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#282 Beweis der göttlichen Simplizität?

May 27, 2018
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

bezüglich Ihrer Einstellung zu Gottes Existenz und Analogie in Frage 276 hat der thomistische Philosoph und Blogger Alfredo Watkins Ihnen auf folgendem Link geantwortet:

http://analyticscholastic.blogspot.com/2012/07/william-lane-craig-on-god-and-analogy.html .

Ich bin besonders gespannt auf Ihre Gedanken zu seinem Argument für die göttliche Einfachheit, aus dem folgt, dass Reden über Gott Analogie verwenden muss. Er liefert folgendes Argument:

(1) Was auch immer nicht identisch ist mit Gott, ist von Gott erschaffen. [Dem stimmt Prof. Craig zu].
(2) Wenn Gott metaphysische Bestandteile hat (jenseitige ‘Bestandteile’), dann ist zumindest einer dieser Bestandteile nicht von Gott erschaffen.[Prämisse]
(3) Entweder hat Gott Teile oder er hat sie nicht. [LEM =Law of excluded middle?/Gesetz vom ausgeschlossenen Dritten?/Abk. Dtsch.??]
(4) Nehmen wir an, er hat Teile. [Mögliche Annahme(?); dtsch. Abk.?]
Dann:
(5) Alle Teile Gottes sind von Gott erschaffen. [Aus 1]
Aber
(6) Einer der Teile Gottes ist nicht von Gott erschaffen. [Aus 2,4]
Das ist ein Widerspruch. Daher müssen wir unsere Annahme verwerfen. Daraus folgt:
(7) Gott hat keine Teile.

Mit ‘metaphysischen Bestandteilen’ meine ich hier Dinge wie ontologische Konstituenten, beispielsweise einer Eigenschaftsinstanz (oder einem Tropus oder einer Akzidenz oder was auch immer). (1) gibt lediglich Prof. Craigs eigene Gedanken zu diesem Thema wieder und (2) ist wahr, weil Gott eindeutig nicht seine eigenen essenziellen Eigenschaften erschafft. Seine Existenz hängt von ihnen ab, denn wenn sie nicht existierten, dann würde er auch nicht existieren. Das Übrige folgt durch die Bedeutungen der Begriffe und aus den Regeln der Logik.

Prof. Craig sagt, dass er Gott für eine Substanz hält, vermutlich in der gleichen Weise wie wir es sind: “Nicht eine physikalische Substanz natürlich, sondern eine geistliche Substanz wie ein Intellekt.”

Der Fall ist jedoch noch eindeutiger, wenn Prof. Craig denkt, Gottes Intellekt und Wille seien voneinander verschieden. Denn, falls er das tut, dann folgt aus (1), Prof. Craigs Lehre über die Aseität vorausgesetzt, Gottes Wille muss durch Gott erschaffen sein. Aber es ist absurd anzunehmen, dass Gott seinen eigenen Willen erschafft. Schließlich muss er einen Willen haben, um das zu tun! Somit ist entweder Prof. Craigs Lehre über die Aseität falsch (die es aber, wie ich Prof. Craig zustimme, nicht ist) oder Gott ist nicht von seinem Willen zu unterscheiden (was ich für richtig halte, was aber nur wirklich verständlich ist, wenn man die göttliche Simplizität voraussetzt).

Prof. Craig denkt, den Platonismus los zu werden, wird die Probleme bezüglich Gottes Aseität lösen; aber das ist nicht der Fall, denn selbst, wenn es keine abstrakten Eigenschaften in uns gibt, gibt es eindeutig ontologische Konstituenten (meine Bräune, meine Höhe, meine Form usw.). Selbst wenn man ‚Teile‘ in diesem Sinne versteht, denke ich, dass die obere Argumentation zeigt, wenn er an dem strengen Dogma der Aseität festhalten will, wie in dem oberen Zitat dargelegt, muss er die Vorstellung los werden, dass Gott überhaupt irgendwelche Teile hat. Und wenn Gott keine Teile im metaphysischen Sinne hat, dann kann gezeigt werden, dass die Rede über Gott analogisch ist. Denn in unserem Fall bedeutet zu sagen, „ich bin gut“, dass die Qualität des Gutseins in mir inhärent ist als eine Akzidens (oder dass sie als eine Eigenschaft exemplifiziert ist oder als ein Tropus oder, als was auch immer inhärent ist). Aber da Gott keine Teile in irgendeinem dieser Sinne hat, kann „Gott ist gut“ nicht bedeuten, dass ich das über ihn sage. Und dasselbe gilt für jedes beliebige seiner göttlichen Attribute. Somit müssen unsere Bezeichnungen analogisch zu Gott gesagt werden.

Es ist auch erwähnenswert, dass Alex Pruss eine einfachere Version dieses Argumentes angeboten hat, die ich wie folgt adaptiert habe:

  1. Alles andere als Gott selbst wurde von Gott erschaffen. (Prämisse)
  2. Wenn Gott metaphysische Bestandteile hat, dann ist zumindest ein metaphysischer Bestandteil Gottes nicht von Gott erschaffen. (Prämisse).
  3. Kein metaphysischer Bestandteil Gottes ist identisch mit Gott. (Per Definition von “metaphysischer Bestandteil“).
  4. Wenn Gott metaphysische Bestandteile hat, dann gibt es etwas, was weder identisch mit Gott ist, noch von Gott erschaffen wurde. (Aus 2 und 3).
  5. Gott hat keine metaphysischen Bestandteile. (Aus 1 und 4)

Denken Sie, dass die Argumente von Watkins und Pruss gut sind? Wenn ja, beweisen sie dann göttliche Simplizität, wie Aquin sie sich vorstellt? Ich selbst bin der thomistischen Vorstellung von der göttlichen Simplizität vorsichtig gegenüber gewesen, angesichts der Tatsache, dass sie beinhaltet, Gott sei zeitlos, unveränderlich und gleichmütig. Somit wäre ich für jegliche Erkenntnis, die Sie zu diesen Argumenten haben mögen, sehr dankbar.

Danke,

Pranav

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Da haben Sie aber beschlossen, es mir richtig leicht zu machen, nicht wahr, Pranav? Im Ernst, das ist eine jener schwierigen Fragen in der Philosophie, wo jegliche Antwort kontra-intuitive Konsequenzen haben wird und wir lernen müssen, mit der am wenigsten unangenehmen zu leben.

Lassen Sie mich gleich sagen, während ich Pruss’ Argument schon zuvor begegnet bin, bin ich mit Watkins Arbeit nicht vertraut und gehe darum einfach auf der Grundlage dessen vor, was Sie hier schreiben.

Was als Erstes zu sagen ist: Das Argument hier trägt nichts dazu bei, die vielfältigen Probleme, welche die schwere Doktrin der göttlichen Simplizität in der Artikulation von Thomas von Aquin aufwirft, zu verringern. Es bietet vielmehr ein positives Argument zugunsten der Simplizität.

Aus meiner Sicht profitiert die Antwort auf dieses Argument von derselben Unterscheidung, die ich in der Frage der Woche 279 erläutert habe: Der Unterscheidung zwischen Perspektiven, die entweder innerhalb oder außerhalb eines linguistischen Bezugsrahmens liegen, in dem man sich entschlossen hat, sich an einer bestimmten Art von Unterhaltung zu beteiligen. Mir ging es dabei um das Reden über Eigenschaften. Innerhalb des Bezugsrahmens der Rede über Eigenschaften haben Dinge natürlich Eigenschaften. Aber von einem Beobachtungspunkt außerhalb des Bezugsrahmens betrachtet, glaube ich nicht, dass es wirklich Objekte gibt, die als Eigenschaften bekannt sind.

Genauso hier: Setzt man einen linguistischen Bezugsrahmen voraus, in dem wir über Teile reden, ist beispielsweise die Feststellung, dass mein Körper verschiedene Teile hat, wenig bemerkenswert. Aber außerhalb dieses Bezugsrahmens, wenn wir die metaphysische Frage stellen, ob es wirklich solche Dinge wie Bestandteile gibt (Teile, die nicht identisch mit dem Ganzen sind), bin ich geneigt, dies zu verneinen.

Sie gibt es nur in unseren Köpfen, keine Dinge, die in der Realität existieren. Denken Sie an einen Ball, der allein in einem leeren Raum existiert. Gibt es zusätzlich zu dem Ball etwas, was auch in Existenz ist, nämlich das untere Drittel des Balles? Ich meine nicht. Wenn man einmal diesen Weg einschlägt, dann teilt man Objekte ad infinitum: es gibt auch ein Sechstel des Balles und ein Zwölftel des Balles, und ein Vierundzwanzigstel des Balles usw. Ist die Annahme nicht plausibler, dass es hier nur ein Ding gibt, nämlich, den Ball? Seine Teile sind durchaus keine metaphysischen Dinge. Um wieviel weniger sind es solch unergründlichen „Teile“ wie seine Farbe, Form, Größe usw.!

Es gibt sogar ein machtvolles Argument, das auf Peter van Inwagen zurückgeht: Ein Bestandteil eines Dinges ist nicht selbst ein Ding aus eigener Kraft. Die Leiterin unseres Gemeindebuchladens, Dottie Potyhress, musste kürzlich operiert werden. Ihr wurde eine infizierte Niere entfernt. So betrachten wir den Bestandteil von Dottie vor ihrer Operation, der alles außer ihrer infizierten Niere war. Nennen wir diesen Teil Dottie*. Nun, Dottie war nicht identisch mit Dottie*. (Dottie hatte zwei Nieren und Dottie* nicht.) Glücklicherweise hat Dottie die Operation überlebt. Somit ist Dottie nach der Operation identisch mit Dottie vor der Operation. Aber genauso überlebte Dottie* auch die Operation und blieb sogar infolge der Tortur unverändert. Somit ist Dottie* nach der Operation identisch mit Dottie* vor der Operation. Das Problem ist, dass nach der Operation Dottie nun mit Dottie* identisch wurde. Dottie* ist nicht länger ein Bestandteil von Dottie. Es ist Dottie! Doch dies verletzt die Transitivität der Identität, das Prinzip, wenn A=B und B=C, dann A=C. Die beste Lösung für dieses Problem ist es, zu leugnen, dass es wirklich ein solches Objekt wie Dottie* gibt. Es ist nur eine Fiktion unserer Vorstellung. Es gibt wirklich nicht solche Dinge wie Bestandteile eines Dinges.

So bin ich geneigt, mit den Schlussfolgerungen (7) und (5) der jeweiligen Argumente übereinzustimmen. Aber diese Schlussfolgerungen unterstützen nicht eine stabile Doktrin über die göttliche Simplizität (nämlich, Gott ist reine Aktualität und Sein Allwissen ist Seine Allmacht ist Seine Güte usw.). Denn ich bin in genau demselben Sinne einfach. Auch keines der Dinge, die wir als meine Teile bezeichnen, wenn wir innerhalb des linguistischen Bezugsrahmens sprechen, sind wirklich Dinge.

Wenn ich allein im Weltraum existierte, dann gäbe es kein anderes Objekt zusätzlich zu mir, wie beispielsweise meine linke Seite. Noch wären mein Wille und mein Intellekt Dinge, die zusätzlich zu mir existierten. Noch stärker kontra-intuitiv, es gäbe auch nicht andere Objekte wie meine Hand oder mein Herz. Diese Bezeichnungen heben nicht Dinge hervor, die ontologisch unterschiedlich und real sind. Aber das impliziert nicht, dass ich reine Aktualität bin oder dass meine Hand mein Herz ist usw.

So neige ich zu der Annahme, dass Gott nicht Bestandteile hat. Nicht, weil Er, im thomistischen Sinne einfach ist, sondern weil es nicht solche Dinge wie Bestandteile gibt. Die Rede über Bestandteile, wie die Rede über Eigenschaften, ist lediglich eine nützliche und vielleicht unverzichtbare façon de parler.

(Übers.: B. Currlin)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/proof-of-divine-simplicity#ixzz3hn1MU7wJ

- William Lane Craig