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Dale Allison über das leere Grab Jesu, die Erscheinungen des Auferstandenen und den Glauben der Jünger an die Auferstehung

Summary

Ich beschränke mich im Folgenden im Wesentlichen auf eine Untersuchung von Allisons Behandlung der meiner Meinung nach für die Annahme der Historizität der Auferstehung Jesu drei zentralen Fakten: der Entdeckung seines leeren Grabes, der Erscheinungen des Auferstandenen und des Ursprungs des Jüngerglaubens, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte. Es geht mir hier nicht darum, welche Hypothese diese drei Tatsachen am besten erklärt, sondern um die Historizität der Ereignisse an sich. Ich argumentiere, dass Allisons Behandlung der Faktenlage (besonders was das leere Grab betrifft) unausgewogen und übermäßig skeptisch ist und seine Argumente gegen das leere Grab erstaunlich schwach sind. Ich schließe mit einigen allgemeinen Anmerkungen, warum weltanschauliche Überlegungen nicht unbedingt dazu führen müssen, dass man die Beurteilung der besten Erklärung dieser drei Fakten in der Schwebe lässt.

„Dale Allison on Jesus‘ Empty Tomb, His Postmortem Appearances, and the Origin of the Disciples’ Belief in His Resurrection”, in: Philosophia Christi 10 (2008), S. 293–301.)

Dale Allisons Monographie “Resurrecting Jesus” [1]  ist eine der beeindruckendsten Arbeiten, die ich zu diesem intensiv beackerten Thema gelesen habe. Die Ehrlichkeit, mit der der Autor seine Neigung, an die leibliche Auferstehung Jesu zu glauben, wie auch seine philosophischen Bedenken dagegen darstellt, seine präzise Argumentation, vor allem aber seine brillante Gelehrsamkeit sind lobenswert. Es ist ein Erlebnis, einem versierten Neutestamentler über die Schultern zu schauen und zu sehen, wie souverän er die einschlägige Literatur zu dem Thema beherrscht, und dieser Eindruck steigert sich noch, wenn er anfängt, auch philosophische Literatur über Probleme der persönlichen Identität und materiellen Konstitution sowie psychologische und parapsychologische Werke über Visionen Verstorbener, Massenhalluzinationen usw. hinzuzuziehen.

Allison hat mich wie kein anderer dazu gezwungen, die Faktenlage bezüglich der Auferstehung Jesu neu zu durchdenken. Ich habe noch nie ein überzeugenderes Plädoyer für eine skeptische Einstellung zur Historizität der Auferstehung Jesu gesehen. Allison ist viel überzeugender als Crossan, Lüdemann, Goulder und all die anderen, die die Historizität der Auferstehung Jesu rundweg verneinen. Dass Allison trotz seiner skeptischen Argumente zum Schluss trotzdem die Grablegung Jesu, das leere Grab und die Erscheinungen des Auferstandenen sowie das Entstehen des Auferstehungsglaubens der Jünger als Fakten bejaht und die Auferstehungshypothese als Erklärung der Fakten für gerade so plausibel hält wie die alternativen Hypothesen, je nachdem, von welchem Weltbild man ausgeht, zeigt, dass die Argumentation für die Historizität der Auferstehung Jesu auf starken Füßen steht.

Ich beschränke mich im Folgenden im Wesentlichen auf eine Untersuchung von Allisons Behandlung der meiner Meinung nach für die Annahme der Historizität der Auferstehung Jesu drei zentralen Fakten: der Entdeckung seines leeren Grabes, der Erscheinungen des Auferstandenen und des Ursprungs des Glaubens der Jünger, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte. Nicht ansprechen werde ich die Frage, welche Hypothese diese drei Fakten am besten erklärt; mir geht es nur um die Historizität der Fakten selber.

Das leere Grab

Fangen wir mit dem leeren Grab an. Hier ist zunächst einmal bemerkenswert, dass Allison entschieden für die Historizität der Grablegung Jesu durch Josef von Arimathäa plädiert (Excursus 2, S. 352-363). Eine der (Allison selber offenbar nicht bewussten) Ungereimtheiten in seiner Untersuchung der Berichte über das Begräbnis und das leere Grab besteht darin, dass praktisch die gleichen Kriterien, die ihn bei der Grablegung durch Josef zu dem uneingeschränkten Prädikat „höchstwahrscheinlich historisch“ führen (z.B. mehrfache Bezeugung, keine legendenhaften Ausschmückungen, Details, die die Jünger nicht im besten Licht dastehen lassen, Verwendung von Eigennamen, allgemeine Bekanntheit der Grablegung und des Grabes) , auch für die Historizität des leeren Grabes sprechen, das er jedoch nur „mit großem Zögern“ für „historisch wahrscheinlich“ hält (S. 332 und 362).

Dies ist ein eindeutiger Fall von Messen mit zweierlei Maß, das Allisons Abneigung gegenüber einer materiellen Kontinuität zwischen dem irdischen und dem Auferstehungsleib entspringen dürfte. Er schreibt: „Ich glaube – ob nun zu Recht oder nicht – an eine nachtodliche Existenz, die frei ist von den Zwängen der materiellen Körperlichkeit, wie wir sie bisher gekannt haben. … Ich glaube nicht, dass unser Leben in der zukünftigen Welt auf irgendeine Weise davon abhängt, dass wir unser gegenwärtiges Fleisch und unsere Knochen zurückbekommen; und wenn das bei uns so ist, warum sollte es bei Jesus anders gewesen sein?“ (S. 225; 344). Im Folgenden versucht Allison, diese Neigung zum Platonismus zu untermauern, indem er philosophische Probleme bezüglich der Identitätsfrage anführt. Doch diese Probleme zeigen höchstens, dass die Auferstehungskörper Verstorbener, deren irdische Leiber restlos vernichtet worden waren, Duplikate dieser Leiber sind und nicht diese Leiber selber. Dergleichen Probleme sind für den Fall Jesu von Nazareth irrelevant. Allison behauptet weiter, dass Jesus dann „die große Ausnahme, eine Anomalie, eine Abweichung“ darstellen würde (S. 225). Ich halte diese Behauptung für fragwürdig, [2] aber lassen wir dies; das Wichtigere ist, dass solche lehrmäßigen Probleme schlicht nicht von Bedeutung sind für die durch den Historiker vorgenommene Prüfung der Indizien für die Historizität der Entdeckung des leeren Grabes Jesu durch die Frauen. Allisons zweierlei Maß bei der Untersuchung der Grablegung und des leeren Grabes verrät eine theologische Voreingenommenheit.

Bei seiner Diskussion des leeren Grabes untersucht Allison sieben Argumente für die Faktizität des leeren Grabes, in der Reihenfolge von „weniger stark“ bis „stärker“. Bevor ich darauf eingehe, möchte ich auf eine allgemeine Schwäche in Allisons Behandlung der Argumente hinweisen. Er scheint jedes der sieben Argumente so zu sehen, als ob es für sich allein genommen die volle „Beweislast“ für das leere Grab tragen muss, anstatt nur ein Glied in einer Argumentationskette zu sein. Wenn ein Argument das leere Grab nicht eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich macht, verwirft er es. Ich halte dieses Vorgehen für voreilig. Selbst wenn ein Argument das leere Grab, sagen wir, nur zu 10 % wahrscheinlich macht, muss das nicht bedeuten, dass es wertlos ist, denn Wahrscheinlichkeiten sind kumulativ. Ein Ereignis kann, bezogen auf ein Ensemble von Indizien, durchaus wahrscheinlich sein, auch wenn es in Bezug auf ein Einzelindiz unwahrscheinlich ist. In Gerichtsprozessen baut die Anklagevertretung ihr Plädoyer nicht selten auf einer Akkumulation von je für sich unzureichenden, aber in der Gesamtschau überzeugenden Indizien auf. Man denke etwa an den Indizienbeweis, der 2004 in den USA zu der Verurteilung von Scott Peterson für den Mord an seiner Frau Lacey und ihrem ungeborenen Kind führte. Das leere Grab Jesu kann in Bezug auf alle sieben Argumente zusammen genommen durchaus eine Wahrscheinlichkeit von mehr als 0,5 haben, selbst wenn keines der Argumente für sich allein dafür ausreicht, es eher wahrscheinlich als unwahrscheinlich zu machen.

Aber jetzt schauen wir uns die sieben von Allison untersuchten Argumente der Reihe nach an.

1. Die älteste antichristliche jüdische Polemik setzt das leere Grab voraus. Es ist argumentiert worden, dass die Behauptung der Juden, die Jünger Jesu hätten seinen Leichnam gestohlen, voraussetzt, dass der Leichnam nicht mehr in dem Grab war (Matthäus 28,11-15). Allison bezweifelt dieses Argument, weil nicht sicher sei, wie alt die jüdische Polemik ist. Er bemerkt: „Manche Ausleger haben zwar vermutet, dass die Verse ‚den Stempel einer ziemlich langwierigen Kontroverse tragen‘“, aber kommentiert: „Warum dies so sein soll, erschließt sich mir nicht“ (S. 312). Hier scheint mir Allison das sich entwickelnde Muster von Behauptung und Gegenbehauptung in der Überlieferungsgeschichte zu übersehen, das logischerweise der Geschichte von der Grabwache bei Matthäus zugrunde gelegen haben dürfte:

Judenchrist: „Der Herr ist auferstanden!“

Jude: „Nein, seine Jünger haben seinen Leichnam gestohlen.“

Judenchrist: „Unmöglich! Das hätte die Grabwache verhindert.“

Jude: „Die sind eingeschlafen.“

Judenchrist: „Das behaupten die nur, weil die Hohenpriester sie entsprechend bestochen haben.“

Auf die Verkündigung der Christen, dass Jesus auferstanden war, reagierten die nichtchristlichen Juden zunächst einmal mit der Behauptung, die Jünger hätten den Leichnam gestohlen. Die Sache mit der Wache kann nur eine Behauptung der Christen gewesen sein. Dabei hatten diese es zunächst nicht nötig, eine Bestechung der Wache zu behaupten; es reichte die Behauptung, dass das Grab bewacht gewesen war. Die Bestechung kommt erst in der Antwort auf die zweite Stufe der jüdischen Polemik – die Behauptung, die Wache sei eingeschlafen. Diese Behauptung kann wiederum nur ein Teil der jüdischen Argumentation gewesen sein, da sie für die christliche Polemik nichts bringt. Erst in der Endphase der Kontroverse (zu der Zeit, wo Matthäus sein Evangelium schrieb) lautet die Antwort der Christen, die Wache sei bestochen worden. Alles in allem zeigt diese Geschichte meines Erachtens also durchaus Spuren einer länger andauernden Kontroverse. Dazu ist sie voll von für Matthäus nicht typischen Ausdrücken, was auf die Verarbeitung einer älteren Tradition hindeutet. [3] Ich sehe keinen Grund für die Annahme, dass sie nicht die Kontroverse widerspiegelt, die sich schon bald nach Beginn der Auferstehungsverkündigung in Jerusalem zwischen Judenchristen und Christen entspann. Angesichts des frühen Datums der vor dem Markusevangelium existierenden Passionsgeschichte muss man sich nicht mit Allison streiten über seine Annahme, dass die Kontroverse sich zwischen Markus und Matthäus entspann, solange wir unter „Markus“ die Tradition verstehen, auf die Markus sich bezieht.

2. Das Grab Jesu wurde nicht verehrt. Bedenkt man die außerordentlich große Aufmerksamkeit, die die Gräber heiliger Männer sonst genießen, muss es erstaunen, dass das Grab Jesu nicht alsbald zu einem Wallfahrtsort wurde. Dies lässt sich am besten damit erklären, dass der Leichnam Jesu nicht mehr in dem Grab war. Allison verwirft diese Argumentation mit der Begründung, dass die Stätte des Grabes später doch zu einem Wallfahrtsort wurde; möglicherweise liegt sie tatsächlich in der Grabeskirche in Jerusalem (S. 313). Doch damit scheint er mir an der Sache vorbeizugehen, und die besteht darin, dass es keinen bekannten Ort gab, wo die sterblichen Überreste Jesu lagen und wo man sie hätte aufbewahren und verehren können; dies ist historisch unzweifelhaft und lässt sich am besten damit erklären, dass der Leichnam Jesu nicht mehr in dem Grab lag. Allison macht sich über dieses Argument lustig durch den Hinweis, dass Gerd Lüdemann es auf den Kopf stellt und sagt:

1. Wenn die Grabstätte bekannt gewesen wäre, hätte man sie verehrt.

2. Sie wurde aber nicht verehrt.

3. Folglich war nicht bekannt, wo das Grab war.

Doch Lüdemanns Logik ist einwandfrei. Das Problem liegt darin, dass Allison, anders als Lüdemann, nicht glaubt, dass die Grabstätte unbekannt war. Da das Grab nicht verehrt wurde, ist Lüdemanns erste Prämisse falsch. Es stimmt nicht, dass dann, wenn die Lage des Grabes bekannt gewesen wäre, es verehrt geworden wäre, sondern die korrekte Prämisse lautet:

1‘. Wenn die Grabstätte bekannt gewesen wäre und der Leichnam Jesu noch in ihr gelegen hätte, hätte man sie verehrt.

Allison versucht, diese Prämisse anzugreifen durch die Behauptung, dass die Grabstätte möglicherweise deswegen nicht verehrt wurde, weil sie ein unreiner Ort war, wo Verbrecher verscharrt waren. Doch dies widerspricht seiner späteren Behauptung, dass dann, wenn die Christen imstande waren, so etwas Schändliches wie das Kreuz zu verehren, sie leicht auch mit einem Massengrab für Verbrecher zurande gekommen wären (S. 354), d.h. die Gebeine Jesu machten die Grabstätte heilig. (Dies ist nur eine der vielen Ungereimtheiten in Allisons Umgang mit den Fakten; oft scheint er den Advocatus Diaboli zu spielen, indem er Argumente bringt, die zu dem, was er selber an anderer Stelle sagt, in Widerspruch stehen.) Auf jeden Fall habe ich den Eindruck, dass Allison das Argument, dass das Grab Jesu nicht verehrt wurde, zu sehr auf die leichte Schulter nimmt und dass es in der Gesamtargumentation für das leere Grab eine wichtige Rolle spielt.

3. Die von Paulus in 1. Korinther 15,3-5 zitierte Bekenntnisformel setzt das leere Grab voraus. Allison findet, dass diese Formel zwar zeigt, dass Paulus möglicherweise aus theologischen Gründen an das leere Grab glaubte, aber dass nicht ausgeschlossen ist, dass er diesen Glauben hatte, „ohne eine Tradition über die Entdeckung“ des leeren Grabes zu kennen (S. 316). Dieser Einwand ist schwach, denn ein Vergleich der vierteiligen Formel mit den Berichten in den Evangelien und den Predigten in der Apostelgeschichte zeigt, dass der zweite und dritte Teil der Formel Zusammenfassungen der Geschichten über das Begräbnis Jesu und das leere Grab sind: [4]

Diese erstaunliche Übereinstimmung voneinander unabhängiger Überlieferungen ist der schlagende Beweis dafür, dass die vierteilige Bekenntnisformel – die, wie aus der grammatisch unnötigen Wiederholung des „und dass“ (griech. kai hoti) am Beginn jedes der Teile erhellt, vier unterschiedliche Ereignisse aufzählt – eine Zusammenfassung der wesentlichen Ereignisse der Passion und Auferstehung Jesu ist, einschließlich der Entdeckung des leeren Grabes. Kurioserweise erkennt Allison selber an, dass „1. Kor 15,3-8 eine Zusammenfassung überlieferter Geschichten sein [muss], die an anderer Stelle ausführlicher erzählt wurden“ (S. 235; vgl. seine Fußnote 133). Dies ist ein weiteres Beispiel für die zahlreichen inneren Spannungen und Ungereimtheiten bei Allison.

4. Wäre das Grab nicht leer gewesen, hätten die Jünger die Auferstehung nicht in Jerusalem predigen können. Hier versucht Allisons Skepsis sozusagen mit dem Kopf durch die Wand zu gehen. Er schreibt, dass die Jünger möglicherweise so felsenfest von der Auferstehung Jesu überzeugt waren, dass „sie es nie für nötig hielten, das Grab zu besuchen“ (S. 318). Diese Annahme ist nicht weniger als fantastisch (sollten sie wirklich nie das Grab besucht haben, und wenn auch nur, um zu sehen, wo ihr Herr gelegen hatte?) und steht im Widerspruch zu Allisons Argument, dass die Christenheit die Erinnerung an die Grabstätte wachhielt (S. 236, Fußnote 143). Genauso fantastisch ist Allisons Vermutung, dass die Stadtoberen von Jerusalem es nicht für nötig hielten, das Grab zu inspizieren, „weil sie die Sache nicht weiter ernst nahmen oder sie als Kleinigkeit betrachteten, die etwas lästig war, aber bald wieder vergessen wäre“ (S. 319). Nahmen sie die Sache wirklich nicht ernst, wenn sie extra Saulus von Tarsus auf die junge Jesusbewegung ansetzten?

5. Die Geschichte von dem leeren Grab zeigt keine theologischen oder legendären Ausschmückungen. Hier stimmt Allison zu; dieser Punkt ist auch einer der Gründe dafür, dass er die Historizität der Begräbnisgeschichte akzeptiert.

6. Die Visionen des Auferstanden alleine reichen nicht aus, um den Glauben der Jünger an die Auferstehung Jesu zu erklären. Allison tut sich sehr schwer mit Visionen kürzlich Verstorbener durch die Hinterbliebenen, gibt aber zum Schluss zu: „Wenn es keinen Grund für die Annahme gegeben hätte, dass sein kompletter Körper wieder lebendig geworden war, hätte niemand geglaubt, dass er wider alle Erwartung von den Toten auferstanden war. Visionen von oder Begegnungen mit einem nachtodlichen Jesus hätten für sich allein genommen sicher keinen hinreichenden Grund für diese Annahme geliefert“ (S. 324f.). Folglich war das Grab wahrscheinlich tatsächlich leer.

7. Es waren Frauen, die entdeckten, dass das Grab leer war. Wohl nichts anderes hat die Gelehrten so sehr von der Historizität des leeren Grabes überzeugt wie die Rolle der weiblichen Zeugen, und Allison ist keine Ausnahme. Er kommt zu dem Ergebnis, dass es „ordentliche Argumente“ für das leere Grab gibt (S. 331). Wir haben gesehen, dass dies eine Untertreibung ist. Die Indizienlage für das leere Grab ist gerade so stark, wenn nicht noch stärker, wie die für das Begräbnis Jesu.

Doch Allison glaubt, dass es auch „ordentliche Argumente“ gegen das leere Grab gibt (S. 331). Ich halte dies für eine kühne Behauptung. Die Argumente sind ganze zwei: erstens „die Fähigkeit der ersten Christen, Geschichten zu erfinden“ und zweitens „die Existenz zahlreicher Legenden über verschwundene Leichname“ (S. 332). Doch diese beiden Argumente zeigen allerhöchstens, dass es möglich ist, dass die Geschichte über das leere Grab bloß eine Legende ist. Die gleiche Möglichkeit besteht für die Berichte über die Kreuzigung und die Grablegung. Doch dies ist eine Möglichkeit, wie man sie aufgrund seines Hintergrundwissens vor der Untersuchung der Faktenlage in Betracht zieht. Die beiden Argumente zeigen mitnichten, dass wir, nachdem wir die Indizien untersucht haben, zu dem Ergebnis kommen müssten, dass die Geschichte von dem leeren Grab tatsächlich erfunden bzw. eine Legende ist. Ich finde es schockierend, dass Allison imstande ist, solche auf unserem Hintergrundwissen basierenden bloßen Möglichkeiten als ernsthafte Argumente gegen die Tatsache des leeren Grabes zu behandeln.

Kurz: Allisons Untersuchung führt objektiv zu dem Ergebnis, dass das leere Grab historisch äußerst glaubwürdig ist.

Die Erscheinungen des Auferstandenen

Kommen wir nun zu den Erscheinungen Jesu nach seiner Auferstehung. Allison spricht sich für die Historizität der Erscheinungen des Auferstandenen vor Petrus, den übrigen Jüngern, Maria Magdalena und anderen aus. Ich habe hier lediglich zu einigen Details kritische Anmerkungen. So versucht Allison, alle Erscheinungen in Galiläa stattfinden zu lassen (S. 257), trotz mehrerer voneinander unabhängiger biblischer Bezeugungen von Erscheinungen in Jerusalem. Dass das Markusevangelium nur eine Erscheinung in Galiläa ankündigt (und vielleicht nur diese erzählte, falls das ursprüngliche Ende des Evangeliums verlorengegangen ist), bedeutet mitnichten, dass es nicht vorher Erscheinungen in Jerusalem gab. Aus Markus 16,7 erhellt, dass es in der Erzählwelt des Markus nur eine Erscheinung in Galiläa gibt, so wie in der Erzählwelt des Lukas nur Erscheinungen in Jerusalem vorkommen. Die historische Frage ist damit nicht entschieden. Weder Matthäus noch Lukas gingen davon aus, dass die bei Markus angekündigte Erscheinung in Galiläa gegen vorherige Erscheinungen in Jerusalem sprach; warum sollten wir es dann anders halten? Und anders als von Allison behauptet (S. 258), bedeutet das Fischen der Jünger in Johannes 21 nicht, dass sie in ihr altes Leben zurückgekehrt waren, denn weder Thomas noch Nathanael waren Fischer. Johannes 21 schließt damit keine früheren Erscheinungen vor den Jüngern aus, wie sie der Jünger, den Jesus liebhatte, auch bezeugt. Was das apokryphe Petrusevangelium 12–14 betrifft, so bietet es als auf den vier kanonischen Evangelien basierende Kompilation keine unabhängige Grundlage für die Annahme, dass es vor der Rückkehr der Jünger nach Galiläa keine Erscheinungen in Jerusalem gegeben hatte.

Aber lassen wir das alles. Worauf es ankommt, ist, dass Allison sich dem allgemeinen Konsens der Gelehrten bezüglich der Historizität der Erscheinungen des auferstandenen Jesus vor verschiedenen Einzelpersonen und Gruppen anschließt.

Der Ursprung des Glaubens der Jünger an die Auferstehung Jesu

Als Drittes haben wir es mit der Tatsache zu tun, dass die Jünger plötzlich zu der ehrlichen Überzeugung kamen, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hatte. Allison widmet dieser Tatsache keinen eigenen Abschnitt, aber sie steht in seiner Untersuchung ständig im Hintergrund. So kommt er bei seiner Diskussion der drei Tage zu dem Schluss, dass wir mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgehen können, dass „die Christen der Formulierung mit den drei Tagen folgen konnten, weil sie glaubten, dass zwischen der Kreuzigung Jesu und Gottes Ja zu ihm sehr wenig Zeit vergangen war. Wir haben also einigen Grund zu der Annahme, dass die Evangelien richtig liegen, wenn sie die Entstehung des Osterglaubens sehr früh ansetzen, binnen nur einer Woche nach der Kreuzigung“ (S. 232). Allison spricht sich auch gegen die Theorie aus, dass die ersten Jünger von Jesu Bestätigung durch Gott sprachen, ohne dabei den Begriff der eschatologischen Auferstehung zu benutzen: „Die Verkündigung seiner eschatologischen Auferstehung muss auf Personen zurückgehen, die Jesus selber kannten und zu der allerersten Gemeinde in Jerusalem gehörten“ (S. 244, Fußnote 180).

Allison erkennt also die drei Grundtatsachen an, die, wie ich an anderer Stelle dargelegt habe, am besten mit der Hypothese erklärt werden, dass Gott Jesus von den Toten auferweckte.

Die Fakten und das Weltbild

Und doch stimmt Allison nicht dem Fazit zu, dass „die beste historische Erklärung … die ist, dass Jesus in der Tat leiblich von den Toten auferweckt wurde“ (S. 345). [5] Sein Hauptproblem ist hier, dass noch so viel für die Realität der Auferstehung sprechen kann – das Weltbild des Forschers, das dieser zu seiner Untersuchung mitbringt, ist auch noch da. Für den 180-prozentigen Naturalisten ist selbst die Entführung Jesu durch Marsmenschen eine bessere Erklärung des leeren Grabes als die Auferstehungshypothese. Allison wörtlich: „Wahrscheinlich ist das, was jemand für wahrscheinlich hält. Es hängt von dem Weltbild ab, das jemand hat und in das die Auferstehung entweder hineinpasst oder nicht. Argumente bezüglich der buchstäblichen Auferstehung Jesu haben nicht die Macht, unsere Weltanschauung zu verändern“ (S. 340).

Dieses Argument ist gleich mehrfach konfus. Zunächst einmal hat man in der Apologetik die Verteidigung der Historizität der Auferstehung Jesu traditionell erst unternommen, nachdem man zuvor den Theismus verteidigt hatte, worauf die Frage lautete: Was ist, wenn man von einer theistischen Weltanschauung ausgeht, die beste Erklärung der Fakten? Es ist nicht klar, was Allison darauf antworten würde. Er spricht nirgends direkt die Frage an, wie jemand, der die Faktenlage auf der Basis einer soliden natürlichen Theologie untersucht (z. B. R. Swinburne oder S. Davis), die verschiedenen Hypothesen bewerten würde (vgl. S. 341, Fußnote 557). Ich möchte ihn deswegen direkt fragen: „Wie würden Sie die Wahrscheinlichkeit der Auferstehungshypothese und die der Leichendiebstahl-plus-Halluzinationshypothese bewerten, wenn Sie vom Theismus und einer soliden Kenntnis des Lebens Jesu von Nazareth, seiner Aussagen über sich selber und seiner zu seinem Tod führenden Taten ausgehen?“

Zweitens verwechselt Allison die Konditionalität von Wahrscheinlichkeiten und ihre Subjektivität. Wahrscheinlichkeiten sind immer relativ zu den vorliegenden Informationen und insofern konditional, aber daraus folgt mitnichten, dass wahrscheinlich das ist, was jemand für wahrscheinlich hält. Der Theist gibt dem Naturalisten völlig recht, dass in einem naturalistischen Weltbild die Auferstehung hoffnungslos unwahrscheinlich ist. Die Frage ist dann aber, was für eine Rechtfertigung jemand für sein Weltbild hat. Weil Allison glaubt, dass wahrscheinlich das ist, was jemand für wahrscheinlich hält, versucht er das, was zu unserem jeweiligen Weltbild gehört, dadurch zu ermitteln, dass wir in uns hineinschauen und so durch Introspektion analysieren, was wir glauben. Er gibt den Rat: „... wir müssen nicht nur die Texte untersuchen, sondern auch uns selber“ (S. 343). Er gibt nicht den Rat, die Fakten und Argumente auf das hin zu untersuchen, was sie für unser Weltbild bedeuten. Introspektion ist kein Ersatz für Argumente.

Drittens berücksichtigt Allison nicht die unterschiedlichen Grade der Überzeugung oder Hartnäckigkeit, mit der Menschen an ihrer Weltsicht festhalten. Wieder neigt er dazu, nur den Extremfall von Menschen zu berücksichtigen, die „mit der felsenfesten Überzeugung, dass es keinen Gott gibt“ (S. 340), an die Fakten herangehen. Aber was ist, wenn der Atheismus eines Menschen nur ein kulturell bedingter „Namensatheismus“ ist, den er halt in seiner Erziehung mitbekommen hat, weil er in der Sowjetunion oder China aufgewachsen ist? Solch ein Mensch wird möglicherweise seinen Atheismus zu den Akten legen, wenn er erkennt, dass die Auferstehung nicht in ihn „hineinpasst“. Wenn er zu der Überzeugung kommt, dass die Fakten sich besser durch die Auferstehungshypothese erklären lassen als durch andere Hypothesen, könnte es durchaus sein, dass er seine Weltanschauung so verändert, dass sie der besseren Erklärung der Fakten gerecht wird.

Oder nehmen wir jemanden, der Agnostiker ist, aber bezüglich der Existenz Gottes offen und ein Sucher. Auch solch ein Mensch könnte durchaus zu einer theistischen Weltsicht kommen, weil er zu der Überzeugung gelangt ist, dass die Fakten besser durch die Auferstehungshypothese erklärt werden als durch andere Hypothesen. Und dies ist nicht nur möglich, sondern in der Realität auch häufig. Allison gibt uns keine guten Gründe zu der Annahme, dass solch ein Wechsel der Weltanschauung etwas Irrationales sein muss.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/dale-allison-on-jesus-empty-tomb-his-post-mortem-appearances

  • [1]

    Dale Allison, Resurrecting Jesus: The Earliest Christian Tradition and Its Interpreters (New York: T.&T. Clark International, 2005). (Anm. des Übers.)

  • [2]

    Im jüdischen Glauben ging es bei der Auferstehung vor allem um die Gebeine des Verstorbenen; daher die Praxis ihrer Aufbewahrung in dafür vorgesehenen Behältern (den Ossuarien) für den Tag der allgemeinen Auferstehung. Knochen sind erstaunlich haltbar; es gibt Skelette aus prähistorischen Zeiten, die bis heute überdauert haben. Zudem garantiert die Bevölkerungsexplosion geradezu, dass es stets mehr Tote geben wird, die erst seit kurzem verstorben sind, als schon lange Verstorbene. Somit ist der Fall Jesu mit seiner Auferweckung der sterblichen Überreste nichts Atypisches. Das theologische Problem dürfte hier darin liegen, dass die Auferstehung Jesu Modellcharakter für unsere eigene Auferstehung haben muss, aber solche theologischen Fragen sind für die Aufgabe des Historikers irrelevant.

  • [3]

    Es gibt hier mehrere Formulierungen, die man sonst nirgends im Neuen Testament findet, z. B. „am nächsten Tag“, „Rüsttag“, „Verführer“, „Wache“ (von Soldaten), „sicherten“, „versiegelten“ (Matthäus 27,62-66, nach Luther 2017; Anm. d. Übers.). Der Ausdruck „die Hohenpriester und die Pharisäer“ ist für Matthäus unüblich und erscheint bei Markus und Lukas nirgends. Auch die Formulierung „bis zum dritten Tag“ ist nicht matthäisch; Matthäus schreibt immer „nach drei Tagen“. Von den 136 Wörtern (im Urtext) in dem Abschnitt über das leere Grab bei Matthäus finden sich in Markus‘ 138 Wörtern nur 35 wieder.

  • [4]

    Alle Bibelzitate folgen der Lutherübersetzung 2017. (Anm. d. Übers.)

  • [5]

    Allison zitiert hier N.T. Wright (Anm. d. Übers.).