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#161 Argument der Feinabstimmung

February 15, 2019
F

Feinabstimmung und Intelligentes Leben

Das Universum weist in seiner Feinabstimmung Design-Merkmale auf; dies ist die Schlussfolgerung des teleologischen Arguments. Aber warum sollte man Konstanten, die das Universum für Leben geeignet machen, als den besten Ausgangspunkt für ein Argument aus Design betrachten? Ist eine solche Prämisse berechtigt? Prof. Dr. Craig beantwortet diese interessante Frage, indem er feststellt, dass es verschiedene Versionen des Design-Arguments aufgrund der Feinabstimmung gibt und dass Leben ermöglichende Bedingungen in einigen dieser Versionen eine größere Rolle spielen als in anderen. Er schreibt auch, dass der Wert eines Leben ermöglichenden Musters in dessen Unabhängigkeit von den Gesetzen des Universums liegt und dass Design eine „saubere Erklärung“ für solche feinabgestimmten Bedingungen darstellt.

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe über das Argument der Feinabstimmung nachgedacht, und obwohl es mir gefällt und meiner Meinung nach einiges Gewicht hat, stört mich etwas daran. Es scheint an einem „Lebens-Chauvinismus“ zu leiden.

Bei einem Pokerblatt hat ein Royal Flush intrinsischen Wert, und dass ein solches Blatt beim Austeilen zustande kommt, ist sehr unwahrscheinlich und ziemlich erstaunlich. Aber das liegt daran, dass die Spielregeln einem Royal Flush einen Wert zuschreiben, bevor das Blatt ausgeteilt wird.

Welche Rechtfertigung gibt es für die Behauptung, dass das Leben ein Royal Flush ist?

Man könnte das Leben definieren als „erstaunliches und unwahrscheinliches Phänomen“ X1. Man könnte Lachgas definieren als „erstaunliches und unwahrscheinliches Phänomen“ X2, Regenbogenplaneten mit Feuerringen als X3, usw.

Jedes Phänomen ist gleichermaßen unwahrscheinlich und kann nur durch ein Zusammentreffen bestimmter universaler Konstanten zustande kommen. Warum sollte man behaupten, dass X1 intrinsischen Wert hat? Könnte X2 sich nicht „beklagen“, dass wir nur willkürlich ein bestimmtes Phänomen bevorzugen, wenn wir behaupten, dass X1 am besten ist?

Mir scheint einfach, dass beim Feinabstimmungs-Argument die Regeln über den Royal Flush erst erstellt werden, nachdem die Karten ausgeteilt wurden.

Martin

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Design aufgrund der Feinabstimmung

Das ist eine sehr gute Frage, Martin, über die ich gern noch weiter nachdenken möchte. Aber hier sind einige vorläufige Überlegungen.

Mir scheint, dass die Frage, warum wir gerade (intelligentes) Leben als Beispiel für Design aufgrund der Feinabstimmung wählen sollten, für einige Versionen des teleologischen Arguments vielleicht weniger kritisch ist als für andere. Nehmen wir zum Beispiel eine Version des Arguments, wie Robin Collins sie im Blackwell Companion to Natural Theology vorstellt, die in in Form einer Bayes'schen Wahrscheinlichkeitsrechnung formuliert ist. Setzt man „FA“ für die Feinabstimmung des Universums für intelligentes Leben, „T“ für Theismus und „AEU“ für die atheistische Hypothese eines einzigen Universums (d.h. es gibt ein einziges Universum und keinen Gott), dann ist die Feinabstimmung, so argumentiert Collins, unter der Annahme des Theismus signifikant größer als unter der Annahme des Atheismus: Pr (FA/T) >> Pr (FA/AEU). Somit bestätigt die beobachtete Feinabstimmung die Hypothese des Theismus.

Nach dieser Version des Arguments scheint Ihre Frage kein besonders schwerwiegender Einwand gegen das Feinabstimmungsargument zu sein. Wir können auch die Wahrscheinlichkeiten anderer beobachteter Phänomene berechnen, um zu sehen, ob sie den Theismus in ähnlicher Weise bestätigen. Nehmen wir Regenbogenplaneten mit Feuerringen (X3). Ist Pr (X3/T) >> Pr (X3/AEU)? Das scheint nicht der Fall zu sein. Es gibt keinen Grund zu denken, dass Pr (X3/T) sehr groß wäre oder dass Pr (X3/AEU) sehr gering wäre – es sei denn, Sie halten einen natürlichen Ursprung für unmöglich, in welchem Falle ein solches übernatürliches Phänomen ein Beleg für den Theismus wäre. Ähnliches gilt für Ihr Beispiel X2, Lachgas. Mir scheint also, dass man bei einem bayesschen Ansatz jede Art von Beobachtung, die wir machen, einsetzen kann, um dann zu fragen, ob sie unter der Annahme des Theismus wahrscheinlicher ist als bei Atheismus, und wenn sie es ist, dann bestätigt sie den Theismus. Dass wir nun speziell in Bezug auf Feinabstimmung, die intelligentes Leben ermöglicht, vergleichende Wahrscheinlichkeiten berechnen, (und nicht in Bezug auf Regenbogenplaneten mit Feuerringen,) liegt für uns Menschen eigentlich auch nahe, da wir selber ja intelligente Lebewesen sind.

Design aufgrund der Feinabstimmung – Leben-erlaubende Bedingungen bilden ein unabhängiges Muster, das auf einen Designer hinweist.

Ihre Frage scheint schwerwiegender bei einem Argument für intelligentes Design, das nach statistischen Begriffen formuliert ist, wie William Dembski es vorstellt. Nach dieser Theorie für das Feststellen von Design sucht man nach der Verbindung von hoher Wahrscheinlichkeit mit einem unabhängig gegebenen Muster. Wenn man zum Beispiel Poker spielt und der Gegner sich ständig selbst das Siegerblatt austeilt, wird man vermuten, dass er falsch spielt, und zwar nicht einfach aufgrund der hohen Unwahrscheinlichkeit der Kartenfolge, die er bekommt (jede Folge ist gleich wahrscheinlich!), sondern weil diese sehr unwahrscheinliche Folge dem unabhängig vorhandenen Muster eines Siegesblattes entspricht. Wie Sie sagen, hat „ein Royal Flush intrinsischen Wert, ... [weil] die Spielregeln einem Royal Flush einen Wert zuschreiben, bevor das Blatt ausgeteilt wird.“ Dasselbe Blatt wäre wertlos, würde man ein anderes Kartenspiel spielen. Doch da man Poker spielt, ist dieses Muster signifikant.

Wie Dembski jedoch hervorhebt, ist der Schlüsselfaktor hier nicht das im Voraus vorgegebene Muster (bevor das Blatt ausgeteilt wird), sondern die Tatsache, dass das Muster unabhängig von der eigenen Kenntnis des ausgeteilten Blattes gilt. Das Muster muss nicht chronologisch vor dem Austeilen der Karten gegeben sein, solange es unabhängig vom Austeilen festgelegt wird. Wenn wir keine Unabhängigkeit verlangen, kann jemand, der das Ergebnis des Austeilens betrachtet, immer irgendein Spiel erfinden, in dem das ausgeteilte Blatt gewinnen wird. Ein solches Muster ist sozusagen „zurechtgelegt“, um zu dem Ergebnis zu passen, und hat deshalb keine Bedeutung.

Im Falle des intelligenten Lebens existiert das Muster der Leben-erlaubenden Bedingungen unabhängig von und tatsächlich lange vor der Entdeckung der Feinabstimmung der Anfangsbedingungen des Universums durch die Kosmologen. Die Feinabstimmung scheint also genau diejenige Kombination einer enormen Unwahrscheinlichkeit mit einem unabhängig vorliegenden Muster aufzuweisen, die uns auf Design schließen lässt. Was die Feinabstimmung betrifft, ist es also nicht so, dass „die Regeln über den Royal Flush erst erstellt werden, nachdem die Karten ausgeteilt wurden.“

Design aufgrund der Feinabstimmung – Würden andere Muster einen Designer voraussetzen?

Die Frage, die Sie aufzuwerfen scheinen, ist, ob es nicht andere unabhängig gegebene Muster gibt, die als Rechtfertigung einer Design-Schlussfolgerung dienen könnten, wenn man sie auf die Anfangsbedingungen des Universums bezieht. Das Problem bei Ihren Beispielen ist jedoch, dass diese Phänomene nicht tatsächlich beobachtet werden, und so gibt es nichts, das zu erklären ist. Was eine Erklärung verlangt, ist ein tatsächlich gegebenes unabhängiges Muster, was sehr unwahrscheinlich ist. Wenn es existiert, würde Dembski sagen, dass es keine Design-Schlussfolgerung gewährleistet.

Behalten Sie in Erinnerung, dass eine Design-Schlussfolgerung uns nicht darüber informiert, zu welchem Zweck das beobachtete Phänomen existiert. Dembskis Design-Schlussfolgerung verlangt nur eine Intelligenz als Erklärung für das Phänomen, aber sie behauptet nicht, uns den Zweck zu nennen, den der intelligente Designer im Sinn hatte, als er das Phänomen hervorbrachte. Dembskis Design-Schlussfolgerung behauptet zum Beispiel nicht, dass das Universum zu dem Zweck geschaffen wurde, Menschen hervorzubringen. Diese Tatsache zeigt sich daran, dass die Existenz eines einfachen Regenwurms ebenfalls einen intelligenten Designer als letzte Erklärung verlangt, da hier eine atemberaubende Unwahrscheinlichkeit in Verbindung mit einem unabhängig gegebenen Muster vorliegt, aber wir sollten nicht folgern, dass der Zweck, zu dem das Universum existiert, Regenwürmer sind. Die Idee, dass das Universum zum Zweck der Existenz des Menschen entworfen wurde, ist ein theologischer Anspruch, keine Design-Schlussfolgerung. Das Design-Argument behauptet nur, dass menschliches Leben als Erklärung einen intelligenten Designer verlangt, was immer seine Absichten sein mochten, und nicht, dass das Universum für den Menschen gemacht wurde.

Design aufgrund der Feinabstimmung – Intelligentes Leben könnte das Thema einer „sauberen Erklärung“ sein

Aber nun wäre zu fragen, warum wir uns auf intelligentes Leben als das geeignete Muster für das Design-Argument konzentrieren sollten? Warum nicht das Muster, das für die Existenz von – sagen wir – Kristallen erforderlich ist? Ich denke, hier könnte John Leslies Begriff einer "sauberen Erklärung" hilfreich sein. Für Leslie ist eine saubere Erklärung ein Fachausdruck: Es ist eine Erklärung, die beim Erklären irgendeines Phänomens offenbart, dass es etwas zu erklären gibt. Leslie nennt viele interessante Beispiele für saubere Erklärungen. Ein Mann kauft zum Beispiel im Basar ein, und der Seidenhändler breitet ein Seidentuch vor ihm aus. Zufällig überdeckt sein Daumen ein Mottenloch in dem Seidentuch. Natürlich muss sein Daumen irgendwo sein, und jede Stelle des Tuchs ist dafür gleich unwahrscheinlich; nichtsdestoweniger –! Dass er den Käufer hereinlegt, stellt eine saubere Erklärung dar, warum sein Daumen sich genau an dieser Stelle befindet. Oder angenommen, Bob, der am 23. August 1982 geboren wurde, bekommt zum Geburtstag von seiner Frau ein Auto mit dem Kennzeichen BOB 23882 geschenkt. Dass dieses Nummernschild das Ergebnis eines intelligenten Designs ist, ist eine saubere Erklärung dafür. Im Licht der Tatsache, dass gerade Bobs Geburtstag gefeiert wird, ist man nicht „Bob-chauvinistisch“, wenn man seinen Namen und sein Geburtsdatum als signifikantes Muster herausgreift, das nach einer Erklärung ruft. Das Vorhandensein einer sauberen Erklärung für die Anfangsbedingungen des Universums könnte uns in ähnlicher Weise dazu berechtigen, uns auf das Phänomen der für intelligentes Leben erforderlichen Bedingungen zu konzentrieren, das nach einer Erklärung ruft.

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/fine-tuning-argument

- William Lane Craig