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Die Inspektion des leeren Grabes durch die Jünger

Summary

Es gibt bei der Beziehung zwischen den Berichten des Lukas und des Johannes über die Inspektion des leeren Grabes durch die Jünger drei Optionen: (1) Lukas ist abhängig von Johannes; (2) Johannes ist abhängig von Lukas; (3) Lukas und Johannes schöpfen beide aus der gleichen Überlieferung. (1) Ist nicht plausibel, da im Lichte von Lk 24,24 ein späterer Bearbeiter, der Anleihen bei Johannes machte, Petrus von einem anderen Jünger hätte begleiten lassen. (2) ist nicht plausibel angesichts der nichtlukanischen, für die johanneische Tradition charakteristischen Elemente in Lk 24,12; darüber hinaus gibt es gute Gründe dafür, eine vorlukanische Überlieferung anzunehmen. (3) ist die plausibelste Erklärung, da sie alle relevanten Daten, die Unwahrscheinlichkeit der Abhängigkeit des Lukas von Johannes sowie die Unwahrscheinlichkeit der Abhängigkeit des Johannes von Lukas erklären kann.

Quelle: „The Disciples‘ Inspection of the Empty Tomb (Luke 24,12.24; John 20,1-10)”, in: John and the Synoptics, ed. by A. Denaux. Bibliotheca Ephemeridum Theologicarum Lovaniensium 101 (Louvain: University Press, 1992), S. 614-619.

Die kurze Geschichte von der Inspektion des leeren Grabes durch die Jünger (Lk 24,12.24; Joh 20,1-10) ist als „der beeindruckendste Testfall“ für die Beziehung zwischen Johannes und den Synoptikern propagiert worden. [1] Nach Lukas wie Johannes liefen Petrus und mindestens ein zweiter Jünger, nachdem sie den Bericht der Frauen gehört hatten, zu dem leeren Grab, bückten sich, um hineinzuschauen, und sahen die Grabtücher Jesu, worauf sie zurück nach Hause gingen. In diesem kurzen Beitrag möchte ich vor allem die Beziehung zwischen Lukas und Johannes in Bezug auf diese Geschichte untersuchen, durch eine Prüfung der von zwei Vertretern entgegengesetzter Meinungen vorgetragenen Argumente.

Die meisten der heutigen Kritiker vermuten – egal, ob Johannes die Synoptiker kannte – eine gemeinsame Überlieferung hinter Lk 24.12.24 und Joh 20,1-10. Wie bei fast allen Fragen dieser Art, gibt es hier natürlich reichlich Raum für unterschiedliche Meinungen. Ganz einfach betrachtet, gibt es in Bezug auf diese Szene drei Alternativen: (I) Lukas ist abhängig von Johannes; (II) Johannes ist abhängig von Lukas; (III) Lukas und Johannes schöpfen beide aus der gleichen Überlieferung.

I.

Ein Beispiel für die erste Alternative ist Westcotts und Horts Charakterisierung von Lk 24,12 als eine „Western non-interpolation“, die auf dem johanneischen Bericht basiert. Doch das Vorkommen dieses Verses in dem später entdeckten P 75 hat immer mehr Kritiker von seiner Echtheit überzeugt. Trotzdem stellt Robert Mahoney die Echtheit des Verses auf der Basis interner Kriterien infrage: [2]

(A) Der grammatisch-verbale Befund weist auf eine Verbindung zwischen Johannes und Lukas hin. Mahoney stellt Folgendes fest: (1) „Petrus“ steht am Anfang jedes der Verse. – (2) Petrus läuft zu dem Grab. – (3) Beide Verse erwähnen unhuei'on. (4) Beide benutzen das Aorist-Partizip parakuv. – (5) Beide benutzen das historische Präsens blevpei. – (6) Beide haben dasselbe Objekt von blevpei, o[qovuia. – (7) Die ansonsten nur noch in 4. Mose 24,25 (LXX) zu findende Wendung ajph'lqen pro;z eJautovn deutet auf einen Kontakt zwischen den Versen hin.

Doch diese Phänomene kann man genauso gut erklären, wenn Lukas und Johannes eine gemeinsame Überlieferung benutzen. Gegen die Hypothese einer johanneisch basierten Interpolation sprechen zudem die lukanischen Merkmale, die Lk 24,12 ebenfalls zeigt: der pleonastische Gebrauch von ajnastavz(neun Mal bei Lukas, 19 Mal in der Apostelgeschichte), qaumavzwn(12 Mal bei Lukas, fünf Mal in der Apostelgeschichte), to; gegonovz (vier Mal bei Lukas, drei Mal in der Apostelgeschichte). Mahoney legt großen Wert auf das historische Präsens blevpei, um eine Anleihe bei Johannes nachzuweisen. Doch dieses Argument hat zwar etwas für sich, aber Lukas hat zehn historische Präsensfälle bei Verben des Sprechens, dazu das historische Präsens in 8,49; 16,23; 24,36. Das historische Präsens in 24,12 könnte mithin, wie das in 24,36 (eine weitere „Western non-interpolation“), aus der Überlieferung stammen.

(B) Der Kontext spricht gegen die Aufnahme von Lk 24,12 in den Text. Als Indizien nennt Mahoney: (1) Eine Streichung von Lk 24,12 würde den Textfluss nicht stören. – (2) Es passt nicht gut nach hjpivstoun aujtai'z. – (3) Es ist im Lichte von 24,24 überflüssig. – (4) Die älteste Überlieferung ist die erste Erscheinung vor Petrus, und nicht sein Besuch des Grabes.

Doch diese Gründe machen einen schwachen Eindruck. Wenn Lk 24,12 ein separates Überlieferungsfragment ist, das Lukas hier eingebaut hat, sind (1) und (2) zufriedenstellend erklärt. Was (3) betrifft, wird hier 14,12 vorausgesetzt, sodass es nicht überflüssig ist. (In diesem Sinne ist (I) falsch.) Was Mahoneys Argument besonders schwächt, ist die Tatsache, dass im Lichte von 24,24 ein späterer Redaktor, der Johannes kannte, Petrus mit Sicherheit einen Begleiter an die Seite gestellt hätte. Mahoneys Erwiderung auf dieses Gegenargument ist lahm. Er behauptet, dass (a) der Jünger, den Jesus liebhatte, als johanneisch ausgelassen wird, während die namentlich nicht genannten Begleiter in 24,24 erwähnt werden, und dass (b) auf diese Weise der Glaube des Jüngers, den Jesus liebhatte, nicht erwähnt wird. Aber Tatsache ist doch wohl, dass ein Redaktor die Jünger gerade deswegen zu dem Grab hätte gehen lassen, weil der Jünger, den Jesus liebhatte, und die Personen in 24,24 dabei waren. Man könnte leicht den Beinamen des Jüngers, den Jesus liebhatte, ja sogar seinen Glauben weglassen, ohne diese andere Person ganz aus der Erzählung zu streichen. Und was schließlich (4) angeht, so schließen die Rolle des Petrus als jemand, dem Jesus erschien, und seine (ohnehin weniger wichtige) Inspektion des leeren Grabes einander nicht aus.

(C) Andere „Western non-interpolations“ sind nicht echt. Mahoney argumentiert, dass 24,3.6 und 24,36.40 ebenfalls unecht sind. Doch dabei übergeht er 24,51-52 und 21,19b-20. Doch pari passu: Wenn diese Non-Interpolationen echt sind, dürften auch andere echt sein. Die Zeit erlaubt es mir nicht, Mahoneys Gründen für das Auslassen der für ihn anstößigen Verse nachzugehen, aber sie erscheinen mir nicht zwingend; der interessierte Leser möge sich hier selber ein Urteil bilden.

Das Scheitern von Mahoneys Argument gegen die Echtheit von Lk 24,12 macht es plausibel, dass Johannes nicht die Quelle von Lukas‘ Bericht ist.

II.

Eine Entlehnung in der entgegengesetzten Richtung ist in neuerer Zeit von F. Neirynck vertreten worden. [3] Er behauptet, dass das Postulat einer gemeinsamen Überlieferung, die fast identisch mit Lk 24,17 ist, „eine unnötige Hypothese“ wird, wenn man an eine johanneische Abhängigkeit von Lukas denkt. Dies ist wahr, aber trivial; die wirklich interessante Frage ist, ob diese Alternative plausibler ist als eine gemeinsame Überlieferungsbasis. Neirynck weist zwei mögliche Einwände gegen eine johanneische Entlehnung zurück:

(1) Wenn es eine johanneische Abhängigkeit gibt, warum erscheinen die Lukanismen in 24,12 dann nicht auch in Joh 20,2-10? Neirynck antwortet, dass das pleonastische ajnastavz bei Johannes nie benutzt wird und wahrscheinlich entweder weggelassen oder durch ejxh'lqen ersetzt worden ist. Das qaumavzwn to; gegonovz könnte die Basis für das ejpivsteusen des Jüngers, den Jesus liebhatte, gewesen sein.

Wir müssen wohl konzedieren, dass diese Antwort durchaus möglich ist, obwohl es keine Beweise für sie gibt, und die Wendung qaumavzwn to; gegonovz hätte auch sehr gut an das Ende von Joh 20,10 gepasst. Alles in allem scheint mir, dass der Einwand gegen Neiryncks Hypothese spricht, aber nicht sehr.

(2) Wenn es eine johanneische Abhängigkeit gibt, woher kommen dann die nichtlukanischen Elemente in 24,12, die charakteristisch für die johanneische Tradition sind? Neirynck antwortet, dass die Formulierung parpkuvyaz blevpei ... ta; ojqovnia in Joh 20,5 mit Lk 24,12 identisch ist und es wahrscheinlich keine andere Überlieferungsbasis für das zweite Vorkommen des Verbs in 20,11 oder für Verweise auf das ojqovnia in 20,6-7; 19,40 gibt. Obwohl ajpevrcestai provz angeblich johanneisch ist (Joh 4,47; 6,68; 11,46; 20,10), erscheint nur in 20,10 ajpevrcomai zusammen mit provz auvtouvz, einem nichtjohanneischen Ausdruck, der aus Lk 24,12 entlehnt ist. Was blevpei betrifft, so ist das historische Präsens nicht ausgeprägt johanneisch und könnte aus einer vorlukanischen Überlieferung stammen.

Diese Antworten überzeugen weniger. Bei ojqovnia ist der springende Punkt nicht so sehr, ob Johannes eine Überlieferungsbasis für dieses Wort hat, sondern dass sein einmaliges synoptisches Vorkommen in Lk 24,12 – die Synoptiker reden sonst immer von dem sindwvn – und sein häufiger Gebrauch bei Johannes plausibler auf der Basis einer gemeinsamen Überlieferung erklärt werden können als dadurch, dass Johannes dieses Ausnahmewort zulasten von sindwvn übernahm und sodann in seinen Bericht hinein streute. Wir können zustimmen, dass ajph'lqon pro;z aujtouvz nicht typisch für Johannes wäre, der wahrscheinlich pro;z (oder eijz) ta i[diva (wie in 1,11; 16,32; 19,27) vorziehen würde, aber wenn dieser Ausdruck „dem Stil des Johannes fremd“ ist, wie Neirynck bestätigt, warum hat er ihn dann nicht weggelassen oder ersetzt, zusammen mit dem pleonastischen ajnastavz und dem qaumavzwn to; gegonovz? Das Argument funktioniert in beide Richtungen. Und weiter: Obwohl pro;z eJautovn-ouvz im Sinne von „Heim“ bei Josephus häufig vorkommt, ist der Ausdruck ajph'lqen pro;z eJautovn selten, wie wir gesehen haben, und weder für Lukas noch für Johannes typisch. Die plausibelste Erklärung seines Vorkommens in der Geschichte ist, dass er aus der gemeinsamen Überlieferungsbasis stammt. Und schließlich: Wenn man bereit ist, für das blevpei eine vorlukanische Überlieferung anzunehmen, warum dann nicht auch sagen, dass Johannes eine gattungsmäßig ähnliche Überlieferung kannte?

Um zu zeigen, dass Johannes diese Geschichte ganz von Lukas hat, argumentiert Neirynck weiter, dass Lk 24,12 eine lukanische redaktionelle Konstruktion ist, sodass die Abhängigkeit des Johannes von Lukas eine „unvermeidliche Schlussfolgerung“ wird. [4] Er plädiert für einen lukanischen Ursprung der Geschichte wegen ihrer strukturellen Ähnlichkeit mit Lukas‘ Geschichte vom leeren Grab, ihrer lukanischen Züge und ihrer Funktion im Aufbau des Kapitels.

Was die Struktur der Geschichte betrifft, zieht Neirynck drei Parallelen zwischen Petrus‘ Besuch des leeren Grabes und dem der Frauen:

12a ajnasta;z e[dramen eJpi; to; mnhmei'on
b kai; parakuvyaz blevpei ta; ojqovnia movna
c kai; ajph'lqen pro;z eJautovn

24,1 eJpi; to; mnh'ma h[lqon
3 oujc eu[ron to; zw'ma tou' kurivou jIhsou'
9 kai; uJpostrevyasai …

Er benutzt diese Parallelen, um zu zeigen, dass Lukas die Geschichte von der Inspektion des Grabes durch Petrus nach dem Vorbild des Grabbesuches der Frauen konstruiert hat.

Ich muss gestehen, dass mich dieses Argument überhaupt nicht überzeugt. Denn die verschiedenen Elemente des Musters sind entweder tautologisch oder nicht wirklich parallel. Das erste Element ist tautologisch, denn zu jeder Geschichte von dem Besuch eines leeren Grabes gehört per definitionem dazu, dass die beteiligten Personen zu dem Grab gehen! Das zweite Element ist nicht parallel, da die eine Geschichte sich auf die Inspektion der Grabtücher konzentriert, während die andere nur die Tatsache erwähnt, dass der Leichnam nicht da war (dass beide Versionen implizieren, dass das Grab leer war, ist in Geschichten dieser Art wieder tautologisch). Bleibt noch das dritte Element als eine (schwache) Parallele zwischen den beiden Geschichten. Diese Ähnlichkeiten liefern keine Grundlage für den Schluss, dass Lukas den Vers 24,12 auf der Basis seiner Geschichte vom leeren Grab konstruiert hat.

Mit lukanischen Zügen scheint Neirynck Elemente von Lukas‘ Erzählstil zu meinen, die sich in 24,12 zeigen. Man vergleiche z. B. das „stand auf und lief“ des Petrus mit dem „machte sich auf … und ging eilends“ der Maria in Lk 1,39. Sein „bückte sich hinein“ korrespondiert mit dem Nichtfinden der Frauen in 24,2-3, das historische Präsens des Sehens findet eine Parallele in 16,23, und die Rückkehr nach Hause ist ein typisches lukanisches Motiv (1,56; vgl. 1,23 usw.).

Dies ist ein besseres Argument, aber es besteht immer die Gefahr, dass man die Aussagekraft seiner Indizien überschätzt. Abgesehen von dem zugegebenermaßen lukanischen pleonastischen ajnastavz, scheint es weit hergeholt, eine Verbindung zu Lk 1,39 zu sehen. Und ähnlich gilt: Auch wenn Lukas manchmal euJrivskein als Ersatz für verba videndi benutzt (vgl. Lk 8,35: Mk 5,15; Lk 9,36: Mk 9,8; Lk 24,2: Mk 16,2), stützt das nicht die umgekehrte Vermutung, dass das Sehen des Petrus vom Nichtfinden der Frauen abgeleitet ist. Das historische Präsens in 16,23 könnte gut aus der Überlieferung stammen, ebenso wie das blevpei in 24,12. Zu behaupten, dass blevpei von ajnablevyasai qewrou'sin (Mk 16,4) abgeleitet ist, ist reine Spekulation. Das Zurückkehren nach Hause ist ein lukanisches Lieblingsmotiv, aber die Sprache ist nicht lukanisch, was auf eine Überlieferung hindeuten könnte. Dieses Argument für eine lukanische Konstruktion ist mithin nicht sehr überzeugend.

Was die Funktion der Geschichte innerhalb des Kapitels angeht, scheint Neirynck zu glauben, dass es sich um eine Verifizierungsgeschichte ähnlich wie in Lk 1,39-56; 2,16-20; 8,34-36 handelt. Doch die ersten beiden Textstellen haben überhaupt nichts mit Verifizierung zu tun, und die dritte könnte so verstanden werden, ist aber von Markus übernommen. Ich sehe hier also keine überzeugenden Beweise für eine lukanische Konstruktion, gegen die im Übrigen die von Mahoney bemerkte Ungeschicktheit der Einfügung von V. 12 spricht. [5]

Das Argument für eine lukanische Konstruktion von 24,12 ist mithin wenig überzeugend. Gegen eine lukanische Erfindung der Geschichte sprechen: (1) die Unwahrscheinlichkeit, dass Lukas die ganze Geschichte erfunden hat, [6] (2) die Wahrscheinlichkeit, dass uns in dem Bericht des Johannes Erinnerungen von Augenzeugen begegnen, [7] (3) die innere Plausibilität der Geschichte im Lichte der Entdeckung des leeren Grabes durch die Frauen und des Verbleibens der Jünger in Jerusalem über das Wochenende, [8] und (4) die Tatsache, dass die Benutzung des Lukas als Quelle durch Johannes weniger plausibel ist als eine gemeinsame Überlieferungsquelle, wie wir oben sahen. Aus all dem folgt, dass Lk 24,12 wahrscheinlich nicht eine lukanische Konstruktion ist.

III.

Fassen wir zusammen: Für die Geschichten des Lukas und Johannes über die Inspektion des leeren Grabes durch die Jünger erscheint die Annahme einer gemeinsamen Überlieferungsbasis plausibler als die Annahme einer Abhängigkeit zwischen den Geschichten. Für diese Alternative spricht erstens, dass sie alle relevanten Daten erklären kann, ohne sie zu vergewaltigen, zweitens die Unwahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit des Lukas von Johannes und drittens die Unwahrscheinlichkeit einer Abhängigkeit des Johannes von Lukas.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/the-disciples-inspection-of-the-empty-tomb

  • [1]

    F. Neirynck, John and the Synoptics: 1975-1990. Paper aus dem Colloqium, in diesem Band S. 3-61.

  • [2]

    R. Mahoney, Two Disciples at the Tomb (Theologie und Wirklichkeit 6), Bern, 1974, S. 41-69.

  • [3]

    F. Neirynck., John and the Synoptics: The Empty Tomb Stories, in: NTS 30 (1984), S. 161-187. Siehe auch ders., APHLQEN PROS EAYTON (Lc 24,12 et Jn 20,10), in: ETL 54 (1978) S. 104-118; The Uncorrected Historic Present in Lk XXIV.12, in: ID., Evangelica: Gospel Studies (BETL, 60) Leuven, 1982, S. 329-334.

  • [4]

    Neirynck, Empty Tomb Stories, (s.o. Anm. 3), S. 175. Vgl. auch ders., John and the Synoptics, in: Evangelica (s.o. Anm. 3), S. 391-395. Denn wenn Lukas die Geschichte erfunden hat, basierte sie logischerweise nicht auf vorliegenden Überlieferungen. Sie konnte nur dadurch in das Johannesevangelium kommen, dass Johannes sie von Lukas entlehnte, womit Lukas die einzige Quelle für die Geschichte des Johannes ist.

  • [5]

    Neirynck behauptet, dass die Assoziation zwischen ajpiste'w und qaumavzw (vgl. V. 41) die Verse 11 und 12 verbindet und dass V. 12 das Auftreten des Petrus vorbereitet und den ausgelassenen Bezug auf Petrus in Mk 16,7 aufnimmt. Doch die beiden Verben scheinen hier nicht wie in V. 41 verbunden zu sein, und Mk 16,7 wird in V. 34 aufgenommen, und nicht in V. 12. Im Lukasevangelium scheint der Abschnitt viel weniger in das Ganze der Geschichte integriert zu sein als bei Johannes.

  • [6]

    Ein vernachlässigter Aspekt in dieser Debatte ist die Frage, ob eine Erfindung dieser Geschichte durch Lukas nicht ein Fall von dem wäre, was Neirynck „eine unwahrscheinliche editorische Freiheit, die sich der Evangelist genommen hat“ nennt – unwahrscheinlich vor allem bei jemandem, der so penibel einen historischen Bericht verfasst. Neirynck antwortet „nein“, denn Lukas entwickelt Mk 15,47 in Lk 23,54-56a zu einer eigenständigen Geschichte. Aber solche Extrapolationen und Ausschmückungen sind etwas anderes als die komplette Erfindung der Inspektion des Grabes durch Petrus. Man vergleiche hier die Weigerung des Lukas, aus der mageren Tradition in V. 34 eine Erscheinungsgeschichte vor Petrus zu erstellen – eine Zurückhaltung, die nach Meinung von Dodd Lukas‘ Integrität als Historiker belegt. (C.H. Dodd, „Die Erscheinungen des auferstandenen Christus. Ein Essay zur Formkritik der Evangelien”, in: Paul Hoffmann [Hg.], Zur neutestamentlichen Überlieferung von der Auferstehung Jesu, Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft, 1988, S. 322.)

  • [7]

    Siehe meine Diskussion in: Assessing the New Testament Evidence for the Historicity of the Resurrection of Jesus (Studies in the Bible and Early Christianity, 16), Lewiston, 1989, S. 232-37. Meine These ist, dass das vierte Evangelium die gängige Überlieferung einer Inspektion des Grabes durch Petrus und einen anderen Jünger durch die Erinnerungen des Jüngers, den Jesus liebhatte, ergänzt, was die zusätzlichen johanneischen Details erklärt. Ich stimme Neirynck zu, dass Lk 24,24 nicht der primäre Überlieferungsschwerpunkt ist und dass 24,12 eine redaktionelle Adaption durch Lukas darstellt. Doch Lukas konnte in 24,24 ein Element einbauen, das er in 24,12 ausgelassen hat. Der Plural in 24,24 ist nicht eine vage Generalisierung, sondern – wie Neirynck selber, Dodd zitierend, bemerkt – vollkommen angemessen in dem Kontext eines Gespräches mit einem Wildfremden. Ein anderes Beispiel für indirekte Verweise des Lukas auf Personen, die er ausgelassen hat, ist Lk 5,4.6.7. Neiryncks Einwand, dass dort die Phänomene innerhalb derselben Geschichte auftreten, während 24,12 und 24,24 zu unterschiedlichen Geschichten gehören, sticht nicht, da Lukas in der Emmausgeschichte frei formuliert und daher seinen indirekten Verweis leicht platzieren konnte.

  • [8]

    Die meisten Forscher akzeptieren die historische Glaubwürdigkeit der Entdeckung des leeren Grabes Jesu durch die Frauen. Jacob Kremer schreibt: „Weitaus die meisten Exegeten halten … an der Zuverlässigkeit der biblischen Aussagen über das leere Grab fest …“ und liefert dazu eine Liste von 28 Namen, der man seinen eigenen hinzufügen könnte (J. Kremer, Die Osterevangelien – Geschichten um Geschichte, Stuttgart: Verlag Kath. Bibelwerk, 1977, S. 49f.). Mir fallen mindestens weitere 16 ein, die Kremer nicht erwähnt hat. Von Campenhausen hat die Hypothese der Flucht der Jünger nach Galiläa zu Recht als Fiktion der Kritiker abgetan (Hans Freiherr von Campenhausen, Der Ablauf der Osterereignisse und das leere Grab, 4. Aufl., Heidelberg: Carl Winter, 1977, S. 44-49). Vgl. J. Weiß, Der erste Korintherbrief (KEKNT 5, Göttingen, 9. Aufl. 1910), S. 360: „... da ich mich von der wissenschaftlichen Legende, dass die App. [= Apostel] nach Galiläa geflohen seien, nicht überzeugen kann.“ Martin Albertz bezeichnet die Flucht der Jünger nach Galiläa als „eine Legende der Kritik“ (M. Albertz, „Zur Formengeschichte der Auferstehungsberichte“, in: P.Hoffmann [Hg.], Zur neutestamentlichen Überlieferung von der Auferstehung Jesu, S. 270). Angesichts des Verbleibs der Jünger in Jerusalem in jenen Tagen erscheint es völlig plausibel, dass, als sie von den Frauen hörten, dass Jesu Grab leer war, einer oder mehrere von ihnen diese Nachricht durch eine Inspektion des Grabes prüften.