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Gott und der Anfang der Zeit

Summary

Leibniz‘ Frage an Clarke „Warum erschuf Gott die Welt nicht früher?“ stellt ein schwieriges Problem für Theisten dar, die eine neo-Newtonsche Auffassung vertreten, nach der Gott omnitemporal und die Zeit anfangslos ist. Kants Ausweg – zu verneinen, dass das Universum zu existieren begann – wird durch die zeitgenössische Kosmologie unplausibel. Sofern wir nicht bereit sind, zu sagen, dass das Universum unverursacht in Existenz sprang, müssen wir uns dem Leibniz’schen Rätsel stellen.
Das Argument von Leibniz führt, wenn es richtig formuliert ist, zu der Schlussfolgerung, dass die Zeit zu existieren begann. Die einzelnen Prämissen werden untersucht und stellen sich als plausibel heraus.
Doch wenn die Zeit also zu existieren begann, wie ist dann Gottes Relation zum Anfang der Zeit auszulegen? Es wird argumentiert, dass Gott plausiblerweise ohne das Universum zeitlos und mit dem Universum temporal ist. Diese paradoxe Schlussfolgerung wird gegen Einwände verteidigt.

„God and the Beginning of Time“, in: International Philosophical Quarterly 41 (2001): 17-31.

Hatte die Zeit einen Anfang? Isaac Newton, dessen Abhandlungen über Zeit und Raum in seiner Philosophiae naturalis principia mathematica für die klassischen Konzepte von Raum und Zeit bestimmend waren, die bis zur Einstein’schen Revolution galten, war nicht dieser Meinung. Obwohl Newton an der traditionellen christlichen Lehre der creatio ex nihilo festhielt, dachte er nicht, dass der Anfang des Universums auch den Anfang von Raum und Zeit implizierte. Bekanntlich vertrat Newton die Auffassung, dass vor dem Anfang des Universums eine unendliche Dauer existierte, in der es keinerlei physikalische Ereignisse gab; eine anfangslose Zeit, in der an irgendeinem Punkt vor einer endlichen Zeit das Universum in Existenz kam. Für Newton ist die uns vertraute Uhrzeit nur ein „vernünftiges Maß“ dieser absoluten Zeit, die – wie er sagt – „an sich und aus ihrer eigenen Natur gleichförmig ohne eine Beziehung zu irgendeiner äußeren Sache fließt und auch als Dauer bezeichnet wird.“ [1]

An der Vorstellung dieser leeren, anfangslosen Dauer vor dem Beginn des Universums nahmen viele Anstoß, da es in Abwesenheit irgendeiner Sache, die andauert, seltsam erscheint, zu behaupten, dass Dauer selbst existiert. Doch Newton hätte voll und ganz zugestimmt! Diejenigen, die sich die Newtonsche absolute Zeit als pure Dauer vorstellen, die in keiner Relation zu irgendeiner Substanz steht und nicht in irgendeiner Substanz gründet, oder die selbst eine andauernde Substanz ist, haben Newtons metaphysische Ansichten noch nicht verstanden. Denn nach Newtons Auffassung war die absolute Zeit in Gottes notwendiger Existenz begründet. In der Allgemeinen Anmerkung zu den Principia stellt Newton fest: „Es wird von allen eingeräumt, dass der höchste Gott notwendigerweise existiert“ [2] – Newton behauptete sogar: „Die gesamte Verschiedenheit natürlicher Dinge, die wir mit verschiedenen Zeiten und Orten in Verbindung bringen, konnten aus nichts anderem entspringen als den Ideen und dem Willen eines notwendig existierenden Wesens“ [3] – „und nach derselben Notwendigkeit existiert es immer und überall.“ [4] Als ein Wesen, das notwendigerweise existiert, muss Gott ewig existieren, was nach Newton eine von je her und immer währende Dauer impliziert. Er schreibt:

Er ist ewig und unendlich …, das heißt er währt von Ewigkeit zu Ewigkeit, seine Gegenwart reicht von Unendlichkeit zu Unendlichkeit. … Er ist weder Ewigkeit noch Unendlichkeit, aber er ist ewig und unendlich; er ist weder Dauer noch Raum, aber er währt fort und ist gegenwärtig. Er währt ewig und ist überall gegenwärtig; und indem er immer und überall existiert, macht er Dauer und Raum aus. Da jedes Teilchen des Raumes immer ist und jeder unteilbare Moment der Dauer überall ist, kann der Erschaffer und Herr aller Dinge nicht nie und nirgends existieren. [5]

Weil Gott ewig ist, existiert eine immerwährende Dauer, und weil er allgegenwärtig ist, existiert ein unendlicher Raum. Absolute Zeit und absoluter Raum sind also von der Existenz Gottes abhängig. Wie Newton es an anderer Stelle ausdrückt, sind sie „emanative Auswirkungen“ von Gottes Existenz. [6] FürNewton impliziert der Anfang des Universums also nicht den Anfang der Zeit, weil vor dem Augenblick der Schöpfung Gott existierte, der bis zu dem Moment, in dem er die Welt erschuf, durch anfangslose Zeitalter hindurch unendlich währte.

Warum erschuf Gott die Welt nicht früher?

Newtons Begriff der absoluten Zeit schockierte seinen kontinentalen Zeitgenossen Gottfried Leibniz. Nach der von Leibniz bevorzugten relationalen Auffassung der Zeit gibt es ohne sich ändernde Dinge keine Zeitmomente; aufgrund der Unveränderlichkeit Gottes beginnt die Zeit daher mit der Schöpfung, und Gottes ewige Existenz ist als Zeitlosigkeit auszulegen. [7] In seiner berühmten Korrespondenz mit dem Newton-AnhängerSamuel Clarke konfrontierte Leibniz Clarke mit dem folgenden Rätsel: Wenn Gott vor der Schöpfung in einer unendlichen Zeit existierte, warum erschuf er die Welt nicht früher? [8] Leibniz stellte diese Frage als einen Einwand gegen Newtons substantivalistische Auffassung der Zeit dar, doch tatsächlich ist sie ein Einwand gegen die vergangene Unendlichkeit der Zeit. Der Substantivalist, der an die Endlichkeit der Vergangenheit glaubt, wird die Frage für falsch formuliert halten, da es keine leeren Momente der Zeit gibt, die der Schöpfung vorausgehen, wie Newton glaubte. Die Frage von Leibniz ist also für die Debatte über Substantivalismus/Relationalismus irrelevant; sie ist eher eine Herausforderung in Bezug auf die Unendlichkeit der Vergangenheit. [9] Sie fragt, welchen möglichen Grund Gott gehabt haben könnte, eine unendliche Zeit lang seine Erschaffung der Welt hinauszuzögern. Ob Zeit nun substantivalistisch oder relational ausgelegt wird: Da Gott alle Realität außer ihm selbst zu irgendeiner Zeit in der Vergangenheit ex nihilo erschuf, folgt daraus, dass Gott, wenn die vergangene Zeit unendlich ist, vor dem Moment der Schöpfung in einer unendlichen Periode schöpferischer Untätigkeit existierte. Warum wartete er so lange?

Man könnte denken, dass die Kraft dieses Rätsels abzuwenden ist, indem man verneint, dass das Universum tatsächlich zu existieren begann, wie Newton und Leibniz annahmen. Tatsächlich dachte Immanuel Kant, dass dies die Auffassung ist, zu der wir aus rationalen Gründen neigen. [10] In der Antithese zu seiner Ersten Antinomie erklärt Kant: „Die Welt hat keinen Anfang“, sondern ist „in Ansehung der Zeit … unendlich.“ [11] Er argumentiert:

Da der Anfang ein Dasein ist, wovor eine Zeit vorhergeht, darin das Ding nicht ist, so muss eine Zeit vorhergegangen sein, darin die Welt nicht war, d. i. eine leere Zeit. Nun ist aber in einer leeren Zeit kein Entstehen irgendeines Dinges möglich; weil kein Teil einer solchen Zeit vor einem anderen irgendeine unterscheidende Bedingung des Daseins, vor die des Nichtseins, an sich hat (man mag annehmen, dass sie von sich selbst, oder durch eine andere Ursache entstehe). Also kann zwar in der Welt manche Reihe der Dinge anfangen, die Welt selber aber kann keinen Anfang haben, und ist also in Ansehung der vergangenen Zeit unendlich. [12]

Kants Argumentation greift den Einwand von Leibniz gegen Clarke wieder auf. Geht man von der Existenz einer homogenen Zeit vor dem Anfang der Welt aus – einer Zeit, deren Momente sich nicht durch das Auftreten von Ereignissen unterscheiden – kann kein Grund genannt werden, warum die Welt eher in dem einen statt in einem anderen Moment in Existenz kommen sollte. Daher kann die Welt nicht angefangen haben, zu existieren. Kant denkt, dass das Argument ohne Bezug auf Gott durchkommt, doch es ist fraglich, ob eine solche Strategie solide ist. Denn wenn der Anfang des Universums wirklich unverursacht ist, dann braucht es überhaupt keinen Grund zu geben, warum es eher in dem einen statt in einem anderen Moment in Existenz kommen sollte. Ein zeitgenössischer A-Theologe hat es so ausgedrückt: Das Universum „kam aus nichts, zu nichts und durch nichts“; es „unterbricht die Herrschaft des Nichtseins ohne Grund.“ [13] Doch ein solcher Ausweg aus Kants Argument erweist sich kaum als plausibel. Der Wissenschaftsphilosoph Bernulf Kanitscheider beklagt, dass er „frontal mit der erfolgreichsten ontologischen Verpflichtung aufeinanderprallt, welche seit Epikur und Lukrez eine Richtlinie der Forschung war“, nämlich dass nichts aus nichts kommt, wasKanitscheider als „eine metaphysische Hypothese“ bezeichnet, „die sich in jedem Winkel der Wissenschaft als so fruchtbringend erwiesen hat, dass wir gewiss gut beraten sind, wenn wir uns nach Kräften bemühen, Prozesse des absoluten Ursprungs zu meiden.“ [14] Indem wir diesen recht vernünftigen Rat annehmen, können wir Kants Alternative eines nicht-kausalen Ursprungs ignorieren, und die Antithese beschränkt sich auf das Rätsel von Leibniz.

Die Schwierigkeit bei einer Annahme der Schlussfolgerung von Kants Antithesis – dass die Welt keinen Anfang hat – ist, dass wir jetzt einen sehr starken astrophysischen Beweis haben, dass das Universum tatsächlich einen absoluten Ursprung hatte. Stephen Hawking schreibt in seinem 1996 veröffentlichten Buch: „Heute glaubt fast jeder, dass das Universum, und die Zeit selbst, bei dem Urknall einen Anfang hatte.“ [15] Allerdings muss man ausgehend von Newtons Unterscheidung zwischen der absoluten Zeit, der Zeit Gottes und unseren physikalischen Zeitmaßen sagen, dass die Tatsache, dass die physikalische Zeit (und der Raum) im Urknall einen Anfang hatte, nicht automatisch zu der Schlussfolgerung führt, dass die Zeit selbst begann. Es ist leicht vorstellbar, dass Gott vor dem Urknall in einer metaphysischen Zeit temporal existierte und vielleicht Engelsphären erschuf. In diesem Zusammenhang ist vielleicht erwähnenswert, „dass alle Ergebnisse der relativistischen Urknall-Kosmologie sich ausschließlich durch die Newtonsche Physik vollkommen reproduzieren lassen, indem der Ursprung des materiellen Universums in einem leeren präexistenten Newtonschen Raum und in einem Moment der Newtonschen absoluten Zeit stattfindet.“ [16] Dennoch weisen die astrophysikalischen Evidenzen auf die Entstehung des materiellen Universums an einem Punkt der endlichen Vergangenheit hin, vor dem es nicht existierte. Man vermeidet das Rätsel von Leibniz also nur, wenn man den Anfang des Universums trotz der gegenteiligen Evidenz verneint.

Wir scheinen vor einer schwierigen Entscheidung zu stehen, wie der Physiker P. C. W. Davies zeigte:

Was verursachte den Urknall? … Man könnte eine übernatürliche Kraft in Betracht ziehen … oder man könnte es vorziehen, den Urknall als ein Ereignis ohne eine Ursache zu betrachten. Mir scheint, dass wir keine große Auswahl haben. Entweder … irgendetwas außerhalb der physikalischen Welt … oder ein Ereignis ohne eine Ursache. [17]

Wenn wir die Vorstellung nicht schlucken wollen, dass das Universum unverursacht aus dem Nichts in Existenz kam, bleibt uns nur eine übernatürliche Ursache. Sir Arthur Eddington meinte: „Der Anfang scheint uns vor unüberwindbare Schwierigkeiten zu stellen, sofern wir nicht bereit sind, ihn tatsächlich als übernatürlich zu betrachten.“ [18] Doch dann müssen wir uns mit dem Rätsel von Leibniz und Kant auseinandersetzen.

Warum erschuf Gott das Universum also nicht früher? Man könnte sagen, dass es angesichts einer unendlichen vergangenen Zeit einfach logisch unmöglich ist, dass Gott einen ausreichenden Grund hatte, einen Moment anstelle eines anderen zu wählen, um die Welt zu erschaffen, und dass man Gott kaum vorwerfen kann, nicht zu tun, was logisch unmöglich ist. [19] Gottes Wahlmöglichkeiten beschränken sich darauf, nicht zu erschaffen, von der vergangenen Ewigkeit her zu erschaffen oder willkürlich einen Moment der unendlichen Zeit zu wählen, um zu erschaffen.

Doch eine solche Antwort ist weit davon entfernt, die Herausforderung von Leibniz zu lösen, sondern unterstreicht die Schwierigkeit nur. Das Problem lässt sich wie folgt formulieren, wobei t sich über die Zeit läuft.

1. Wenn die Vergangenheit unendlich ist, dann verzögerte Gott bei t das Erschaffen bis t + n. (P)

2. Wenn Gott bei t das Erschaffen bis t + n verzögerte, muss er einen guten Grund gehabt haben, dies zu tun. (P)

3. Wenn die Vergangenheit unendlich ist, kann Gott keinen guten Grund gehabt haben, bei t das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (P)

4. Also muss Gott, wenn die Vergangenheit unendlich ist, bei t einen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (HS, 1 ,2)

5. Die Vergangenheit ist unendlich. (P)

6. Also muss Gott bei t einen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (MP, 4, 5)

7. Also kann Gott bei t keinen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (MP, 3, 5)

8. Also muss Gott bei t einen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern, und Gott kann bei t keinen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (Konj., 6, 7)

9. Also muss Gott, wenn die Vergangenheit unendlich ist, bei t einen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern, und Gott kann bei t keinen guten Grund gehabt haben, das Erschaffen bis t + n zu verzögern. (KB, 5 8)

10. Also ist die Vergangenheit nicht unendlich. (RAA, 9)

Die Behauptung, dass es für Gott logisch unmöglich ist, irgendeinen Grund zu haben, einen Moment anstelle eines anderen als den Moment des Erschaffens vorzuziehen, untergräbt die entscheidende Prämisse (2) in keiner Weise, sondern stützt vielmehr die Wahrheit von Prämisse (3). In einer unendlichen leeren Zeit vor der Existenz irgendeiner Realität außerhalb von Gott kann es keinen Grund für Gott geben, länger zu warten, bis er die Welt erschafft. Schließlich hat er zu jeder Zeit t bereits seit einer Unendlichkeit gewartet! Warum noch länger warten?

In seiner interessanten Analyse dieses Problems [20] stellt Brian Leftow fest: Wenn Gott in irgendeinem Moment einen ausreichenden Grund erlangt, die Welt zu erschaffen, dann muss dieser Grund in irgendeiner Änderung innerhalb oder außerhalb von Gott liegen. Die einzige Änderung, die außerhalb von Gott geschieht, ist das absolute Werden der Zeit selbst. Wenn Gott von vergangener Ewigkeit her die Absicht hatte, die Welt zu t zu erschaffen, dann könnte das Eintreffen von t als gegenwärtig Gott einen neuen Grund geben, zu erschaffen. Doch wie Leftow sagt, ist es zumindest anfänglich plausibel, dass ein vollkommen rationaler Gott nicht von aller Ewigkeit her einen Grund haben konnte, zu einem bestimmten Moment anstelle eines anderen zu erschaffen. Denn die Position irgendeines bestimmten Momentes hat nichts an sich, das ihn zu einem besonders geeigneten Moment für den Anfang des Universums macht. Wenn Gott also einen neuen Grund haben soll, zu erschaffen, muss dieser aus ihm selbst kommen. Doch da Gott seit jeher vollkommen gut, allwissend und allmächtig ist, kann in ihm selbst keine Änderung geschehen, die ihn veranlassen würde, zu irgendeiner Zeit statt zu einer früheren zu erschaffen. Somit kann Gott nicht zu irgendeinem Moment einen ausreichenden Grund erlangen, die Welt zu erschaffen. Doch genauso wenig konnte er von vergangener Ewigkeit her irgendeinen Grund haben, zu einer bestimmten Zeit zu erschaffen, wie wir bereits gesehen haben. Leftows Analyse unterstützt (3) oben, dass Gott nicht bei irgendeiner Zeit t in der unendlichen Vergangenheit einen guten Grund gehabt haben konnte, bei t seine Erschaffung der Welt bis t + n zu verzögern. Leftow versucht, die Kraft des Arguments mit der Behauptung abzuwenden, dass Gottes Grund, die Erschaffung zu verzögern, die Freude ist, der Erschaffung entgegenzusehen. Er sagt:

Gott kann also (schlage ich vor) die Erschaffung verzögern, um die Vorfreude auf ein Universum und/oder den Wunsch, eines zu erschaffen, zu genießen. Eltern können die Vorfreude auf ein Kind genießen. … So kann Gott a fortiori im Voraus das In-Existenz-Kommen eines Universums genießen, dessen genaue Beschaffenheit er vorausweiß. [21]

Eine solche Schilderung Gottes mag allzu anthropomorph erscheinen; doch Leftow argumentiert, dass eine Person aus überfließender Liebe über die Güte eines Geschenks, das sie geben wird, und über die Freude des Empfängers, es zu erhalten, entzückt ist, und dass Gott eine solche Person ist, da sein Wesen agapé ist.

Ich denke, der entscheidende Punkt bei Leftows Vorschlag ist, ob seine vorgeschlagene Lösung eine Antwort auf die Frage bietet, warum Gott eine unendliche Zeit lang seine Erschaffung der Welt verzögern sollte. Leftow sieht kein Problem darin, dass Gott eine unendliche Zeit lang wartete, da Gott unendlich geduldig ist. Doch die Frage bleibt bestehen, warum Gott, nachdem er von einer vergangenen Ewigkeit her der Erschaffung der Welt freudig entgegengesehen hat, bei t das Erschaffen bis t + n verzögern sollte. Oder, umgekehrt, warum er bei t + n aufhörte zu warten und Vorfreude zu genießen, statt früher oder später. Leftow antwortet, dass es eine Zeit t gibt, bei der die Vorfreude, ein Geschenk zu übergeben, nachzulassen beginnt und so einen Punkt des sinkenden Gewinns erreicht.

Eine rationale Person, die ihr gesamtes Glück maximieren möchte, hätte also einen Grund, ihr Geschenk bei t zu überreichen. … Doch wenn dies Gottes Anliegen ist, dann wird Gott nicht über t hinaus warten wollen, wenn er nach t nicht länger seinen Zustand maximaler Vorfreude genießt und größere Freude genießen wird, wenn er bei t überreicht. Wenn Gott nun seine eigenen zukünftigen Zustände voraussieht, weiß er von Ewigkeit her genau, wann der Punkt des sinkenden Glücks seiner Vorfreude einsetzen wird. Wenn das so ist, kann er beschließen, genau zu diesem Punkt zu erschaffen. [22]

Leftow stellt sich eine Art „Gaußsche Kurve“ vor, die Gottes wachsende und nachlassende Vorfreude abbildet (Abb. 1):

Abbildung 1: Gottes Vorfreude wächst von einem minimalen Wert bei t = ∞ bis zu einem maximalen Wert, bevor sie wieder auf einen minimalen Wert bei t = + ∞ sinkt.

Gott wird im Moment seiner höchsten Vorfreude etwas erschaffen, und das ist t, der Zeitpunkt der Erschaffung. Wieder könnte man den berechtigten Einwand erheben, dass eine solche Schilderung der Vorfreude Gottes überaus anthropomorph ist; aber das sei dahingestellt. Die wichtigere Schwierigkeit ist, dass Leftows Gaußsche Kurve logisch vor der Tatsache liegen muss, dass die Kurve speziell bei t den Höhepunkt erreicht, wenn sie eine Begründung darstellen soll, warum Gott bei t zu erschaffen wählt. Doch wenn die Vergangenheit unendlich ist, warum erreichte Gottes Vorfreude bei t ihren Höhepunkt und nicht früher? Leftows Antwort ist stockend:

… stellen wir uns eine unendliche Kurve entlang der x-Achse vor, die in einem zweidimensionalen Raum eingetragen ist. Es gibt keinen leeren Raum entlang der x-Achse, in den eine solche Kurve verschoben werden kann. Die Gleichungen, deren Werte diese Kurve abbildet, ergeben einen Wert y für jeden Punkt entlang der x-Achse. Daher können wir die Art der Kurve und ihre Position nicht einmal als zwei unabhängige Faktoren bezeichnen, die ihren höchsten Punkt bestimmen. Eine solche Kurve kann nicht verschoben werden. Wo ihr höchster Punkt sich befindet, ist eindeutig nur eine Funktion der Art der Kurve. Die Art der Kurve genügt, um zu bestimmen, an welcher Stelle der x-Achse der höchste Wert y der Kurve auftritt. [23]

Diese Antwort berücksichtigt den paradoxen Charakter des aktual Unendlichen nicht. So wie das berühmte Hilbert-Hotel (dessen unendlich viele Zimmer alle belegt sind) unendlich viele neue Gäste aufnehmen kann, einfach indem es jeden Gast in ein Zimmer mit der doppelten Ziffer seines eigenen Zimmers verlegt (wodurch alle Zimmer mit ungeraden Ziffern frei werden), so kann Gottes Kurve der Vorfreude – auch wenn sie sich ins Unendliche erstreckt – in der Zeit rückwärts verschoben werden, einfach indem jeder Wert der x-Koordinate durch zwei geteilt wird. Da die Vergangenheit ex hypthesi aktual unendlich ist, besteht keine Gefahr, die Vorderseite der Kurve durch eine solche Rückwärtsverschiebung zu „zerknüllen“. Wenn eine solche Verschiebung unmöglich erscheint, dann ist das, was in Frage gestellt ist, die Möglichkeit einer unendlichen Vergangenheit. Geht man jedoch von der Unendlichkeit der Vergangenheit aus, besteht kein Problem, eine solche Kurve zu verschieben: Ihre Form könnte unverändert bleiben und doch überall in der unendlichen Vergangenheit oder Zukunft ihren Höhepunkt erreichen. Leftow hat also kein stichhaltiges Argument für die Annahme geliefert, dass Gott Erschaffens-Vorfreude während einer unendlichen Zeit einen Grund bietet, warum Gott bei t erschafft, statt bei t + n (or t n).

Die Prämisse (1) unseres Arguments scheint unanfechtbar zu sein. Wenn die Vergangenheit unendlich ist, dann ist für jeden Moment vor der Schöpfung gegeben, dass Gott zu diesem Moment existierte und das Universum in diesem Moment in Existenz gebracht haben könnte. Aber das tat er nicht. Er wartete. Er verzögerte die Erschaffung der Welt, bis ein späterer Moment eintreffen würde.

Die strittigste Prämisse ist daher (2), dass Gott einen guten Grund gehabt haben muss, um bis zu t + n zu warten. Zu beachten ist, dass (2) nicht von der Wahrheit irgendeines allgemeineren Satzes vom zureichenden Grund abhängt. Sie stellt nur fest, dass in diesem spezifischen Fall Gott – der bei t allein existierte, aber beschloss, das Erschaffen bei t zu unterlassen und das Erschaffen bis zu t + n zu verzögern – einen guten Grund gehabt haben muss, zu warten. Zu beachten ist auch, dass (2) nicht die Unendlichkeit der Zeit voraussetzt. Somit ist es doppelt irrelevant, zu protestieren, dass angesichts einer unendlichen Vergangenheit Gottes Entscheidung, wann er erschaffen würde, willkürlich gewesen sein muss. Es ist nicht nur so, dass dies nur (3) unterstreicht; sondern (2) postuliert auch nicht die Unendlichkeit der Vergangenheit. Sie stellt fest, dass Gott, wenn er zu einem Moment vor der Schöpfung das Erschaffen bewusst auf einen späteren Moment verlegt, gewiss einen Grund hat, dies zu tun. Ein vollkommen rationaler Akteur verzögert eine Handlung nicht, die er auszuführen beabsichtigt, wenn er nicht einen guten Grund dazu hat. Aus diesem Grund ist die Behauptung von Smith in seiner Erörterung der Antithese Kants, dass „… etwas zufällig zu einer Zeit anstelle einer anderen ins Sein kommen kann“, irrelevant, da Smith den Fall einer theistischen Schöpfung nicht in Betracht zieht. [24] Daher scheint (2) mir eminent plausibel zu sein.

Dementsprechend scheint mir die Leibniz’sche Herausforderung ein stichhaltiges und überzeugendes Argument für die Annahme zu geben, dass die Vergangenheit endlich ist. Dass Gott eine Ewigkeit verstreichen lässt, indem er seine Erschaffung der Welt eine unendliche vergangene Zeit lang ständig verzögert, scheint eine unverständliche Vorstellung zu sein. Daher scheint mir, dass wir gute Gründe haben, die Endlichkeit der Vergangenheit und den Anfang der Zeit zu bekräftigen.

Die Temporalität versus Atemporalität Gottes ohne die Schöpfung

Wenn nun die Zeit zu irgendeinem Moment der endlichen Vergangenheit einen Anfang hatte, folgt daraus, dass Gott ohne das Universum atemporal existiert, selbst wenn er nach dem Moment der Schöpfung – wie Newton glaubte – temporal ist. Nun erscheint eine solche Auffassung prima facie seltsam und sogar inkohärent. Denn nach einer solchen Auffassung scheint es zwei Phasen des Lebens Gottes zu geben, die zueinander in der Relation früher/später als stehen. Doch es ist kaum kohärent, zu sagen, dass eine zeitlose Phase früher existierte als eine temporale Phase des Lebens Gottes. Leftow hat den Einwand stark formuliert:

Wenn Gott zeitlos ist, gibt es in seinem Leben kein Vorher und Nachher. Keine Phase seines Lebens ist früher oder später als irgendeine andere Phase, denn nur temporale Dauern und ihre Phasen stehen in diesen Relationen. Da ein ewiges Leben keine früheren und späteren Teile hat, hat es keine Phasen, selbst wenn es (wie Eleonore Stump und Norman Kretzmann behaupten) in gewisser Weise ausgedehnt wird. Wenn Gott zeitlos ist und ein Universum oder die Zeit existiert, dann gibt es keine Phase seines Lebens, in der er ohne ein Universum oder ohne die Zeit ist, selbst wenn das Universum oder die Zeit einen Anfang hatte. Denn ein Leben ohne Phasen kann nicht eine Phase ohne Universum oder Zeit und eine Phase mit Universum und Zeit haben. Wenn Gott zeitlos ist, dann ist die Gesamtheit seines Lebens identisch mit der „Phase“ seines Lebens, in welcher das Universum oder die Zeit existiert, unabhängig davon, ob das Universum oder die Zeit einen Anfang hatte. [25]

Wenn eine zeitlose Phase des Lebens einer Person eine Phase ist, wie Leftow sagt, die mit der Gesamtheit des Lebens dieser Person koextensiv ist, dann folgt daraus, dass Gott, wenn er eine temporale Phase seines Lebens hat, nicht auch eine zeitlose Phase seines Lebens haben kann. Somit muss Gott, wenn er nach der Schöpfung temporal ist, auch vor der Schöpfung temporal sein; aufgrund seiner notwendigen Existenz muss die Zeit tatsächlich anfangslos sein.

Eine metrisch amorphe Zeit ohne Schöpfung

Wie können wir dieser offensichtlichen Antinomie entgehen? Eine Möglichkeit ergibt sich durch eine genauere Untersuchung des Arguments, das ich für die Endlichkeit der Vergangenheit präsentiert habe. Streng genommen impliziert das Argument nicht, dass die Zeit selbst einen Anfang hatte. Sie impliziert vielmehr, dass eine Zeit, die in verschiedene Intervalle teilbar ist, einen Anfang gehabt haben muss. Doch das Argument wäre nicht unvereinbar mit der Existenz eines undifferenzierten „Vorher“, auf das der Anfang der Zeit folgt, wie wir sie kennen. Eine solche Auffassung der göttlichen Ewigkeit ohne das Universum wurde von Padgett und Swinburne verteidigt. [26] Sie beide unterstützen einen metrischen Konventionalismus in Bezug auf die Zeit und erklären daher, dass Gott in seiner Existenz vor der Schöpfung in einer metrisch amorphen Zeit da ist, einem Zustand, den Padgett „relative Zeitlosigkeit“ nennt. Die konventionalistische These stößt auf gravierende Schwierigkeiten; [27] diese könnten jedoch vermieden werden, wenn wir einfach sagen würden, dass die metrische Zeit im Moment der Schöpfung beginnt. Wenn Gott vor der Schöpfung änderungslos ist, war die Zeit, die eine solche Existenz charakterisierte, von der metrischen Zeit vielleicht völlig verschieden. In einer metrisch amorphen Zeit gibt es keinen Unterschied zwischen einer Minute, einer Stunde oder einem Äon; genauer gesagt existieren solche messbaren Intervalle der Zeit überhaupt nicht. Es ist also ein reiner Trugschluss, sich vorzustellen, dass Gott – sagen wir – eine Stunde vor seiner Erschaffung der Welt existierte. Swinburne argumentiert, dass Gottes Zeit nach einem solchen Verständnis anfangslos ist, aber nicht als unendlich (oder endlich) bezeichnet werden kann:

… stellen wir uns vor, dass Gott, das aus sich selbst existierende temporale Wesen, kein Universum geschaffen hat, in dem es Naturgesetze gibt. Es gäbe dann … keine unaufhaltsam tickende „kosmische Uhr“, das heißt es gäbe keine temporalen Intervalle irgendeiner bestimmten Länge. Es gäbe nur ein Ereignis oder eine Reihe von Ereignissen in dem göttlichen Bewusstsein. Stellen wir uns Gott auch als das Subjekt nur eines einzelnen mentalen Ereignisses vor, eines bewussten Aktes ohne qualitativ unterscheidbarer temporaler Teile (z.B. eines bewussten Aktes, der nicht aus einem Gedanken besteht, auf den ein anderer Gedanke folgt). Nun … muss jedes Ereignis Zeit in Anspruch nehmen, aber es gäbe keine Wahrheit, nach der dieses Ereignis (dieser Akt) eine bestimmte Zeit und nicht irgendeine andere Zeit lang gedauert hat. Es gäbe keinen Unterschied zwischen einem göttlichen Akt des Selbstbewusstseins, der eine Millisekunde dauerte, und einem, der eine Million Jahre dauerte. … Würde es einen Unterschied zwischen einem göttlichen bewussten Akt geben, der Gottes einziger bewusster Akt war und der qualitativ durchgängig identisch war, welcher eine endliche Länge hatte, und einem, der von unendlicher Länge war? Nein – solange der Erstere wirklich qualitativ durchgängig identisch war und somit keine Erfahrung eines Anfangs oder Endes enthielt, und solange es keine Zeit gibt, in der Gott nicht ist. [28]

Eine solche Auffassung ist sehr attraktiv: Sie ermöglicht uns, buchstäblich von Gottes Existenz vor der Schöpfung zu sprechen, ohne die problematische Behauptung zu bestätigen, dass Gott in einer unendlichen Zeit vor der Schöpfung existierte. Wir können uns auch Gottes buchstäbliches Vorauswissen zukünftiger Ereignisse nach der Schöpfung vorstellen, einschließlich seiner eigenen Akte. Und wir stoßen nicht auf Probleme, die sich aus dem Prinzip ergeben, dass eine Ursache ihrer Wirkung temporal vorausgehen muss.

Nichtsdestoweniger ist Padgetts und Swinburnes Lehre der göttlichen Ewigkeit in der vorliegenden Form nachweislich fehlerhaft und bedarf somit einer Revision. Der metrische Konventionalismus ist die These, dass es keine Tatsache bezüglich der komparativen Längen nicht geschachtelter temporaler Intervalle gibt. Was der metrische Konventionalismus nicht behauptet, ist, dass in der metrisch amorphen Zeit überhaupt keine Intervalle existieren oder dass geschachtelte Intervalle nicht in ihrer Länge miteinander verglichen werden können. In einer metrisch amorphen Zeit ist es also sinnvoll, von faktischen Längenunterschieden bestimmter temporaler Intervalle zu sprechen (Abb. 2).

Abbildung 2: Intervalle in einer metrisch amorphen Zeit vor der Schöpfung bei t = 0.

Nach konventionalistischer Auffassung gibt es keine Tatsache bezüglich der komparativen Längen von dc und cb oder db und ca. Aber es gibt einen objektiven Längenunterschied zwischen da und ca oder cb und ca, nämlich da > ca und cb < ca. Denn im Falle von Intervallen, die eigene Teile anderer Intervalle sind, sind die eigenen Teile faktisch kürzer als die einschließenden Intervalle. Daraus folgt, dass Gott vor t = 0 in einer Abfolge einer aktual unendlichen Zahl zunehmend längerer Intervalle existiert hat, und wir können immer noch fragen: „Warum erschuf Gott die Welt nicht früher?“ Unsere Schwierigkeiten mit der Unendlichkeit der Vergangenheit bleiben also in Bezug auf eine metrisch amorphe göttliche Ewigkeit bestehen. Tatsächlich können wir bei allem Respekt gegenüberSwinburne sogar sagen, dass eine solche Zeit unendlich wäre. Die Vergangenheit ist dann und nur dann endlich, wenn es ein erstes Zeitintervall gibt und die Zeit nicht zirkulär ist. (Ein Intervall ist ein erstes Intervall, wenn kein früheres existiert oder kein Intervall existiert, das größer ist, aber denselben Endpunkt hat.) Selbst eine Vergangenheit, der ein Anfangsmoment fehlt, ist endlich, wenn sie ein erstes Intervall hat. Swinburnes metrisch amorphe Vergangenheit ist also eindeutig nicht endlich. Aber ist sie unendlich? Die Vergangenheit ist unendlich, wenn es kein erstes Zeitintervall gibt und Zeit nicht zirkulär ist. Somit ist Swinburnes vergangene Ewigkeit unendlich. Unsere Unfähigkeit, die Längen zeitlicher Intervalle in einer metrisch amorphen Zeit faktisch zu vergleichen, schließt daher nicht die Festlegung aus, dass die Vergangenheit als Ganze endlich oder unendlich ist. Die These einer metrisch amorphen Zeit vor der Schöpfung umgeht die Schwierigkeiten der Unendlichkeit der Vergangenheit nicht.

Der Mangel des Ansatzes von Padgett und Swinburne ist, dass er nicht radikal genug ist. Er schlägt vor, auf die Metrik der Zeit zu verzichten und die Isomorphie der Zeit zu einer geometrischen Linie zu behalten. Da Intervalle bei einer solchen Linie unterschieden und verglichen werden können (wenn sie geschachtelt sind), erreicht man die Undifferenziertheit nicht, die für eine ohne die Welt existierende Zeit notwendig ist. Nötig ist, die Zeit ihrer Isomorphie zu einer geometrischen Linie zu berauben, um zu behaupten, dass es vor der Schöpfung buchstäblich keine Intervalle der Zeit gibt. In einer solchen Zeit würde es kein Früher und Später geben, kein Existieren in aufeinanderfolgenden Intervallen und somit auch kein Warten, kein temporales Werden – nichts außer dem ewigen „Jetzt“. Dieser Zustand würde als Ganzes, nicht stückweise, im Moment der Schöpfung, in dem die metrische Zeit beginnt, in einem Nu vergehen. Er wäre ein undifferenziertes „Vorher“, auf das ein differenziertes „Nachher“ folgt.

Jemand könnte sagen, dass ein solch undifferenzierter, änderungsloser Zustand kaum temporal genannt werden kann – kein Wunder, dass Padgett ihn als relative Zeitlosigkeit bezeichnet. Tatsächlich sieht er verdächtig nach einem Zustand der Zeitlosigkeit aus. Topologisch klingt er ganz nach einem Punkt, dem paradigmatischen Symbol göttlicher Zeitlosigkeit. Der einzige Sinn, in dem er als temporal gelten kann, ist, dass dieser Zustand buchstäblich vor Gottes Erschaffung der Welt und dem Beginn der metrischen Zeit existiert. Diese Tatsache mag für einige Denker vorteilhaft genug sein, um einen solchen Begriff der göttlichen Ewigkeit ohne die Welt anzunehmen; sie ist nicht gering zu achten.

Zeitlosigkeit ohne Schöpfung

Doch vielleicht veranlassen die oben erläuterten Bedenken uns, die seltsame Alternative neu zu prüfen, dass Gott ohne Schöpfung zeitlos und nach der Schöpfung temporal ist. Ein erneutes Lesen der Begründung Leftows zeigt, dass er einfach voraussetzt, dass Gottes Leben, wenn es keine früheren und späteren Teile hat, überhaupt keine Phasen hat. Doch warum könnte es nicht zwei Phasen von Gottes Leben geben – eine atemporale und eine temporale –, die nicht in einer Relation als früher oder später stehen? Leftow nimmt einfach an, dass das ganze Leben Gottes zeitlos ist, wenn irgendeine Phase seines Lebens zeitlos ist. Doch es könnte sein, dass Gottes atemporale Phase, technisch gesehen, nicht temporal vor seiner temporalen Phase existiert.

Wir haben bereits gesehen, dass ein Zustand relativer Zeitlosigkeit verdächtig nach der altbekannten Zeitlosigkeit aussieht. Dieser Eindruck wird verstärkt, wenn man sich auf die tempushafte [29] oder A-Theorie der Zeit beruft. Bei einer tempuslosen oder B-Theorie der Zeit ist es verlockend, sich die zwei Phasen von Gottes Leben so vorzustellen, dass sie im Moment der Schöpfung gleichermaßen existent, nebeneinandergestellt und verbunden sind, die eine früher und die andere später. Eine solche Darstellung ist zugegebenermaßen inkohärent. Doch bei einer A-Theorie der Zeit ist diese Darstellung eine Illusion. In Wirklichkeit ist Gott, wenn er ohne Schöpfung existiert, völlig allein und gänzlich änderungslos und vollkommen, und nicht ein einziges Ereignis durchbricht seine Bewegungslosigkeit. Es gibt kein Vorher, kein Nachher, kein temporales Verstreichen und keine zukünftige Phase seines Lebens. Es gibt einfach nur Gott, änderungslos und allein. Nun ist der einzige mögliche Grund, aus dem wir einen solchen statischen Zustand temporal nennen könnten, dass nach ihm temporale Sachverhalte gelten. Doch sofern der Sachverhalt des Existierens Gottes ohne das Universum gilt, gibt es natürlich keine temporalen Sachverhalte, weder in der Zukunft noch sonst irgendwo. Nichts außer Gott existiert in diesem absolut änderungslosen Zustand.

Wenn man behauptet, dass aufgrund des Anfangs der Welt Zeit ohne die Welt existiert, postuliert man eine Art Retrokausalität, indem das Auftreten des ersten Ereignisses verursacht, dass die Zeit nicht nur mit dem Ereignis, sondern schon davor existiert. Doch nach einer A-Theorie der Zeit ist eine solche Retrokausalität metaphysisch unmöglich, denn sie würde bedeuten, dass etwas durch nichts verursacht wird, da die Retro-Ursache zum Zeitpunkt der Wirkung in keiner Weise existiert. [30]

Der Eindruck, dass der Sachverhalt des änderungslosen Existierens Gottes ohne Schöpfung zeitlos ist, kann durch ein Gedankenexperiment verstärkt werden: Stellen wir uns Gott in einem änderungslosen, einsamen Zustand in einer möglichen Welt W* vor, in der er aus freien Stücken eine Schöpfung unterlässt. In einer solchen Welt ist es völlig plausibel und kohärent, einen solchen Zustand als zeitlos zu betrachten. Es existiert aber kein intrinsischer Unterschied zwischen einem solchen Zustand und dem Sachverhalt der Existenz Gottes ohne Schöpfung in der aktualen Welt. Das vermeintliche Anfangssegment der aktualen Welt TW ist der Welt W* vollkommen gleich. Es erscheint unbegründet, zu sagen, dass Gott in der einen Welt in einem solchen Zustand temporal und in der anderen Welt atemporal ist.

Die vielleicht plausibelste Auslegung der Hypothese einer leeren Zeit, in der Gott vor dem Anfang des Universums existiert, ist die Behauptung, dass göttliche Temporalität eine Art „weiche Tatsache“ ist, die von Gottes Handeln zur Erschaffung der Welt kontrafaktisch abhängig, jedoch nicht dadurch verursacht ist. Die Idee ist, dass Zeit vor der Schöpfung existiert, weil Gott bei t = 0 handelt, um ein erstes Ereignis herbeizuführen; aber er ist vollkommen frei, die Verursachung des ersten Ereignisses zu unterlassen, wenn t = 0 eintrifft; nur im Falle seiner Unterlassung hätte die Zeit nicht immer existiert und Gott wäre zeitlos gewesen. Doch ein solches Szenario scheint einzuschließen, was Thomas Flint als „kollabierendes Kontrafaktual“ bezeichnet hat, [31] das heißt, ein Kontrafaktual, aus dessen Sukzedens folgt, dass sein Antezedens falsch ist. Denn wir nehmen an:

A. Wenn Gott bei t = 0 das Erschaffen unterlassen würde, dann hätte Zeit nicht existiert, denn wenn Gott völlig änderungslos bleiben würde, würde Zeit nicht existieren und er wäre zeitlos. Doch in diesem Fall hätte Gott bei t = 0 das Erschaffen nicht unterlassen können, weil t = 0 nicht existiert hätte. Es nützt nichts, zu versuchen, diese Hypothese durch die Behauptung zu retten, dass Gott in einem solchen zeitlosen Zustand bei t = 0 genauso wie bei jeder anderen Zeit das Erschaffen unterlässt, denn damit wird die Hypothese aufgegeben, dass Gott vor der Schöpfung temporal existiert und dass seine Temporalität vor der Schöpfung eine weiche Tatsache ist. Es bedeutet eine Verwechslung von (A) mit

(A') Wenn Gott das Erschaffen unterlassen würde, wäre er zeitlos, ein Kontrafaktual, das kohärent und – wie ich meine – wahr ist. Abgesehen von einer Retrokausalität gibt es also nichts, durch das in dem änderungslosen Zustand der Existenz Gottes ohne Schöpfung Zeit existiert. Vielleicht ist eine Analogie zur physikalischen Zeit aufschlussreich. In der allgemeinen Urknall-Kosmologie wird die anfängliche kosmologische Singularität, bei der das Universum – und die Raumzeit selbst – beginnt, nicht als ein Moment oder als irgendein anderer Teil der Zeit verstanden, sondern vielmehr als eine Grenze zur Zeit. Daher kann sie, technisch gesehen, nicht als früher als das Universum bezeichnet werden und doch ist sie kausal vor dem Universum. Sie ist klar von einer terminalen kosmologischen Singularität verschieden, welche die terminale Grenze eines Universums in einem Gravitationskollaps darstellt. Auch wenn die physikalischen Gründe für eine Betrachtung solcher Singularitäten als Grenzen der Raumzeit, statt als Punkte von ihr, nicht auf den Begriff der metaphysischen Zeit anwendbar sind, dienen sie nichtsdestoweniger als veranschaulichende Analogie für den Zustand der Existenz Gottes ohne das Universum. Vielleicht könnten wir sagen, dass der vorgestellte Zustand eine Grenze der Zeit ist, die kausal, aber nicht temporal, vor dem Ursprung des Universums ist.

Oder denken wir an Quantengravitationsmodelle für den Ursprung des Universums wie die Modelle von Hartle und Hawking oder von Vilenkin. In solchen Modellen hat die reale Raumzeit ihren Ursprung in einer Region, in der die Zeit imaginär ist (das heißt die Zeitvariable nimmt imaginäre Werte an) und somit nicht vom Raum unterscheidbar ist. Der zeitlose 4D-Raum geht unserer realen Raumzeit kausal voraus und existierte nach der gängigen Auffassung vor der Planck-Zeit (10-43 Sekunden nach der Singularität in dem Standardmodell). Eine solche Interpretation dieser Region veranlasste meinen Kollegen Quentin Smith zum Vorwurf der Inkohärenz:

Wenn der vierdimensionale Raum keinen realen Zeitwert besitzt, wie kann er in einer Relation zur … Raumzeit stehen, indem er früher ist als sie? Wenn der vierdimensionale Raum in der realen … Zeit ist, dann ist er nicht wirklich früher als oder später als oder gleichzeitig mit dem Raumzeit-Kontinuum. [32]

Smiths Anliegen hier ist exakt dasselbe, das uns beschäftigt: Kann diese zeitlose Region chronologisch vor dem Beginn der realen Zeit existieren? Nach langen Gesprächen mit dem inzwischen verstorbenen Robert Weingard nahm Smith seinen Einwand zurück. In einem Paper, das 1993 der Philosophy of Time Society vorgetragen wurde, löst Smith seinen Einwand durch die Behauptung, dass der zeitlose 4D-Raum topologisch, nicht temporal vor der klassischen Raumzeit ist. [33] Geht man in der Zeit vor die Planck-Zeit zurück, löst sich die Metrik der Raumzeit allmählich auf, bis nur die topologischen Eigenschaften der Raumzeit bleiben. Topologisch vor dieser metrisch amorphen Region liegt der 4D-Raum, in dem Zeit imaginär ist. Ob ein solches Verständnis der physikalischen Zeit haltbar ist, ist eine strittige Frage. [34] Doch dies legt wiederum die Möglichkeit nahe, Wirklichkeiten anzunehmen, die Raum und Zeit kausal vorausgehen, ohne buchstäblich früher zu sein als sie. Vielleicht ist Gottes atemporale Phase des Lebens topologisch, aber nicht temporal, vor seiner temporalen Phase.

All das wurde gesagt, um die Kohärenz der Auffassung zu verteidigen, dass Gott ohne Schöpfung zeitlos und ab dem Moment der Schöpfung temporal existiert, eine Auffassung, die Thomas Senor als „akzidentellen Temporalismus“ bezeichnete. [35] Doch nun möchte ich ein positives Argument für eine solche Auffassung nennen. Das Argument basiert auf der Prämisse, dass Gott ohne das Universum änderungslos existiert (eine Prämisse, die durch kalām-Argumente gegen die Unendlichkeit der Vergangenheit gerechtfertigt ist). [36] Wir stellen uns einen Zustand vor, der – sei es temporal oder atemporal – absolut änderungslos sein muss. Doch ich behaupte, dass ein solcher Zustand am plausibelsten als zeitlos zu betrachten ist. Nach einer substantivalistischen Auffassung der Zeit kann Zeit ohne Änderung existieren. Doch selbst nach einer substantivalistischen Auffassung gibt es keinen guten Grund für die Annahme, dass Zeit nicht einen Anfang haben könnte. Bei einem völligen Fehlen jeglicher Veränderung gibt es einfach keinen Grund, Zeit für Gott ohne die Welt als existent zu betrachten. In einem solchen Zustand scheint er so zeitlos zu sein, wie er es in einer Welt wäre, in der er die Schöpfung unterlässt und Zeit nie existierte. Nach einer relationalen Auffassung der Zeit wird Gottes Zeitlosigkeit in einem solchen änderungslosen Zustand sogar noch klarer. Denn „vor“ und „nach“ existieren bei völligem Fehlen von Ereignissen nicht.

Nun ist es seit der bahnbrechenden Analyse von Sydney Shoemaker [37] üblich geworden, zu behaupten, dass ein Relationalismus Zeit ohne Änderung zulassen kann. Doch Shoemakers Gedankenexperiment ging von temporalen, durch frühere und spätere Ereignisse begrenzten Intervallen ohne Änderung aus, ein Szenario, das keine Parallele zur änderungslosen Existenz Gottes ohne das Universum darstellt. So behauptet W. H. Newton-Smith bei seiner Betrachtung der Analyse von Shoemaker, dass es eine Periode der Zeit zwischen den Ereignissen El und E2 nur gibt, wenn es relativ zu diesen Ereignissen möglich ist, dass ein Ereignis zwischen ihnen auftritt; als Newton-Smith auf Kants Erste Antinomie zu sprechen kommt, behauptet er, dass die Möglichkeit von Ereignissen vor einem gegebenen Ereignis nicht die Aktualität von Zeiten vor dem gegebenen Ereignis impliziert. [38] Die bloße Möglichkeit von Ereignissen vor einem ersten Ereignis zeigt nur, dass es Zeiten vor t0 gegeben haben könnte, doch sie genügt kaum für die Existenz einer aktualen Zeit vor dem ersten Ereignis – es muss aktuale Ereignisse geben, in Relation zu denen sich temporale Vakua identifizieren lassen. In ähnlicher Weise entwirft Graeme Forbes eine relationale Theorie der Zeit, indem er das Mittel sich verzweigender Welten verwendet, das nicht nur die Existenz einer leeren Zeit zwischen Ereignissen in einer Welt W erlaubt, sondern auch Ereignisse, die in W abgelaufen sind, basierend auf dem Hinweis auf Ereignisse sich verzweigender Welten, in denen Ereignisse zu Zeiten auftreten, die in W leer sind. [39] Nach der Begründung von Forbes sind Welten, in denen Zeit vergeht, obwohl keine Ereignisse je auftreten, sowie Welten mit der Eigenschaft einer leeren Zeit, bevor der Ablauf von Ereignissen beginnt, ausgeschlossen. Le Poidevin formuliert den Relationalismus als die Lehre, dass eine Zeit t existiert, die vor/nach einem aktualen Ereignis e liegt, wennes möglich ist, dass ein Ereignis n Einheiten vor/nach e existieren sollte[40] Doch diese Formulierung macht den Relationalismus zu einer Trivialität, denn da sie von Einheiten spricht, die temporale Einheiten sein müssen, kommt sie der Aussage gleich, dass Zeit vor/nach e existiert, wenn Zeit vor/nach e existiert[41] Wenn wir sagen, dass Zeit vor/nach e existiert, wenn es möglich ist, dass ein Ereignis vor/nach e auftritt, dann schließen wir die Möglichkeit eines Anfangs (und eines Endes) der Zeit per definitionem aus. Somit können relationale Auffassungen der Zeit zwar Zeit ohne eine Änderung nach dem Auftreten eines ersten Ereignisses einbeziehen, aber sie lassen keinen Raum für die Existenz einer leeren Zeit vor dem ersten Ereignis. Tatsächlich lässt sich meiner Meinung nach als Prinzip festhalten:

P. Notwendigerweise gilt: Wenn ein erstes Ereignis auftritt, existieren Zeiten nur beim oder nach dem Auftreten dieses Ereignisses.

Es gibt also kein „Vor“ relativ zu einem ersten Ereignis und somit auch keine leere Zeit vor einem ersten Ereignis.

Mir scheint also, dass wir plausible Gründe für die Annahme haben, dass Gott ohne Schöpfung zeitlos ist. Die Vorstellung von Gott als vor dem Moment der Schöpfung existierend ist eine bloße Imagination, auch wenn sie noch so verlockend erscheint. [42] Die plausibelste Auffassung in Bezug auf die Relation von Gott und Zeit scheint mir zu sein, dass Gott ohne Schöpfung atemporal und seit der Schöpfung temporal ist.

Zusammenfassung

Wir haben also gute Gründe gesehen, den Anfang der Zeit zu behaupten, nicht nur der physikalischen Zeit, sondern auch der metaphysischen Zeit Gottes. Die Frage „Warum erschuf Gott die Welt nicht früher?“ ist angesichts der Unendlichkeit der Vergangenheit nicht beantwortbar. Da wir gute Gründe für die Annahme haben, dass das physikalische Universum zu existieren begann, und da es unplausibel ist, anzunehmen, dass es ohne eine übernatürliche Ursache in Existenz kam, haben wir somit gute Gründe zu glauben, dass die Vergangenheit endlich ist. Zwar lässt sich der Sachverhalt, dass Gott ohne Schöpfung existiert, als ein geometrisch amorphes „Vor“ relativ zu dem Moment der Schöpfung auslegen, aber es ist vielleicht – besonders bei einer relationalen Auffassung der Zeit – plausibler, den Zustand der änderungslosen Existenz Gottes ohne Schöpfung als zeitlos zu verstehen, wobei die Zeit einhergehend mit dem ersten Ereignis ins Sein springt. Gottes Akt der Erschaffung der Welt lässt sich als simultan zum Ins-Sein-Kommen der Welt verstehen. Das erste Ereignis ist das Ereignis der Schöpfung, der Moment, in dem die temporale Phase des Lebens Gottes beginnt.

(Übers.: Marita Wilczek)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/God-and-the-beginning-of-time

  • [1]

    Hier und im Folgenden aus dem Englischen übersetzt nach: Isaac Newton, Sir Isaac Newton’s „Mathematical Principles of Natural Philosophy“ and his „System of the World“, übers. von Andrew Motte, überarbeitet und mit einem Anhang versehen von Florian Cajori, 2 Bde. (Los Angeles: University of California Press, 1966), 1: 6.

  • [2]

    Ibid., 1: 545.

  • [3]

    Ibid., 1: 546.

  • [4]

    Ibid., 1: 545.

  • [5]

    Ibid., 1: 545.

  • [6]

    Isaac Newton, „On the Gravity and Equilibrium of Fluids“, [De gravitatione et aequipondio fluidorum] in Unpublished Scientific Papers of Isaac Newton, hrsg. von A. Rupert Hall und Marie Boas Hall (Cambridge: Cambridge University Press, 1962), S. 132.

  • [7]

    Nach der relationalen Auffassung von Leibniz gilt, da Gott unveränderlich ist: „… wenn es keine Geschöpfe gäbe, würde es Raum und Zeit nur in den Ideen Gottes geben“, (G. W. Leibniz, „Mr. Leibniz’ s Fourth Paper“, in: The LeibnizClarke Correspondence, mit einer Einführung und Anmerkungen hrsg. von H. G. Alexander, Manchester University Press, 1956, S. 42). Daher gilt: „… sobald gezeigt wurde, dass der Anfang, wann immer er war, immer derselbe ist, wird die Frage, warum er nicht anders eingeordnet wurde, unnötig und bedeutungslos“ (Ibid., S. 38-39). Vgl. seine spätere Erklärung:

    „Wenn es keine geschaffenen Dinge gäbe, würde es weder Zeit noch Ort und folglich auch keinen wirklichen Raum geben. Gottes Unermesslichkeit ist vom Raum unabhängig, wie seine Ewigkeit von der Zeit unabhängig ist. Diese Attribute bedeuten [in Bezug auf diese zwei Ordnungen der Dinge] nur, dass Gott mit allen Dingen, die existieren könnten, gegenwärtig und koexistent wäre. Und deshalb gebe ich nicht zu, wie hier behauptet wird, dass Raum und Zeit, wenn nur Gott allein existieren würde, so vorhanden wären, wie sie es jetzt sind: Vielmehr wären sie meiner Meinung nach nur in den Gedanken Gottes als reine Möglichkeiten vorhanden.“

    (Aus dem Englischen übersetzt nach: G. W. Leibniz, „Mr. Leibnitz’s Fifth Paper“, S. 80).

    Ein theistischer Relationalist, der die Unendlichkeit der Vergangenheit Gottes behauptet, müsste davon ausgehen, dass Gott sich seit jeher in Veränderung befindet, indem er zum Beispiel die negativen Zahlen zurückzählt, was Leibniz ablehnen würde, weil er an der göttlichen Unveränderlichkeit festhielt. Die Frage, warum Gott sein Zurückzählen nicht früher beendete, bleibt für den Relationalisten bestehen, der die Auffassung vertritt, dass Gott sich seit jeher in Veränderung befindet. Der Substantivalist könnte die Auffassung vertreten, dass Gott vor dem Moment der Schöpfung sich entweder ändert oder änderungslos ist.

  • [8]

    G. W. Leibniz, „Mr. Leibnitz’ s Third Paper“,,“ in Correspondence, S. 27.

  • [9]

    Dass dies so ist, macht die historische Provenienz der Frage deutlich. In der Debatte zwischen mittelalterlichen islamischen Philosophen und kalām-Praktizierenden über die Ewigkeit der Welt widersprachen Philosophen, welche eine ewige Emanation der Welt vertraten, den Anhängern einer temporalen Schöpfung, indem sie diese herausforderten, zu erklären, warum Gott die Welt nicht früher erschuf. Verteidiger der creatio ex nihilo wie alGhazali antworteten mit dem Argument, dass die Zeit mit der Schöpfung beginnt, sodass die Frage sinnlos ist (AlGhazali, Tahafut alFalasifah, übers. von S. A. Kamali, Pakistan Philosophical Congress, 1963, S. 35-36; vgl. S. 23). Leibniz selbst deutet auf die eigentliche Frage hin, wenn er bemerkt: „Es ist eine … erdachte Vorstellung, das heißt ein unmöglicher Gedanke, dass Gott die Welt einige Millionen Jahre früher hätte erschaffen können. Wer sich solchen Vorstellungen hingibt, kann demjenigen, der für die Ewigkeit der Welt argumentiert, keine Antwort entgegensetzen.“ (Leibniz, „Fourth Paper“, S. 38).

  • [10]

    Der weitere Kontext, in dem die vorliegende Frage aufkam, war die Aufforderung der emanationistischen Philosophen an Kreationisten, zu erklären, wie eine erste temporale Wirkung ihren Ursprung in einer ewigen, änderungslosen Ursache haben kann (Ghazali, Tahafut, S. 14).Ghazali argumentiert, (i) dass Gott als eine frei agierende Ursache neue Wirkungen in der Zeit ohne bestimmende Bedingungen initiieren kann, (ii) dass Gott ewig will, dass eine temporal endliche Wirkung auftritt, sodass das Auftreten der Wirkung keine Änderung in Gott einschließt und somit die göttliche Zeitlosigkeit nicht beeinträchtigt, und (iii) dass es angesichts der Tatsache, dass die Zeit im Moment der Schöpfung beginnt, sinnlos ist, zu fragen, warum Gott nicht früher erschuf. Ich fand die Erörterung von Ghazali außerordentlich anregend und nützlich. In meiner eigenen Artbeit habe ich sowohl (i) als auch (iii) verteidigt, aber gegen (ii) argumentiert, denn selbst wenn bei der Schöpfung keine intrinsische Änderung in Gott geschieht, würde er sich zumindest extrinsisch ändern und somit temporal werden.

  • [11]

    Natürlich glaubte auch Kant, dass das Argument für die These seiner Ersten Antinomie auch rational stringent war; deshalb ist es ja gerade eine Antinomie! Mein Interesse in diesem Paper gilt ausschließlich der Beurteilung des Arguments, das in der Antithese zum Ausdruck kommt; ich versuche hier keine Exegese von Kant.

  • [12]

    Immanuel Kant, Kritik der reinen Vernunft, Hamburg 1990, Kap. 77

  • [13]

    Ibid.

  • [14]

    Quentin Smith, „The Uncaused Beginning of the Universe“, in: Wm. L. Craig und Q. Smith, Theism, Atheism, and Big Bang Cosmology (Oxford: Clarendon Press, 1993), S. 135.

  • [15]

    Bernulf Kanitscheider, „Does Physical Cosmology Transcend the Limits of Naturalistic Reasoning?“, in: Studies on Mario Bung’ s ‚Treatise‘, hrsg. von S. Weingartner und G. J. W. Doen (Amsterdam: Rodopi, 1990), S. 344.

  • [16]

    Stephen Hawking und Roger Penrose, The Nature of Space and Time, The Isaac Newton Institute Series of Lectures (Princeton: Princeton University Press, 1996), S. 20.

  • [17]

    E. A. Milne, Relativity,Gravitation and World Structure (Oxford: Clarendon Press, 1935); idem, „A Newtonian Expanding Universe“, in: Quarterly Journal of Mathematics 5 (1934): 6472; W. H. McCrea, „On the Significance of Newtonian Cosmology“, in: Astronomical Journal 60 (1955): 271274. Siehe auch die Bemerkungen von H. Bondi, Cosmology, 2. Aufl. (Cambridge: Cambridge University Press, 1960), S. 89; E. L. Schücking, „Newtonian Cosmology“, in: Texas Quarterly 10 (1967): 274; Pierre Kerszberg, „On the Alleged Equivalence between Newtonian and Relativistic Cosmology“, in: British Journal for the Philosophy of Science 38 (1987): 349.

  • [18]

    Paul Davies, „The Birth of the Cosmos“, in: God, Cosmos, Nature and Creativity, hrsg. von Jill Gready (Edinburgh: Scottish Academic Press, 1995), S. 89.

  • [19]

    Arthur Eddington, The Expanding Universe (New York: Macmillan, 1933), S. 124.

  • [20]

    Dieser Einwand wurde mir in einem Gespräch mit Quentin Smith nahegelegt.

  • [21]

    Brian Leftow, „Why Didn’t God Create the World Sooner?“ (Nachdruck).

  • [22]

    Ibid.

  • [23]

    Ibid.

  • [24]

    Ibid. Für mich ist nicht klar, dass eine nachlassende Vorfreude Gottes mit Leftows Behauptung vereinbar ist, dass Gott unendlich geduldig ist. 

  • [25]

    Quentin Smith, „Kant and the Beginning of the World“, in: New Scholasticism 59 (1985): 345.

  • [26]

    Leftow, „Why Didn’ t God Create the World Sooner?“

  • [27]

    Alan G. Padgett, God, Eternity and the Nature of Time (New York: St. Martin’ s, 1992), S. 122-146; Richard Swinburne, „God and Time“, in: Reasoned Faith, hrsg. von Eleonore Stump (Ithaca, N.Y.: Cornell University Press, 1993), S. 204-222.

  • [28]

    Zu Kritiken siehe Michael Friedman, „Grünbaum on the Conventionality of Geometry“, in: Raum, Time, and Geometry, hrsg. von Patrick Suppes, Synthese Library (Dordrecht: D. Reidel, 1973), S. 217-233; Paul Gordon Horwich, „On the Metric and Topology of Time“ (Ph.D. Dissertation, Cornell University, 1975), Kap. 3; Philip L. Quinn, „Intrinsic Metrics on Continuous Spatial Manifolds“, in: Philosophy of Science 43 (1976): 396-414; Graham Nerlich, The Shape of Space (Cambridge: Cambridge University Press, 1976), Kap. 8. Diese Kritiker argumentieren, dass aus der Kontinuität eines Raumzeit-Kontinuums die metrische Amorphie dieses Raumzeit-Kontinuums folgt, dass wir den extrinsischen Charakter einer Metrik nicht mit Konventionalität gleichsetzen können, dass die Metrik selbst in Grünbaums Sinn intrinsisch sein kann, wenn sie eine kontrafaktische Eigenschaft ist, und dass Grünbaums Versuch einer Umformulierung seines Arguments unter Verwendung einer Mengenlehren-Analyse verfehlt und irrelevant ist, weil ein kontinuierliches Intervall dann und nur dann eine intrinsische Größe hat, wenn jedes Unterintervall sie hat.

  • [29]

    Swinburne, „God and Time“; S. 218-219. Die Erwähnung eines Endes ist überflüssig; eine metrisch amorphe Zeit könnte im Moment der Schöpfung enden, was eine plausiblere Auffassung darstellt als Padgetts und Swinburnes metrischer Konventionalismus in Bezug auf eine Zeit nach der Schöpfung.

  • [30]

    D.h. eine Tempusform aufweisende (englisch: „tensed“); Anm. d. Übers.

  • [31]

    Siehe die Erörterung in: William Lane Craig, Divine Foreknowledge and Human Freedom, Brill’ s Studies in Intellectual History 19 (Leiden: E. J. Brill, 1991), S. 150-156.

  • [32]

    Thomas Flint, „Middle Knowledge and the Doctrine of Infallibility“, in: Philosophical Perspectives, Bd. 5: Philosophy of Religion, hrsg. von James Tomberlin (Atascadero, Cal.: Ridgeway Publishing, 1991), S. 373-393.

  • [33]

    Quentin Smith, „The Wave Function of a Godless Universe“, in: Theism, Atheism, and Big Bang Cosmology, S. 318.

  • [34]

    Quentin Smith, „Temporal Becoming and Physics“, Tagung der Philosophy of Time Society, Central Division Meeting of the American Philosophical Association, Chicago, 29. Dezember 1993.

  • [35]

    Siehe die Erörterung in: William Lane Craig, „Theism and the Origin of the Universe“, in: Erkenntnis 48 (1998): 47-50.

  • [36]

    Thomas Senor, „Divine Temporality and Creation ex Nihilo“, in: Faith and Philosophy 10 (1993): 88.

  • [37]

    Siehe die Erörterung in: Craig und Smith, Theism, Atheism, and Big Bang Cosmology.

  • [38]

    Sydney Shoemaker, „Time without Change“, in: Journal of Philosophy 66 (1969): 363-381. Shoemaker stellte sich ein Universum vor, das periodische, partielle „Erstarrungen“ erfährt, die so gestaffelt sind, dass seine Bewohner berechnen könnten, dass das gesamte Universum alle paar Jahre für eine bestimmte Zeit erstarren würde. 

  • [39]

    W. H. Newton-Smith, The Structure of Time, International Library of Philosophy (London: Routledge & Kegan Paul, 1980), S. 44-46, 104.

  • [40]

    Graeme Forbes, „Time, Events, and Modality“, in: The Philosophy of Time, hrsg. von Robin Le Poidevin und Murray MacBeath (Oxford: Oxford University Press, 1993), S. 80-95.

  • [41]

    Robin Le Poidevin, „Relationism and Temporal Topology: Physics or Metaphysics?“, in: Philosophy of Time, S. 150-153.

  • [42]

    Wenn wir die Formulierung des Sukzedens‘ von Le Poidevin so interpretieren, dass es möglich ist, dass n Einheiten der Zeit vor/nach e zusammen mit einem Ereignis nach der relevanten Zeit existieren (und nicht, dass es möglich ist, dass ein Ereignis an einer aktualen Position n Einheiten vor/nach e existieren könnte), dann erklären wir damit, dass Zeit unendlich ist – eine seltsame Art, Metaphysik zu betreiben! Le Poidevin qualifiziert seine Formulierung, indem er dem Sukzedens „vereinbar mit keiner Störung der aktualen temporalen Relationen zwischen aktualen Ereignissen“ hinzufügt. Doch diese Hinzufügung schließt a priori aus, dass Zeit eine andere Ausdehnung haben könnte, als sie sie tatsächlich hat. Wenn Zeit zum Beispiel bei t1 beginnt, dann ist es nicht möglich, dass ein Ereignis bei t0 auftreten könnte, da t dann in der Relation später als zu t0 stehen würde – eine Relation, die ihr tatsächlich fehlt; in ähnlicher Weise würde t1 dann zu t0 und t2 in der Relation zwischen stehen, in der sie tatsächlich nicht steht. 

  • [43]

    Dieser Punkt wird gekonnt vertreten von Ghazali, Tahafut, S. 43.