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#672 „Wo ist Mama Bär?“

April 10, 2020
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe mir kürzlich Ihre Kinderbücher gekauft, als Weihnachtsgeschenk für meine kleine Tochter. Muss wohl gedacht haben, mit Theologie kann man nie zu früh anfangen! Es war ein Vergnügen, ihr die Bücher vorzulesen, vielleicht auch deswegen, weil sie solche theologischen Diskussionen zwischen ihren Eltern entzündet haben – mehr, als in ihren kleinen Kopf reingeht! Aber dann überraschte sie mich, als ich ihr vorlas, mit einer Frage, mit der ich nun gar nicht gerechnet hatte: „Wo ist Mama Bär?“ Selbst mit ihrer Kleinkindlogik hatte sie eine Vorstellung davon, wie ein Bärenpaar „normalerweise“ auszusehen hat. Ich antwortete ihr: „In dieser Familie gibt’s einen Papa Bär und eine Mama Gans.“ Damit schien sie zufrieden zu sein, denn sie bohrte nicht weiter. Aber seitdem frage ich mich: Haben Ihre eigenen Kinder Ihnen diese Frage auch gestellt, und wie haben Sie geantwortet? Haben Sie deswegen verschiedene Tierarten für die Familie in Ihren Büchern gewählt, um den Kindern Toleranz gegenüber ethnischen Mischehen beizubringen (was ich ganz richtig finde)? Oder „lese“ ich (in diesem Fall wortwörtlich) zu viel in die Sache hinein? Danke, Dr. Craig!

James

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort


A

Ich muss immer lächeln bei solchen Fragen. Ich mache die Erfahrung, dass kleine Kinder null Probleme mit der Vorstellung haben, dass Papa Bär und Mama Gans verheiratet sind und als Kinder ein Gänschen und ein Bärenjunges haben. Nur Erwachsene kommen auf die Idee, sich Gedanken über irgendwelche verborgenen Botschaften zu machen.

Aber es gibt hier eine interessante Vorgeschichte. Rotgans und Braunbär sind eigentlich meine Frau Jan und ich, und die beiden Kinder sind unsere eigenen! Kurz nachdem wir geheiratet hatten, sagte Jan (die Grundschullehrerin gewesen war) mir etwas auf, das sie in irgendeinem Kinderbuch gelesen hatte: „Braunbär, Braunbär, was siehst du da?“ Ich wusste nicht, was ich darauf antworten sollte, und so fuhr sie fort: „Die Rote Gans aus Afrika!“ (Eigentlich war es keine Gans, sondern irgendein roter Vogel, aber was soll’s?) Ich fand den Spruch so neckisch, dass ich anfing, Jan meine Rotgans zu nennen, und sie nannte mich ihren Braunbär. Und da ich ein bisschen ein Hobbyzeichner bin, fing ich an, ihr zu jedem Geburtstag, Hochzeitstag und Feiertag kleine Rotgans- und Braunbär-Cartoons zu malen. Diese selbstgemachten Karten zeigten uns in solchen Alltagssituationen wie beim Gärtnern, im Restaurant oder beim Studieren. Diese Bilder sind uns wertvollere Souvenirs geworden als entsprechende Fotos. Als dann unsere Kinder kamen, zeichnete ich Cartoons von Mama Gans, wie sie auf einem Ei sitzt, aus dem schließlich ein Gänschen und ein kleiner Bär kriechen. Danach zeichnete ich meine Bär-und-Gans-Bilder auch für die Geburtstage und sonstigen besonderen Tage unserer Kinder.

 

Schulanfang in Belgien

Als die Kinder älter wurden, beschloss ich, als Teil ihrer christlichen Erziehung, eine Reihe von Dialogen zwischen ihnen und Papa Bär über die Eigenschaften Gottes zu schreiben. In anderen Kinderbüchern mit Bärenfiguren wird der Vater als eine Art liebenswürdiger Trottel dargestellt, während Mama Bär die Hosen anhat. Das wollte ich nicht; ich wollte, dass Papa Bär als kluger Vater rüberkam, an den die Kinder sich mit ihren schwierigsten Fragen wenden können. Ich schrieb die Dialoge also, las sie unseren Kindern vor und legte sie dann in die Schublade.

Einige Jahre später hatten wir die Idee, eine illustrierte Version dieser Dialoge in Buchform herauszugeben. Aber diese Bücher selber zu illustrieren, überstieg meine zeitlichen und kräftemäßigen Möglichkeiten. Wir begannen also, uns nach einem Illustrator umzuschauen, der meinen Stil beim Zeichnen von Braunbär und Rotgans gut imitieren konnte. Nach mehreren Fehlschlägen sprach uns ein Pastor an, der uns erzählte, dass seine 17-jährige Tochter Marli eine exzellente Illustratorin war und Interesse daran hatte, diese Bücher zu gestalten. Nun, wir hatten nichts zu verlieren, und so schickten wie Marli Kopien einiger meiner Bildkarten, und dann warteten wir auf ihre Illustrationen. Große Erleichterung: Marli schaffte es, meinen Stil brillant zu imitieren und dabei die Tiere in völlig neuen Situationen darzustellen. Wir engagierten sie also als Illustratorin für alle zehn Hefte der Serie „Die Eigenschaften Gottes, für Kinder dargestellt“. Marli hat diese Bücher wunderbar kreativ gestaltet und meine Entwürfe zu richtigen kleinen Kunstwerken gemacht. Um die Bilder noch realistischer zu machen, bat sie uns um Fotos von unseren Möbeln. Einige der in den Heften dargestellten Bilder an der Wand geben die Cartoons wieder, die ich für Jan und die Kinder gezeichnet habe!

Es liegt also keine verborgene Botschaft hinter dieser ungewöhnlichen Familie. Braunbär und Rotgans sind meine Liebesgaben an Jan, und es ist einfach schön, dass unsere Kinder sich zusammen mit uns an ihnen freuen und so Gott tiefer kennenlernen konnten.

- William Lane Craig