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Ein paar Minuten mit Prof. William Lane Craig: Interview von John D. Martin

Summary

Ein Interview über die Verteidigung des Glaubens.

Vom 28.-30. März 2004 hat der christliche Philosoph, Theologe, Autor und Redner Prof. Dr. William Lane Craig eine Reihe von Workshops und Diskussionen auf dem Campus der Purdue Universität in West Lafayette, Indiana, gehalten. Höhepunkt der Veranstaltungsreihe war die Debatte über die Existenz Gottes mit dem atheistischen Philosophen Dr. Austin Dacey am Dienstagnachmittag. Dr. Craig hat sich trotz seines vollen Zeitplanes freundlicherweise Zeit genommen, mit mir im Auftrag von Boundless zu sprechen. Es folgt ein Transkript meines Interviews.

Boundless: Guten Tag, Herr Prof. Craig. Ich würde mit Ihnen gerne kurz über Anliegen der Apologetik und Evangelisation auf dem Campus sprechen. Ich habe speziell Fragen, die Universitätsstudenten beschäftigen, die in einem säkularen Umfeld leben und arbeiten. Ich habe gleich zu Anfang einmal eine allgemeine biografische Frage an Sie: Wie kamen Sie zu dieser besonderen Art von Dienst?

Craig: Ich stamme aus einer nicht-christlichen Familie. Als ich in der High School zu Christus kam, wollte ich mit meinem Bruder und nicht-christlichen Freunden an der Schule über den Glauben sprechen. So wurde ich sofort mit der Notwendigkeit konfrontiert, Begründungen für meinen neugefundenen Glauben zu liefern. So habe ich gleich von Anfang an versucht, in Gesprächen über meinen Glauben Gründe dafür anzugeben. Dieses Interesse verstärkte sich, als ich das Wheaton College besuchte, wo man mich lehrte, meinen Glauben und Wissen miteinander zu integrieren. Es war dort, dass ich den Ruf spürte, in ein Gebiet der Evangelisation zu gehen, das sowohl den Kopf als auch das Herz ansprechen würde.

Boundless: OK. Ich würde gerne über Fragen der Apologetik und der Evangelisation auf dem Campus sprechen. Was sind die größten Herausforderungen für Christen, die auf einem heutigen Campus intellektuelle Argumente für ihren Glauben darlegen wollen?

Craig: Ich denke, das größte Hindernis heute ist der religiöse Pluralismus oder Relativismus. Studenten denken nicht, dass religiöse Überzeugungen Wissen sind. Sie denken nicht, dass sie Ausdruck von Tatsachen sind, und glauben nicht, dass es sich dabei um Dinge handelt, die man wissen kann. Und somit glauben sie, dass religiöse Überzeugungen lediglich Ausdruck des persönlichen Geschmacks oder der persönlichen Meinung seien. Infolgedessen reagieren sie sehr aufgebracht, wenn Christen behaupten, dass sie die Wahrheit darüber wissen, und halten Christen für bigott, dogmatisch oder sogar für unmoralisch. Ich glaube, dass dies die größte Herausforderung darstellt. Eine weitere Herausforderung hängt damit zusammen. Aufgrund der Stellung, die Christen heute zu moralischen Fragen beziehen, stufen uns viele nicht-christliche Studenten als wirklich unmoralische, schlechte Menschen ein. Ein nicht-christlicher Student drückte es mir gegenüber so aus: “Wie kommt es, dass Christen bei moralischen Fragen wie Abtreibung, Homosexualität usw. immer auf der falschen Seite stehen?" Für ihn sind Christen wirklich unmoralische Menschen aufgrund der Positionen, die sie vertreten, und das stellt ein riesiges Hindernis dar, unseren Glauben anderen Menschen zu empfehlen.

Boundless: Wie hat sich diese Art von apologetisch orientiertem Dienst auf dem Campus in den letzten Jahren verändert? In Anbetracht dieses Pluralismus' und Relativismus', hat er sich da verändert?

Craig: Ich denke nicht, dass er sich verändert hat. Ich meine, wir müssen weiterhin dasselbe tun, außer, dass wir direkter und offensiver Themen wie Pluralismus und Relativismus ansprechen müssen, und so bin ich sehr erpicht darauf, darüber Vorträge zu halten. Es ist interessant. Wenn ich darüber einen Vortrag halte und Probleme auf sehr anschauliche Weise darstelle, dann mache ich die Probleme so schwierig wie möglich, bevor ich versuche, sie zu lösen. Die Reaktion, die ich von Studenten erhalte, ist sehr positiv. Ich erlebe keine Feindseligkeit oder Skeptizismus. Ich stelle fest, wenn man eine gute, solide, gründlich argumentierte rationale Antwort gibt, dann scheint dies dem Bedürfnis zu entsprechen. So glaube ich nicht, dass wir irgendetwas ändern sollten, außer, direkter zu sein und die Themen geradlinig anzugehen.

Boundless: Könnten Sie in aller Kürze den Unterschied zwischen sozialem Pluralismus und philosophischen Pluralismus erklären?

Craig: Politischer Pluralismus ist etwas, was wir alle bejahen, denn wir leben in einer demokratischen Gesellschaft, welche die Grundrechte betont. Wir alle haben Religionsfreiheit, Meinungsfreiheit, die Freiheit zur Meinungsäußerung usw. Und so wollen wir alle, insbesondere als Christen, die an die Gewissensfreiheit glauben, diese Art des politischen Pluralismus bejahen. Doch der Irrtum besteht darin, dass man meint, politischer Pluralismus impliziere auch Pluralismus in Bezug auf die Wahrheit [d. h., auch philosophischen Pluralismus]. Das ist es, was ich ablehne. Ich argumentiere, dass die rechte Grundlage der Toleranz darin besteht, dass jedes menschliche Wesen im Bilde Gottes erschaffen wurde und darum gewisse gottgegebene Rechte, wie Glaubensfreiheit und freie Meinungsäußerung verliehen bekam. Deshalb bedeutet Toleranz, dass ich zwar mit dem, was du sagst, nicht einverstanden sein mag, aber ich werde dein Recht, dies zu äußern, bis auf den Tod verteidigen. Leider haben zu viele Menschen in unserem politisch korrekten Zeitalter den Eindruck, dass Toleranz bedeutet: „Ich wage es nicht, dem, was du sagst, zu widersprechen, damit ich dafür, dass ich es auszusprechen wagte, nicht als bigott oder dogmatisch gebrandmarkt werde“.

Boundless: Ja, das ist eine irrtümliche Verschmelzung von “Toleranz” mit “Übereinstimmung” oder “Zustimmung”.

Craig: Ja.

Boundless: Schauen wir mal … die nächste Frage …Welche Argumente gegen den Theismus scheinen am effektivsten zu sein?

Craig: Ich denke zweifellos, das Problem des unverschuldeten Leidens. Dies besitzt enorme emotionale Anziehungskraft, insbesondere für viele Studenten, die aus schwierigem und dysfunktionalem Familienhintergrund kommen und dadurch selbst zahlreiche emotionale Wunden tragen. Ich glaube, dass sich in vielen Fällen Studenten fragen: „Warum hat Gott es zugelassen, dass ich als Kind in einem Zuhause aufwuchs, das mich emotional so dysfunktional geprägt hat?“ Dieses Problem, so denke ich, spricht viele Studenten an und ist schwer zu lösen.

Boundless: Welche Argumente für den Theismus scheinen am effektivsten?

Craig: Interessanterweise halte ich das moralische Argument für das effektivste. Ich persönlich mag wissenschaftliche und philosophische Argumente, die auf Wissenschaft und Kosmologie basieren. Aber ich stelle fest, dass sie Studenten nicht so sehr bewegen wie das moralische Argument, welches besagt, dass es außerhalb von Gott keine absolute Begründung für moralische Werte gibt. Darum, wenn du Werte wie Toleranz, Liebe, Fairness, die Rechte der Frauen usw. bestätigen willst, dann brauchst du dazu einen transzendenten Ankerpunkt. Du brauchst Gott. Ich denke, Studenten [sind so vertraut mit der Vorstellung Gott ist tot, darum ist alles relativ], dass sie auf das Argument ansprechen, wenn du ihnen sagst, dass es ohne Gott keine absoluten moralischen Werte gibt. Danach hilfst du ihnen einfach zu erkennen, wie schrecklich die Welt ohne absolute moralische Werte wäre, und dass sie selbst – wenn sie in ihr eigenes Gewissen hineinhören – moralische Absolute bereits bestätigen, trotz des Lippenbekenntnisses, welches sie dem Relativismus zollen mögen. Somit hat dieses Argument enorme Anziehungskraft für Studenten. Es ist ein Argument, auf das sie reagieren.

Boundless: Nun weiter zum Gegenteil: Was sind denn die am wenigsten effektiven Argumente gegen Theismus?

Craig: Wissen Sie, das ist wirklich eine schwierige Frage. Ich nehme an, das wären Argumente, die zu abstrakt und philosophisch sind. In einer Debatte beispielsweise, die ich kürzlich mit Walter Sinnott-Armstrong am Dartmouth College hatte, argumentierte er, dass wenn Gott zeitlos sei, Er nicht innerhalb der Geschichte handeln könne. Nun, dieses Argument ist so abstrakt und der alltäglichen Erfahrung fern, dass ich nicht glaube, es bewegt viele Menschen.

Boundless: Nun stellen Sie sich vor, dass Sie zu [christlichen] Intervarsity-Studenten sprechen: Was würden Sie Ihnen sagen, welche Argumente gegen den Atheismus uneffektiv sind?

Craig: Zweifellos denke ich, dass das ontologische Argument wohl das am wenigsten effektive Argument für Gott wäre. Ich bin dennoch so versucht, das ontologische Argument eines Tages in einer Debatte zu verwenden! Ich denke, es ist ein solides Argument, ein gutes Argument für Gottes Existenz. Aber wann immer ich es zu erklären versuche, dann ist es so abstrakt und geht so weit über die Köpfe der Menschen hinweg, dass ich es am Ende doch sein lasse, weil keiner es jemals versteht. Dieses Argument funktioniert nicht sehr gut. Aber ich bin immer noch stark versucht, es eines Tages auszuprobieren.

Boundless: Und nun eine Frage „im Namen von Charismatikern und Pfingstlern“: Ich habe viele Freunde und Bekannte, die zu Gemeinden wie Assemblies of God und Church of God in Christ gehören, und sie konfrontieren mich manchmal, wenn ich über Apologetik spreche, mit der Behauptung, dass nichts davon relevant sei. Sie sagen, „Bekehrung ist allein das Werk des heiligen Geistes. Du wirst nie jemanden durch Argumente in Gottes Reich bringen usw.“ Wie antworten Sie auf eine solche Art von Kritik?

Craig: Was ich dazu sage ist, genauso wie der heilige Geist die Predigt gebrauchen kann, so kann Er auch Apologetik und Argumente gebrauchen, um jemanden zu sich selbst zu ziehen. Der Schlüssel hier ist die Erkenntnis, dass der heilige Geist sich bestimmter Mittel bedient. Er gebraucht Mittel, um Menschen zu sich selbst zu ziehen. Es gibt keinen Grund dafür anzunehmen, dass Er Argumente und Beweise dazu nicht genauso gut wie die Verkündigung gebrauchen kann. Wenn wir in die Apostelgeschichte schauen, dann ist das genau die Art und Weise, wie Paulus vorging. Er argumentierte mit Menschen. Er hielt Vorlesungen in der Halle des Tyrannus. Er diskutierte über diese Dinge mit den Philosophen auf dem Marshügel. Ich habe festgestellt, dass es im Umgang mit Menschen aus charismatischen oder pfingstlerischen Hintergrund am effektivsten ist, sie einfach beobachten zu lassen, wie du Argumente in der Evangelisation gebrauchst. Und sie fangen Feuer. Sie sind nur skeptisch, weil sie nicht miterlebt haben, dass Apologetik wirksam angewandt wird. Ich kam gerade vor ein paar Wochen von einer großen Assemblies of God Gemeinde in Edmonton, Kanada, wo wir über 900 Leute im Alter von 20 Jahren plus hatten. Ich sprach über die Absurdität des Lebens ohne Gott, und sie haben es einfach verschlungen. Du kannst nicht nur auf Emotionen bauen und dabei eine ganze Person sein. Selbst Leute in dieser Subkultur der charismatischen und pfingstlerischen Christenheit haben einen Verstand, der nach Antworten verlangt. Wenn sie Apologetik in Aktion erleben, verbunden mit leidenschaftlicher Hingabe an Christus, dann lieben sie es auch. Sie haben es wirklich begierig aufgenommen.

Boundless: Könnten Sie vielleicht eine Leseliste für christliche Studenten oder Studentinnen vorschlagen, die ein philosophisches Arsenal zur Verteidigung des christlichen Glaubens aufbauen wollen?

Craig: Ich würde zuerst mit der Beherrschung einigen biblischen Materials beginnen. Zum Beispiel würde ich Donald Guthries New Testament Introduction erwerben, veröffentlicht von Intervarsity. Dann würde ich ebenso das Dictionary of Jesus and the Gospels besorgen, ebenfalls veröffentlicht bei Intervarsity. Wer eine gute philosophische Einführung will, J. P. Moreland und ich haben ein Buch geschrieben mit dem Titel Philosophical Foundations for a Christian Worldview, veröffentlicht von Intervarsity. Das ist ein etwas schwieriges Buch oder Buch mittleren Niveaus, aber dennoch wäre es sehr gut, das zu haben. Ein weiteres gutes Buch wäre Reason for the Hope Within, herausgegeben von Michael Murray. Es gibt eine Reihe kleinerer Bücher, die von Ravi Zacharias International Ministries veröffentlicht wurden. Darin schreiben christliche Philosophen über eine ganze Reihe apologetischer Themen. Ich würde die Studenten ermutigen, die ganze Serie dieser fünfzehn kleineren Bücher zu kaufen und durchzuarbeiten. Mein eigenes Buch Reasonable Faith bietet, so meine ich, eine sehr solide positive Apologetik für den christlichen Glauben, die auf der Existenz Gottes und der Auferstehung Jesu als ihren beiden Grundpfeilern beruht. Ich würde auch noch ein weiteres Buch empfehlen mit dem Titel Jesus under Fire, herausgegeben von Wilkins und Moreland, veröffentlicht von Zondervan. Es ist ein großartiges Buch als Antwort auf das sogenannte Jesus-Seminar. Sehr zeitgemäß, denke ich.

Boundless: Geht es in dieselbe Richtung wie Boyds Cynic, Sage, or Son of God?

Craig: Ja, aber es wurde von zahlreichen evangelikalen Autoren geschrieben, die jeweils ein Kapitel beitragen. Dadurch erhält man darin eine wirklich breite Auswahl an Fachwissen.

Boundless: Und könnten Sie etwas als prä-evangelistische Lektüre empfehlen? Sagen wir für diejenigen, die es mit einem skeptischen Mitbewohner, Freund oder Kameraden bzw. Kameradin aus einer Studentenverbindung zu tun haben? Für jemanden, der nicht wirklich die Bibel lesen will. Was würden Sie einer solchen Person empfehlen?

Craig: Ich denke, Lee Strobels Bücher The Case for the Creator und The Case for Christ würden sich gut als Bücher zur Weitergabe an einen Suchenden eignen. Gott hat diese Bücher gebraucht, um viele Menschen zu Christus zu führen, wie ich gehört habe.

Boundless: Danke für Ihre Zeit, Herr Prof. Craig!

(Übers: B. Currlin)


Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/a-few-minutes-with-dr-william-lane-craig-interview-by-john-d-martin