English Site
back
05 / 06

#3 Wie kann Gott die Grundlage für die Moral sein?

May 06, 2015
F

Meine Frage bezieht sich auf die Diskussion über Gott als logisch notwendiges Wesen in Ihrer Debatte mit Flew [vgl. Does God Exist? With Antony Flew. Responses by K. Yandell, P. Moser, D. Geivett, M. Martin, D. Yandell, W. Rowe, K. Parsons, and Wm. Wainwright. Hrsg. von Stan Wallace. Aldershot: Ashgate, 2003].

Genauer gesagt, behaupten Sie dort, dass Gott in allen möglichen Welten allmächtig, allwissend und moralisch perfekt sein muss, um logisch notwendig zu sein. Das zeigen Sie anhand des kalam-kosmologischen Argumentes, des Feinabstimmungs- und des Moral-Argumentes auf. Stimmt diese kurze Zusammenfassung?

Meine Frage bezieht sich auf Yandells/Swinburnes Einwand, dass Gott nicht die Erklärung für die Objektivität der Moral sein kann. Sie behaupten, Gott sei die Erklärung für Moral, (unter anderem) weil er logisch notwendig sei. Doch damit argumentieren Sie (meiner Meinung nach) im Kreis, da Sie den Beweis des moralischen Argumentes brauchen, um zu beweisen, dass Gott logisch notwendig ist, damit Sie Swinburnes Einwand kontern können. Doch müssen Sie den Einwand kontern, bevor Sie behaupten, dass Gott logisch notwendig ist. Was sagen Sie hierzu? Habe ich das richtig verstanden?

Thomas

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Ihre Frage zeugt von einem Missverständnis. Bevor ich also Ihre Frage direkt beantworte, möchte ich kurz klarstellen, was ich gesagt habe. Erstens ist Gottes notwendige Existenz nicht mit seiner Allmacht, seiner Allwissenheit und seiner moralischen Vollkommenheit verbunden, zumindest nicht direkt. Damit Gott logisch notwendig ist, muss er einfach nur in jeder logisch möglichen Welt existieren; ja, die Aussage, dass Gott logisch notwendig ist, ist gleichzusetzen mit der Aussage, dass er in jeder möglichen Welt existiert. Und da Gott die Eigenschaften haben muss, die Sie erwähnt haben, folgt daraus, dass er solche Eigenschaften in jeder möglichen Welt haben wird. Doch damit sage ich nicht, dass Gott in allen möglichen Welten existiert, weil er diese Eigenschaften hat.

Zweitens habe ich nicht mit den drei von Ihnen erwähnten Argumenten versucht aufzuzeigen, dass Gott diese Eigenschaften hat. Das kalam-kosmologische Argument und das Feinabstimmungsargument implizieren die Existenz eines enorm mächtigen und intelligenten Wesens, nicht aber die eines allmächtigen oder allwissenden Wesens. Das Moral-Argument kann so formuliert werden, dass es zu der Schlussfolgerung führt, dass Gott, als Grundlage objektiver moralischer Werte, moralisch vollkommen ist, doch das ist nicht die Schlussfolgerung des Argumentes selbst.

Yandell und Swinburne sind der Meinung, dass Gott nicht die Grundlage moralischer Werte sein kann – zum Teil, weil sie beide der Meinung sind, dass Gott lediglich kontingent [1] existiert, und nicht notwendigerweise, während zumindest manche moralische Werte notwendigerweise existieren. Ihrer Ansicht nach gibt es also mögliche Welten, in denen Gott nicht existiert, moralische Werte aber schon. Was ich sagen möchte: Der klassische Theist hat ein solches Problem nicht, da er glaubt, dass Gott ein logisch notwendiges Wesen ist, und somit die Grundlage moralischer Werte in jeder logisch möglichen Welt sein kann. Der Einwand zieht also beim klassischen Theisten nicht.

Sicherlich sehen Sie jetzt, dass ich nicht im Kreis argumentiert habe. Ist Gott ein kontingentes Wesen, kann er nicht die Grundlage für moralische Werte sein. Absolut! Nun liegt es an Yandell oder Swinburne, zu beweisen, dass Gott ein kontingentes Wesen ist. Solange sie das nicht tun, ist die Schlussfolgerung, dass Gott nicht die Grundlage für moralische Werte sein kann, nicht gültig.

Somit ist es tatsächlich irrelevant, warum der klassische Theist glaubt, dass Gott logisch notwendig ist. Vielleicht hat er religiöse Gründe oder solche, die auf dem ontologischen Argument oder dem Argument aus Kontingenz basieren. Vielleicht glaubt er das, wie Sie auch angedeutet haben, aus moralischen Gründen. Denn wenn objektive moralische Werte die Existenz Gottes implizieren, ist es plausibel, dass dies nicht bloß eine kontingente Tatsache ist. Moralische Werte können ohne Gott nicht existieren; sie bedingen Gottes Existenz. Wenn moralische Werte also notwendigerweise existieren, folgt daraus, dass Gott notwendigerweise existiert.

Also sieht das Argument folgendermaßen aus:

1. Wenn moralische Werte notwendigerweise existierten, existiert Gott notwendigerweise.

2. Moralische Werte existieren notwendigerweise.

3. Also existiert Gott notwendigerweise.

Yandell und Swinburne verneinen (1), weil sie der Meinung sind, dass Gott kontingent ist. Doch man kann nicht einfach annehmen, dass Gott kontingent ist, sonst setzt man etwas als wahr voraus, was es zu beweisen gilt. Denn das gleicht der Annahme, dass die Schlussfolgerung (3) falsch ist, also dass Gott nicht notwendigerweise existiert. Wenn also jemand Gefahr läuft, im Kreis zu argumentieren, dann der Gegner des moralischen Argumentes für Gottes Existenz.

Der klassische Theist, der sogar aus moralischen Gründen glaubt, dass Gott logisch notwendig ist, argumentiert demnach nicht im Kreis. Dem Gegner, der (1) verneint, weil Gott kontingent sei, erwidert er: „Beweisen Sie es (ohne es einfach als wahr vorauszusetzen)!“ Der Ball ist jetzt auf der gegnerischen Seite.

William Lane Craig

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/how-can-god-be-the-ground-of-morality

  • [1]

    Zur Erläuterung: Wenn man sagt, etwas existiert nur "kontingenterweise", meint man damit, es könnte auch nicht existieren. Ein Tisch, der von einem Schreiner gemacht wurde, könnte auch nicht existieren (wenn der Schreiner krank geworden wäre, oder stattdessen einen Auftrag für drei Stühle bekommen hätte etc.).

    Wenn es denkbar ist, dass der Tisch nicht existiert hätte, gibt es sozusagen mindestens eine "mögliche Welt", in der dieser Tisch nicht existiert.
    Etwas, das unmöglich existieren kann - z.B. ein rundes Quadrat - existiert in keiner möglichen Welt.
    Etwas, das notwendigerweise existiert, existiert in jeder möglichen Welt.
    (Anm. d. Übers.)

- William Lane Craig