Wer ist der wirkliche Jesus: Der Jesus der Bibel oder des Korans?
Summary
Ein Vergleich, wie Jesus im Neuen Testament und im Koran beschrieben wird, um festzustellen, welche Beschreibung zuverlässiger ist.
Jesus von Nazareth ist die einflussreichste Person, die je gelebt hat. Zwanzig Jahrhunderte nach seinem Tod übt er immer noch seine Faszinationskraft auf den Geist denkender Männer und Frauen aus. Peter Jennings' Fernseh-Spezial „Auf der Suche nach Jesus“ zog etwa 16 Millionen Zuschauer im ganzen Land an. Mel Gibsons „Passion Christi“ spielte 370 Millionen Dollar ein. Dan Browns Buch Der DaVinci Code ist ein absoluter Bestseller, der die 100 Millionen Marke in etwa 40 Sprachen übertrifft. Menschen sind offensichtlich weiterhin von Jesus fasziniert.
Doch wer ist Jesus wirklich? Ist er, wie die Bibel sagt, der göttliche Sohn Gottes? Oder war er lediglich ein menschlicher Prophet, wie Muslime gelehrt werden zu glauben? Wer ist der wirkliche Jesus?
Ich schlage vor, dieser Frage als Historiker nachzugehen. Ich werde das Neue Testament und den Koran so betrachten, wie Historiker beliebige andere Quellen der antiken Geschichte betrachten. Ich werde sie nicht als inspirierte oder heilige Bücher behandeln. Entsprechend werde ich auch nicht den Anspruch der Irrtumslosigkeit oder Unfehlbarkeit an sie stellen, um sie als wertvolle historische Quellen zu bezeichnen. Indem wir diese historische Methode wählen, beugen wir dem vor, dass die Diskussion in Argumente über Schwierigkeiten in der Bibel oder Ungereimtheiten im Koran abgleitet. Die Frage ist nicht, ob die Quellen unfehlbar sind, sondern, ob sie uns zu entdecken erlauben, wer der historische Jesus wirklich war.
Nun, um festzustellen, wer der historische Jesus wirklich war, brauchen wir einige objektive Kriterien, um unsere Quellen zu beurteilen. Prof. John Meier, ein hervorragender neutestamentlicher Historiker, nennt folgende vier Kriterien: [1]
1. Mehrfache, unabhängige Quellen. Ereignisse, die von unabhängigen und insbesondere frühen Quellen berichtet werden, sind mit Wahrscheinlichkeit historisch.
2. Unähnlichkeit. Wenn eine Aussage oder ein Ereignis sich in ihrer Art vom früheren Judentum und auch vom späteren Christentum unterscheidet, dann stammen sie vermutlich von keinem von beiden und gehören somit zum historischen Jesus.
3. Peinlichkeit oder Beschämung. Es ist unwahrscheinlich, dass Aussagen oder Ereignisse, die peinlich oder ungünstig für die christliche Kirche sind, erfunden wurden, und damit sind sie wahrscheinlich historisch.
4. Verwerfung und Hinrichtung. Die Kreuzigung Jesu ist so unbestreitbar als ein Ankerpunkt in der Geschichte etabliert, dass Worte und Taten Jesu nach ihrer Wahrscheinlichkeit beurteilt werden müssen, dass sie zu seiner Hinrichtung als „König der Juden“ führten. Ein sanfter oder angepasster Jesus, der einfach Monotheismus predigte, hätte nie einen solchen Widerstand ausgelöst.
Wenn wir diese Kriterien auf das Neue Testament anwenden, dann sind wir in der Lage, eine ganze Menge über den historischen Jesus auszusagen. Lassen Sie mich nur drei der Fakten diskutieren, die sich über diesen bemerkenswerten Mann herausstellen:
1. Jesu radikales Verständnis von sich selbst. Der Koran sagt, dass Jesus sich selbst für nicht mehr als einen menschlichen Propheten hielt, der Menschen lehrte, den einen wahren Gott anzubeten. Doch auf Grundlage der obigen Kriterien kann nachgewiesen werden, dass die historisch authentischen Worte Jesu Ansprüche sind, die sein göttliches Selbstverständnis offenbaren.
Nehmen Sie zum Beispiel den Anspruch Jesu, der Menschensohn zu sein. Die Kriterien der mehrfachen Quellen und der Unähnlichkeit zeigen, dass dieser Anspruch zu dem historischen Jesus gehört. Nun denken vermutlich die meisten Laien, dass sich dieser Titel auf Jesu Menschlichkeit beziehe, so wie der Titel „Sohn Gottes“ sich auf seine Göttlichkeit bezieht. Doch dies ist falsch, weil es nicht den jüdischen Hintergrund dieses Ausdrucks berücksichtigt. Im alttestamentlichen Buch Daniel, Kapitel 7, sieht Daniel eine Vision einer göttlich-menschlichen Gestalt, die auf den Wolken des Himmels kommt und der Gott unvergängliche Autorität, Herrlichkeit und Herrschaft verleihen wird. Keinem rein menschlichen Wesen könnte eine solche Stellung verliehen werden, denn dies würde bedeuten, die Sünde zu begehen, welche Moslems als shirk bezeichnen: einem anderem etwas zu geben, was rechtmäßig allein Gott zusteht. Doch dies ist die Stellung, die Jesus für sich beanspruchte. Die vermutlich berühmteste „Menschensohn“- Aussage trifft Jesus bei seinem Prozess vor dem jüdischen Hohepriester. Ich zitiere:
„Und der Hohepriester stand auf, trat in die Mitte und fragte Jesus und sprach …‘Bist du der Christus, der Sohn des Hochgelobten?’ Jesus aber sprach: `Ich bin`s; und ihr werdet sehen den Menschensohn sitzen zur Rechten der Kraft und kommen mit den Wolken des Himmels.´ Da zerriß der Hohepriester seine Kleider und sprach: `Was bedürfen wir weiterer Zeugen …Ihr habt die Gotteslästerung gehört. Was ist euer Urteil? Sie aber verurteilten ihn alle, dass er des Todes schuldig sei.´“(Mk 14,60-64)
Jeder Moslem müsste mit dem Hohepriester und dem Hohen Rat übereinstimmen, dass Jesus ein Gotteslästerer ist, des Todes würdig, weil er sich selbst Gott gleichgemacht hat.
Jesus behauptete nicht nur, der Sohn des Menschen zu sein, sondern er sah sich auch als den einzigartigen Sohn Gottes. Jesu Selbstverständnis als Gottes besonderer Sohn kommt in seinem Gleichnis von den bösen Pächtern des Weingartens zum Ausdruck, das sogar die radikalen skeptischen Kritiker in dem sogenannten "Jesus-Seminar" als authentisch anerkennen. In diesem Gleichnis symbolisiert der Weingarten Israel, der Eigentümer des Weingartens ist Gott, die Pächter sind die jüdischen religiösen Führer, und die Diener sind die von Gott gesandten Propheten. In Markus 12, 1-9 lesen wir:
“Ein Mensch pflanzte einen Weinberg …und verpachtete ihn an Weingärtner …Und er sandte, als die Zeit kam, einen Knecht zu den Weingärtnern, damit er von den Weingärtnern seinen Anteil an den Früchten des Weinbergs hole. Sie nahmen ihn aber, schlugen ihn und schickten ihn mit leeren Händen fort. Abermals sandte er zu ihnen einen andern Knecht; dem schlugen sie auf den Kopf und schmähten ihn. Und er sandte noch einen andern, den töteten sie; und viele andere; die einen schlugen sie, die andern töteten sie. Da hatte er noch einen, seinen geliebten Sohn; den sandte er als letzten auch zu ihnen und sagte sich: Sie werden sich vor meinem Sohn scheuen. Sie aber, die Weingärtner, sprachen untereinander: Dies ist der Erbe; kommt, laßt uns ihn töten, so wird das Erbe unser sein! Und sie nahmen ihn und töteten ihn …“ (Mk 12, 1-9)
Nun, was sagt uns dieses Gleichnis über das Selbstverständnis Jesu? Es sagt uns, dass Jesus sich selbst für Gottes einzigen, geliebten Sohn hielt, der sich vor allen anderen Propheten auszeichnete, Gottes letzter Bote, und selbst der Erbe Israels. Er hielt sich selbst nicht lediglich für einen weiteren menschlichen Propheten.
Das Selbstverständnis Jesu als Gottes besonderer Sohn kommt explizit in Matthäus 11,27 zum Ausdruck: “Alles ist mir übergeben von meinem Vater; und niemand kennt den Sohn als nur der Vater; und niemand kennt den Vater als nur der Sohn und wem es der Sohn offenbaren will.” Es ist unwahrscheinlich, dass die Kirche diese Aussage erfunden hat, denn sie besagt, dass der Sohn nicht erkennbar ist – „niemand kennt den Sohn als nur der Vater“ –, aber für die nachösterliche Kirche gilt, wir können den Sohn erkennen. Darum ist es nach dem Unähnlichkeitskriterium eine authentische Aussage. Was erzählt uns diese Aussage dann über das Selbstverständnis Jesu? Sie besagt, dass er sich selbst für den einzigen Sohn Gottes und die einzige Offenbarung Gottes an die Menschheit hielt!
Das ist wirklich unglaublich! Doch ist es das, was der historische Jesus von sich glaubte. C.S. Lewis hatte recht, wenn er sagte:
„Ein Mensch, der solche Dinge sagen würde, wie Jesus sie gesagt hat …wäre entweder ein Irrer – oder der Satan in Person. Wir müssen uns deshalb entscheiden … Wir können ihn als Geisteskranken einsperren, wir können ihn verachten oder als Dämon töten. Oder wir können ihm zu Füßen fallen und ihn Herr und Gott nennen. Aber wir können ihn nicht mit gönnerhafter Herablassung als einen großen Lehrer der Menschheit bezeichnen. Das war nie seine Absicht; diese Möglichkeit hat er uns nicht offengelassen.“ [2]
2. Der Prozess und die Kreuzigung Jesu. Nach den Evangelien wurde Jesus vom Hohen Rat wegen Anklage auf Blasphemie verurteilt und dann den Römer zur Hinrichtung wegen Verrat ausgeliefert, weil er behauptete, er sei der König der Juden. Dies sind nicht nur Fakten, die von unabhängigen biblischen Quellen, wie Paulus und der Apostelgeschichte, bestätigt werden, sondern sie werden auch durch außerbiblische Quellen bestätigt. Wir erfahren vom jüdischen Historiker Josephus und dem syrischen Schreiber Mara bar Serapion, dass die jüdischen Führer eine formale Anklage gegen Jesus erhoben und sich an den Ereignissen beteiligten, die zu seiner Kreuzigung führten. Aus dem Babylonischen Talmud, Sanhedrin 43a, erfahren wir, dass die jüdische Beteiligung an dem Prozess als angemessenes Vorgehen gegen einen Häretiker erklärt wurde. Und von Josephus und dem römischen Historiker Tacitus erfahren wir, dass Jesus durch römische Autorität unter dem Urteil von Pontius Pilatus gekreuzigt wurde. L. T. Johnson, ein neutestamentlicher Historiker an der Emory University, schreibt: „Die Unterstützung für die Art seines Todes, seine Agenten und vielleicht Co-Agenten, ist überwältigend: Jesus wurde vor seinem Tod einem Prozess unterzogen, wurde verurteilt und durch Kreuzigung hingerichtet.” [3]
Vielleicht ist der ungeheuerlichste historische Fehler, der sich im Koran findet, seine Behauptung, Jesus sei nicht wirklich gekreuzigt worden. Nicht nur, dass es nicht den kleinsten Beweis für diese bemerkenswerte Hypothese gibt, sondern die Beweise für die Kreuzigung Jesu sind, wie Johnson sagt, „überwältigend“. Diejenigen von Ihnen, die Muslime sind, sollten wahrnehmen, dass keiner, der nicht bereits ein Muslim ist, glaubt, dass der historische Jesus nicht gekreuzigt wurde. Die Kreuzigung Jesu wird selbst von den skeptischen Kritikern im "Jesus-Seminar" – um Robert Funk zu zitieren – als „eine unbestreitbare Tatsache“ anerkannt. [4] Paula Frederickson, deren Buch From Jesus to Christ [Von Jesus zu Christus] das PBS-Fernseh-Spezial desselben Namens inspirierte, erklärt sogar rundweg: „Die Kreuzigung ist die stärkste einzelne Tatsache, die wir über Jesus haben.“ [5]
3. Jesu Auferstehung. Was geschah mit Jesus nach seiner Kreuzigung? Die Mehrheit der Wissenschaftler, die darüber geschrieben haben, stimmen darin überein, dass sich drei Dinge ereigneten:
Erstens, am Sonntagmorgen nach der Kreuzigung wurde Jesu Grab von einer Gruppe seiner weiblichen Nachfolgerinnen leer vorgefunden.
Zweitens, bei mehrfachen Gelegenheiten und unter verschiedenen Umständen, haben verschiedene einzelne Menschen und Gruppen von Menschen Erscheinungen eines von den Toten wieder lebendig gewordenen Jesus erfahren.
Und drittens, die Jünger kamen plötzlich und aufrichtig zu dem Glauben, dass Jesus von den Toten auferstanden war, obwohl ihre Prädisposition gänzlich für das Gegenteil gesprochen hätte.
Ich denke, dass die beste Erklärung dieser drei Fakten lautet, dass die Jünger recht hatten: Gott hatte Jesus von den Toten auferweckt. Dies hat enorme theologische Bedeutung. Denn wie der deutsche Theologe Wolfhart Pannenberg erklärt:
“Der Auferweckung Jesu eignet solche entscheidende Bedeutung noch nicht allein deshalb, weil überhaupt irgend jemand vom Tode auferstanden ist, sondern weil es dieser Jesus von Nazareth ist, dessen Hinrichtung die Juden betrieben, da er Gott gelästert haben sollte. Wenn dieser Mann von den Toten auferweckt wurde, dann bedeutet das offenbar, daß der angeblich von ihm gelästerte Gott Israels sich zu ihm bekannt hat." [6]
Zusammenfassend lässt sich sagen, anhand rein historischer Begründungen haben wir gesehen, dass (1) Jesus von Nazareth ein radikales Verständnis von sich selbst als dem einzigartigen Sohn Gottes und dem Menschensohn besaß, (2) dass er aufgrund seiner angeblich blasphemischen Ansprüche einem Prozess unterzogen, verurteilt und gekreuzigt wurde, und (3) dass Gott ihn von den Toten auferweckt hat, um diese Ansprüche zu rechtfertigen.
All dies steht im Widerspruch zu den Behauptungen des Korans, Jesus habe sich selbst nur für einen Propheten gehalten, der einen langweiligen Monotheismus predigte, dass er nicht gekreuzigt wurde, und dass er nicht von den Toten auferstanden sei.
Wenn Sie jedoch darüber nachdenken, ist diese Situation nicht wirklich überraschend. Ich meine, wem würden Sie vertrauen: Dokumenten, die innerhalb der ersten Generation der Ereignisse, von denen sie berichten, aufgeschrieben wurden, während die Augenzeugen noch lebten, oder einem Buch, das 600 Jahre nach den Ereignissen geschrieben wurde, ohne unabhängige historische Quelle oder Information? Nun, allein diese Frage zu stellen, heißt sie bereits zu beantworten!
In der Tat enthält der Koran nachweislich legendäre Geschichten über Jesus, die während der Jahrhunderte nach seinem Tod entstanden. Ich beziehe mich auf Geschichten über Jesus, die in den sogenannten apokryphen Evangelien zu finden sind – dies sind Fälschungen, die in dem zweiten und dritten Jahrhundert nach Christus erschienen – und die der Koran unwissentlich als Tatsachen zitiert. Beispielsweise erwähnt der Koran die Geschichte – entliehen aus der legendären Fälschung, die Das Kindheitsevangelium des Thomas betitelt wurde – wie Jesus als kleiner Junge einen Vogel aus Lehm formte und ihn lebendig machte (III.70, V.100-110). Solche Geschichten sind erfunden. Somit bietet uns der Koran keine unabhängige Quelle für Jesus.
Historisch gesprochen scheint damit die Antwort auf die Frage vor uns klar: Der wirkliche Jesus ist die Person, wie sie im Neuen Testament beschrieben wird, nicht die legendäre Erfindung, von der wir im Koran lesen.
(Übers.: B. Currlin)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/who-is-the-real-jesus-the-jesus-of-the-bible-or-the-jesus-of-the-quran
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[1]
John Meier, A Marginal Jew, vol.: 1: The Roots of the problem and the Person, Anchor Bible Reference Library (New York: Doubleday, 1991), pp. 168-177.
John Meier, A Marginal Jew, vol.: 1: The Roots of the problem and the Person, Anchor Bible Reference Library (New York: Doubleday, 1991), pp. 168-177.
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[2]
C. S. Lewis, Mere Christianity (New York: Macmillan, 1952), S. 56.; Deutsche Übersetzung: C. S. Lewis, Pardon ich bin Christ. Meine Argumente für den Glauben. Basel und Gießen: Brunnen-Verlag, 12. Taschenbuchauflage, 1997. S. 57.
C. S. Lewis, Mere Christianity (New York: Macmillan, 1952), S. 56.; Deutsche Übersetzung: C. S. Lewis, Pardon ich bin Christ. Meine Argumente für den Glauben. Basel und Gießen: Brunnen-Verlag, 12. Taschenbuchauflage, 1997. S. 57.
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[3]
Luke Timothy Johnson, The Real Jesus (San Francisco: Harper San Francisco, 1996), p. 125.
Luke Timothy Johnson, The Real Jesus (San Francisco: Harper San Francisco, 1996), p. 125.
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[4]
Videotape des Jesus-Seminars.
Videotape des Jesus-Seminars.
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[5]
Paula Frederickson, Bemerkung während einer Diskussion eines Treffens über den “Historischen Jesus” beim jährlichen Treffen der Society of Biblical Literature, November 22, 1999.
Paula Frederickson, Bemerkung während einer Diskussion eines Treffens über den “Historischen Jesus” beim jährlichen Treffen der Society of Biblical Literature, November 22, 1999.
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[6]
Wolfhart Pannenberg, “Jesu Geschichte und unsere Geschichte,” in Glaube und Wirklichkeit (München: Chr. Kaiser, 1975), S. 93f.
Wolfhart Pannenberg, “Jesu Geschichte und unsere Geschichte,” in Glaube und Wirklichkeit (München: Chr. Kaiser, 1975), S. 93f.