. Kurz: Dies würde bedeuten, dass Paulus seine Lehre von der Auferstehung der Toten aufgegeben hätte, wo doch seine späteren Briefe zeigen, dass er sie beibehielt.

In 1. Kor 15 redet Paulus nicht von einem Zustand der Nacktheit („entkleidet“), sondern einfach davon, dass das Sterbliche das Unsterbliche „anzieht“ (endusasqai). Doch in 2. Kor 5 spricht er von der Angst davor, „entkleidet“ zu sein, und dass er lieber überkleidet (ependusasqai) werden möchte, so wie man ein Obergewand über ein Untergewand zieht. Es ist offensichtlich, dass Paulus hier den Verlust des irdischen Leibes als ein Entkleidet- bzw. Nacktsein beschreibt. Es wäre ihm lieber, seinen Körper nicht zu verlieren, sondern gleich bei der Parusie verwandelt zu werden, ohne die Nacktheit des Todes durchmachen zu müssen. In diesem Sinne ist das Anlegen des neuen Leibes wie das Anlegen einer Oberbekleidung; man muss sich nicht erst ausziehen. Allein für sich betrachtet, könnte man dies so verstehen, dass die Auferstehung ein Austausch von Körpern ist und nicht eine Verwandlung, doch damit würden wir das Bild zu sehr strapazieren. Paulus versucht hier nicht, technisch zu werden, wie seine Benutzung des alltäglichen endusamenoi in V. 3 zeigt, und die Idee des „Anziehens“ ist nicht unvereinbar mit der der Verwandlung, wie 1. Kor 15,53-54 deutlich macht, ja das „Anziehen“ besteht in dem Verwandelt Werden. Weder das ecomen noch das aiwnion von 2. Kor 5,1 deutet darauf hin, dass der neue Leib bereits existiert; die beiden Ausdrücke drücken vielmehr die Gewissheit des künftigen Besitzes und die ewige Dauer des neuen Leibes an.

Die Vorstellung, dass der neue Leib bereits im Himmel existiert, macht keinen Sinn; die Vorstellung eines nicht belebten swmapneumatikon, das bis zur Parusie irgendwie im Himmel aufbewahrt wird, ist ein Widerspruch in sich, da pneuma das Wesen und die Quelle des Lebens selber ist. Aus 1. Kor 15 ergibt sich vielmehr, dass die himmlische Behausung bei der Parusie durch eine Verwandlung des irdischen Zeltes geschaffen wird – eine Wahrheit, die durch Paulus‘ bewusste Kontrastierung der beiden Behausungen in 2. Kor 5,1 verdeckt wird, aber in V. 4 angedeutet ist (vgl. auch Röm 8,10-11.18-23). Was Paulus mit diesem Bild ausdrücken möchte, ist, dass es ihm lieber wäre, bis zur Parusie zu leben und dann verwandelt zu werden, als vorher zu sterben und bis zur Auferstehung „nackt“ zu sein.

Diese Nacktheit ist mithin die Nacktheit der einzelnen Seele bzw. des einzelnen Geistes ohne den Körper – ein gängiges Motiv in der hellenistischen Literatur. Dies wird in 2. Kor 5,6-9 bestätigt, wo Paulus das Wohnen im Körper und das Daheimsein bei dem Herrn als einander ausschließende Zustände kontrastiert. Paulus sagt hier, dass wir, solange wir in diesem irdischen Leib sind, seufzen – nicht, weil wir uns danach sehnen, durch den Tod aus diesem Leib herauszukommen, um anschließend als körperlose Seele zu existieren, sondern weil wir möchten, dass unser Leib in einen übernatürlichen Leib verwandelt wird, ohne dass wir durch das Zwischenstadium hindurch müssen. Doch auch wenn die Aussicht auf diesen Zwischenzustand nicht begeisternd ist, findet Paulus es immer noch besser, den Leib verlassen zu können, um bei dem Herrn zu sein (V. 8). Durch Christus wird alles anders. Für Paulus sind die Seelen der Verstorbenen nicht bis zur Endzeit in Grabhöhlen oder Särgen eingesperrt wie in der jüdischen Apokalyptik, und sie „schlafen“ auch nicht, sondern sie sind bei Jesus, mit dem sie eine bewusste, selige Gemeinschaft haben (Phil 1,21.23), bis er zurück auf die Erde kommt (1. Thess 4,14). Dies nimmt der Angst vor dem „Nacktsein“ ihren Stachel.

Damit ist klar, wie Paulus über den Auferstehungsleib dachte. Wenn ein Christ stirbt, kommt sein bewusster Geist bzw. seine Seele bis zur Parusie zu Christus, während sein Körper im Grab liegt. Wenn Christus wiederkommt, werden die Überreste des irdischen Leibes mit einem Mal in einen starken, herrlichen, unvergänglichen Auferstehungsleib verwandelt, der unter der völligen Herrschaft und Leitung des Geistes steht, während gleichzeitig die Seele des Verstorbenen mit dem Leib wiedervereinigt wird, sodass der ganze Mensch zum ewigen Leben aufersteht. Die Menschen, die an diesem Tag noch leben, werden ähnlich verwandelt werden (der alte Leib wird auf wunderbare Weise in den neuen verwandelt werden), und alle Gläubigen werden zum Herrn gehen.

Diese Lehre zeigt uns eine Menge über Paulus‘ Vorstellung von dem Auferstehungsleib Christi. Er hat diesen in keiner Weise als immateriell oder unausgedehnt [32] betrachtet. Die Vorstellung eines immateriellen, unausgedehnten Körpers scheint mir sowieso ein Widerspruch in sich selbst zu sein; die größte Annäherung daran wäre wohl ein Schatten im Scheol, und so hat Paulus sich den herrlichen Auferstehungsleib Christi sicher nicht vorgestellt! Die einzigen Formulierungen in der Darlegung des Paulus, die man zu einer „Dematerialisierung“ des Leibes Christi benutzen könnte, sind „swmapneumatikon“ und „Fleisch und Blut können das Reich Gottes nicht ererben“, aber praktisch alle modernen Ausleger stimmen, wie wir sahen, überein, dass diese Ausdrücke nichts mit Substantialität oder Anatomie zu tun haben. Die erste Formulierung meint die Orientierung des Auferstehungsleibes, während die zweite schlicht die Sterblichkeit und Schwäche des natürlichen Körpers im Gegensatz zu Gott anspricht.

Angesichts dieses Befundes ist es ein Rätsel, wie Theologen immer noch den Auferstehungsleib Christi als unsichtbaren, unkörperlichen Geist beschreiben können; hier scheint zwischen Exegese und Theologie eine große Lücke zu klaffen, und ich kann nur O’Collins zustimmen, wenn er in diesem Zusammenhang feststellt: „Der Platonismus ist womöglich ein zäherer Bursche, als wir denken.“ [33] Es ist beim besten Willen extrem schwierig, zu sehen, was der Unterschied sein soll zwischen einem nichtmateriellen, unausgedehnten, geistigen „Körper“ und der Unsterblichkeit der Seele (was wiederum definitiv nicht die Lehre des Paulus ist!). Damit erweist sich auch das zweite Stützargument für einen rein spirituellen Auferstehungsleib Jesu als untauglich.

Wir haben gesehen, dass die Überlieferungen der Erscheinung Jesu vor Paulus diese nicht als bloß visionäres Erlebnis beschreiben, sondern dass im Gegenteil extramentale Begleitumstände vorhanden waren. Paulus lässt uns über die genaue Art dieser Erscheinung im Dunkeln; nach seiner Lehre von der Art des Auferstehungsleibes könnte sie theoretisch genauso physisch gewesen sein wie die Erscheinungen in den Evangelien. Und Paulus insistiert, dass es eine Erscheinung war und keine Vision. Lukas hat die Jesuserscheinung vor Paulus in ihrer Art als einzigartig betrachtet, weil sie nach Jesu Himmelfahrt stattfand. Paulus selber gibt keinen Hinweis, dass er diese Erscheinung in irgendeiner Weise als normativ für die anderen Erscheinungen oder als maßgeblich für eine Lehre vom Auferstehungsleib betrachtet hat. Im Gegenteil: Auch Paulus erkannte die Erscheinung, die er erlebte, als eine Anomalie und bemühte sich entsprechend, ihr die gleiche Objektivität und Realität zu geben wie den anderen Erscheinungen. Und weiter hat Paulus den Auferstehungsleib als einen starken, herrlichen, unvergänglichen, vom Geist gelenkten Körper betrachtet, der durch eine Verwandlung des irdischen Leibes bzw. dessen Überresten erschaffen wird und im Eschaton das neue Universum bewohnen soll. Das Fazit von all dem ist die überraschende Feststellung, dass Paulus‘ Lehre vom Auferstehungsleib potentiell physischer ist als die der Evangelien; wenn man sich Christi Auferstehungsleib als weniger als physisch vorstellen soll, dann muss diese Modifizierung von den Evangelien kommen und nicht von Paulus.

Wenn also viele Theologen versuchen, den „massiven Realismus“ der Evangelien gegen eine angebliche paulinische Lehre von einem spirituellen Auferstehungsleib auszuspielen, dann beruht ein solches Denken auf einem fundamentalen und drastischen Missverständnis der Lehre des Paulus. Der Verdacht liegt mehr als nahe, dass der wirkliche Grund für die wissenschaftliche Skepsis gegenüber der Historizität der Jesuserscheinungen in den Evangelien der ist, dass (wie Bultmann ganz offen gesagt hat) diese Historizität für den „modernen Menschen“ anstößig ist, und dass Paulus hier vor den Karren der Kritiker gespannt worden ist, die nachträgliche Begründungen für ein Ergebnis suchen, das durch a priori getroffene philosophische Grundannahmen bereits festliegt. Doch für dergleichen gibt Paulus sich nicht her; eine sorgfältige Exegese seiner Lehren bestätigt voll und ganz einen körperlichen Auferstehungsleib. Und genauso scheinen die Christen des 1. Jahrhunderts Paulus auch verstanden zu haben, denn die Briefe des Clemens und Ignatius belegen eine weite Verbreitung der Lehre von der körperlichen Auferstehung in den Gemeinden des 1. Jahrhunderts – darunter die Gemeinden, in denen Paulus selber gelehrt hatte. Dieser Befund zieht den Stimmen, die die Historizität der Auferstehungsberichte in den Evangelien wegen ihres Physikalismus bestreiten, den Boden unter den Füßen weg.

Doch mehr noch: Bedenkt man die zeitliche und persönliche Nähe des Paulus zu den Augenzeugen der Auferstehungserscheinungen, lässt sich die Historizität der leiblichen Auferstehung Jesu kaum leugnen. Man kann den Physikalismus der Evangelien auf diesem Hintergrund nicht als nachträgliche Legendenbildung oder theologische Spätentwicklung wegerklären, sondern Paulus zeigt uns, dass er von Anfang an da war. Und wenn er von Anfang an da war, muss er historisch wohlbegründet gewesen sein; es wird sonst schwierig, zu erklären, wie die frühesten Zeugen ihn glauben konnten.

Es heißt zwar ständig, dass der Physikalismus der Evangelien eine antidoketische Apologetik sei, doch für diese Behauptung wird kaum je ein einziges Indiz beigebracht, und eine bloße Behauptung ist kein Beweis. Wir haben gesehen, dass der persönliche Kontakt des Paulus mit den Jüngern Jesu und seine zeitliche Nähe zu ihnen es ausschließen, dass die Lehre von der körperlichen Auferstehung eine nachträgliche Entwicklung war (wie dies die antidoketische Hypothese impliziert). Die Lehre des Paulus kann überhaupt kaum als antidoketische Apologetik wegerklärt werden, denn es dürfte der krasse Materialismus der jüdischen Auferstehungslehre gewesen sein, der den korinthischen Gegnern des Paulus Bauchschmerzen machte (1. Kor 15,35), sodass Paulus es für notwendig befand, die Verwandlung des irdischen Leibes in einen übernatürlichen Leib zu betonen. Eine antidoketische Apologetik wäre kontraproduktiv gewesen. Die Faktenlage bei Paulus schließt es also aus, dass die Lehre von der körperlichen Auferstehung eine apologetische Entwicklung der Evangelien war, die sich gegen den Doketismus richtete.

Doch davon ganz abgesehen, gibt es noch andere Gründe für die Annahme, dass die Evangelienberichte nicht den Doketismus im Visier haben. Erstens: Für einen damaligen Juden bedeutete schon das bloße Wort „Auferstehung“ eine leibliche Auferweckung des Toten, der in seinem Grab lag. Die Idee einer „geistlichen Auferweckung“ war nicht nur unbekannt, sie wäre ein Widerspruch in sich selber gewesen. Wenn es also hieß, dass Jesus auferstanden und erschienen war, müssen die ersten Christen dies körperlich verstanden haben. Es war der Doketismus, der die Reaktion auf diesen Physikalismus war, und nicht umgekehrt. Die leibliche Auferstehung ist mithin das zeitlich und lehrmäßig Ursprüngliche, und der Doketismus entwickelte sich später, aufgrund bestimmter theologischer und philosophischer Überlegungen.

Zweitens: Wären rein „geistliche“ Erscheinungen das Ursprüngliche gewesen, ist es schwer, zu sehen, wie sich daraus körperliche Erscheinungen hätten entwickeln können. Denn (a) hätte es hier nichts Anstößiges für den Doketismus gegeben, da ja auch die Christen glaubten, dass die Erscheinungen bloß spirituell waren, und (b) wäre dann die Lehre von den körperlichen Erscheinungen apologetisch kontraproduktiv gewesen, gegenüber den Juden wie den Heiden – gegenüber den Juden, weil diese die Auferstehung eines Individuums vor dem Jüngsten Tag nicht akzeptierten, und gegenüber den Heiden, weil deren Glaube an die Unsterblichkeit der Seele mit der „Primitivität“ einer leiblichen Auferweckung nichts anfangen konnte. Die Kirche hätte hier also gut daran getan, ihre bloß geistlichen Erscheinungen beizubehalten.

Drittens: Dem Doketismus ging es vor allem um die Leugnung der Realität der Inkarnation Christi (1. Joh 4,2-3; 2. Joh 7), nicht der leiblichen Auferstehung. Die Doketisten waren nicht so sehr daran interessiert, die leibliche Auferstehung abzulehnen, als vielmehr zu leugnen, dass der Sohn Gottes am Kreuz gestorben war. Einige gingen so weit, zu behaupten, dass bei der Kreuzigung der Geist den menschlichen Jesus verließ, worauf dieser starb und leiblich auferstand (Irenäus, Gegen die Häresien, Buch 1, 26.1). Eine antidoketische Apologetik, die eine leibliche Auferstehung beweisen will, geht also an der Sache vorbei.

Viertens: Die Demonstrationen der Leiblichkeit und Kontinuität in den Evangelien wie auch die übrigen leiblichen Erscheinungen waren keine redaktionellen Hinzufügungen des Lukas oder Johannes, wie ein Vergleich von Luk 24,36-43 mit Joh 20,19-23 zeigt (es ist daher nicht korrekt, z.B. von „Lukas‘ antignostizistischer Apologetik“ zu sprechen), sondern gehörten zu den den Evangelisten vorliegenden Überlieferungen. Der Doketismus dagegen war eine spätere theologische Entwicklung, die sich erst in den Johannesbriefen spiegelt. Die Evangelienberichte über die leibliche Auferstehung Jesu liegen also eher vor dem Aufkommen der doketischen Gefahr. Tatsache ist, dass selbst die späteren Gnostiker nicht alle die leibliche Auferstehung leugneten (vgl. das Philipusevangelium, den Jakobusbrief und den Rheginusbrief). Es ist interessant, dass wir in dem später hinzugefügten Ende des Markusevangeliums nach den materiellen Beweisen für die Auferstehung auf einmal eine Rüge des Unglaubens der Jünger durch Jesus finden.

Fünftens: Die Demonstrationen der Leiblichkeit des Auferstandenen zeigen nichts von der Zielgerichtetheit einer antidoketistischen Apologetik. Bei Lukas wie Johannes heißt es nicht, dass die Jünger bzw. Thomas Jesus tatsächlich berührten, um zu sehen, dass er kein Geist war. Man vergleiche damit die Ausführungen des Ignatius, dass die Jünger Jesus tatsächlich anfassten (Ignatius, Brief an die Smyrnäer 3.2; vgl. Epistula Apostolorum 11-12). Wie Schnackenburg schreibt: Wenn die Evangelienberichte als antidoketische Apologie intendiert wären, müssten sie mehr bringen, als dass Jesus lediglich seine Wundmale zeigte[34]

Sechstens: Die eher beiläufige Darstellung der leiblichen Auferstehung in den meisten der Berichte zeigt, dass der Physikalismus in ihnen als selbstverständlich vorausgesetzt wurde und nicht ein bewusst eingesetztes apologetisches Argument war. Dass z.B. die Frauen die Füße Jesu umfassen, ist nicht ein polemisches Argument, sondern einfach eine anbetende Reaktion. Ähnlich sagt Jesus zu Maria Magdalena: „Rühre mich nicht an!“, obwohl es nicht explizit heißt, dass Maria das versucht hat; dies ist kein Versuch, eine leibliche Auferstehung zu „beweisen“. Auch die Erscheinungen auf dem Berg in Galiläa und am See Genezareth setzen einen leiblichen Jesus stillschweigend voraus; es fehlt jeder Versuch, Punkte gegen den Doketismus zu machen.

Aus diesen sechs Punkten ergibt sich sehr deutlich, dass die leiblichen Erscheinungen keine antidoketische Apologetik waren, sondern zum Urgestein der kirchlichen Überlieferung gehörten. Es gibt keine guten Gründe dafür, zu bezweifeln, dass Jesus den Jüngern tatsächlich demonstrierte, dass er leiblich auferstanden war.

Und auch dies muss gesagt werden: Dem Kopfschütteln mancher Theologen über die Sicht der Evangelien vom Auferstehungsleib zum Trotz ist es eine Tatsache, dass die Evangelisten (wie auch Paulus) einen vorsichtigen Mittelkurs zwischen krassem Materialismus und der Unsterblichkeit der Seele fahren. Einerseits ist jede in den Evangelien berichtete Erscheinung Jesu eine leibliche Erscheinung. [35] Die Einhelligkeit der Evangelien in diesem Punkt ist wirklich beeindruckend, vor allem wenn man bedenkt, dass die Erscheinungsgeschichten ja Traditionen wiedergeben, die weitgehend unabhängig voneinander waren. Sie bestätigen die Lehre des Paulus, dass es der irdische Leib ist, der auferweckt wird.

Andererseits betonen die Evangelien, dass die Auferweckung Jesu nicht die bloße Wiederbelebung eines Leichnams war. Lazarus ist irgendwann doch wieder gestorben; Jesus ist in das ewige Leben auferstanden (Mt 28,18-20; Lk 24,26; Joh 20,17). Und sein Auferstehungsleib besaß Fähigkeiten, die kein normaler menschlicher Körper besitzt. Als im Matthäusevangelium der Engel das Grab öffnet, kommt Jesus nicht heraus; er ist schon nicht mehr dort. Als im Lukasevangelium die Emmausjünger ihn beim Brotbrechen erkennen, ist er plötzlich nicht mehr da. Am gleichen Nachmittag erscheint er Petrus, meilenweit entfernt in Jerusalem. Als die Emmausjünger am Abend zu den anderen Jüngern in Jerusalem stoßen, erscheint Jesus plötzlich in ihrer Mitte. Johannes erwähnt ausdrücklich, dass die Türen verschlossen waren, aber plötzlich steht Jesus da. Eine Woche später tut er das Gleiche. Viele Bibelausleger machen hier den Fehler, zu behaupten, dass Jesus durch die verschlossene Tür kam, doch dies steht weder bei Johannes noch bei Lukas; Jesus ist schlicht auf einmal da. Man vergleiche damit die heidnischen Mythen, in denen Götter wie ein Nebel durch das Schlüsselloch in einen Raum eindringen (Homer, Odyssee 6,19-20; Homerische Hymnen 3,45)! Nach dem Zeugnis der Evangelien hatte Jesus in seinem Auferstehungsleib die Fähigkeit, nach Gutdünken zu erscheinen und zu verschwinden, ohne jede räumliche Schranke und Begrenzung.

Viele Ausleger sind über Lukas‘ „Denn ein Geist hat nicht Fleisch und Knochen, wie ihr seht, dass ich sie habe“ gestolpert und haben darin einen direkten Widerspruch zu Paulus gesehen. Nun, Paulus redet nicht von „Fleisch und Knochen“, sondern von „Fleisch und Blut“. Ist dieser Unterschied signifikant? Und ob! „Fleisch und Blut“ ist, wie wir sahen, ein semitischer Ausdruck für die sterbliche menschliche Natur und hat nichts mit Anatomie zu tun. Paulus stimmt bezüglich der Physikalität des Auferstehungsleibes mit Lukas überein. Aber auch „Fleisch und Knochen“ ist nicht als anatomische Beschreibung gemeint. Der Ausdruck kommt von der jüdischen Vorstellung, dass es die Knochen sind, die erhalten bleiben und auferweckt werden (Gen R 28,3; Lev R 18,1; Koh R 12,5), und meint die physische Realität der Auferstehung Jesu. W. Michaelis schreibt:

Wenn nach Lukas ein Geist weder Fleisch noch Knochen hat, der Auferstandene aber kein Geist ist, so besagt das nicht, dass der Auferstandene, mit der paulinischen Terminologie zu reden, kein „pneumatisches (verklärtes, himmlisches) Soma“, sondern ein „psychisches (natürliches, irdisches) Soma“ habe. Mit Fleisch und Knochen in der lukanischen Aussage ist vielmehr (wie zugegeben werden muss, in einem kräftigen Ausdruck, den Paulus aber nicht unbedingt als „lästerlich“ empfunden haben müsste) das ausgedrückt, was Paulus mit dem Begriff „Soma“ (Leib, Leiblichkeit) ausdrückt. Durch den Hinweis auf Fleisch und Knochen soll nicht der pneumatische Charakter dieses Soma bestritten, sondern die Realität des Somatischen bezeugt werden. Auch Lukas steht, wie sich zudem aus der Gesamtheit der bei ihm sich findenden Hinweise ergibt (vgl. 24,13ff; Apg. 1,3), unter der Voraussetzung, dass es sich bei den Erscheinungen nur um Begegnungen mit dem Auferstandenen in seiner verklärten Leiblichkeit handeln kann. [36]

Der Sinn von Jesu Satz besteht darin, den Jüngern zu versichern, dass dies eine wirkliche Auferstehung ist, in dem echten, jüdischen Sinne dieses Wortes, und nicht eine bloße Erscheinung eines körperlosen pneuma. Obwohl der Satz die Körperlichkeit betont, redet er nicht in erster Linie von den Bestandteilen des Leibes. Weder Paulus noch Lukas machen hier eine anatomische Aussage, und beide sind sich einig, dass der Auferstehungsleib Jesu beides ist: physisch und übernatürlich.

Fassen wir zusammen: Wir haben gesehen, dass der Versuch der Kritiker, einen Keil zwischen Paulus und die Evangelien zu treiben, nicht gelingt. Weder das Argument mit der Erscheinung Jesu vor Paulus noch die Argumentation mit der Lehre des Paulus von der Auferstehung des Leibes können Paulus und die Evangelienberichte trennen. Ganz im Gegenteil: Wir haben gesehen, dass das, was Paulus sagt, die Evangelienberichte über die leibliche Auferstehung Jesu bestätigt und dass deren Physikalismus sehr wahrscheinlich historisch wohlbegründet ist, d.h. Jesus ist tatsächlich leiblich von den Toten auferstanden und seinen Jüngern leiblich erschienen. Und schließlich haben wir gesehen, dass die Evangelien, wie Paulus, eine ausgewogene Sicht des Wesens des Auferstehungsleibes Jesu bieten. Einerseits hat Jesus definitiv einen Körper; er ist keine körperlose Seele. Für die Evangelien wie für Paulus ist die Inkarnation Jesu etwas, das andauert, also nicht auf die ca. 30 Jahre seines Lebens auf der Erde beschränkt ist. Doch andererseits ist der Leib Jesu ein übernatürlicher Leib. Wir dürfen nie vergessen, dass für die Evangelien wie für Paulus Jesus verherrlicht aus dem Grab auferstanden ist. Die Evangelien und Paulus stimmen weiter überein, dass die Erscheinungen Jesu schließlich aufhörten und dass er physisch das Universum auf unbestimmte Zeit verlassen hat. Während dieser körperlichen Abwesenheit ist er durch den Heiligen Geist, der ihn vertritt, gegenwärtig, und eines Tages wird er persönlich wiederkommen, um die Menschheit zu richten und seine Herrschaft über die ganze Schöpfung aufzurichten.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/scholarly-writings/historical-jesus/the-bodily-resurrection-of-jesus/

  • [1]

    Die Recherchen für diesen Artikel wurden durch ein großzügiges Stipendium der Alexander von Humboldt-Stiftung möglich gemacht und fanden an den Universitäten München und Cambridge statt. Der volle Ertrag dieser Forschungsarbeiten findet sich in den zwei demnächst erscheinenden Bänden The Historical Argument for the Resurrection of Jesus: Its Rise, Decline, and Contribution und The Historicity of the Resurrection of Jesus. – Anm. d. Übers.: Die Bibelzitate in der Übersetzung folgen, wo nicht anders angegeben, der Lutherübersetzung 2017.

  • [2]

    Hans Grass, Ostergeschehen und Osterberichte (4. Aufl., Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1970).

  • [3]

    John E. Alsup, The Post-Resurrection Appearance Stories of the Gospel-Tradition (Stuttgart: Calwer Verlag, 1975), S. 32.

  • [4]

    Ebd., S. 34.

  • [5]

    Ebd., S. 54.

  • [6]

    Robin Scroggs, The Last Adam (Oxford: Basil Blackwell, 1966), S. 92f.

  • [7]

    Grass, Ostergeschehen, S. 222.

  • [8]

    Ebd., S. 219f.

  • [9]

    Siehe ebd., S. 189-207.

  • [10]

    Ebd., S. 229-232.

  • [11]

    Die beste Arbeit über diesen Begriff, der ich hier folge, ist: Robert H. Gundry, Soma in Biblical Theology (Cambridge: Cambridge University Press, 1976).

  • [12]

    C. Rolsten, Zum Evangelium des Paulus und des Petrus (Rostock: Stiller, 1868); Hermann Lüdemann, Die Anthropologie des Apostels Paulus und ihre Stellung innerhalb seiner Heilslehre (Kiel: Universitätsverlag, 1872); interessanterweise auch Hans Conzelmann, Der erste Brief en die Korinther (KEKNT 5; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1969), S. 335.

  • [13]

    Siehe die aus sechs Punkten bestehende Widerlegung in Gundry, Soma, S. 161f.

  • [14]

    Siehe ebd., S. 122 u. 141. Die meisten von Gundrys Texten stützen nicht den Dualismus, sondern lediglich den Aspektivalismus , aber wenn er Texte hinzuzieht, in denen es eindeutig um die Trennung von Seele bzw. Geist und Körper im Tod geht, ist seine Argumentation für den Dualismus stark und überzeugend.

  • [15]

    Gundry, Soma, S. 50.

  • [16]

    Robert Jewett, Paul's Anthropological Terms (AGAJY 10; Leiden: E.J. Brill, 1971), S. 211.

  • [17]

    Gundry, Soma, S. 167.

  • [18]

    Ebd., S. 80.

  • [19]

    Was Paulus hier schreibt, ist im Wesentlichen die jüdische Lehre von den verherrlichten Leibern; vgl. Johannes Weiss, Der erste Korintherbrief (9. Aufl, KEKNT 5; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 1910), S. 345; W. D. Davies, Paul and Rabbinic Judaism (2d ed; London: SPCK, 1965), S. 305-8; Ulrich Wilckens, Auferstehung (Stuttgart und Berlin: Kreuz Verlag, 1970), S. 128-31; Joseph L. Smith, „Resurrection Faith Today,“ TS 30 1969), S. 406.

  • [20]

    Zu den verschiedenen Arten von Fleisch vgl. auch Mischna, Traktat Hullin 8.1, wo der Autor erklärt, dass man Fleisch nicht in Milch kochen darf, es sei denn, es handelt sich um das Fleisch von Fischen oder Heuschrecken. Geflügel darf zusammen mit Käse aufgetragen, aber nicht zusammen gegessen werden. Siehe auch Davies, Paul, S. 306.

  • [21]

    Vgl. 2. Bar 51,1-10, wo die Herrlichkeit der Gerechten ein Glänzen im wörtlichen Sinne wie bei den Sternen zu sein scheint. Für Paulus scheint die Herrlichkeit der Gerechten Majestät, Ehre, Erhöhung etc. zu bedeuten und nicht so sehr ein physisches Strahlen, das ein bloßer Vergleich ist. Siehe Joseph Coppens, „La glorification céleste du Christ dans la théologie neotestamentaire et l'attente de Jésus”, in: Édouard Dhanis (ed.), Resurrexit (Rom: Editrice Libreria Vaticana, 1974), S. 37-40.

  • [22]

    R. Clavier, “Breves remarques sur la notion de soma pneumatikon”, in: W. D. Davies und D. Daube (eds.), The Background of the New Testament and Its Eschatology (Cambridge: Cambridge University Press, 1956), S. 361. Trotz des philologischen Befundes vertritt Clavier eine Substanz-Deutung des geistlichen Leibes, aus zwei Gründen: (1) sei in der Same/Pflanze-Analogie die Pflanze numerisch nicht identisch mit dem Samen, und (2) 1. Kor 15,50. Der erste Grund erstaunt, denn die Pflanze ist numerisch sehr wohl identisch mit dem Samen; führt man die Analogie so weit, spricht sie für die Kontinuität des Auferstehungsleibes mit dem irdischen Leib. V. 50 hat Clavier leider missverstanden, wie aus seiner Bemerkung erhellt, dass Paulus neben dem Fleisch und Blut auch noch die Gebeine hätte erwähnen sollen. [Zitat aus dem Französischen übersetzt – Anm. d. Übers.]

  • [23]

    Jean Héring, La première épître de saint Paul aux Corinthiens (2d ed., CNT 7; Neuchatel, Schweiz: Delachaux et Niestlé, 1959), S. 147 [Zitat aus dem Französischen übersetzt – Anm. d. Übers.].

  • [24]

    Andere Version: Der erste Adam ist aus dem Staub der Erde gemacht, der zweite Adam ist vom Himmel. Das Erste meint die Zusammensetzung, das Zweite den Ursprung. Siehe auch: Kleinknecht et.al., TWNT, s.v. pneuma.

  • [25]

    Joachim Jeremias, “’Flesh and Blood Cannot Inherit the Kingdom of God’ (I Cor. XV. 50)”, NTS 2 (1955-56), S. 151-159.

  • [26]

    Karl Bornhäuser, Die Gebeine der Toten (BFCT 26; Gütersloh: C. Bertelsmann, 1921), S. 37.

  • [27]

    Der Ausdruck findet sich in Mt 16,17; Gal 1,16; Eph 6,12; Hebr 2,14. Siehe auch Sir 14,18 und die Belegstellen in: Hermann L. Strack und Paul Billerbeck (Hg.), Kommentar zum Neuen Testament aus Talmud und Midrasch (5. Aufl, 6 Bde., München: C. H. Beck, 1969), Bd. 1: 730-731.753. Das semitische Wortpaar sarx kai aima ist erstmals belegt in Jesus Sirach 14,18 und 17,31 und erscheint häufig in rabbinischen Texten (vor allem in rabbinischen Gleichnissen) als .

  • [28]

    Nach Baruch werden die alten Leiber zum Zwecke der Wiedererkennung auferweckt, damit die Lebenden wissen, dass die Toten auferweckt worden sind. Doch für Paulus gehen die Gläubigen, wie schon Christus selber, verherrlicht aus dem Grab hinaus.

  • [29]

    Bertolt Klappert, „Einleitung zur Diskussion um Kreuz und Auferstehung“, in: ders. (hg.), Diskussion um Kreuz und Auferstehung. Zur gegenwärtigen Auseinandersetzung in Theologie und Gemeinde (Wuppertal: Aussaat Verlag, 1967), S. 15.

  • [30]

    Siehe Bornhäuser, Gebeine; C. F. Evans, Resurrection in the New Testament (SBT 2/12; London: SCM, 1970), S. 108; Walther Grundmann, Das Evangelium nach Lukas (8. Aufl., THKNT 3; Berlin: Evangelische Verlagsanstalt, 1978), S. 451.

  • [31]

    Grass, Ostergeschehen, S. 154.

  • [32]

    Eng.: “unextended” [Anm. d. Übers.]

  • [33]

    Gerald O'Collins, The Easter Jesus (London: Darton, Longman & Todd, 1973), S. 94.

  • [34]

    Rudolf Schnackenburg, Das Johannesevangelium: Dritter Teil (HTKNT; Freiburg: Herder, 1976), S. 383. Er argumentiert, dass dies sowohl für die Erscheinungen vor den Zwölf als für die vor Thomas gilt.

  • [35]

    Der Versuch mancher Kritiker, die Erscheinung Jesu auf dem Berg in Galiläa als himmlische Vision ähnlich wie bei Paulus zu deuten, scheint mir ins Leere zu gehen. Matthäus hat die Erscheinung Jesu eindeutig als physisch betrachtet, wie aus der Erscheinung vor den Frauen (Mt 28,9-10) sowie aus dem Missionsbefehl an die Jünger erhellt. Auch in der Erscheinung selber gibt es Anzeichen der Leiblichkeit. Dass die Jünger vor Jesus niederfallen, erinnert an die Reaktion der Frauen in V. 9 und will nicht recht zu einer bloßen himmlischen Vision passen. Und das Jesus darauf zu den Jüngern tritt (proselqwn), scheint ein entscheidender Hinweis auf eine körperliche Erscheinung zu sein.

  • [36]

    Wilhelm Michaelis, Die Erscheinungen des Auferstandenen (Basel: Heinrich Majer, 1944), S. 96.