English Site
back
05 / 06

#673 Ist „Gott“ ein Eigenname?

April 10, 2020
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe eine sehr einfache Frage: Ist das Wort „Gott“ ein Eigenname, so wie der Vorname bei einem Menschen? Auf den ersten Blick kann diese Frage naiv erscheinen, aber wenn man sich in sie vertieft, dann sieht man, dass sie ernste metaphysische Probleme aufwirft, vor allem dann, wenn man den klassischen Theismus (Einfachheit, Zeitlosigkeit, Aseität etc.) ablehnt. Im Laufe der Geschichte haben die christlichen Theologen meistens gesagt, dass „Gott“ kein Eigenname ist, sondern eine bloße Andeutung seines Wesens, nämlich dass er die höchste Realität ist. Aber ich habe den Eindruck, wenn man (wie Sie) glaubt, dass Gott eine Person ist, dann müsste „Gott“ sozusagen Gottes Vorname sein, und das kommt mir sehr merkwürdig vor.

Anthony

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Eine überraschend gute Diskussion Ihrer Frage bietet der atheistische Philosoph J. Howard Sobel in Kapitel 1 seines Buches Logic and Theism. Dort erklärt er, dass das Wort „Gott“ sowohl als Eigenname als auch als Gattungsname fungiert. Man kann die beiden Bedeutungen gewöhnlich durch die Anwesenheit bzw. das Fehlen des (direkten oder indirekten) Artikels vor dem Wort unterscheiden. Wenn wir sagen: „So sehr hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen einzigen Sohn gab“, benutzen wir „Gott“ als Eigennamen. Sagen wir dagegen: „Es gibt einen Gott“ oder: „Wir beten zu dem Gott Israels“, benutzen wir „Gott“ als Gattungsnamen.

Ich kann hier keine „ernsten metaphysischen Probleme“ sehen. Es stimmt auch nicht, dass die christlichen Theologen sagen, dass „Gott“ kein Eigenname ist. Im Gegenteil: Das, was relativ selten vorkommt, ist die Benutzung des Wortes „Gott“ als Gattungsname. Das Wort „Gott“ als Gattungsname kann verschiedene Bedeutungen haben, ja nachdem, mit was für Eigenschaften man es verbindet. In manchen Kontexten ist mit einem „Gott“ der transzendente Schöpfer und Designer des Universums gemeint. In anderen Kontexten ist dieser Gott zusätzlich vollkommen gut, und man kann durchaus noch weitere Eigenschaften hinzufügen, die ein Wesen zu einem „Gott“ machen. Ich sehe hier keine metaphysischen Implikationen; wir müssen halt jeweils klarstellen, was wir unter dem Wort „Gott“ verstehen.

Ich glaube, dass „Gott“ als Gattungsname fast immer impliziert, dass Gott persönlich ist. So stellen wir uns einen „Gott‘“ vor. Eigennamen finden wir bei persönlichen wie bei nicht persönlichen Entitäten; vgl. Beispiele wie „Mount Everest“, „Titanic“ und „Romantische Straße“. Der Grund dafür, dass die meisten Menschen, die „Gott“ als Eigennamen verwenden, sich Gott als persönlich vorstellen, ist, dass sie sich bereits den Gattungsnamen als eine Person bezeichnend vorstellen.

- William Lane Craig