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#170 So viele Atheisten, so wenig Zeit!

February 15, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich studiere an der Louisiana State University und arbeite als studentische Hilfskraft in unserer Schulbibliothek. Von allen Personen, mit den ich zusammenarbeite, ist die Hälfte agnostisch und die andere Hälft atheistisch. Vor etwas über einem Jahr bin ich nach fünf Jahren Atheismus ein wiedergeborener Christ geworden. Ich habe bemerkt, dass viele junge Leute – wie ich früher – glauben, dass Religion dumm ist und dass es keinen Gott gibt. Gegenüber meinen Kollegen spreche ich gar nicht erst von Religion, und einige von ihnen geben einfach schreckliche Bemerkungen über Religion/Christentum von sich. Ich arbeite mit einem Engländer zusammen, der darüber sprach, dass sein Land dermaßen nicht-religiös ist, dass man schon bei der bloßen Erwähnung Gottes lacht. Auch in Amerika wächst die Zahl der Nicht-Gläubigen. Ich mache mir Sorgen um unsere Zukunft. Ich weiß nicht, wie man den Atheismus bekämpfen kann. Ich bin Christ, ich habe mich aufgrund persönlicher Erfahrungen bekehrt und ich bin kein Philosoph. Atheisten sind grantig und fordern Antworten – Antworten, die zu finden ich nicht die Zeit habe. Ich versuche gerade, drei Vordiplome an der LSU zu machen und keines davon ist in Philosophie. Wie kann ein College-Student, der ein einfacher Laie ist wie ich, ein anständiger Verteidiger des Christentums gegen diese durchschnittlichen College-Atheisten werden? Ich werde meinen Glauben an Christus immer verteidigen, aber sie wollen von mir oft mehr wissen als nur, dass ich diese Dinge glaube. Sie sagen, dass Gläubige dumm und unlogisch sind, deshalb würde ich gern anhand der Logik argumentieren und ihnen beweisen, dass Gläubige nicht einfach dumm sind. Wie wird jemand, der keine Zeit hat, Philosophie zu erlernen oder Theologie zu lesen, ein Debattierer gegen diese engstirnigen, lästernden Nicht-Gläubigen?  

John

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Nachdem ich zweimal an der LSU gesprochen hatte, war ich überrascht über die Atmosphäre des Unglaubens, die in der dortigen Universitätsgemeinschaft herrscht. Das gibt Ihnen die Gelegenheit, ein noch helleres Licht in der Dunkelheit zu sein.

Ich habe diese Woche Ihre Frage gewählt, John, weil ich glaube, dass sie viele Christen betrifft. Wir haben nicht alle die Zeit, kompetente Apologeten zu werden, und finden uns dennoch in Situationen wieder, in denen wir gefordert sind, „jedem Rede und Antwort zu stehen, der nach der Hoffnung fragt, die [uns] erfüllt“ (1. Petrus 3,15; Einheitsübersetzung). Was sollen wir tun?

Eine leichte Sache, die wir alle lernen können, ist, Fragen zu stellen. Greg Koukl empfiehlt, Nicht-Gläubigen zwei Fragen zu stellen:

1. Was meinen Sie damit?

2. Welche Gründe haben Sie, das zu denken?

Es ist erstaunlich, wie sehr diese zwei entwaffnend einfachen Fragen Menschen in die Bredouille bringen können! Fragen Sie den Ungläubigen zum Beispiel, was er meint, wenn er sagt, dass er nicht an Gott glaubt – ist er ein Atheist oder ein Agnostiker? (Bereiten Sie sich darauf vor, ihm den Unterschied zu erklären!) Was immer er behauptet, fragen Sie ihn: „Welche Gründe haben Sie, das zu denken?“ Viele Menschen verstehen nicht einmal, was sie mit ihren Behauptungen meinen, und wahrscheinlich haben die meisten gar keine guten Gründe dafür. Solange Sie Fragen stellen, müssen Sie selbst keine Behauptungen aufstellen und brauchen daher auch nichts zu beweisen. Lassen Sie die Ungläubigen selbst die Beweislast für ihre Behauptungen tragen.

Eine zweite Sache, die Sie tun können, ist, den Ungläubigen an irgendeine Quelle zu verweisen. Man muss nicht besonders klug sein, um jemandem zu sagen: „Haben Sie sich mal den Blackwell Companion to Natural Theology angesehen? Bevor Sie sagen, dass es keine intelligenten Theisten und keine guten Gründe für den Glauben an Gott gibt, sollten Sie sich vielleicht besser zuerst dieses Buch anschauen. Sonst sind Sie nicht wirklich informiert.“ Sie brauchen solche Bücher nicht selbst gelesen zu haben, wenn es Ihnen so sehr an Zeit mangelt. Es genügt, wenn Sie einige Titel kennen: God, Freedom, and Evilhttp://www.assoc-amazon.com/e/ir?t=reasofaith-20&l=as2&o=1&a=0802817319 von Alvin Plantinga, The Existence of God von Richard Swinburne, Finite and Infinite Goods: A Framework for Ethicshttp://www.assoc-amazon.com/e/ir?t=reasofaith-20&l=as2&o=1&a=0195153715 von Robert Adams, The Book of Acts in the Setting of Hellenistic Historyhttp://www.assoc-amazon.com/e/ir?t=reasofaith-20&l=as2&o=1&a=3161454510 von Colin Hemer, Jesus Rememberedhttp://www.assoc-amazon.com/e/ir?t=reasofaith-20&l=as2&o=1&a=0802839312 von James D. G. Dunn, The Resurrection of the Son of Godhttp://www.assoc-amazon.com/e/ir?t=reasofaith-20&l=as2&o=1&a=0800626796 von N. T. Wright. Bringen Sie den Ungläubigen in Verlegenheit über seine Unkenntnis der Literatur. Falls er dagegen ein aufrichtig Suchender ist, empfehlen Sie ihm, auf dieser Webseite zu stöbern oder sich eine Debatte anzusehen.

Lernen Sie drittens die Namen einiger christlicher Wissenschaftler, um sie bei Bedarf erwähnen zu können. Wenn der Ungläubige sagt, dass sämtliche Christen ignorante Frömmler sind, zeigen Sie sich überrascht und fragen Sie erstaunt: „Denken Sie das wirklich? Was halten Sie denn von der Arbeit von Alvin Plantinga – oder von William Alston?“ Viel mit Namen berühmter Menschen um sich zu werfen ist abstoßend, wenn jemand zu prahlen versucht, aber in einem solchen Fall nennen Sie einfach Gegenbeispiele gegen die pauschale Behauptung, alle Christen wären Ignoranten – eine Auffassung, die selbst auf Ignoranz beruht. Hier sind einige Namen, die man erwähnen könnte: Philosophen: Alvin Plantinga (Universität Notre Dame), Peter van Inwagen (Universität Notre Dame), der verstorbene William Alston (Syrakus Universität), Richard Swinburne (Oxford Universität), Robert Adams (Universität von North Carolina), Dean Zimmerman (Rutgers Universität); Wissenschaftler: Francisco Ayala (mehrfach ausgezeichneter Evolutionsbiologe), Allan Sandage (der berühmteste Astronom der Welt), Christopher Isham (wurde als Britanniens größter Quantenkosmologe bezeichnet), George Ellis (wurde mir von einem Kollegen einmal als die Person beschrieben, die mehr über Kosmologie weiß als jeder andere Mensch auf der Welt), Francis Collins (Leiter des Humangenom-Projekts); Gelehrte über den historischen Jesus: John Meier (Verfasser einer mehrbändigen Untersuchung über den historischen Jesus), N. T. Wright (ein weiterer Verfasser großartiger Werke über Jesus), James D. G. Dunn (hochangesehener Gelehrter der Universität Durham), Craig Evans (erstklassischer kanadischer Gelehrter über den historischen Jesus). Fragen Sie den Ungläubigen, wie er irgendeine glaubwürdige Aussage über das intellektuelle Kaliber von Christen machen kann, wenn er keinen dieser Wissenschaftler je gelesen hat.

Antworten Sie, viertens, mit der folgenden ironischen Zusammenfassung seiner Behauptung:

„Also, wenn ich Sie richtig verstehe, lautet Ihr Argument:

1. Christen sind dumm und unlogisch.

2. Deshalb ist das Christentum nicht wahr.

Können Sie mir erklären, inwiefern (2) logisch aus (1) abzuleiten ist?

Wer ist nun unlogisch? Sie können die Prämisse und die Schlussfolgerung auch auf ein Stück Papier schreiben und ihm geben. Fragen Sie ihn, inwiefern die Schlussfolgerung logisch aus der Prämisse folgt. Wenn er seinem Argument einige Prämissen hinzufügen möchte, geben Sie ihm die Gelegenheit dazu und fragen Sie ihn dann, welche Gründe er hat, diese Prämissen für wahr zu halten. Machen Sie ihn darauf aufmerksam, dass er, wenn er die Intelligenz von Christen angreift, statt ihre Auffassung zu hinterfragen, den Fehler der Argumentation ad hominem begeht (den Fehler, die Person selbst und nicht die Auffassung der Person anzugreifen). Wieder lautet die Frage, wer nun unlogisch ist.

Und zuletzt, John, lassen Sie die Vorwände und nehmen Sie sich etwas Zeit, um sich vorzubereiten. Sie können sich eine Stunde pro Woche am Samstag oder Sonntag Zeit nehmen, um ein Kapitel von On Guard[1] durchzuarbeiten. Dann sind Sie in zehn Wochen damit fertig. Lernen Sie die Prämissen der theistischen Argumente auswendig, damit Sie sie auf Anhieb wiedergeben können. Ich garantiere Ihnen: Wenn Sie das tun, werden Sie auf fast jeden Nicht-Gläubigen vorbereitet sein, dem Sie begegnen werden. Es ist gar nicht so schwer, John! Ich weiß, dass Sie mit Ihren Seminaren und Hausaufgaben viel zu tun haben, aber ich kann nicht glauben, dass Sie nicht eine Stunde pro Woche finden, die Sie für eine apologetische Vorbereitung investieren können. Wenn Sie das tun, werden Sie es nicht bereuen.

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English:

http://www.reasonablefaith.org/so-many-atheists-so-little-time

 

[1] Das Buch ist mittlerweile auf Deutsch erschienen: Craig, William Lane: On Guard. Mit Verstand und Präzision den Glauben verteidigen. (Verlag cvmd 2015; 12,90 Euro, ISBN 978-3981772906. Erhältlich über jede Buchhandlung oder direkt bei cvmd.eu)

- William Lane Craig