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Christsein mit weltweiter Perspektive

Summary

Eine Herausforderung für Christen, das Evangelium der ganzen Welt zu verkündigen.

Gott ist aktiv – auch heute noch! Überall drängt das Königreich des Lichts die Grenzen der Finsternis auf unserem Planeten zurück. Noch nie hat sich das Christentum so stark ausgebreitet wie heute, noch nie waren seine Chancen so groß wie heute. Wenn ich mir die heutige Situation ansehe, kann ich optimistisch in die Zukunft blicken.

Das mag einige Leser überraschen. Glaubt man den Zeitungen, stagniert der Einfluss des Christentums. Geht nicht eher alles den Bach runter? Geht die Welt nicht zur Hölle? Und muss die Kirche da nicht eher machtlos zusehen? Laut Statistik schwindet der Einfluss der Kirche im Westen seit 1900 zusehends. Der Säkularismus dominiert den Westen; mehr und mehr normiert er intellektuelle Anschauung, Kultur und soziale Werte. Das Evangelium scheint mit der Bevölkerungsexplosion nicht schritthalten zu können. Die Situation scheint aussichtslos.

Sehen Sie die Sache ebenso? Dann habe ich gute Neuigkeiten für Sie! Wir sind Teilnehmer im größten Drama, das die Welt jemals gesehen hat, sind Teil der größten Bewegung der Menschheitsgeschichte! Diese Bewegung umgreift den gesamten Planeten und verändert zahllose Menschenleben. Die pessimistische, von Rückzugsmentalität geprägte Haltung vieler Christen im Westen ist meines Erachtens auf die Kurzsichtigkeit zurückzuführen, die nur auf das Hier und Jetzt gerichtet ist. Sie will keinen Schritt zurücktreten, um das ganze Bild zu betrachten, das Gott malt. Sie zeugt von Unkenntnis der Kirchengeschichte und demographischer Gegebenheiten.

Lassen Sie uns deshalb einen Blick auf die vergangenen zwei Jahrtausende werfen und sehen, wie sich das Christentum entwickelt hat. Aus der „Vogelperspektive“ wollen wir die „große Linie“ der Weltgeschichte ins Auge fassen, ohne uns im Detail zu verlieren. Der Ausblick ist überwältigend: Wir erblicken die größte, erfolgreichste Bewegung der Geschichte überhaupt. Seit dem unscheinbaren Beginn im dreijährigen Dienst eines unbekannten galiläischen Wanderpredigers hat sich der christliche Glaube auf der ganzen Welt ausgebreitet, sodass heute über 1 ½ Milliarden Menschen wenigstens behaupten, Christ zu sein. Damit ist das Christentum die größte Weltreligion. Ein Drittel der Weltbevölkerung bekennt sich zum Christentum, (im Vergleich dazu: 21% zum Islam, 13% zum Hinduismus, 6% zum Buddhismus usw.).Der bedeutende Kirchenhistoriker Kenneth Scott Latourette von der Universität Yale fasst es schön zusammen:

“Die geschichtlichen Ereignisse, die wohl am meisten zum Nachdenken anregen, führen sich auf einen unauffälligen Beginn zurück, fünf Jahrhunderte dauerte es, da bekannte sich die überwältigende Mehrheit der griechisch-römischen Welt zum Christentum. Es überlebte den Untergang der alten Welt und verbreitete sich als kulturprägende Kraft in knapp 2000 Jahren auf dem ganzen Planeten.“

Beim Rückblick auf die Geschichte dieser bemerkenswerten Bewegung ist lehrreich, auf das wie dieser Ausbreitung zu achten. Das Wachstum der Christenheit ist mit einer enormen Gezeitenströmung verglichen worden, die anrollt und wieder zurückgeht, anrollt und zurückgeht, dabei aber mit der Zeit immer stärker an Boden gewinnt.

Das erste Anrollen umfasste die ersten fünf Jahrhunderte n. Chr. Aus einer verfolgten Splitterreligion des Judentums wuchs das Christentum, bis es die Religionen Griechenlands und Roms ersetzte und zur Staatsreligion des römischen Imperiums wurde. Selbst dieser unglaubliche Triumph war keine Garantie, dass es den Niedergang und Fall Roms überleben würde.

In der Tat: Die darauffolgenden 450 Jahre sollten den schlimmsten und längsten Rückgang dieser Welle bedeuten. Der Islam versetzte dem Christentum einen Schlag, von dem es sich bis heute noch nicht erholt hat. Rein geografisch bedeutete dies einen Rückgang des christlichen Glaubens um fünfzig Prozent. Die christlichen Kirchen mussten Moscheen weichen; heute finden sich vereinzelte Überreste davon.

Um 950 n. Chr. erlebte das Christentum eine weitere Welle der Ausbreitung. Dieser Vorstoß dauerte etwa 400 Jahre. Der Glaube drang bis nach Skandinavien, Zentralasien, Äthiopien, China und Indien vor. Nie zuvor war eine andere Religion – geographisch gesehen – so verbreitet; der Einfluss des Christentums war nun noch größer geworden als je zuvor.

Auf den Höhepunkt folgte erneut ein Rückgang, diesmal weder so lang noch so tragisch. Von 1350 bis 1500 litt die Kirche, während alte Reiche untergingen und sich neue Reiche erhoben. Das mongolische Großimperium Dschingis Khans zerfiel und trennte Zentralasien und China vom christlichen Westen ab.

In Zentralasien wandten sich die Mongolen dem Islam zu; heute umfasst der Islam die moslemisch dominierten Nationen im Süden der früheren Sowjetunion. Mittlerweile erstand das ottomanische Reich der Türken, überrollte das Gebiet der heutigen Türkei und verbreitete den Islam. Konstantinopel (das heutige Istanbul), das als Hauptstadt der Christenheit Rom ablöste, wurde geplündert, und die berühmte Hagia Sophia wurde in eine Moschee umgebaut. Heute ist sie ein Museum. Trotz dieser Rückschläge drang das Christentum während dieser Zeit nach Russland vor, und Moskau erklärte sich zum Nachfolger Roms und Konstantinopels und als Sitz der wahren Christenheit.

Es folgte die protestantische Reformation (um 1500). Die Erweckung, die sie hervorbrachte, führte dazu, dass sich das Christentum die nächsten zweieinhalb Jahrhunderte auf spektakuläre Weise ausbreitete.

Von 1750 bis 1815 stagnierte das Christentum. Dann ereignete sich das „Große Jahrhundert“ des Christentums (1815 bis 1914). Angespornt durch die evangelikalen Erweckungen in England und Amerika während des späten 18. Jahrhunderts wurde die moderne Missionsbewegung geboren. Das Evangelium gelangte nach Afrika, China, auf die pazifischen Inseln und in die amerikanischen Siedlungsgebiete. Eine solche Ausbreitung war unter den Religionen in jeder Hinsicht beispiellos.

Die größte Ausbreitung erfuhr das Christentum im 19. Jh. in den Vereinigten Staaten von Amerika. Noch 1815 waren weniger als ein Zehntel der US-Bevölkerung Kirchenmitglieder. Die Kirche stand vor enormen Hindernissen: Die Bevölkerung wanderte westwärts, die Millionen Einwanderer aus Europa, ausgebeutete nicht-christliche Minderheiten unter Indianern und schwarzen Sklaven, die es zu evangelisieren galt usw. Erstaunlicherweise zeigte sich die Kirche dieser Aufgabe gewachsen: bis zum Ende des Großen Jahrhunderts war die Kirchenmitgliedschaft von weniger als einem Zehntel auf mehr als zwei Fünftel der Bevölkerung angewachsen, wobei der Zuwachs überall proportional gleich war, sei es unter Schwarzen, Weißen oder Indianern.

Die Bedeutung dieser Evangelisierung Amerikas im 19. Jh. ist kaum zu überschätzen. Sie bereitete die Bühne für den gewaltigen Einfluss des christlichen Glaubens im nachfolgenden Jahrhundert, denn die USA sollten zur Weltmacht werden. Das Christentum machte Amerika zur reichsten und mächtigsten Nation der Welt. Das verdankt Amerika der Evangelisation im 19. Jh.; Amerika gilt als das Land mit dem höchsten Christenanteil in der Bevölkerung, es ist das am stärksten evangelisierte Land der Erde: 22% der evangelikalen Christen weltweit leben in den USA, und die Vitalität, Verschiedenartigkeit und Größe ihrer christlichen Organisationen und Aktivitäten lassen sich kaum beschreiben. Die Evangelisierung Amerikas war das Hauptinstrument, der Welt im 20. Jahrhundert das Christentum zu bringen: 35% aller Missionare auf der Welt sind aus den USA, und 76% aller weltweiten evangelikalen Spenden kommen aus Amerika. Die Gründe, Gott zu loben, sind zahllos!

Die Welt des 19. Jahrhunderts erlebte 1914 ihr erschütterndes Ende mit dem Ausbruch des 1. Weltkriegs, in dem der Welt das Spektakel dargeboten wurde, wie sich nominell christliche Nationen gegenseitig in Europa zerstörten. Mit dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs fand das 19. Jh. sein erschütterndes Ende. Die nominell christlichen Nationen Europas fielen in Vernichtungswut übereinander her. Der Historiker Paul Johnson merkt an: „Es war der Selbstmord Europas und damit auch in gewissem Sinn der Selbstmord des Christentums.“

Obwohl dieser Krieg

“… noch im christlichen Kontext geführt wurde, trug die Welt, die aus diesem Krieg hervorging, erste unmissverständliche Anzeichen der totalen Entchristianisierung auf staatlicher Ebene. 1917 ereignete sich die Geburt des ersten atheistischen Staates (Russland), der sich der Zerstörung jeglicher Art von Religion und besonders des Christentums verschrieb. Dieses üble Regime brachte Menschen hervor, die alle sittlichen Vorbehalte des Christentums von sich warfen …“

Die Auswirkung dieses Wandels auf die Weltordnung war erschreckend. Johnson ist der Überzeugung, der Hauptgrund für die Gräueltaten des 20. Jahrhunderts liege darin, dass gottlose Männer an die Macht gelangten, die keinerlei moralischen Verhaltenskodex mehr anerkannten. Lenin hasste das Christentum und war entschlossen, es auszurotten. Für Lenin gab es keinen christlichen Verhaltenskodex. Im Namen des Staates und der Partei kann alles gerechtfertigt werden. „Können wir uns dann noch wundern“, so fragt Johnson, „dass dieses Monster fünf Millionen Landsleute ermordete oder zu Tode hungern ließ und sein Nachfolger Stalin sich weiterer 20 Millionen Menschen entledigte?“ Das unmoralische Pendant zu Lenin und Stalin hieß Adolf Hitler.

Johnson sagt, Hitler hasste das Christentum mit einer Leidenschaft, die es mit der Lenins aufnehmen konnte. Kurz nach seiner Machtübernahme 1933 erzählte er Hermann Rauschwig, dass er „beabsichtige, die christliche Wurzel samt ihrer Zweige auszurotten“. „Man ist entweder ein Christ oder ein Deutscher“, so sagte er, „man kann nicht beides sein“. Hitler hielt es für ratsam, die Staatskirche zu benutzen, bis das Dritte Reich die Oberhand gewonnen hatte; war dieses Ziel erreicht, wollte er die Christen auslöschen wie die Juden. „Ist es verwunderlich“, so schreibt Johnson, dass diese beiden furchterregenden Regime des Kommunismus und Nationalsozialismus, welche von Männern geschaffen worden waren, die sich der Zerstörung des Christentums verschrieben hatten und die „die Welt in ein zerstörerisches Harmagedon hineinrissen, welches 50 Millionen Leben kostete? Die Menschen verfielen einem Ausmaß an Grausamkeit und Bosheit, wie es nie zuvor praktiziert worden oder auch nur vorstellbar war. Hatte die Welt je solche Schrecken wie Auschwitz oder den Archipel Gulag erlebt? Hier zeigten sich die ersten bitteren Früchte einer entchristianisierten Welt.“

In der Nachkriegsära war das bedeutendste und dramatischste Phänomen der plötzliche und massive Rückzug westlicher Kolonialmächte aus der Dritten Welt. Totalitarismus, Bürgerkrieg und internationaler Krieg füllten das entstandene Vakuum. In den vier Jahrzehnten, die dem Zweiten Weltkrieg folgten, forderten Kriege und Bürgerkriege in der Dritten Welt etwa 35 Millionen Menschenleben, ganz zu schweigen von den zahllosen Menschen, die in Gefängnissen oder durch Hungersnöte umkamen, welche durch korrupte Regime ausgelöst worden waren und wo man, wie in Äthiopien, die sittlichen Vorbehalte einer christlichen Regierung über Bord geworfen hatte.

Wenn man diese tragischen und furchtbaren Statistiken betrachtet, wird man vermuten dürfen, dass wir mit dem Ende des Großen Jahrhunderts im Jahre 1914 erneut in eine jener unheilvollen Zeiten eingetreten sind, in der sich das Christentum auf dem Rückzug befindet. Und doch – und dies ist das paradoxe, wohl bestgehütete Geheimnis, von dem man in den Abendnachrichten nichts erfährt – dies ist nicht wahr. Die Wahrheit ist, dass trotz dieser Rückschläge, trotz der auf staatlicher Ebene stattfindenden Entchristianisierung, das 20. Jahrhundert eine Ära unglaublichen Vormarsches des christlichen Glaubens auf der ganzen Welt war.

Professor Latourette charakterisierte die drei Jahrzehnte zwischen 1914 und dem Ende des 2. Weltkriegs als “Vormarsch durch Sturm”. Obwohl das Christentum sich während des Großen Jahrhunderts sehr weit verbreitet hatte, war die Prozentzahl der Christen in den einzelnen Ländern relativ klein. Doch während des Zwanzigsten Jahrhunderts vervielfachten sich diese Prozentzahlen. Während der dreißig Jahre bis 1945 verdoppelte sich die Prozentzahl der Christen in der nicht-westlichen Welt nahezu. Das Vierteljahrhundert, das dem Zweiten Weltkrieg folgte und während dessen die westlichen Mächte sich aus der Dritten Welt zurückzogen, wurde von dem Missiologen Ralph Winter als „die 25 unglaublichen Jahre“ bezeichnet, in denen das Christentum einen noch nie da gewesenen Wachstumsschub in der nicht-westlichen Welt erlebte. In Afrika hingen im Jahre 1900 nur 3% der Bevölkerung dem Christentum an. Bis zum Jahre 1970 wuchs die Prozentzahl auf 28%. In Lateinamerika wuchs die Zahl der Protestanten von weniger als zwei Millionen im Jahre 1945 auf mehr als 19 Millionen bis 1970. Der Protestantismus in der gesamten nicht-westlichen Welt hatte bis 1964 einen 18fachen Anstieg über einen Zeitraum von 60 Jahren erlebt. Das ist eine Wachstumsrate, die mehr als doppelt so ist groß wie die Bevölkerungswachstumsrate während desselben Zeitraums.

Können die 25 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg als „unglaublich” bezeichnet werden, dann gehen uns allmählich die Superlative für das letzte Viertel des Zwanzigsten Jahrhunderts aus. Nie zuvor kamen so viele Menschen mit dem Evangelium in Berührung; noch nie war das Wachstum evangelikaler Christen so ermutigend. Der prozentuale Anstieg evangelikaler Christen in der Dritten Welt war geradezu spektakulär: In den 25 Jahren von 1975 bis 2000 wuchs die Zahl der Evangelikalen in der Dritten Welt von 68 Millionen auf 300 Millionen. Das ist ein jährliches Wachstum von 6,7%, gut mehr als das zweifache der Bevölkerungswachstumsrate. In Lateinamerika waren 1970 nur 5% der Bevölkerung evangelikal. Heute sind es über 10%. Die höchsten Prozentzahlen weisen Chile (17%), Honduras (18%), El Salvador (20%) und Guatemala (26%) auf. In Afrika waren 1970 etwa 7% der Bevölkerung evangelikal; heute sind es mehr als 14% – eine gute Verdoppelung also innerhalb von 30 Jahren. In Asien haben sich die dramatischsten Vorstöße des Evangeliums im letzten Viertel des 20. Jahrhunderts ereignet. In den zehn Jahren nach 1975 wuchs die Zahl der Protestanten um beinahe 10% pro Jahr. Dies steht im Vergleich zu einem jährlichen Bevölkerungswachstum von nur 1,7%. 1987 gab es in Asien mehr Evangelikale als in Nordamerika; 1991 waren es bereits mehr als in der gesamten westlichen Welt! So machen heute in Korea Evangelikale über 21% der Bevölkerung aus. In Indonesien erfuhr das Christentum nach dem blutigen Putsch im Jahr 1965 schnelles und beständiges Wachstum innerhalb einer überwiegend moslemischen Gesellschaft – die erste moslemische Gesellschaft überhaupt, in der sich ein solches Phänomen ereignet hat. Doch eine der erstaunlichsten Geschichten hat wohl China. Als 1948 viele Missionare gezwungen worden waren, China zu verlassen, gingen sie mit einem Gefühl des Versagens und der Niederlage. Lange danach glaubte man, das repressive kommunistische Regime habe das Christentum nahezu ausgelöscht. Dann, während der 1970er Jahre, drangen Nachrichten aus China zu uns: Die Kirche war aufgeblüht und gewachsen, obwohl sie in den Untergrund gedrängt worden war. Seit dem Ende der Kulturrevolution Mao Tse-Tungs im Jahre 1976, während der etwa 20 Millionen Menschen umgebracht worden waren, ist das Wachstum der Kirche in China beispiellos; bis heute zählt sie mehr als 90 Millionen Gläubige. In den Worten Patrick Johnstones: Mao Tse-Tung wurde ohne sein Wissen zum größten „Evangelisten“ in der Geschichte!

Bachten Sie: Gott wirkt auch heute in unserer Welt! Er baut Seine Kirche, so wie er sie über all die Jahrhunderte gebaut hat. Ich erinnere mich an Jesu Worte Matth 13,31:

„Das Himmelreich gleicht einem Senfkorn; wenn es aber gewachsen ist, so ist es größer als alle Kräuter und wird ein Baum, so dass die Vögel unter dem Himmel kommen und wohnen in seinen Zweigen“.

Die Statistiken, die ich vorgestellt habe, lassen sich anhand einiger bemerkenswerter Zahlen zusammenfassen, die Ralph Winter herausgegeben hat. Die Grafik „The diminishing task“ stellt die Zahl evangelikaler Christen den Nicht-Christen gegenüber. Diese Zahlen enthalten keinerlei Namenschristen. Im Jahr 100 kamen auf einen Christen 360 Ungläubige. Bis 1000 waren es nur mehr 220. Im Jahr 1900 reduzierte sich die Zahl auf 29, und 1950 waren es nur mehr 21. Im Jahr 2000 standen einem Christen sieben Nichtchristen gegenüber. Selbst wenn man die Namenschristen den Ungläubigen zuzählt, kommen auf einen Christen nur 9 Ungläubige.

Glauben Sie an die Möglichkeit der Weltevangelisation? Ich jedenfalls tue es. Wir sind gewöhnt, zu hören, die Weltbevölkerungsexplosion übertreffe das Wachstum der Christenheit. Die Statistiken, die ich angeführt habe, strafen diese Ansicht Lügen. Die evangelikale Christenheit wächst mehr als dreimal so schnell wie die Weltbevölkerung. Ist Ihnen bewusst, dass die meisten Menschen, die jemals gelebt haben, heute am Leben sind? Wir haben die Zahlen, die finanziellen und technischen Mittel, die gesamte Welt in unserer Generation zu evangelisieren und damit die Mehrheit der Menschheit zu erreichen, die je auf diesem Planeten gelebt hat! Jetzt werden Sie meinen Enthusiasmus nachvollziehen können.

Das Beste kommt aber noch. Die Hauptschwierigkeit der Weltevangelisation liegt in der Feindseligkeit vieler Länder gegenüber dem Evangelium In diesen Ländern leben hunderte Millionen Menschen. Eine Evangelisation scheint in diesen Ländern aussichtslos. Schätzungen nach sind derzeit etwa 15-25% der Weltbevölkerung nicht für das Evangelium erreichbar. Doch auch hier wirkt Gott auf unglaubliche, unvorhersehbare Weise. Bücher über Weltmission aus den 80er Jahren beklagten die Tatsache, dass 20% der Weltbevölkerung als nicht-religiös oder atheistisch zu bezeichnen sind. Damit wäre der Atheismus die zweitgrößte Religion der Welt. Viele dieser Menschen lebten in kommunistischen Ländern wie der ehemaligen Sowjetunion oder in China, Ländern also mit offiziell atheistischer Ideologie. Der politische Zusammenbruch der Sowjetunion ermöglichte die offene Verkündigung des Evangeliums und führte zu einer massiven Hinwendung zu Gott. Der Zusammenbruch des kommunistischen Systems und der marxistisch-leninistischen Ideologie kam so plötzlich und unerwartet, dass Veröffentlichungen über die aktuelle Lage über Nacht veralteten. So findet sich im Buch Gebet für die Welt aus dem Jahr 1986 folgendes zum Stichwort Sowjetunion:

„Beten Sie, dass die aktiven Bemühungen atheistischer Lehrer, diskriminierender Gesetze, der Geheimpolizei und der Gefängnisse, den Untergang des Christentums zu beschleunigen, nicht nur fehlschlagen mögen, sondern dass die Kirche siegreich daraus hervorgehen kann. 1985 schwor der neue Führer der Sowjetunion, Michael Gorbatschow, dass er erreichen würde, was seine Vorgänger nicht geschafft hatten, nämlich die Auslöschung des religiösen Glaubens in der UdSSR. Beten Sie, dass sein Versagen in den kommenden Jahren überreichlich deutlich wird!“

Wenn das, was darauf folgte, keine Gebetserhörung ist!

Das marxistisch-leninistische System, das über ein Viertel der Erdoberfläche erobert, Millionen Menschenleben gefordert und zu unermesslichem Leid geführt hat, das System, das einer Milliarde Menschen verbot, das Evangelium zu hören und zu glauben, hatte sich über Nacht beinahe verflüchtigt. George F. Kennan, der politische Planer der amerikanischen Politik während des Kalten Krieges, sagte, der Fall der Sowjetunion gehöre zu den bedeutendsten Ereignissen der Geschichte. Damit dürfte er kaum übertreiben: die Bedrohung eines weltweiten atomaren Holocaust, das Wettrüsten, sowjetisch gesponserte nationale Befreiungskriege – all das ist vorbei. Geistlich gesehen sind die Veränderungen dramatisch: 416 Millionen Menschen aus Osteuropa (derzeit 3% Christen) stehen nun für das Evangelium offen. Islamischen Länder Zentralasiens wie Kasachstan und Kirgisistan, die das Christentum im 15. Jahrhundert ausgelöscht hatten, sind erneut offen für das Evangelium. Noch während ich dies schreibe, ereignen sich dramatische Veränderungen in dieser Region. Die Befreiung Afghanistans und des Iraks durch die USA hat christlichen Nothilfeorganisationen den Eintritt in diese moslemischen Länder ermöglicht, und wer weiß, wie Gott das für sein Königreich gebrauchen wird?

Was für ein Privileg, heute zu leben! Zu einer strategisch so bedeutsamen Zeit der Geschichte zu gehören, in der Gott in so dramatischer Weise wirkt! Freilich stößt die Weltevangelisation weiter auf Hindernisse; das Bedeutendste ist wohl der islamische Block. Doch ich bin fest davon überzeugt: Wie der Eiserne Vorhang, so wird auch der islamische Block noch zu unseren Lebzeiten zusammenbrechen, das Evangelium wird auch die betroffenen Länder erreichen. Dies mag auf unerwarteten Wegen geschehen. Ich sprach kürzlich mit einem international tätigen christlichen Journalisten, der in Peking stationiert ist. Er sagte, chinesische Christen sind der Ansicht, Gott habe die Kirche Chinas berufen, die islamische Welt zu evangelisieren! Entlang der alten Seidenstraße und der Karavanenwege wollen sie das Evangelium quer durch die islamischen Länder Zentralasiens nach Jerusalem zurückbringen. „Ihr Amerikaner habt das Geld und die Strategie“, erzählten sie ihm, „aber wir kennen Verfolgung und wir kennen Märtyrertum, und wir haben keine Angst“. Gut möglich, dass das, war von den Briten begonnen und von uns Amerikanern fortgeführt worden war, schließlich von unseren asiatischen Geschwistern vollendet werden wird.

Mag das Christentum im Westen zu Ende gehen – Christus hat nicht aufgehört, seine Gemeinde zu bauen. Zwei Drittel der Christen leben heute in Ländern der Dritten Welt. Selbst im Westen verhüllen die Statistiken zum Rückgang der Kirche, über die ich zu Beginn des Vortrags sprach, eine wichtige Tatsache: Die evangelikalen Kirchen sind im Vormarsch! Nur der eine steile Niedergang in den liberalen, großen Konfessionen konnte das Christentum bremsen. Da die Mainstream-Kirchen mehr und mehr ins Abseits verbannt sind, hat das Christentum seinen beherrschenden Einfluss in unserer amerikanischen Kultur verloren. Doch wenn die evangelikalen Kirchen weiterhin wachsen und wenn evangelikale Christen ein geheiligtes, vernünftiges und erbarmungsvolles Leben führen, dann gibt es Hoffnung auf Erneuerung und Reformation in Amerika. Vergessen Sie nicht: Das Muster für kirchliches Wachstum hießt jahrhundertelang Vorstoß und Rückgang, Vorstoß und Rückgang, auf lange Sicht jedenfalls war es ein Vorstoß.

Nicht Zuschauer, sondern Teilnehmer dieses Dramas müssen wir sein! Wie unbedeutend unsere Rolle auch sein mag, wir können einen Beitrag leisten. Lassen Sie mich am Schluss fünf praktische Vorschläge bringen:

1) Besorgen Sie sich eine Ausgabe des Buches „Gebet für die Welt“ von Patrick Johnstone und lesen Sie jeden Tag etwas über das Land, an dem für diesen Tag gebetet wird. Sie werden wesentlich besser informiert sein über die Welt, in der wir leben, und dieses „Welt-Bewusstsein“, so glaube ich, ist der wahre Schlüssel zur Mobilisierung der Kirche zur Weltmission. Wir müssen Christen mit weltweiter Perspektive werden!

2) Freunden Sie sich mit einem ausländischen Studenten an. Jedes Jahr verlassen Tausende Top-Studenten ihre Heimatländer und kommen zum Studium in die USA. Ist uns das bewusst? Wir haben oft gehört, dass diese Studenten geradezu erwarten, dass jemand ihnen über das Christentum erzählt, über Jesus. Sie sind gewöhnlich weit von ihrer Heimat und Familie entfernt, und jede Gastfreundschaft und Freundlichkeit, die Sie ihnen erweisen, ist ein kostbares Geschenk für sie. Laden Sie sie während der Ferien ein, wenn an den Universitäten wenig los ist, oder auch einfach mal zu einer Mahlzeit. Kaufen Sie ihnen ein evangelistisches christliches Buch, vielleicht auch ein Johannesevangelium, und schenken Sie es ihnen. Das nächste Mal, wenn Sie einander treffen, tauchen vielleicht Fragen auf. Viele Studenten, die in Kontakt mit christlichen Familien kamen, wurden während ihres Aufenthaltes in den USA Christen. Wenn diese Studenten in ihre Länder zurückkehren, übernehmen sie in ihren Ländern möglicherweise eine Führungsrolle. Sie könnten die Tür für Missionare und christliche Einflüsse öffnen. Das ist ein Missionsfeld direkt vor Ihrer Haustür, und Sie haben keine Ahnung, welchen Einfluss Ihr Dienst auf ihr Leben haben mag!

3) Beteiligen Sie sich an einem speziellen missionarischen Einsatz. Spenden Sie Ihr Geld nicht nur ihrer lokalen Gemeinde. Warten Sie nicht, bis die ihre Arbeit tut und das Geld verteilt. Kennen Sie einen Missionar persönlich? Ist sein Dienst effektiv? Beten Sie für ihn und unterstützen Sie ihn finanziell!

4) Seien Sie großzügig gegenüber dem Werk des Herrn. Wir Amerikaner sind im Vergleich zum Rest der Welt so wohlhabend. Viele von uns sollten 20% oder 30% ihres Einkommens für die Arbeit des Herrn geben. Ich glaube, ich kenne keinen einzigen Missionar auf dem Missionsfeld, mit dem ich sprach, der sagte, dass seine finanzielle Unterstützung voll gewährleistet ist. Das ist wirklich nicht zu entschuldigen. Wir können und sollten mehr geben.

Ich möchte ein spezielles Wort an die Studenten unter meinen Lesern richten. In einigen Jahren werden Sie ihr Studium beendet haben und selber Geld verdienen. Das mag zunächst noch bescheiden sein, doch es wird über die Jahre beständig wachsen, und die Gewohnheiten, die Sie von Beginn an einüben, bleiben. Wie wollen Sie das Geld ausgeben, das Gott Ihnen anvertraut hat? Der Apostel Paulus sagte: „Den Reichen in dieser Welt gebiete ich, Gutes zu tun, reich an guten Taten zu sein, freigebig und großzügig.“ Sie sagen: „Reich bin ich doch nicht!“ Sind Sie sich da so sicher? Können Sie sich vorstellen, auf wie viel Sie verzichten müssten, damit sie so leben wie die Milliarde Menschen in der Dritten Welt, die jede Nacht hungrig zu Bett gehen?

Warum sage ich das alles? Um Ihnen ein schlechtes Gewissen zu machen, weil Sie im Westen geboren und mit materiellem und geistlichem Überfluss gesegnet sind? Keineswegs! Ich möchte vielmehr, dass Sie sich zwei Fragen stellen:

1. Warum hat Gottes Vorsehung gefügt, dass ich im Westen geboren bin und solch materiellen und geistlichen Überfluss genießen kann?

2. Worin besteht bei all diesem Überfluss meine Minimalverantwortung, wenn es darum geht, Millionen verlorener und leidender Menschen in der Welt zu erreichen? Jesus sagte: „Wem viel anvertraut ist, von dem wird man auch viel fordern“. Was also ist von uns gefordert?

Ich hoffe, dass Sie nach Abschluss Ihres Studiums Ihr Herz nicht auf ein großes Haus, ein schönes Auto und tolle Kleider richten. Ich hoffe, Sie setzen es sich zum Ziel, 20-30% Ihres Einkommens für Gottes Werk zu geben. Jesus sagte: „Wo dein Schatz ist, da wird auch dein Herz sein“. Das, wofür Sie Ihr Geld ausgeben, ist wie ein Barometer Ihres Herzens. Die Person, die geizig ist, wenn es darum geht, eine verlorene Welt zu erreichen, versteht nicht das Herz Jesu Christi. Jesus zeigt uns immer wieder, wofür sein Herz schlägt: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, um zu suchen und zu retten, was verloren ist.“„Darum geht hin in alle Welt und machet zu Jüngern alle Völker.“„Ihr sollt meine Zeugen sein, in Jerusalem und in ganz Judäa und Samarien und bis ans Ende der Erde.“ Das Herz Jesu Christi schlägt für eine verlorene und sterbende Menschheit. Wenn Ihr Herz dem Herzen Jesu nahe ist, dann wird Ihr Geld dort sein, wo Ihr Herz ist: bei der Hilfe, die Welt für Christus zu gewinnen.

5) Stellen Sie sicher, dass Sie ein geisterfüllter Christ sind, der Zeugnis gibt. Sie sind ein Teil der größten Bewegung der Menschheitsgeschichte. Darum seien Sie nicht schüchten. Sprechen Sie kühn im Namen Christi zu Freunden und Mitarbeitern. Tun Sie Ihr Bestes, ein wahrer Jünger Christi zu sein, der ein Leben führt, das heilig und gottgefällig ist, das Früchte des Geistes zeigt und in der Wahrheit der christlichen Lehre wurzelt.

Es gibt einen bekannten Spruch: „Fühlst du dich Gott fern? Rate mal, wer von beiden sich entfernt hat!“ Das Problem dieser Aussage: Sie legt nahe, Gott sei ein untätiger, unbeweglicher Gott. Aber das Gegenteil ist der Fall! Gott ist aktiv, und wir können uns dadurch von ihm entfernen, dass wir einfach stehen bleiben. Lassen Sie sich an dieser kritischen spannenden Wegkreuzung der Weltgeschichte nicht abhängen! Die Welt kann noch in dieser Generation erreicht werden. Lasst uns deshalb als Christen mit Weltperspektive für dieses Ziel beten und geben und arbeiten.

William Lane Craig

(Übers.: B. Currlin)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/on-being-a-world-christian