#164 : Ist die Dreieinigkeit Gottes mit seiner Allwissenheit, Allgegenwart und Allmacht vereinbar?
February 15, 2019Sehr geehrter Prof. Craig,
ich habe eifrig Ihre Podcasts gehört. Sie leisten erstaunliche Arbeit für das Reich Gottes. In meinen Gebeten denke ich an Sie und bete um Weisheit, Reinheit und Kraft.
Sie haben erwähnt, dass man die Dreifaltigkeit als drei Persönlichkeiten erklären kann, die in einem Wesen vereint sind, ähnlich wie bei einer multiplen Persönlichkeitsstörung, aber in diesem Fall ohne jede Störung. Das erschien mir sehr hilfreich.
Die Frage ist: Wenn jede Persönlichkeit allwissend, allgegenwärtig und allmächtig ist, würde dies bedeuten, dass drei verschiedene Personen diese Eigenschaften hätten. Aber diese Eigenschaften sind Dinge, die notwendigerweise nur eine Person haben kann. Das ist eines der Argumente dafür, warum es nur einen Gott geben kann.
Ich freue mich, Ihre Antwort zu lesen oder zu hören.
Unter Seiner Gnade,
Khaldoun
United States
Prof. Craigs Antwort
A
Ich freue mich, von einem philosophischen Kollegen zu hören, Khaldoun! Danke für Ihre Gebete! Ich hoffe, es geht Ihnen gut.
Ich meine nicht, dass Allgegenwart oder Allwissenheit auch nur prima facie ein Problem für eine Pluralität von Personen in der Gottheit darstellt. Allgegenwart ist in Gottes Fall die Eigenschaft, den Raum zu transzendieren (d.h., zu existieren, aber nicht im Raum zu existieren), aber sich jedes Punktes im Raum bewusst und an jedem Punkt im Raum kausal aktiv zu sein. Es gibt einfach keinen ersichtlichen Grund, warum nicht mehrere Personen in diesem Sinne allgegenwärtig sein können. Ich sehe also kein Argument für den Monotheismus, das auf dem Attribut der Allgegenwart beruht (genauso wenig wie Zeitlosigkeit).
Die Eigenschaft der Allwissenheit ist die Eigenschaft, für jede wahre Proposition p zu wissen, dass p, und nicht-p nicht zu glauben, oder – mit anderen Worten – die Eigenschaft, nur wahre und alle wahren Propositionen zu kennen. Diese Definition scheint wieder keine Schwierigkeit für eine Pluralität allwissender Personen darzustellen. Sie würde nur dann zu einer Schwierigkeit führen, wenn man behaupten würde, dass es rein private Propositionen wie „Ich bin J. P. Moreland“ gibt, die von keiner anderen Person als J. P. Moreland wirklich geglaubt werden könnten. Wer das behauptet, müsste nicht allein behaupten, dass es nur eine allwissende Person geben kann, sondern auch, dass wenn eine solche Person existiert, gar keine weiteren Personen existieren können! Denn wenn beispielsweise Jones existieren würde, könnte Gott selbst nicht wissen „Ich bin Jones“ (das weiß nur Jones!), und so wäre Er letztlich nicht allwissend. Doch nahezu alle Philosophen haben die Auffassung vertreten, dass der propositionale Inhalt von Sätzen, die sogenannte personale indexikalische Begriffe (wie „ich“, „du“, „wir“, usw.) enthalten, universal zugänglich ist. Wenn ich sage: „Ich bin hungrig“, und Sie sagen zu mir: „Sie sind hungrig“, äußern wir von unseren verschiedenen Standpunkten aus dieselbe Proposition, nämlich „Bill Craig ist hungrig“. Wenn dies richtig ist, dann gibt es keine Schwierigkeit damit, dass jede der drei trinitarischen Personen vollständiges propositionales Wissen hat.
Die einzig mögliche Schwierigkeit ergibt sich vielmehr bei der Allmacht. Philosophen wie Richard Swinburne haben tatsächlich mit der Begründung, dass es keine Pluralität allmächtiger Wesen geben kann, weil sie miteinander in Konflikt kommen und so ihre Macht gegenseitig begrenzen könnten, für den Monotheismus argumentiert. Aber nehmen wir an, dass es logisch unmöglich ist, dass die Personen in Konflikt kommen, weil sie essentiell harmonisch sind und daher immer dasselbe wollen. Dann würde das Argument entfallen. Und es ist Teil der klassischen Lehre von der Dreifaltigkeit, dass die Personen der Gottheit alle dasselbe Wissen, dieselbe Liebe und denselben Willen haben, was einen Konflikt unmöglich macht.
Ein besseres Argument dafür, dass es höchstens einen allmächtigen Gott gibt, lautet, dass es bei jedem anderen existierenden Wesen in der Macht Gottes liegen muss, es zu erschaffen oder nicht. Aber dann ist die Existenz dieses Wesen asymmetrisch von Gott abhängig. Gott hat also Macht über das Wesen, das Wesen aber nicht über Gott. Also kann es höchstens einen allmächtigen Gott geben.
Doch diese Schlussfolgerung ist dem trinitarischen Theisten willkommen, da er glaubt, dass es in der Tat nur einen Gott gibt! Vielleicht sollten wir sagen, dass Allmacht, wie Notwendigkeit und Zeitlosigkeit, primär eine Eigenschaft der Gottheit und nur abgeleitet eine Eigenschaft ihrer Mitglieder ist. Während es also höchstens einen allmächtigen Gott geben kann, gibt es kein Problem damit, dass Gott in drei Personen existiert.
(Übers.: M. Wilczek)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/the-trinity-and-gods-omni-attributes
- William Lane Craig