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#521 Als christlicher Philosophielehrer an einer staatlichen Schule

February 02, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

Schon seit langem unterstütze ich Ihre Arbeit und lese Ihre Artikel. Ihre Bücher, Artikel, Debatten, Seminare und Vorträge machen mir immer wieder Mut und helfen mir, anderen Rechenschaft zu geben über die Hoffnung, die mich erfüllt. Danke für alles, was Sie tun!

Lassen Sie mich Ihnen kurz den Hintergrund meiner Frage erläutern. Ich bin Lehrer an einer staatlichen Schule und Jugendpastor in meiner Kirche und liebe beide Berufe. Ich verbringe sehr viel Zeit damit, den jungen Leuten in der Gemeinde zu zeigen, dass sie Gott mit ihrem ganzen Wesen lieben müssen – von ganzem Herzen, von ganzer Seele, mit all ihrem DENKEN und mit aller Kraft. Ich möchte ihnen ein festes Fundament ihres Glaubens vermitteln und ihnen zeigen, dass dieser Glaube mehr ist als ein Gefühl, sondern etwas, das man ausprobieren kann, das vernünftig ist und das man leben kann! Ich führe sie auch in die christliche Apologetik ein (zur Zeit behandele ich die Zuverlässigkeit des Neuen Testaments, die Auferstehung Jesu usw.) und in die christliche Lehre (da sind Ihre Defenders-Seminare eine Goldgrube! Und bitte schreiben Sie in ein paar ruhigen Minuten einmal ein Buch über christliche Theologie!).

Mein anderer Beruf ist Lehrer für Gemeinschaftskunde an einer staatlichen Highschool; ich unterrichte Weltgeschichte für die 9. Klasse und Geschichte der USA in der 10. Klasse. Ich versuche, meine Schüler zu begeistern und zum kritischen Denken anzuleiten. Außerhalb des Unterrichts (z.B. in der Mittagspause oder bei außerlehrplanmäßigen Veranstaltungen) ergeben sich sogar Gelegenheiten, mit Schülern ins Gespräch zu kommen, die Fragen haben oder über Themen reden wollen, die mit der christlichen Lehre oder Apologetik zu tun haben (meistens passiert das, wenn ich zu dem Thema „Weltreligionen“ komme). Ich kann gar nicht zählen, wie oft das Gespräch schon auf die Existenz Gottes, die Verlässlichkeit der Bibel, das Leben Jesu und die christliche Weltsicht gekommen ist. Viele, viele Schüler suchen hier echt nach Antworten. Ich bete buchstäblich jeden Tag darum, dass dann, wenn es Gottes Wille ist, dass sich ein Gespräch mit einem Schüler ergibt, er mir die Weisheit und den Durchblick schenkt, diesem Schüler die gedanklichen, geistlichen und ethischen Wahrheiten zu vermitteln, die seine Augen für die große Wahrheit Gottes öffnen können. Es ist ein ständiger Balanceakt, in einem säkularen System zu arbeiten und gleichzeitig zu versuchen, die Seelen der jungen Leute für Gott zu öffnen. Ihre Arbeit hat mir ungeheuer geholfen, die jungen Leute mit ihren tiefschürfenden Fragen auf eine Art zu erreichen, die fundiert und systematisch ist.

Die Zahl der Schüler, die sich für diese Themen interessieren, steigt und steigt. Viele von ihnen finden, dass man an der Schule eine Art Kurs oder AG „Philosophie“ anbieten sollten. Sie wollen allen Ernstes, dass ich das mache, und seit ein paar Jahren schon denke ich darüber nach. Und jetzt kommt meine Frage, d.h. eigentlich sind es mehrere Fragen: Wie gehe ich so einen Kurs als Christ, der also in einem säkularen Milieu einen Philosophie-Kurs anbieten würde, an? Konkret: Wenn ich über die Existenz Gottes (oder über Moral, Wahrheit etc. etc.) rede, wie mache ich das, ohne weder zu einseitig in der christlichen Richtung zu sein (ich meine, die Antworten der Theisten, wie Anselm oder Thomas von Aquin, sind nun einmal viel vernünftiger als die Alternativen) noch die Gegenposition (etwa Hume oder Kant) in zu schönen Farben zu malen (was Christen, die noch nicht im Glauben gefestigt sind, verunsichern und die Skeptiker in ihrem Unglauben bestärken könnte)? Mir fällt da keine gescheite Lösung ein, außer vielleicht, den Kurs historisch und nicht thematisch anzulegen; aber so ein Kurs soll ja auch zum eigenständigen Denken anregen, und man sollte über den Stoff nachdenken und diskutieren und Ideen hinterfragen können. Aber auf keinen Fall möchte ich dafür verantwortlich sein, dass skeptische junge Menschen noch skeptischer werden. Haben Sie einen Rat, wie ich so einen Kurs gestalten könnte? Kennen Sie Lehrbücher über Philosophie, die nicht zu schwierig geschrieben sind und die ausgewogen und nicht einseitig säkular oder atheistisch ausgerichtet sind? Ich hoffe, dass diese Fragen jetzt nicht verwirrend oder zu allgemein sind.

Danke für Ihre Antwort, und Gott segne Sie!

Mit freundlichen Grüßen,

M.

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Ihr Bericht macht mir echt Mut, M.! Wir brauchen dringend mehr Lehrer wie Sie! Besonders Mut machend finde ich das Interesse Ihrer Highschool-Schüler an zentralen Fragen über den christlichen Glauben, das das übliche Gerede, dass man sich an der Highschool nicht für solche Dinge interessiert, glatt Lügen straft.

Ich rate Ihnen dringend, diesen Philosophiekurs thematisch und nicht historisch anzulegen. Was die jungen Leute interessiert, sind ja die Themen! Die historische Methode (nach der ich selber unterrichtet wurde) tötet das Interesse und fördert nur den Skeptizismus (in den Augen der Schüler wird jede Philosophengeneration durch die jeweils nächste Generation widerlegt, und wo bleibt da die Wahrheit?). Benutzen Sie einen Ansatz wie in dem Buch Questions that Matter: An Invitation to Philosophy, von Ed Miller und Jon Jensen (New York: McGraw-Hill, 2008).

Anti-theistischen Strömungen in manchen der Texte können Sie dadurch entgegenwirken, dass Sie sie in Ihren Stunden korrigieren oder hinterfragen, z.B. so: „Es ist richtig, dass Kant den ontologischen Gottesbeweis verwarf, weil seiner Meinung nach Existenz keine Eigenschaft ist; aber moderne Verteidiger dieses Beweises, wie Alvin Plantinga, haben ihn ohne diese Annahme neu formuliert.“ Dadurch, dass Sie den Schülern nichtchristliche Positionen nicht verschweigen, sondern sie offen diskutieren, festigen Sie sie innerlich und stärken ihr Vertrauen in Sie als Lehrer.

Sie können Ausgewogenheit auch dadurch erreichen, dass Sie, wo dies angebracht ist, auch die Positionen theistischer Autoren kritisieren, z.B. so: „Die ersten beiden Gottesbeweise Thomas von Aquins gründen in einer Kosmologie, die überholt ist.“ Auch damit stärken Sie das Vertrauen Ihrer Schüler in Sie als Lehrer.

Da ich selber keine Einführungskurse Philosophie anbiete, kann ich in Sachen Lehrbücher keine Empfehlungen geben. Ich habe aber einige meiner Kollegen befragt, die u.a. die folgenden Bücher empfohlen haben:

  1. Tom Morris, Philosophy for Dummies
  2. William H. Halverson, A Concise Introduction to Philosophy
  3. Louis Pojman, Philosophy: The Love of Wisdom, 5th ed.

Ich bin sicher, dass Ihr Kurs spitze werden wird!

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/teaching-philosophy-in-a-public-high-school

- William Lane Craig