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Allwissenheit, tempushafte Tatsachen und göttliche Ewigkeit

Summary

Eine Schwierigkeit bei einer Auffassung der göttlichen Ewigkeit als Zeitlosigkeit ist, dass Gott, wenn Zeit tempushaft [1] ist, aufgrund seiner Allwissenheit tempushafte Tatsachen wissen muss. Doch tempushafte Tatsachen – wie zum Beispiel, dass es jetzt t ist – kann nur ein temporal lokalisiertes Wesen wissen.
Verteidiger der göttlichen Atemporalität können versuchen, der Kraft dieses Arguments zu entgehen, indem sie entweder behaupten, dass ein zeitloses Wesen tempushafte Tatsachen wissen kann, oder aber, dass ein Nicht-Wissen tempushafter Tatsachen mit göttlicher Allwissenheit vereinbar ist. Kvanvig, Wierenga und Leftow verwenden beide Strategien in ihren verschiedenen Verteidigungen der göttlichen Zeitlosigkeit. Ihre jeweiligen Lösungen werden im Einzelnen analysiert, und es wird gezeigt, dass sie unhaltbar sind.
Wenn der Theist also an einer tempushaften Auffassung der Zeit festhält, sollte er göttliche Ewigkeit im Sinne von Omnitemporalität auslegen.

„Omniscience, Tensed Facts, and Divine Eternity.“ Faith and Philosophy 17 (2000): 225–241

Viele Theisten der westlichen Tradition haben behauptet, dass Gott zeitlos ist, und diese Lehre hat in letzter Zeit eine gewisse Wiederbelebung erfahren. [2] Die objektive Realität der Tempushaftigkeit bleibt jedoch für die Lehre der göttlichen Atemporalität problematisch. Denn wenn eine A-Theorie der Zeit (nach der Terminologie von McTaggart) richtig ist, dann existieren tempushafte Tatsachen, die Gott als einem allwissenden Wesen nicht unbekannt sein können. Da jedoch nur ein temporales Wesen tempushafte Tatsachen wissen kann, muss Gott demnach temporal sein.

Der Einwand lautet also, dass

1. Gott ist zeitlos,

2. Gott ist allwissend,

und

3. Eine temporale Welt existiert,

allgemein logisch unschlüssig sind, wie aus der folgenden notwendigen Wahrheit ersichtlich ist:

4. Wenn eine temporale Welt existiert, dann weiß Gott, wenn er allwissend ist, tempushafte Tatsachen.

5. Wenn Gott zeitlos ist, weiß er tempushafte Tatsachen nicht.

Da (2) für den Theismus essentiell ist und (3) evident wahr ist, muss (1) falsch sein.

Der B-Theoretiker entgeht diesem Argument, indem er verneint, dass es tempushafte Tatsachen gibt, sodass (4) falsch ist. Der B-Theoretiker behauptet, dass Gott alle Tatsachen weiß, die es über die temporale Welt gibt, indem er tempuslose Tatsachen weiß. Wenn man also eine tempuslose Theorie der Zeit annimmt, entgeht man der Falle des Einwands.

Doch die meisten Verteidiger der göttlichen Zeitlosigkeit sind sehr darauf bedacht, ihre Lehre aus der Abhängigkeit von der B-Theorie zu befreien. Die Frage ist also, wie man die Realität tempushafter Tatsachen bestätigen und dennoch entweder behaupten kann, dass Gott sie weiß oder dass sein Nicht-Wissen dieser Tatsachen seine Allwissenheit nicht in Frage stellt.

Zeitloses Wissen tempushafter Tatsachen

Einige Atemporalisten haben zu argumentieren versucht, dass Gott tempushafte Tatsachen weiß, sodass sie die Wahrheit von (5) verneinen. Jonathan Kvanvig hält zum Beispiel sowohl an der objektiven Realität tempushafter Tatsachen als auch an Gottes zeitlosem Wissen aller Tatsachen fest, was zusammengenommen impliziert, dass Gott ein zeitloses Wissen tempushafter Tatsachen hat. Kvanvigs Verteidigung dieser Position stützt sich auf seine Analyse von Propositionen, die durch Sätze ausgedrückt werden, welche Personal-Indizes enthalten. [3] Statt privat zugängliche Propositionen zu postulieren, analysiert er Überzeugungen im Sinne einer triadischen Relation zwischen einer intentionalen Einstellung, einer Proposition und einer bestimmten Art des Zugangs oder des Erfassens der Proposition. Personal-Indizes drücken individuelle Essenzen aus, die Teil des propositionalen Inhalts des Satzes sind, der solche indexalischen Wörter enthält. Doch dieser propositionale Inhalt wird von verschiedenen Personen anders erfasst. Wenn Kvanvig sagt: „Ich bin Kvanvig“, drückt er dieselbe Proposition aus wie ich, wenn ich zu ihm sage: „Sie sind Kvanvig“, aber dieser propositionale Inhalt wird von Kvanvig direkt und von mir indirekt erfasst. Kvanvig schlägt vor, dass die Proposition durch die Bedeutung der involvierten Sätze erfasst wird; da diese verschieden sind, [4] wird der propositionale Inhalt von Kvanvig und von mir anders erfasst. So hat ein allwissender Gott dieselbe Kenntnis der Tatsachen wie wir in Bezug auf die Propositionen, die wir durch Sätze mit Personal-Indizes ausdrücken, aber wir erfassen diese Propositionen, die unsere jeweiligen individuellen Essenzen enthalten, direkt, während Gott denselben propositionalen Inhalt indirekt erfasst.

Kvanvig schlägt eine analoge Lösung für den Umgang mit tempushaften Tatsachen vor, die durch Sätze wie „Es ist jetzt der 1. Juni 1984“ ausgedrückt werden. Er behauptet, dass das demonstrative „jetzt“ die individuelle Essenz der Zeit ausdrückt, auf die es verweist. Er behauptet, dass „temporale Demonstrativa einfach bestimmte Arten sind, auf die Essenzen von Momenten zu verweisen.“ [5] Eine solche Interpretation temporaler Indizes erlaubt uns, zu behaupten, dass Gott denselben propositionalen Inhalt erfasst wie wir, wenn wir Sätze verwenden wie: „Es ist jetzt der 1. Juni 1984.“ Nach Kvanvigs Auffassung wird durch den Satz „Heute ist der 1. Juni 1984“, der an diesem Datum ausgesprochen wird, dieselbe Proposition ausgedrückt wie durch den Satz „Gestern war der 1. Juni 1984“, der am 2. Juni ausgesprochen wird. Der Verhaltensunterschied, der aus diesen zwei Überzeugungen resultiert, beruht auf der Bedeutung der Sätze, durch die der identische propositionale Inhalt erfasst wird. Eine Person erfasst eine Proposition, welche die Essenz einer Zeit enthält, nur dann direkt, wenn diese Person die Proposition zu dieser Zeit erfasst, was zu einer Gegenwarts-Überzeugung führt; sonst wird die Proposition indirekt erfasst, was im Falle temporaler Personen zu Überzeugungen führen wird, die andere Tempora enthalten. Somit kann man „die Lehren der Zeitlosigkeit, der Unveränderlichkeit und der Allwissenheit bestätigen, indem man behauptet, dass Gott jeden temporalen Moment indirekt erfasst und keinen von ihnen direkt erfasst.“ [6]

Genau betrachtet scheint Kvanvigs Analyse keine Verteidigung für Gottes zeitloses Wissen tempushafter Tatsachen zu sein, sondern die Behauptung, dass Tempushaftigkeit in gewisser Weise aus der Art des Zugangs zu dem propositionalen Inhalt abgeleitet ist, der seinerseits tempuslos ist. Denn in den Essenzen der Zeiten, die durch temporale Indizes herausgegriffen werden, sind ihre tempushaften Eigenschaften (zum Beispiel Gegenwärtigkeit) nicht enthalten, oder es wird unerklärlich, wie indexalische Ausdrücke wie „heute“ oder „gestern“ auf dieselbe individuelle Essenz verweisen könnten und wie Gott einen propositionalen Inhalt, der solche Essenzen enthält, zeitlos erfassen könnte. Kvanvig verneint aber, dass es irgendein temporales, durch tempushafte Sätze ausgedrücktes Element gibt, das nicht Teil ihres propositionalen Inhalts ist. In Bezug auf die von ihm so genannte „Proposition“:

1. Es ist jetzt der 1. Juni 1984,

und

1A. Die Essenz des Moments, der durch Verwendung des demonstrativen „jetzt“ in (1) herausgegriffen ist, wird mit der Eigenschaft, der 1. Juni 1984 zu sein, gegenseitig exemplifiziert,

behauptet Kvanvig:

. . . die offensichtliche Infektion von Propositionen wie (1) mit Temporalität wird durch die Feststellung eliminiert, dass (1A) diese Temporalität nicht besitzt und außerdem dieselben temporalen Elemente enthält wie (1). Wenn (1A) nicht mit (1) identisch ist, liegt es nicht an irgendeiner temporalen Dimension; es muss einen anderen Grund haben. [7]

Es ist seltsam, dass Kvanvig (1) als eine Proposition bezeichnet, denn nach seiner eigenen Auffassung haben Propositionen keine Indexikalität. (1) ist vielmehr ein Satz, und die Frage ist, ob die durch (1) ausgedrückte Proposition mit Temporalität infiziert ist, das heißt ob diese Proposition so beschaffen ist, dass sie nicht ausgedrückt werden kann, „ohne temporale Indizes zu implizieren.“ [8] Kvanvigs Behauptung ist, dass der propositionale Inhalt von (1) durch Sätze ausgedrückt werden kann, die keine temporalen Indizes implizieren. Sein Grund für diese Behauptung ist, dass (1A) nicht in dieser Weise infiziert ist – entweder drückt (1A) dieselbe Proposition wie (1) ohne Verwendung temporaler Indizes aus, oder sie stellt den propositionalen Inhalt von (1) dar und kann anders als durch (1) durch einen Satz ausgedrückt werden, der keine temporalen Indizes impliziert – und außerdem dieselben temporalen Elemente wie (1) enthält. Aber (1A) ist nur wahr, wenn das „ist“ in (1A) tempuslos ist. Sonst ist (1A) falsch, da sie nur am 1. Juni 1984 wahr gewesen ist. Wenn (1A) tempushaft ist, ist die Zeit ihrer Wahrheit einfach dieselbe wie von (1). Kvanvig irrt also, wenn er sagt: Wenn (1A) nicht mit (1) identisch ist, liegt dies nicht an irgendeinem temporalen Element – ganz im Gegenteil liegt es gerade am Fehlen irgendeines Tempus in (1A), dass sie nicht mit (1) identisch ist. Wenn alle temporalen Elemente von (1) in (1A) enthalten sind und Gottes Wissen Propositionen umfasst, die durch Sätze wie (1A) ausgedrückt werden können, dann weiß Gott keine tempushaften Tatsachen, noch sind Tempora überhaupt ein objektives temporales Element, sei es von dem propositionalen Inhalt von (1) oder von der Art des Zugangs zu diesem propositionalen Inhalt. Tempora sind nur ein Merkmal der Sprache und sonst nichts. Kvanvigs Analyse scheitert also: Sie impliziert, dass der propositionale Inhalt tempushafter Sätze tempuslos ist und dass solche Sätze kein temporales Element implizieren, das nicht durch ihren propositionalen Inhalt beschrieben wird, der wiederum die Nicht-Objektivität der Tempora impliziert. [9]

Eine ähnliche, aber wesentlich verbesserte Erklärung der göttlichen Allwissenheit bietet Edward Wierenga, der Tempushaftigkeit als Teil des propositionalen Inhalts versteht, der durch tempushafte Sätze ausgedrückt wird, sodass Gott aufgrund seiner Allwissenheit tempushafte Tatsachen wissen muss. [10] Um zu erklären, warum ein solches Wissen Gott nicht in Temporalität involviert, beruft sich Wierenga, wie Kvanvig, auf die Analogie von Propositionen, die durch Sätze mit Pronomen der ersten Person ausgedrückt werden. [11] Indem er Plantingas Begriff einer individuellen Essenz übernimmt – eine Eigenschaft, die eine Sache essentiell besitzen kann und die keine andere Sache überhaupt besitzen kann –, behauptet Wierenga, dass wir eine der Essenzen einer Person als besonders betrachten sollten, nämlich die eine Essenz, die ausgedrückt wird, indem die Person das Wort „ich“ verwendet. In meinem Fall ist diese Essenz die Eigenschaft, ich zu sein. Wierenga nennt diese besondere Essenz die Diesheit der Person, und er behauptet, dass aus Propositionen, die durch Sätze mit einem Pronomen der ersten Person ausgedrückt werden, die Diesheit der Person folgt, die solche Ausdrücke verwendet; solche Propositionen nennt er „Propositionen der ersten Person“. Nun meint Wierenga nicht, dass ich die einzige Person bin, die eine Proposition erfassen kann, aus der meine Diesheit folgt. Entscheidend ist vielmehr, dass ich eine solche Proposition nicht glauben kann, ohne einen Glauben de se zu haben, das heißt einen Glauben über mich selbst. Eine Person S glaubt nur dann de se, dass sie selbst F ist, wenn es eine Diesheit E gibt, sodass S E hat und S eine Proposition glaubt, die E als eine Konstituente hat und die jedem, der E hat, zuschreibt, F zu seinhathat. Da Gott allwissend ist, glaubt auch er diese Propositionen, die meine Diesheit als eine Konstituente haben, doch da die Diesheit meine ist und nicht Gottes, führt die Tatsache, dass er sie glaubt, für ihn nicht zu Überzeugungen de se, wie es bei mir der Fall ist.

Nach der Analogie persönlicher Diesheiten behauptet Wierenga, dass auch zeitliche Momente besondere Essenzen oder Diesheiten haben. Eine Proposition, welche die Diesheit einer Zeit enthält, nennt er eine „Gegenwarts-Proposition“. Wir temporalen Wesen können Gegenwarts-Propositionen nur zu der Zeit erfassen, deren Diesheit in der Proposition enthalten ist, nicht davor oder danach. Wenn eine Person eine Gegenwarts-Proposition zu der Zeit dieser Proposition glaubt, hat die Person einen Glauben de praesenti. Eine Person S glaubt nur dann de praesenti zu einer Zeit t, dass dann p gegeben ist, wenn es eine Diesheit T gibt, sodass der Zeitpunkt t die Diesheit T hat und S zum Zeitpunkt t eine Proposition glaubt, die T als eine Konstituente hat und die ein Sein zuschreibt, so dass p zu jedem Zeitpunkt T hat. Wierenga analysiert die Proposition, die A. N. Prior in dem Satz: „Die 1960er Examen sind vorüber“ ausdrückt, als eine Proposition, aus der die Verknüpfung der Diesheit der Zeit des Glaubens von Prior mit der Eigenschaft, so zu sein, dass die 1960er Examen davor vorüber sind, folgt.

Nun behauptet Wierenga, dass es keinen Grund gibt, warum Gott nicht alle wahren Gegenwarts-Propositionen glauben kann, so wie er alle wahren Propositionen der ersten Person glaubt. So wie sein Glauben einer Proposition der ersten Person ihm keinen Glauben de se gibt, sofern es nicht ein Glauben seiner eigenen Proposition der ersten Person ist, so gibt das Glauben einer Gegenwarts-Proposition ihm keinen Glauben de praesenti, es sei denn, er glaubt diese Proposition zu ihrer Zeit. Da er zeitlos ist, musste Gott nicht wie Prior bis zum 29. August 1960 warten, um die Proposition zu erfassen, die Prior mit dem Satz „Die 1960er Examen sind vorüber“ ausdrückte. Er erfasst und glaubt die relevante Proposition zeitlos und bildet, indem er dies tut, keinen Glauben de praesenti. Somit weiß ein zeitloser Gott alle Gegenwarts-Propositionen, und somit gibt es keine tempushaften Tatsachen, die er nicht weiß.

Mir scheint, dass Wierengas Erklärung für Gottes Wissen von Propositionen, die durch tempushafte Rede ausgedrückt werden, mehrere Mängel aufweist. Zunächst ist seine Erklärung, was es bedeutet, einen Glauben de praesenti zu haben, unplausibel. Angenommen, ich schaue aus dem Fenster und komme zu dem Urteil: „Es regnet.“ Nach Wierengas Erklärung ist das, was ich tatsächlich glaube, eine Proposition über eine bestimmte Zeit, die dieser Zeit eine besondere Eigenschaft zuschreibt, so zu sein, dass es dann regnet. Aber ich glaube ganz gewiss nichts dergleichen. [12] Die gegenwärtige Zeit könnte mir völlig unbewusst sein und ich bilde gewiss keine Überzeugungen über ihre Eigenschaften oder ihre Diesheit. Jede Plausibilität, die Wierengas Analyse von Überzeugungen de se haben mag, beruht auf der Tatsache, dass das Ausdrücken solcher Überzeugungen im Englischen die Verwendung indexikalischer Wörter der ersten Person einschließt, sodass man von S annehmen kann, dass sie eine Proposition glaubt, welche die Diesheit von S und eine Eigenschaft F einschließt. Doch die temporale Entsprechung zu solchen Überzeugungen de se sind Überzeugungen, die präsentische indexikalische Wörter wie „jetzt“ einschließen. Wenn wir Überzeugungen über das haben, was jetzt gerade geschieht, ist es plausibel, dass wir eine Überzeugung bilden, die in irgendeiner Weise die relevante Zeit enthält. Wierengas Analyse würde am plausibelsten Überzeugungen erklären, die eine ähnliche Form haben wie eine Überzeugung der Art: „Jetzt ist der Zeitpunkt, an dem die Sitzung beginnt.“ In einem solchen Fall scheinen wir einer tempushaften Zeit eine Eigenschaft zuzuschreiben. Doch nicht alle Überzeugungen de praesenti enthalten temporale indexalische Wörter, und die Reihe derjenigen, die sie enthalten und auch der Gegenwart Eigenschaften zuschreiben, ist in der Tat begrenzt. Wierenga könnte versuchen, seine Analyse so zu modifizieren, dass ich, indem ich eine Überzeugung de praesenti habe, eine Proposition, wie er sie beschreibt, erfasse (auch wenn ich sie nicht glaube). [13] Doch wenn ich durch meine tempushaften Überzeugungen Informationen erfasse, die essentiell eine bestimmte Zeit und ihre Eigenschaften einschließen, warum gibt es in meinem bewussten Glauben keinen notwendigen Verweis auf diese Zeit in der Form temporaler indexalischer Wörter wie „jetzt“? So wie Propositionen der ersten Person im Englischen durch indexalische Wörter der ersten Person ausgedrückt werden müssen, so müssen Gegenwarts-Propositionen, wie Wierenga sie versteht, offenbar durch präsentische indexalische Wörter ausgedrückt werden. Das Fehlen temporaler indexalischer Wörter in den meisten unserer tempushaften Überzeugungen macht die Idee unplausibel, dass wir durch sie Propositionen erfassen, die essentiell einschließen, einer Zeit Eigenschaften zuzuschreiben.

Außerdem ist Wierengas Analyse tempushafter Überzeugungen drastisch unvollständig, da sie alle Überzeugungen übersieht, die nicht präsentisch sind. Wie sind Überzeugungen wie „John ist um 8 Uhr gegangen“ oder „John wird um 3 Uhr nach Hause kommen“ zu analysieren? Wierengas Analyse scheint zu verlangen, dass er sagt, dass solche Überzeugungen eine Proposition ausdrücken, welche die Diesheit der Zeit einschließen, zu der die Person die Überzeugung hat und die dieser Zeit Eigenschaften zuschreibt, welche bestimmte B-Relationen zu Ereignissen spezifizieren; zum Beispiel ist die fragliche Zeit so, dass Johns Weggehen um 8 Uhr früher ist als dann und sein Kommen um 3 Uhr später ist als dann. Diese Analyse soll herausstellen, dass die Eigenschaft, die der Zeit zugeschrieben wird, tempuslos sein muss, nicht nur in Vergangenheits- und Zukunfts-Überzeugungen, sondern auch in Überzeugungen de praesenti, damit der propositionale Inhalt der Überzeugungen Gottes nicht ein konstitutives Element einer Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft für Gott ist. Wenn es darum geht, dass Gott tempushafte Tatsachen weiß, dann kommt ein solches Wissen nicht durch die Eigenschaft, so zu sein, dass p, die der Zeit zugeschrieben wird, sondern durch die Diesheit, welche die relevante Zeit hat.

Schließt die Diesheit irgendeiner Zeit t also ihr Tempus ein? Wenn nicht, dann ist der propositionale Inhalt von Gottes Überzeugungen völlig ohne Tempus und alles, was er erfasst, sind die tempuslosen B-Relationen zwischen Zeiten und Ereignissen. Man könnte sogar argumentieren, dass die Diesheit einer Zeit ihr Tempus nicht einschließen kann, da spezifische Tempus-Bestimmungen für Zeiten zufällig sind. Eine Diesheit ist eine individuelle Essenz; doch da Zeiten nicht essentiell präsentisch sind, sondern Gegenwärtigkeit erlangen und verlieren, können ihre speziellen Tempus-Bestimmungen nicht Teil ihrer jeweiligen Diesheiten sein. Die Diesheit einer Zeit muss also eine völlig tempuslose Eigenschaft sein. Da die Zuschreibung einer Eigenschaft, die tempuslose B-Relationen wie früher als, gleichzeitig mit oder später als einschließt, zu einer tempuslosen Zeit nicht dazu dient, ein Tempus einzuführen, stellt sich heraus, dass das, was Gott weiß, völlig tempuslose Propositionen sind, nicht Gegenwarts-Propositionen.

Wierenga könnte dieser Schlussfolgerung entgehen, indem er eine Ontologie des Präsentismus vertritt, nach der vergangene und zukünftige Zeiten nicht existieren. Da die einzige Zeit, die existiert, die gegenwärtige Zeit ist, könnte Gegenwärtigkeit als essentiell für jede Zeit betrachtet werden. So wie Existenz für jede Sache essentiell ist, da eine Sache in jeder möglichen Welt, in welcher sie existiert, Existenz hat, [14] so ist Gegenwärtigkeit für jede Zeit essentiell, da eine Zeit in jeder Zeit, in der sie existiert, Gegenwärtigkeit hat. Da eine Zeit nicht existieren kann, ohne gegenwärtig zu sein, gehört Gegenwärtigkeit also zu ihrer Diesheit.

Die Analogie mit Propositionen der ersten Person deutet klar darauf hin, dass für Wierenga die Diesheit einer Zeit ihr Tempus, ja sogar ihre Gegenwärtigkeit einschließt. So wie Propositionen der ersten Person exakt diejenigen sind, aus denen die Diesheit der Person folgt, so sind Gegenwarts-Propositionen genau diejenigen, welche die Diesheit einer Zeit enthalten. Doch dann ist außerordentlich schwer zu verstehen, wie Gott die Diesheit einer Zeit erfassen kann, ohne dass diese Zeit für ihn gegenwärtig ist, was Gottes Temporalität zur Folge hat. Nehmen wir die Analogie der indexalischen Wörter der ersten Person. Wenn die individuelle Essenz, die meine Diesheit ist, nicht die Eigenschaft ist, William Craig zu sein, sondern, wie Wierenga behauptet, die besondere Eigenschaft, ich zu sein, wie kann es dann möglich sein, dass Gott eine Proposition erfasst, welche diese Diesheit einschließt? [15] Eine solche Proposition ist eine private Proposition, die Gott nicht erfassen kann, weil er nicht ich ist. Wenn er eine solche Proposition erfassen kann, dann kann ich nicht sehen, warum jemand, der mich als „du“ anspricht, nicht auch eine solche Proposition erfasst – in welchem Falle wir überhaupt nicht über Propositionen der ersten Person sprechen. Entsprechend gilt: Wenn eine Diesheit nicht nur eine tempuslose B-Bestimmung einschließt – wenn sie einschließt, gegenwärtig zu sein, dann kann ein zeitloser Gott eine Proposition, die eine solche Diesheit enthält, nicht erfassen. Das Erfassen einer Proposition, indem einer Zeit, die objektiv gegenwärtig ist, eine B-Relation zugeschrieben wird, hat zur Folge, dass man gegenwärtig ist. Um beispielsweise die tempushafte Tatsache zu wissen, die durch Priors Äußerung „Die 1960er Examen sind vorüber“ ausgedrückt wird, muss Gott mehr wissen als die tempuslose Tatsache, dass die Beendigung der Examina früher ist als am 29. August 1960; er muss vom 29. August 1960 wissen, dass er gegenwärtig ist oder im Verhältnis zur Gegenwart vergangen ist. Aus einem solchen Wissen Gottes folgt seine Temporalität.

Wierengas Analyse erklärt nicht, wie Gott Propositionen erfassen kann, welche Diesheiten mit der Eigenschaft der Gegenwärtigkeit einschließen, ohne dass er temporal ist. Somit scheitert sie auch als Verteidigung dafür, dass ein zeitloser Gott tempushafte Tatsachen weiß.

Betrachten wir zuletzt Brian Leftows Verteidigung von Gottes zeitlosem Wissen tempushafter Tatsachen. Der Schlüssel zu Leftows Lösung ist seine – durch die Spezielle Relativitätstheorie inspirierte – Unterscheidung zwischen dem Auftreten von Ereignissen relativ zu temporalen Bezugssystemen und ihrem Auftreten relativ zu Gottes „Bezugssystem“ der Ewigkeit. Relativ zur Ewigkeit sind alle Ereignisse ewig gegenwärtig, obwohl sie relativ zu verschiedenen temporalen Bezugssystemen jeweils vergangen, gegenwärtig oder zukünftig sein können. So gibt es also relativ zur Ewigkeit einfach keine temporalen tempushaften Tatsachen, die zu wissen sind. Leftow erklärt:

. . . alle Ereignisse sind auf einmal aktual, in der Ewigkeit. Aber daraus folgt nicht, dass Zeit nicht tempushaft ist. Ereignisse geschehen auch in temporalen Bezugssystemen, und die Zeit dieser Bezugssysteme kann tempushaft sein . . . . Der Grund, aus dem ein zeitloser Gott die essentiell tempushafte Tatsache, dass (T), nicht weiß, ist, dass in seinem Bezugssystem – die Ewigkeit – dies gar keine Tatsache ist. (T) ist wieder die Behauptung, dass eine echte Teilmenge S der Gruppe temporaler Ereignisse, bestehend aus a, b, c usw., jetzt gegenwärtige Aktualität hat. In der Ewigkeit ist diese Behauptung falsch. In der Ewigkeit haben alle temporalen Ereignisse … auf einmal gegenwärtige Aktualität. [16]

Mit (T) meint Leftow offenbar, dass die Elemente von S, und nicht S selbst, jetzt gegenwärtige Aktualität haben. Aber inwiefern ist diese Behauptung in der Ewigkeit falsch? Da alle Ereignisse in der Ewigkeit gegenwärtige Aktualität haben, würde das nicht auch für die Elemente von S gelten? Das Problem ist vielleicht, dass alle Ereignisse auf einmal in der Ewigkeit gegenwärtige Aktualität haben, während (T) feststellt, dass die Mitglieder von S jetzt gegenwärtige Aktualität haben. Doch in der Ewigkeit bezieht sich das indexalische „jetzt“ in (T) entweder auf die ewige Gegenwart oder auf die Zeit von a, b, c. Wenn es sich auf die ewige Gegenwart bezieht, dann haben die Elemente von S tatsächlich gegenwärtige Aktualität zusammen mit allen anderen Ereignissen. Wenn es sich auf die Zeit von a, b, c bezieht, dann bleibt es nach Leftows Auffassung in der Ewigkeit eine Tatsache, dass a, b, c dann gegenwärtige Aktualität haben. Das Problem liegt also nicht in dem Kontrast zwischen „jetzt“ und „auf einmal“. Vielleicht ist das Problem, dass die gegenwärtige Aktualität, die a, b, c jetzt haben, eine temporal gegenwärtige Aktualität ist, während sie in der Ewigkeit ewige gegenwärtige Aktualität haben. Obwohl das sinnvoll zu sein scheint, lässt es sich schlecht damit vereinbaren, dass Leftow insistiert:

Dieselben Ereignisse, die in unserer temporalen Gegenwart A-auftreten, A-auftreten auch in Gottes ewiger Gegenwart. Sie sind „in ihrer Gegenwärtigkeit“ da: Genau das A-Auftreten, das mit bestimmten Ereignissen innerhalb temporaler Bezugssysteme B-simultan ist, ist mit der Existenz eines zeitlosen Wesens und mit allen temporalen Ereignissen innerhalb eines ewigen Bezugssystems A-simultan. So kann Gott genau das A-Auftreten, das wir sequentiell wahrnehmen, in der Form der Veränderung alles auf einmal zeitlos wahrnehmen. [17]

Da A-Auftreten nach Leftows Definitionen bedeutet, jetzt aufzutreten, [18] stehen wir vor derselben Schwierigkeit wie oben. Wenn ein Ereignis in der Ewigkeit A-auftritt, bezieht sich das „jetzt“ entweder auf die ewige Gegenwart oder auf die temporale Gegenwart. Wenn sie sich auf die ewige Gegenwart bezieht, dann ist es nicht „genau das A-Auftreten, das wir sequentiell wahrnehmen“, da dieses Auftreten sich auf das temporale Jetzt bezieht. Doch wenn wir sagen, dass es sich auf die temporale Gegenwart bezieht, dann ist (T) schließlich doch eine Tatsache in der Ewigkeit, da dann dasselbe A-Auftreten in der Zeit und in der Ewigkeit geschieht. Um seine Erklärung konsistent zu machen, sollte Leftow meiner Meinung nach sagen: Das A-Auftreten eines Ereignisses bedeutet, dass das Ereignis gegenwärtig ist, und auch wenn dieselben Ereignisse in der Zeit und in der Ewigkeit existieren, sind sie in Bezug auf diese beiden „Systeme“ nicht in derselben Weise gegenwärtig: Ereignisse sind nur in der Zeit temporal gegenwärtig und nur in der Ewigkeit ewig gegenwärtig. Es gibt also in der Ewigkeit keine temporal tempushaften Tatsachen; es gibt nur ewig tempushafte Tatsachen, und diese sind alle in dem ewigen Gegenwartstempus. Demnach ist (T), da sie sich auf die temporale Gegenwart bezieht, in der Ewigkeit falsch; aber falsch ist auch, dass genau dasselbe A-Auftreten, das in der Zeit geschieht, in der Ewigkeit stattfindet.

Man könnte meinen, dass Leftow mit (T) in Wirklichkeit Folgendes meint:

T'. Nur die Elemente einer echten Teilmenge S aller temporalen Ereignisse haben gegenwärtige Aktualität.

Eine solche Behauptung ist in der Zeit wahr, aber in der Ewigkeit falsch, da in der Ewigkeit alle Ereignisse gegenwärtige Aktualität haben. Doch wenn wir mit „gegenwärtiger Aktualität“ nicht nur tempuslose metaphysische Gegenwart (die keine Kenntnis tempushafter Tatsachen bietet) meinen, sondern präsentische Aktualität, dann ist klar, dass in der atemporalen Ewigkeit Ereignisse nicht in dieser Weise aktual sind, denn dann wäre die Ewigkeit temporal. [19] Eine solche Interpretation wäre außerdem nicht mit Leftows Behauptung zu vereinbaren, dass Gott in der Ewigkeit B–Reihen von Ereignissen relativ zu Inertialsystemen vorliegen. [20] Jedenfallswürde eine solche präsentische Aktualität Gott in Bezug auf vergangenheitsförmige und futurische Tatsachen völlig im Dunkeln lassen; da Gott alle Ereignisse für sich gegenwärtig hat, wäre es sogar so, dass er entweder fälschlich annehmen würde, dass alle Ereignisse gegenwärtig sind, oder er würde nicht wissen, welche Untergruppe von Ereignissen wirklich gegenwärtig ist, und hätte somit keine Kenntnis tempushafter Tatsachen.

Leftows Erklärung scheint also Gottes Kenntnis (temporal) tempushafter Tatsachen zu verneinen und nicht einzuräumen. Alles, was er weiß, sind die ewigen präsentischen Tatsachen. Leftow behauptet aber, dass Gott auch die essentiell tempushaften Tatsachen relativ zu temporalen Bezugssystemen weiß. Er schreibt:

Ein faktisch allwissendes Wesen muss nur in der Lage sein, solche Tatsachen direkt zu erfassen, die in dem Bezugssystem dieses Wesens echte Tatsachen sind. Der Umstand, dass ein zeitloses Wesen nur die essentiell tempushaften Tatsachen der Ewigkeit direkt erfasst, widerspricht also nicht seiner strikt faktischen Allwissenheit, vorausgesetzt, es hat irgendeinen anderen Zugang zu den essentiell tempushaften Tatsachen anderer Bezugssysteme. Doch … ein zeitloser Gott kann alle Tatsachen der Simultaneität wissen, die in anderen Bezugssystemen gelten. So kann er wissen, was die essentiell tempushaften Tatsachen dieser anderen Systeme sind, obwohl diese Tatsachen ihm nicht direkt vorliegen können: Es ist einfach nicht wahr, dass irgendeine Form der direkten Vorlegung die einzige Art ist, wie Gott Tatsachen wissen kann. [21]

Leftows Berufung auf die Unterscheidung zwischen direkter und indirekter Erfassung wird jedoch nicht dazu führen, Gott ein Wissen tempushafter Tatsachen zuzusprechen. Bestenfalls kann Gott wissen, was die Simultaneitätsklassen von Ereignissen relativ zu einem willkürlich spezifizierten Bezugssystem oder hypothetischen Beobachter sind, aber er kann nicht wissen, welcher Punkt auf der Weltlinie dieses Beobachters oder welche Simultaneitätsklasse von Ereignissen in diesem System gegenwärtig ist. [22] Wenn wir erkennen, dass die „ewige Gegenwart“ nur eine metaphorische Beschreibung eines tempuslosen Existenzzustandes ist, dann ist evident, dass Gott nach Leftows Erklärung keine tempushaften Tatsachen weiß. Zumindest weiß er keine temporalen tempushaften Tatsachen, und das ist der Punkt, der zu beweisen war.

Tatsächlich impliziert Leftows Erklärung für das, was er „faktische Allwissenheit“ nennt, dass es eigentlich keine tempushaften Tatsachen gibt. [23] Nach Leftow ist eine Tatsache entweder die Existenz eines Subjekts oder die Exemplifizierung eines Attributs durch ein Subjekt. Dieselbe Tatsache kann eine Reihe verschiedener Propositionen wahr machen. Nach Leftows Auffassung macht dieselbe Tatsache, die „Es ist dann (d. h. um 15 Uhr) 15 Uhr“ wahr macht, auch wahr, was durch den Beispielsatz „Es ist jetzt 15 Uhr“ ausgedrückt wird. Dies sind verschiedene Wahrheiten, verschiedene Propositionen, die durch dieselbe Tatsache wahr gemacht werden. Diese Tatsache ist zu allen Zeiten auf unterschiedliche Weise zugänglich und die unterschiedlichen Zugangsweisen, die man zu dieser Tatsache haben kann, generieren verschiedene Wahrheiten, die nur zu unterschiedlichen Zeiten gewusst werden können. Selbst wenn Gott also in Bezug auf Ereignisse in der Zeit nicht propositional allwissend sein kann, kann er in Bezug auf sie immer noch faktisch allwissend sein.

Die oben genannte Erklärung zeigt, dass Leftow in Wirklichkeit ungewollt ein B-Theoretiker ist, indem er behauptet, dass es keine tempushaften Tatsachen gibt. Nach seiner Erklärung wäre die Exemplifizierung einer tempushaften Eigenschaft – wie Gegenwärtigkeit – durch ein Subjekt oder das gegenwärtige Existieren des Subjekts eine tempushafte Tatsache. Doch eine solche Tatsache ist nicht zu allen Zeiten zugänglich, sondern nur zu der Zeit, zu der sie gilt oder existiert. Die Proposition „Es ist dann 15 Uhr“ gibt keinen Zugang zu einer solchen präsentischen Tatsache, denn wir wissen durch sie nicht, ob 15 Uhr vergangen, gegenwärtig oder zukünftig ist. Die Tatsache, die eine solche Proposition wahr macht, muss daher tempuslos sein, selbst wenn diese tempuslose Tatsache um 15 Uhr eine tempushafte Proposition generiert. Da es keine Tatsachen gibt, die Gottes Allwissenheit entgehen, und da die einzigen temporalen Tatsachen, die Gott weiß, tempuslose Tatsachen sind, folgt daraus, dass tempushafte Tatsachen nicht existieren.

Außerdem scheint Leftows Erklärung der faktischen Allwissenheit Gottes unhaltbar zu sein. Denn Leftow denkt nicht, dass der propositionale Kontext, der durch tempushafte Sätze ausgedrückt wird, tempuslos ist und dass die Tempusform aus dem Modus der Vorlegung für Sprachnutzer oder aus dem Zugang durch sie resultiert. Er behauptet vielmehr, dass es tempushafte Propositionen gibt, die nur zu bestimmten Zeiten gewusst werden können. Doch sofern Leftow nicht bereit ist, eine Auffassung der Wahrheit als Korrespondenz zu verwerfen, muss es Tatsachen geben, die mit wahren tempushaften Propositionen korrespondieren, zum Beispiel dass 15 Uhr gegenwärtig ist. Wenn diese Proposition wahr ist, dann stellt sie eine Tatsache über die Welt fest. Selbst wenn wir mit Leftow übereinstimmen, dass es Tatsachen gibt, die durch keine Proposition festgestellt werden, hat er uns keinen Grund gegeben, in Frage zu stellen, dass jede wahre Proposition eine Tatsache feststellt. Eine Auffassung der Wahrheit als Korrespondenz scheint dies sogar zu verlangen. Somit folgt, dass ein zeitloser Gott nicht nur propositional nicht allwissend ist, sondern dass er nicht einmal faktisch allwissend ist.

Allwissenheit trotz Unkenntnis tempushafter Tatsachen

Es scheint also evident zu sein, dass Gott temporal ist, wenn er tempushafte Tatsachen weiß, sodass eine Verneinung von (5) unhaltbar ist. Wie sind nun die Aussichten, dem vorliegenden Einwand durch eine Verneinung von (4) zu entgehen? Hier genügt es nicht, einfach zu behaupten, dass von einem zeitlos existierenden Wesen nicht erwartet werden kann, tempushafte Tatsachen zu wissen, da dies bedeutet, das logisch Unmögliche zu verlangen. [24] Natürlich ist ein solche Großtat logisch unmöglich; das ist der Punkt der notwendigen Wahrheit von (5). Doch solange wir bei der üblichen Definition von Allwissenheit bleiben

O: S ist allwissend = df. Für alle p gelte, wenn p, dann weiß S, dass p und glaubt nicht, dass ˜p,

und darin übereinstimmen, dass Tempushaftigkeit Teil des propositionalen Inhalts ist, der durch tempushafte Sätze ausgedrückt wird, dann folgt daraus, dass Gott, um allwissend zu sein, tempushafte Tatsachen wissen muss. Wenn ein solches Wissen durch seine Zeitlosigkeit ausgeschlossen wird, dann ist er nicht allwissend.

Das oben Gesagte legt nahe, dass die aussichtsreichste Strategie für Atemporalisten darin besteht, entweder die traditionelle Definition der Allwissenheit zu revidieren, oder zu verneinen, dass Tempushaftigkeit – auch wenn sie objektiv ist – zum propositionalen Inhalt tempushafter Sätze gehört.

Allgemein gesagt ist die Schwierigkeit, auf die man bei dem ersten Ansatz stößt, dass jede adäquate Definition mit unserem intuitiven Verständnis des Definiendum übereinstimmen muss, sodass wir uns die Definition der Allwissenheit nicht nach Belieben „backen“ können, um die Schwierigkeit zu lösen, ohne dass die Definition in inakzeptabler Weise ad hoc wird. [25] Welche plausible Alternative zu O schlägt der Atemporalist also vor?

Wierenga ist – in einer Art zweiter Verteidigungslinie – bereit, zu akzeptieren, dass manche Propositionen „perspektivisch“ sind, dass sie bei einigen Perspektiven wahr und bei anderen falsch sind. In Bezug auf Tempushaftigkeit kommt dies dem Zugeständnis gleich, dass Propositionen ihre Wahrheitswerte relativ zu Zeiten haben und somit manchmal ihre Wahrheitswerte ändern. O würde verlangen, dass Gott alle solchen wahren Propositionen weiß und somit temporal und veränderlich ist. Doch Wierenga – indem er feststellt, dass es etwas anderes ist, zu glauben, dass eine Proposition bei einer Perspektive wahr ist, als bei einer Perspektive zu glauben, dass eine Proposition wahr ist – schlägt die folgende Neudefinition der Allwissenheit vor: [26]

O': X ist allwissend = df. Für jede Proposition p und Perspektive <s,t> gelte:

(i) wenn p in <s,t> wahr ist, dann weiß X, dass p in <s,t> wahr ist, und

(ii) wenn X in <s,t> ist und p in <s,t> wahr ist, dann weiß X p in <s,t>.

Nach O' muss Gott wissen, welche tempushaften Propositionen zu welchen Zeiten wahr sind; die tempushaften Propositionen selbst braucht er nicht zu wissen. Wierenga folgert: „Wenn manche Propositionen wirklich mit der Zeit ihren Wahrheitswert ändern, wenn Propositionen also ‚perspektivisch‘ sind, dann … muss ein allwissendes Wesen eine perspektivische Proposition nur wissen, wenn das Wesen in einer Perspektive ist, in der die Proposition wahr ist“; also „folgt aus der Behauptung, dass Gott allwissend ist, dass er nur unter der Annahme, dass er in einer temporalen Perspektive ist, nicht ewig ist…“ [27]

Wierengas Definition O' ist jedoch in inakzeptabler Weise ausgedacht. Denn die angeblich perspektivische Natur der Wahrheit ist keine ausreichende Bedingung, um die Kenntnis einer bestimmten Klasse von Propositionen aus dem Konzept der Allwissenheit herauszunehmen. Nach Wierengas Auffassung hat Gott Kenntnis von Propositionen, die ausschließlich tempuslose B–Tatsachen feststellen, wie etwa, dass p zu t wahr ist, während temporale Personen eine Fülle objektiv wahrer Propositionen kennen, die Gott unbekannt bleiben. Personen, die sich bei t befinden, wissen nicht nur, dass p zu t wahr ist; sie wissen p simpliciter, eine objektiv wahre Proposition, die Gott unbekannt ist. Wierenga definiert Allwissenheit in einer solchen Weise neu, dass ein Wesen, das tempushafte Propositionen nicht weiß, nichtsdestoweniger für allwissend erklärt werden kann. Doch ohne unabhängige Gründe für die Annahme von O' ist ein solches Vorgehen in inakzeptabler Weise ad hoc. Wenn wir temporale Perspektiven in unsere Definition der Allwissenheit einschließen wollen, warum nicht die folgende Definition von Davis annehmen? [28]

O'': S ist allwissend = df. Für alle p gelte: Wenn p zu t, dann ist zu t wahr, dass S weiß, dass p, und nicht ˜p glaubt.

Nach O'', anders als nach O', würde Gott jede wahre Proposition wissen, statt nur einige; dies legt intuitiv nahe, dass O' eine adäquatere Definition der Allwissenheit ist. [29] Doch O'' würde verlangen, dass Gott tempushafte Propositionen weiß, wie (4) feststellt.

Auch Leftow setzt sich mit der Idee auseinander, die Definition der Allwissenheit so zu ändern, dass sie nicht verlangt, dass Gott alle Wahrheiten weiß, tempushafte Wahrheiten eingeschlossen. [30] Er argumentiert im Grunde, dass es plausiblerweise viele Arten von Wahrheiten gibt, die Gott nicht wissen kann; was schadet es also, eine weitere Klasse von Wahrheiten einzuräumen, von denen Gott keine Kenntnis hat? Leftows Strategie ist jedoch verfehlt. Diese Argumentation bietet keine Grundlage dafür, das Konzept der Allwissenheit als solcher zu ändern (die überhaupt keinen Bezug auf Gott einschließt), sondern dafür, zu verneinen, dass Gott allwissend sein muss. Das ist eine strittige Frage, auf die wir zurückkommen werden.

Eine plausiblere und unabhängig motivierte Neudefinition der Allwissenheit wäre, zu verneinen, dass Gottes Wissen propositionaler Art ist und deshalb nicht adäquat durch O beschrieben wird, was eine propositionale Erklärung der Allwissenheit ergibt. [31] Gottes Wissen lässt sich als einfache Intuition der Realität auslegen, die wir endlichen Wissenden uns in Form einzelner Propositionen darstellen. Wenn Tatsachen propositionaler Art sind (zum Beispiel, dass eine Tatsache eine wahre Proposition ist [32]), dann könnte von Gott gesagt werden, dass er – tempushafte oder sonstige – Tatsachen als solche nicht weiß, obwohl er allwissend ist. 

Ich denke aber, dass eine solche Umdeutung, auch wenn sie plausibel und attraktiv erscheint, die Kraft des vorliegenden Einwands nicht abwendet. Der Kritiker der göttlichen Zeitlosigkeit wird (4) einfach so umformulieren, dass das Problem erneut auftritt, zum Beispiel:

4'. Wenn eine temporale Welt existiert, dann weiß Gott, wenn er allwissend ist, das, was wir als tempushafte Tatsachen erkennen.

Würde Gott das, was wir uns propositional als tempushafte Tatsachen darstellen, nicht wissen, hätte er es nicht verdient, als allwissend bezeichnet zu werden.

Es wurde also kein guter Grund genannt, die Definition der Allwissenheit so zu revidieren, dass Allwissenheit keine Kenntnis tempushafter Propositionen (keine Kenntnis dessen, was wir als tempushafte Propositionen kennen) einschließt.

Nehmen wir also an, dass der Atemporalist den anderen Weg einer Verneinung von (4) versucht, indem er behauptet, dass Tempushaftigkeit nicht zu dem propositionalen Inhalt gehört, der durch tempushafte Sätze ausgedrückt wird. Wie personal und räumlich indexalische Wörter, könnten temporal indexalische Wörter und tempushafte Ausdrücke Merkmale des Darstellungsmodus oder des Kontextes der Überzeugung oder der Art der Erfassung des propositionalen Inhalts wiederspiegeln, der durch Sätze ausgedrückt wird, die solche Ausdrücke enthalten. Oder sie könnten im Sinne unserer Selbstzuschreibung von Eigenschaften analysiert werden, und nicht in dem Sinne – oder zusätzlich dazu –, dass wir Propositionen glauben. Solche Analysen brauchen die objektive Realität der Tempushaftigkeit nicht zu verneinen, sondern könnten Tempushaftigkeit einfach aus dem propositionalen Inhalt tempushafter Ausdrücke herausnehmen und an anderer Stelle einordnen. Ausgehend von der üblichen Definition O würde ein zeitloser Gott nicht als allwissend gelten, selbst wenn man von der notwendigen Wahrheit von (5) ausgeht, weil es keine tempushaften Tatsachen gibt, bei denen Tatsachen und wahre Propositionen extensional äquivalent sind.

Auch hier scheint mir, dass solche Analysen zwar attraktiv und plausibel sind, aber ich bezweifle, dass sie letztlich dazu dienen, das Problem abzuwenden, das durch den vorliegenden Einwand aufgeworfen wird. Wenn Tempushaftigkeit ein objektives Merkmal der Realität ist, dann kann man plausibel bestreiten, dass es nicht-propositionale Tatsachen (zum Beispiel Tatsachen der ersten Person) gibt und dass auch tempushafte Tatsachen dazu gehören. Da Gott nach dem christlichen Theismus nicht nur propositional allwissend, sondern kognitiv maximal exzellent ist, muss er solche tempushaften Tatsachen wissen, so wie er nicht-propositionales Wissen de se haben muss. Seine kognitive Exzellenz würde nicht verlangen, dass er die Kenntnis eines jeden Wesens de se besitzt, da es ein kognitiver Mangel Gottes wäre, zu glauben, dass er Napoleon ist (ganz zu schweigen von seiner Annahme, auch Washington und Reagan und . . . zu sein). In ähnlicher Weise wäre es ein kognitiver Mangel Gottes, zu glauben, dass jetzt das Jahr 44 vor Christus ist (ganz zu schweigen von seiner Annahme, dass es jetzt auch 1895 und 2020 und . . . ist). Doch es ist eine kognitive Vollkommenheit, Kenntnis zu haben, welche Zeit jetzt wirklich ist und welche Episode in der Geschichte der tatsächlichen Welt gegenwärtig ist. Ein Wesen, dem alle tempushaften Tatsachen nicht bekannt sind, ist kognitiv weniger exzellent als eines, das alle solchen Tatsachen weiß. [33] Das letztere Wesen weiß unendlich viel mehr als das erstere und weist keinen kognitiven Mangel auf, indem es dies tut. Im Gegenteil kann Gott überhaupt nur aufgrund eines solchen Wissens in der temporalen Welt providentiell handeln. [34] Somit lässt sich (4) in folgender Weise umformulieren:

4*. Wenn eine temporale Welt existiert, dann weiß Gott, wenn er kognitiv maximal exzellent ist, tempushafte Tatsachen.

Wird (2) in ähnlicher Weise umformuliert, kommt das Argument wie zuvor durch. Falls man immer noch an nicht-propositionalen Tatsachen festhalten will, kann man für „tempushafte Tatsachen“ in (4*) einen Ausdruck wie „welche Zeit es ist“ einsetzen und (5) entsprechend ändern.

Kurz, die Aussichten, die Kraft von (4) abzuweisen, scheinen nicht besser zu sein als die Aussichten, (5) zu verneinen. Geht man von der Existenz der temporalen Welt aus, muss ein allwissendes oder kognitiv vollkommenes Wesen tempushafte Tatsachen wissen. Da Allwissenheit für den Theismus essentiell ist und ein solches Wissen mit göttlicher Zeitlosigkeit unvereinbar ist, kann Gott nicht zeitlos sein.

Muss Gott allwissend sein?

Unsere Erörterung hat zu der Annahme geführt, dass

2. Gott ist allwissend,

wahr ist. Doch einige Verteidiger der göttlichen Zeitlosigkeit, die entschlossen sind, Gottes Atemporalität zu bewahren, sind bereit, (2) zu verneinen. Als Antwort auf den Einwand: „So wie wir nicht behaupten können, dass Gott nie innig genug mit sich selbst vertraut ist, um sich selbst als sich selbst zu kennen, so wäre es ein Zeichen der Unvollkommenheit, wenn Gott nie innig mit jedem temporalen … Ort vertraut wäre“, stellt Kvanvig fest, dass zwei Optionen offen sind. [35] Erstens könnte man göttliche Zeitlosigkeit verwerfen. Um maximale Vollkommenheit aufzuweisen, muss Gott immer direkt erfassen, welcher Moment gegenwärtig ist, und sich daher ständig ändern. Nach Kvanvig sind die traditionellen Begründungen für die Lehre der Zeitlosigkeit nicht zwingend, sodass sie aufgegeben werden kann, wenn festgestellt wird, dass sie mit Allwissenheit oder kognitiver Vollkommenheit unvereinbar ist. [36]

Ein solches Urteil ist für Leftow kaum akzeptabel, der sich dafür ausspricht, eher (2) zu verwerfen als (1), wenn diese unvereinbar sind. [37] Er argumentiert, dass Gott mehrere Klassen von Wahrheiten nicht weiß und dass es keine gravierende Einschränkung der göttlichen Allwissenheit ist, zu behaupten, dass er auch tempushafte Wahrheiten nicht weiß. Man könnte denken, dass wir Gottes Wissen so robust wie möglich auslegen sollten, damit selbst dann, wenn sich einige Wahrheiten herausstellen sollten, die er nicht wissen kann, sodass er nicht allwissend ist, dies keine Rechtfertigung darstellt, den Umfang seines Wissens weiter auszuhöhlen, indem man behauptet, dass er tempushafte Wahrheiten nicht weiß. Leftow ist der Lehre der göttlichen Zeitlosigkeit jedoch so verpflichtet, dass er nicht bereit ist, Gottes Allwissenheit aufzugeben, um seine Zeitlosigkeit zu bewahren. Doch gelingt es Leftow zu zeigen, dass Gott nicht alle wahren Propositionen wissen kann? Sein Beispiel für etwas, das Gott nicht wissen kann, ist, wie es sich anfühlt, selbst ein Gehender, ein Atmender oder ein Sünder zu sein. [38] Doch ein solches Wissen ist überhaupt kein propositionales Wissen und kann daher kein Beispiel für Wahrheiten liefern, welche Gott nicht weiß; somit ist Gott nach O allwissend, obwohl er nicht weiß, wie es sich anfühlt, selbst ein Sünder zu sein. Leftow erkennt den nicht-propositionalen Charakter eines solchen Wissens an, insistiert aber, dass aus einem solchen Nicht-Wissen Gottes auch sein Nicht-Wissen bestimmter Wahrheiten folgt. Wenn ich dafür sorge, dass eine Person in einer Prüfung scheitert, kann ich anschließend zu ihr sagen: „So fühlt es sich an, selbst gescheitert zu sein.“ Leftow schreibt:

Das ist eine Proposition, die wir beide erfassen … Sie und ich können wissen, dass es sich so anfühlt, selbst gescheitert zu sein, doch wenn Gott nicht scheitern kann, dann kann Gott das nicht wissen (obwohl er wissen kann, wie sich das Scheitern für Sie anfühlt). Denn wenn Gott nicht scheitern kann, dann kann Gott nicht die Art von Erfahrung haben, die durch das „so“ herausgegriffen wird, und so kann er in gewissem Sinne nicht einmal die Proposition verstehen, dass „es sich so anfühlt, selbst gescheitert zu sein.“ [39]

Mir scheint, dass der Verteidiger der göttlichen Allwissenheit sehr plausibel erwidern wird, dass „So fühlt es sich an, selbst gescheitert zu sein“ ein Satz ist und keine Proposition, wie das „so“ zeigt (dessen Kursivsetzung den semantischen Inhalt nicht ändert). Es lenkt die Aufmerksamkeit des Hörers auf das Denotat und wird nicht als Teil des propositionalen Inhalts der Äußerung ausgelegt, die es enthält. Der propositionale Inhalt, der in dem Beispiel durch das „dies“ ausgedrückt wird, sind die Gefühle der Beschämung, der Niedergeschlagenheit und so weiter, die mit dem Scheitern einhergehen. Leftow scheint zu denken, dass Gott, weil er solche Gefühle nicht haben kann, den propositionalen Inhalt, der durch die Äußerung ausgedrückt wird, nicht wissen kann. Aber das ist eine Verwechslung der Fähigkeit Gottes, das nicht-propositionale Wissen zu haben, wie es sich anfühlt, selbst gescheitert zu sein, mit seiner Fähigkeit, zu wissen, dass es sich beschämend und so weiter anfühlt, selbst gescheitert zu sein. Selbst nach Leftows eigenem Beispiel ist das „Denotat“ von „so“ nicht das eigene Gefühl des Sprechers, da er nicht gescheitert ist, sondern vielmehr das Gefühl der Person, die tatsächlich gescheitert ist. Leftow behauptet aber, dass sie beide dieselbe Proposition wissen. In ähnlichem Sinne kann Gott denselben propositionalen Inhalt wissen wie wir, wenn wir solche Äußerungen machen, obwohl er unsere Erfahrungen nicht teilt und daher nicht wissen kann, wie es sich anfühlt, selbst gescheitert zu sein.

Man könnte durchaus in Frage stellen, ob die Bewahrung der Atemporalität Gottes den Preis wert ist, ihm dafür Unkenntnis des gegenwärtig existierenden Zustands des Universums und Unkenntnis aller anderen tempushaften Wahrheiten zuzuschreiben. Leftow geht jedoch davon aus, dass ein Gott, der zeitlos ist, aber in Bezug auf tempushafte Wahrheiten nicht allwissend ist, insgesamt vollkommener wäre als ein Gott, der temporal ist und ein solches Wissen besitzt. Leftows zahlreiche Argumente für göttliche Zeitlosigkeit sollen die Vollkommenheit herausstellen, die Gott aufgrund dieses Attributs zukommt. Leider übersteigt eine Erörterung dieser Argumente den Rahmen dieses Papers. Aber ich glaube, dass sich zeigen lässt, dass alle seine Argumente bis auf eines schlecht fundiert oder unschlüssig sind, wie ich an anderer Stelle zu zeigen versucht habe. [40] Die Größe der göttlichen Temporalität dagegen lässt sich an der Tatsache erkennen, dass Gott, wenn Zeit tempushaft ist, nicht schöpferisch in der Welt handeln könnte, wenn er zeitlos wäre. [41]

Leftow versucht auch, den Wert der Allwissenheit herunterzuspielen, indem er argumentiert, dass sie keine notwendige Eigenschaft eines vollkommenen Wissenden ist. Er weist richtig darauf hin, dass kognitive Vollkommenheit viele andere Eigenschaften einschließt als die Bandbreite des eigenen Wissens. Dies zeigt jedoch in keiner Weise, dass kognitive Vollkommenheit nicht auch das Wissen tempushafter Tatsachen einschließen sollte. Leftow wendet sich anschließend gegen die Möglichkeit einer propositionalen Allwissenheit, indem er sich auf private Propositionen beruft, die durch Sätze ausgedrückt werden, welche indexalische Wörter der ersten Person enthalten. Doch wir haben bereits gesehen, wie ein solches Wissen de se nicht-propositional zu handhaben ist, ganz zu schweigen von den Einwänden gegen private Propositionen. [42] Jedenfalls wird durch die Postulierung einer Beschränkung der Bandbreite des göttlichen Wissens kaum gleichgültig, ob weitere Beschränkungen vorgeschlagen werden. Die Tatsache, dass propositionale Allwissenheit und maximale kognitive Exzellenz nicht als unmöglich erwiesen wurden, untergräbt Leftows Antwort auf das, was er als semantisches Argument gegen göttliche Zeitlosigkeit bezeichnet.

Doch was ist mit Kvanvigs anderer Alternative? Er schlägt vor, dass Gott so verstanden werden kann, dass er alle temporalen Momente direkt erfasst. [43] Ein solches Verständnis, behauptet er, wäre analog zu einer plausiblen Auslegung der Allgegenwart als direkter Erfassung der Essenz jedes räumlichen Ortes. Diese Analogie würde jedoch implizieren, dass alle Zeiten für Gott buchstäblich gegenwärtig sind – nicht in dem metaphorischen Sinn der ewigen Gegenwart, sondern in dem wörtlichen Sinn des Begriffes. Das ist einfach nicht damit vereinbar, dass es eine temporale Reihe von Ereignissen gibt, die durch die Relationen früher als/später als geordnet sind. Um diesen Einwand abzuweisen, ist Kvanvig gezwungen, entweder auf das Mittel der ET-Simultaneität von Stump und Kretzmann zurückzugreifen, die explanativ leer ist, [44] oder auf den Vorschlag, dass allwissende Wesen Essenzen von Momenten direkt erfassen können, ohne in der Zeit zu sein – was sowohl ad hoc ist als auch einen Selbstwiderspruch darstellt. [45]

Zusammenfassend denke ich daher, dass wir gute Gründe für die Annahme haben, dass die göttliche Zeitlosigkeit mit der göttlichen Allwissenheit unvereinbar ist, wenn eine temporale Welt existiert und eine A-Theorie der Zeit richtig ist, und außerdem, dass die göttliche Allwissenheit den Vorrang gegenüber der göttlichen Zeitlosigkeit haben sollte, wenn – wie ich behaupte – die Argumente für Gottes Atemporalität bestenfalls nicht beweiskräftig sind.

(Übers.: Marita Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/omniscience-tensed-facts-and-divine-eternity

  • [1]

    D.h. eine Tempusform aufweisend (englisch: „tensed“); Anm. d. Übers.

  • [2]

    Das wiederaufgeflammte Interesse lässt sich auf den einflussreichen Artikel „Eternity“ von Eleonore Stump und Norman Kretzmann zurückführen, erschienen in: Journal of Philosophy 78 (1981): 429-458; siehe auch die kürzlich erschienenen Verteidigungen von Paul Helm, Eternal God (Oxford Clarendon, 1988); John Yates, The Timelessness of God (Lanham, Maryland: University Press of America, 1990); Brian Leftow, Time and Eternity (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1991); Hugh J. McCann, „The God beyond Time“, in Philosophy of Religion, hrsg. von Louis Pojman (Indianapolis: Hackett, 1993).

  • [3]

    Jonathan L. Kvanvig, The Possibility of an All-Knowing God (New York: St. Martin's, 1986), S. 66-70.

  • [4]

    Der Fortschritt der neuen Referenztheorie gegenüber Freges Auffassung ist ihre Unterscheidung der linguistischen Bedeutung von dem propositionalen Inhalt. „Ich bin Kvanvig“ und „Sie sind Kvanvig“ haben aufgrund der verwendeten unterschiedlichen Personal-Indizes unterschiedliche linguistische Bedeutungen, doch im entsprechenden Kontext drücken sie dieselbe Proposition aus. Siehe John Perry, „The Problem of the Essential Indexical“, Noûs 13 (1979): 3-21. Der Mangel der neuen Referenztheorie liegt jedoch darin, dass sie nicht darüberhinaus zwischen linguistischer Bedeutung und kognitiver Bedeutung unterscheidet – ein Mangel, dessen Bedeutung für Allwissenheit in der weiteren Erörterung deutlich wird. Zu diesem Mangel siehe Howard Wettstein, „Has Semantics Rested on a Mistake?“ Journal of Philosophy 8 (1986): 195.

  • [5]

    Kvanvig, All-Knowing God, S. 155.

  • [6]

    Ibid., S. 159.

  • [7]

    Ibid., S. 156.

  • [8]

    Ibid., S. 154. Kvanvig assimiliert irrtümlich alle tempushaften Ausdrücke mit temporalen indexikalischen Ausdrücken. Eine Proposition, die sich ohne Verwendung temporaler Indizes, aber nicht ohne Verwendung tempushafter Verben ausdrücken lässt, sollte dennoch als essentiell temporale Proposition betrachtet werden. Nicht klar ist ferner, was Kvanvig mit „implizieren“ beabsichtigt. Verbal tempushafte Ausdrücke brauchen keine temporalen indexikalischen Ausdrücke zu implizieren; z.B. kann die Proposition „Es existieren keine empfindungsfähigen Geschöpfe“ durch den entsprechenden Gegenwartssatz ausgedrückt werden, ohne den Satz „Es existieren jetzt keine empfindungsfähigenGeschöpfe“ zu implizieren. Kvanvig sollte „implizieren“ durch „verwenden“ und „temporale indexikalische Ausdrücke“ durch „tempushafte Ausdrücke“ ersetzen. 

  • [9]

    Kvanvig irrt auch (wie er jetzt einräumt) mit der Behauptung, dass die linguistische Bedeutung indexikalischer Ausdrücke dazu dient, ein direktes von einem indirekten Erfassen des propositionalen Inhalts zu unterscheiden. Eine ähnliche Schwäche kennzeichnete die Perry-Kaplan-Analyse von Indizes und Demonstrativa.

  • [10]

    Edward R. Wierenga, The Nature of God: An Inquiry into Divine Attributes, Cornell Studies in the Philosophy of Religion (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1989), S. 179-185.

  • [11]

    Ibid., S. 47-54.

  • [12]

    Das heißt, dass Wierengas Analyse keine plausible Erklärung für die kognitive Bedeutung der Überzeugungen einer Person bietet. Ich halte es für offensichtlich, dass ich, indem ich urteile, dass „es regnet“, keine Überzeugung über eine bestimmte Zeit und über das Zuschreiben einer besonderen Eigenschaft dieser Zeit habe, selbst wenn der propositionale Inhalt, der durch eine Aussage meiner Überzeugung ausgedrückt wird, tatsächlich eine solche Zeit und eine solche Eigenschaft enthält. Zu berücksichtigen ist, dass Wierenga eine Erklärung für eine Überzeugung de praesenti bietet, nicht für den propositionalen Inhalt einer Überzeugung. 

  • [13]

    Wierengas Konzept des Erfassens einer Proposition ist ziemlich obskur, aber hier ist nicht der Rahmen für einen Kommentar.

  • [14]

    Siehe Alvin Plantinga, The Nature of Necessity, Clarendon Library of Logic and Philosophy (Oxford: Clarendon Press, 1974), S. 61.

  • [15]

    Plantinga, der behauptet, dass man die indviduelle Essenz oder Diesheit einer anderen Person erfassen kann, versteht unter Diesheit nicht das Sein oder Einschließen der Eigenschaft, ich zu sein, sondern einfach eine indviduelle Essenz (Alvin Plantinga, „De Essentia“, in: Essays on the Philosophy of Roderick M. Chisholm, hrsg. von Ernest Sosa, Grazer philosophische Studien 7/8 [Amsterdam: Rodopi, 1979], S. 101-106). Indem er sich auf die Seite von Chisholm stellt (Roderick M. Chisholm, „Objects and Persons: Revision and Replies“, in: Philosophy of Chisholm, S. 320), der eine Diesheit als spezielle individuelle Essenz versteht, welche die Eigenschaft einschließt, ich zu sein, hat Wierenga das Recht auf eine öffentliche Erfassbarkeit einer Diesheit verloren. 

  • [16]

    Leftow, Time and Eternity, S. 333.

  • [17]

    Ibid.

  • [18]

    Ibid., S. 239.

  • [19]

    Wenn alle Ereignisse in der Ewigkeit präsentische Aktualität haben, tauchen alle bekannten Probleme wieder auf, wie zum Beispiel: Warum sind dann nicht alle Ereignisse in der Ewigkeit simultan? Wie kann God wissen, welche Simultaneitätsklasse von Ereignissen wirklich gegenwärtig ist? Wie kann er wissen, welche Ereignisse früher oder später sind als andere Ereignisse? Warum ist die Ewigkeit in ihrer Existenz nicht flüchtig?

  • [20]

    Brian Leftow, „Eternity and Simultaneity“, in: Faith and Philosophy 8 (1991): 170, 179.

  • [21]

    Leftow, Time and Eternity, S. 334.

  • [22]

    Vgl. Leftows Erklärung: „Aus jedem Bezugssystem kann man extrapolieren, welche Urteile der Simultaneität in anderen Bezugssystemen korrekt wären. … Also … weiß Gott für jedes temporale Jetzt, was jetzt gerade geschieht (d.h. simultan zu diesem Jetzt) …“ (Ibid., S. 235).

  • [23]

    Leftow, Time and Eternity, S. 335-336.

  • [24]

    Dies behauptet etwa Herbert J. Nelson, „Time(s), Eternity, and Duration“, in: International Journal for Philosophy of Religion 22 (1987): 18); vgl. William Hasker, God, Time, and Knowledge, Cornell Studies in the Philosophy of Religion (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1989), S. 159. Einige Referenten von Faith and Philosophy für dieses Paper machen denselben Fehler. Sie behaupten, dass es in der Ewigkeit keine tempushaften Tatsachen gibt, sodass man nicht erwarten kann, dass Gott sie weiß. Doch auch wenn wahr ist, dass es für einen zeitlosen Gott unmöglich ist, tempushafte Tatsachen zu wissen, impliziert dies nicht, dass ein solcher Gott dennoch berechtigterweise als allwissend bezeichnet werden kann. Denn wenn der propositionale Inhalt, der durch tempushafte Sätze ausgedrückt wird, tempushaft ist, ist ein zeitloser Gott per definitionem nicht allwissend, weil er nicht alle wahren Propositionen weiß.

  • [25]

    Einige Referenten für dieses Paper berücksichtigen diesen Punkt nicht. Sie argumentieren, dass es ausgehend von der Annahme, dass Gott zeitlos ist, naheliegt, die Definition der Allwissenheit so zu revidieren, dass sie nicht verlangt, dass Gott tempushafte Propositionen weiß. Doch eine Definition der Allwissenheit enthält nicht per se einen Bezug auf Gott oder auf Zeitlosigkeit, sodass eine Änderung der Definition der Allwissenheit aufgrund der Zeitlosigkeit Gottes ad hoc ist. Wenn wir gute Gründe für die Annahme haben, dass Gott zeitlos ist, handelt es sich dabei um Gründe für die Annahme, dass Gott nicht allwissend ist, nicht für eine Änderung der Definition der Allwissenheit an sich. Die Frage ist dann, ob ein vollkommenes Wesen allwissend sein muss – eine Frage, die wir an der entsprechenden Stelle erörtern werden. 

  • [26]

    Wierenga, Nature of God, S. 189.

  • [27]

    Ibid., S. 198, 189.

  • [28]

    Stephen T. Davis, Logic and the Nature of God (Grand Rapids, Mich.: Wm. B. Eerdmans, 1983), S. 37.

  • [29]

    – durch die Annahme, dass es keine zeitlos wahren Propositionen gibt. Falls es sie gibt, müssen O' und O'' durch Zusätze ergänzt werden, um sicherzustellen, dass Gott auch diese weiß.

  • [30]

    Leftow, Time and Eternity, S. 321-323.

  • [31]

    Siehe William Alston, „Does God Have Beliefs?“, in: Religious Studies 22 (1986): 287-306.

  • [32]

    Dies wäre eine strittige Annahme, wie Leftow, Time and Eternity, S. 318, feststellt, da es offenbar Tatsachen gibt, die nicht-propositionaler Art sind, z. B. dass ich William Craig bin. Wenn tempushafte Tatsachen nicht-propositionaler Art sind, dann wird die notwendige Wahrheit von (4) nicht dadurch untergraben, dass Gottes Wissen nicht-propositional ist. Denn ein allwissendesr, nicht-propositionaler Wissender, muss tempushafte Tatsachen wissen.

  • [33]

    So urteilt auch Richard M. Gale, „Omniscience-Immutability Arguments“, in: American Philosophical Quarterly 23 (1986): 332; vgl. idem, On the Nature and Existence of God (Cambridge: Cambridge University Press, 1991), S. 90-91.

  • [34]

    Siehe meinen Artikel „The Tensed vs. Tenseless Theory of Time: A Watershed for the Conception of Divine Eternity“, in: Questions of Time and Tense, hrsg. von Robin LePoidevin (Oxford: Oxford University Press, 1998), S. 221-250.

  • [35]

    Kvanvig, Possibility of an All-Knowing God, S. 159.

  • [36]

    Ibid., S. 151.

  • [37]

    Leftow, Time and Eternity, S. 323-326.

  • [38]

    Ibid., S. 322.

  • [39]

    Ibid., S. 323.

  • [40]

    Siehe meine Artikel „Timelessness and Creation“, in: Australasian Journal of Philosophy 74 (1996): 646-656; „Divine Timelessness and Necessary Existence“, in: International Philosophical Quarterly 37 (1997): 217-224; „On the Argument for Divine Timelessness from the Incompleteness of Temporal Life“, in: Heythrop Journal 38 (1997): 165-171; „On the Alleged Metaphysical Superiority of Timelessness“, in: Sophia 37 (1998): 1-9.

  • [41]

    Siehe Anmerkung 33.

  • [42]

    Zu diesen Einwänden siehe Kvanvig, Possibility of an All-Knowing God, S. 48-56.

  • [43]

    Ibid., S. 160.

  • [44]

    Zu Kritiken siehe Davis, Logic and the Nature of God, S. 20; Delmas Lewis, „Eternity Again: a Reply to Stump and Kretzmann“, in: International Journal for Philosophy of Religion 15 (1984): 74-76; Helm, Eternal God, S. 32-33; Hasker, God, Time, and Knowledge, S. 164-166; Yates, Timelessness of God, S. 128-130; Leftow, Time and Eternity, S. 170-172.

  • [45]

    Kvanvig gibt mehr oder weniger zu, dass diese Lösung ad hoc ist, indem sie sich nichtssagend auf göttliche Allmacht als Begründung beruft. Letztlich ist die Lösung jedoch inkohärent, da Tempushaftkeit nach seiner Auffassung gerade aus dem direkten Erfassen entsteht, indem Tempushaftkeit nicht zur Essenz einer Zeit gehört. Wenn Gott Ereignisse direkt als gegenwärtig erfasst und sie dennoch nicht wirklich gegenwärtig sind, erfasst er sie in Wirklichkeit nicht direkt.