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05 / 06

Was geschieht, wenn wir sterben?

Summary

In dieser Predigt geht Prof. Dr. Craig auf Berichte über Nahtod- oder Nachtod-Erfahrungen ein und nimmt sie zum Anlass, um die christliche Sicht des Zwischenzustands der Seele nach dem Tod zu erläutern und zu zeigen, welche Bedeutung die biblischen Aussagen für den Wahrheitsgehalt solcher Erfahrungen haben.

In der letzten Zeit wurde eine Reihe von Büchern von oder über Personen geschrieben, die gestorben oder dem Tod nahe gekommen waren und behaupten, in den Himmel gegangen und wieder zurückgekehrt zu sein – Bücher wie 90 Minuten im Himmel [1] oder Den Himmel gibt’s echt [2]. Solche Veröffentlichungen sind unter christlichen Lesern zu schnell vergriffenen Bestsellern geworden. In diesen Büchern behaupten diese Leute, dass sie nicht nur im Himmel waren, sondern dort sogar geliebte Menschen, Freunde und Familienmitglieder gesehen und mit ihnen gesprochen haben, die früher gestorben waren. Einige behaupten sogar, dass sie tatsächlich Jesus begegnet sind und mit ihm gesprochen haben, während sie im Himmel waren. Aus ihrer Sicht empfanden sie es als bedauerlich, dass sie wieder auf die Erde geschickt wurden; und so kehrten sie widerstrebend aus dem Himmel in dieses Leben zurück.

Nun, es ist verständlich, dass Bücher dieser Art in der christlichen Gemeinde großes Interesse geweckt haben. Wir freuen uns auf den Himmel und sind natürlich neugierig, wie es dort sein wird. Solche Bücher sind sehr populär geworden. Doch habe ich zugleich die Sorge, dass sie auch Anlass zu Missverständnissen geben können. Ich befürchte, dass Menschen vielleicht anfangen, ihre Auffassungen über das Leben nach dem Tod und über den Himmel auf diese Nahtod-Erfahrungen zu gründen und nicht auf das, was die Bibel über das Leben nach dem Tod lehrt.

Ich halte dies aus zwei Gründen für gefährlich. Erstens stimmen diese Erfahrungen oft nicht miteinander überein. Sie widersprechen sich, und daher wissen wir, dass sie nicht alle in jeder Hinsicht echt oder wahr sein können. Dies bedeutet, dass einige dieser Erfahrungen nicht authentisch sind, und die Schwierigkeit ist: Woher weiß man, welche wahrheitsgetreu und welche falsch sind? Die Erfahrung der einen Person ist aus subjektiver Sicht genauso real wie die der nächsten; wie also lässt sich beurteilen, wessen Erfahrung wirklich authentisch ist?

Zweitens – und noch grundlegender – ist die Bibel unsere autoritative, von Gott gegebene Quelle der christlichen Lehre, einschließlich der Lehre über das Leben nach dem Tod und über den Himmel. Um Gottes autoritative Lehre über die Beschaffenheit des Lebens nach dem Tod zu erfahren, müssen wir uns an die Bibel halten, nicht einfach an Nahtod-Erfahrungen. Heute Morgen möchte ich mit Ihnen die Heilige Schrift aufschlagen; deshalb sollten Sie Ihr Neues Testament bereithalten, weil wir verschiedene Abschnitte zu diesem Thema betrachten werden.

Die erste und fundamentalste Wahrheit, an der wir festhalten müssen, lautet, dass die biblische Hoffnung auf Unsterblichkeit eine physische, körperliche Auferstehung ist. Ich wiederhole: Die biblische Hoffnung auf Unsterblichkeit ist eine Hoffnung auf physische, körperliche Auferstehung. Die biblische Hoffnung besagt nicht, dass die Seele eines Tages vom Körper getrennt werden und zum Himmel hinauffliegen wird, um für immer in dieser körperlosen Existenz bei Gott zu sein. Das ist in Wirklichkeit ein typisch griechisches Missverständnis über das Jenseits, das sich auf griechische Philosophen wie Platon zurückführen lässt und sich sehr vom jüdisch-hebräischen Denken über das Leben nach dem Tod unterscheidet. Für die Juden wie für die ersten Christen richtete sich die Hoffnung auf Unsterblichkeit nicht auf die Unsterblichkeit der Seele allein, sondern vielmehr auf die leibliche Auferstehung. Dieser physische Leib wird von den Toten auferweckt und zu unsterblichem Leben verwandelt werden.

Die Auferstehung Christi ist hier unser Vorbild. Schlagen Sie 1. Korinther 15,20 auf. In 1. Korinther 15,20 erklärt Paulus, dass die Grundlage oder das Modell für unsere Auferstehung die Auferstehung von Jesus selbst ist. In 1. Korinther 15,20 sagt Paulus: „Nun aber ist Christus aus den Toten auferweckt, der Erstling der Entschlafenen.“ Die Idee der „Erstlinge“ beschreibt einen repräsentativen Anteil der kommenden Ernte. Die jüdischen Gläubigen brachten diese Erstlinge ihrer Ernte in den Tempel, um sie Gott als Opfer darzubringen. Hier wird gesagt, dass Christus der Erstling der allgemeinen Auferstehung der Toten ist, die eines Tages geschehen wird; aber seine Auferstehung hat bereits stattgefunden und ist ein Vorläufer und Vorbote unserer späteren Auferstehung, sodass unsere Auferstehungsleiber dem Vorbild oder Muster des Auferstehungsleibes Christi entsprechen werden.

Etwas Ähnliches sagt Paulus in Philipper 3. Schlagen Sie Philipper 3,20-21 auf. Dort sagt Paulus: „Denn unser Bürgerrecht ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Retter erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichgestalt mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen.“ Paulus sagt, dass dieser schlichte, niedrige Körper umgestaltet und dem Ebenbild des herrlichen Auferstehungsleibes Christi gleichgestaltet werden wird, den er hatte, als er das Grab verließ und sich als Sieger über den Tod erwies. Die biblische Hoffnung der Unsterblichkeit erhält die Gestalt einer physischen, körperlichen Auferstehung aus den Toten.

Nun, das wirft die nächste Frage auf: Wann erhalten wir unsere Auferstehungsleiber? Wann bekommen wir unseren Auferstehungskörper? Geschieht das unmittelbar nach dem Tod? Wenn wir sterben, bekommen wir dann sofort unseren Auferstehungsleib? Nun, die Antwort lautet: Nein. Diese Idee nimmt den physischen Charakter der Auferstehung nicht ernst. Der Auferstehungsleib ist nicht irgendein anderer Leib. Es ist dieser Leib, der in eine herrliche, unsterbliche, geisterfüllte, unverwesliche Gestalt verwandelt wird. Würden wir also unseren Auferstehungsleib unmittelbar nach dem Tod empfangen, dann wären die Gräber aller Christen leer! Es gäbe keine Leichname mehr in den Gräbern, denn unsere Auferstehungsleiber sind die Verwandlung dieses irdischen Körpers. Die Auferstehung geschieht also nicht direkt nach dem Tod. Die Heilige Schrift sagt vielmehr ganz klar, dass dies beim zweiten Kommen Christi geschieht, wenn Christus auf die Erde zurückkommt.

Betrachten wir 1. Korinther 15,21-23 und 51-52. In den Versen 21 bis 23 sagt Paulus: „Denn da ja durch einen Menschen der Tod kam, so auch durch einen Menschen die Auferstehung der Toten. Denn wie in Adam alle sterben, so werden auch in Christus alle lebendig gemacht werden. Jeder aber in seiner eigenen Ordnung: der Erstling, Christus; sodann die, welche Christus gehören bei seiner Ankunft.“ Die Auferstehung Christi hat zuerst stattgefunden, als Erstling; unsere Auferstehung wird geschehen, wenn er wiederkommt. Dann sagt Paulus in den Versen 51 bis 52: „Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden, in einem Nu, in einem Augenblick, bei der letzten Posaune; denn posaunen wird es, und die Toten werden auferweckt werden, unvergänglich sein, und wir werden verwandelt werden.“

Die umfassendste Beschreibung dieser Verwandlung, die beim zweiten Kommen Christi geschehen wird, gibt Paulus in seinem ersten Brief an die Gemeinde in Thessalonich. Schlagen Sie 1. Thessalonicher 4,13-17 auf. Paulus sagt:

„Wir wollen euch aber, Brüder, nicht in Unkenntnis lassen über die Entschlafenen, damit ihr nicht betrübt seid wie die übrigen, die keine Hoffnung haben. Denn wenn wir glauben, dass Jesus gestorben und auferstanden ist, wird auch Gott ebenso die Entschlafenen durch Jesus mit ihm bringen. Denn dies sagen wir euch in einem Wort des Herrn, dass wir, die Lebenden, die übrigbleiben bis zur Ankunft des Herrn, den Entschlafenen keineswegs zuvorkommen werden. Denn der Herr selbst wird beim Befehlsruf, bei der Stimme eines Erzengels und bei dem Schall der Posaune Gottes herabkommen vom Himmel, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrigbleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit beim Herrn sein."

Paulus sagt, dass die in Christus Entschlafenen beim zweiten Kommen Christi zuerst auferweckt werden; und dann werden diejenigen, die zu diesem Zeitpunkt noch leben, in ihren Auferstehungsleib verwandelt werden, und wir werden hinaufgenommen werden, um ewig beim Herrn zu sein. Wir erhalten unsere Auferstehungsleiber erst beim zweiten Kommen Christi.

Nun, das wirft eine andere Frage auf: Was geschieht mit uns zwischen unserem Tod und unserer Auferstehung? Was passiert mit Ihnen zwischen dem Moment Ihres Todes und dem Moment, wenn Christus wiederkommen wird? Werden Sie einfach ausgelöscht? Hören Sie auf zu existieren, wenn Sie sterben, sodass Gott Sie bei der Auferstehung neu erschaffen wird? Wird er Sie neu ins Leben rufen, nachdem Sie eine Zeitlang nicht-existent waren? Oder existieren Sie nach dem Tod weiter, allerdings vielleicht in einem unbewussten Zustand, sodass Sie gewissermaßen beim Tod einschlafen, und wenn Sie dann aufwachen, sind Sie mit Ihrem Auferstehungsleib im Himmel und wissen überhaupt nicht, dass dazwischen so viel Zeit vergangen ist?

Nun, ich denke, dass keins von beidem die richtige Antwort ist. Die Bibel deutet vielmehr darauf hin, dass die Seele tatsächlich den Tod des Leibes überlebt. Der menschliche Tod bedeutet keine Auslöschung. Der menschliche Tod ist einfach die Trennung der Seele vom Leib. Während der Leib biologisch stirbt und verwest, existiert die Seele weiter und lebt in einem körperlosen Zustand weiter. Zwischen Ihrem Tod und Ihrer Auferstehung werden Sie als körperlose Seele, als Seele ohne einen Körper, in einem bewussten Zustand existieren.

In 2. Korinther 5,1-8 erörtert Paulus dies etwas ausführlicher. Paulus sagt: „Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Zelthaus zerstört wird“ – er bezieht sich auf unseren jetzigen Körper; dieser Körper ist vergänglich; er ist wie ein Zelt, das leicht abgerissen werden kann und zusammenfällt – „wenn unser irdisches Zelthaus zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein nicht mit Händen gemachtes, ewiges Haus in den Himmeln.“ Das wäre der Auferstehungsleib, der das bleibende Haus der Seele sein wird. „Denn in diesem freilich seufzen wir und sehnen uns danach, mit unserer Behausung aus dem Himmel überkleidet zu werden, insofern wir ja bekleidet, nicht nackt befunden werden. Denn wir freilich, die in dem Zelt sind, seufzen beschwert, weil wir nicht entkleidet, sondern überkleidet werden möchten, damit das Sterbliche verschlungen werde vom Leben.“

Paulus sagt hier: Es ist nicht so, dass wir wollen, dass unser Körper weggenommen wird, sodass unsere Seele in einem Zustand existiert, den er als nackt bezeichnet, ohne jede Wohnung – dieser Zwischenzustand der Seele ohne einen Körper ist wie ein Zustand der Nacktheit, wo die Seele in einem nicht-körperlichen Zustand existiert. Paulus sagt, es ist nicht so, dass wir das wollen. Aber, sagt er, es ist so, dass wir überkleidet werden wollen, mit unserer Wohnung, mit unserem Auferstehungsleib. Er sagt, dass wir „überkleidet werden möchten.“ Das entsprechende Wort im Griechischen hat eine Konnotation, die sich mit dem Überstreifen von Oberbekleidung vergleichen lässt, wie bei einem Pullover, den man über ein Hemd streift, ohne das Hemd vorher auszuziehen. Man braucht den Zustand der Nacktheit nicht zu durchlaufen. Was er hier sagt, ist: Wenn es nach ihm ginge, würde er lieber bis zum zweiten Kommen Christi leben, um nicht diesen Zwischenzustand der Nacktheit durchlaufen zu müssen, in dem er ohne Körper wäre. Er würde lieber sofort mit dem Auferstehungsleib bekleidet werden, wie diejenigen Menschen, die bei der Wiederkunft Christi leben werden, ohne den Zustand der Nacktheit zu durchlaufen.

Dann sagt er ab Vers 5: „Der uns aber eben hierzu bereitet hat, ist Gott, der uns das Unterpfand des Geistes gegeben hat. So sind wir nun allezeit guten Mutes und wissen, dass wir, während einheimisch im Leib, wir vom Herrn ausheimisch sind – denn wir wandeln durch Glauben, nicht durch Schauen –; wir sind aber guten Mutes und möchten lieber ausheimisch vom Leib und einheimisch beim Herrn sein.“ Paulus schlägt hier dennoch einen frohen Ton an, obwohl er diesen körperlosen Zustand der Nacktheit nicht durchlaufen möchte. Er erkennt: Vom Körper abwesend zu sein bedeutet, beim Herrn anwesend zu sein. Er sagt, wir sollen guten Mutes sein, und selbst wenn wir diesen körperlosen Zustand lieber nicht durchlaufen wollen, wird er uns aber Christus näher bringen, und ich würde lieber beim Herrn anwesend und vom Körper abwesend sein, wenn es denn so sein muss.

Tatsächlich erklärt Paulus in Philipper 1,21-24, dass unser Sterben zu einer engeren, vertrauteren Beziehung mit Christus führen wird. Paulus – indem er an seinen möglichen Märtyrertod denkt – sagt: „Denn das Leben ist für mich Christus und das Sterben Gewinn.“ Zu sterben ist tatsächlich ein Gewinn! „Wenn aber das Leben im Fleisch mein Los ist, dann bedeutet das für mich Frucht der Arbeit, und dann weiß ich nicht, was ich wählen soll. Ich werde aber von beidem bedrängt: Ich habe Lust, abzuscheiden und bei Christus zu sein, denn es ist weit besser; das Bleiben im Fleisch aber ist nötiger um euretwillen.“ Paulus weiß nicht, ob er als Märtyrer sterben will oder nicht. Er sagt, im Fleisch zu bleiben, im Körper, ist für die Philipper nötiger. Er möchte ihnen dienen. Es bedeutet einen fruchtbaren Dienst. Doch abzuscheiden, sagt er, vom Körper abwesend und beim Herrn anwesend zu sein, ist weit besser, und das ist sein Herzenswunsch: abzuscheiden und bei Christus zu sein. Für den Gläubigen ist das, was uns erwartet, wenn wir sterben, dieser Zwischenzustand der körperlosen Existenz, der uns in eine engere, vertrautere Gemeinschaft mit Christus bringen wird, und wir werden in diesem Zustand auf unsere endgültige Auferstehung warten, die bei der Wiederkunft Christi geschehen wird.

Nun könnten Sie fragen: „Was ist mit den Ungläubigen, mit den Menschen, die Christus nicht kennen? Was passiert mit ihnen?“ Nun, Paulus spricht das nirgendwo in seinen Briefen an. Er schreibt Briefe an christliche Gemeinden, und so spricht er mit ihnen über das, was mit Christen passieren wird. Interessant ist aber, dass Jesus selbst dieses Thema anspricht. In Johannes 5 gibt es einen sehr interessanten Abschnitt, in dem Jesus über die Auferstehung spricht, und er sagt, dass es eine Auferstehung nicht nur der verstorbenen Gerechten, sondern auch der verstorbenen Ungerechten geben wird; Johannes 5,28-29. Betrachten Sie, was Jesus hier sagt: „Wundert euch darüber nicht, denn es kommt die Stunde, in der alle, die in den Gräbern sind, seine Stimme hören und hervorkommen werden: die das Gute getan haben zur Auferstehung des Lebens, die aber das Böse verübt haben zur Auferstehung des Gerichts. Jesus sieht voraus, dass alle Menschen von den Toten auferweckt werden. Diejenigen, die Gläubige sind, die verstorbenen Gerechten, werden zur Auferstehung des Lebens auferweckt werden; aber die verstorbenen Ungerechten – diejenigen, die Gottes Gnade und seine Liebe abgelehnt haben – werden zur Auferstehung des Gerichts auferweckt werden. Sie werden vor dem Richterstuhl Gottes erscheinen und dann wird Gott das Urteil über sie sprechen. Wenn wir das Gerichtsurteil erhalten haben, erst dann kommen wir in den Himmel oder in die Hölle.

Wir durchlaufen diesen Zwischenzustand bis zur Auferstehung. Dann erscheinen wir vor dem Richterstuhl Gottes. Dann kommen die Gläubigen in den Himmel und die Ungläubigen werden in die Hölle geworfen. In dem Zwischenzustand befinden sich die Ungläubigen bereits in einem bewussten Zustand der Qual, der Hades genannt wird. Schlagen Sie Lukas 16,19-26 auf. Das ist das Gleichnis von Lazarus und dem reichen Mann. Jesus sagte:

"Es war aber ein reicher Mann, und er kleidete sich in Purpur und feine Leinwand und lebte alle Tage fröhlich und in Prunk. Ein Armer aber, mit Namen Lazarus, lag an dessen Tor, voller Geschwüre, und er begehrte, sich mit den Abfällen vom Tisch des Reichen zu sättigen; aber auch die Hunde kamen und leckten seine Geschwüre. Es geschah aber, dass der Arme starb und von den Engeln in Abrahams Schoß getragen wurde. Es starb aber auch der Reiche und wurde begraben. Und als er im Hades seine Augen aufschlug und in Qualen war, sieht er Abraham von weitem und Lazarus in seinem Schoß. Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende Lazarus, dass er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und meine Zunge kühle! Denn ich leide Pein in dieser Flamme. Abraham aber sprach: Kind, gedenke, dass du dein Gutes völlig empfangen hast in deinem Leben und Lazarus ebenso das Böse; jetzt aber wird er hier getröstet, du aber leidest Pein. Und zu diesem allen ist zwischen uns und euch eine große Kluft festgelegt, damit die, welche von hier zu euch hinübergehen wollen, es nicht können, noch die, welche von dort zu uns herüberkommen wollen."

Hier sieht Jesus Lazarus im Paradies, in Abrahams Schoß, wo er auf die endgültige Auferstehung warten wird, und den reichen Mann im Hades. Nun ist Hades das griechische Wort für das hebräische Wort Scheol. Im Alten Testament ist Scheol der Bereich der Verstorbenen. Es ist die Unterwelt der entschlafenen Geister. Das griechische Wort dafür ist Hades. Das ist ein anderes Wort als Hölle. Dieser reiche Mann ist nicht in der Hölle; er ist im Hades, was der Zwischenzustand ist, der der endgültigen Auferstehung vorausgeht.

Wenn Menschen sterben, werden die Gerechten bei Christus sein, wo sie auf ihre Auferstehung von den Toten warten. Die Verdammten kommen in den Hades, wo sie in einem körperlosen Zustand sind, in welchem sie auf ihre Auferstehung zum jüngsten Gericht warten. Erst dann werden Menschen ihrem endgültigen Zustand übergeben, dem Himmel oder der Hölle.

Nun hat dies einige wirklich interessante Implikationen! Es bedeutet, dass diese Leute, die von Nahtod-Erfahrungen berichten, in denen sie verstorbene geliebte Personen und Familienmitglieder sehen, diese Menschen in Wirklichkeit nicht im Himmel sehen. Sie sehen diese Menschen nicht buchstäblich. Warum? Weil diese Verstorbenen noch nicht von den Toten auferweckt wurden. Sie befinden sich in dem Zwischenzustand. Sie sind in dem Zustand der körperlosen Existenz. Sie können diese Menschen nicht in ihren Auferstehungskörpern im Himmel sehen. Das ist noch nicht geschehen!

Das scheint – schlimmstenfalls – zu bedeuten, dass das, was diese Menschen erleben, entweder Halluzinationen oder vielleicht traumähnliche Zustände sind. Man kann zum Beispiel einen Traum haben, in dem man in den Himmel kommt und Jesus und verstorbene Angehörige sieht. Das wären in Wirklichkeit keine echten, authentischen Erfahrungen. Das ist der schlimmste Fall.

Andererseits gibt es, denke ich, eine wohlwollendere Deutung dieser Erfahrungen. Es könnte sein, dass es sich bei diesen Erfahrungen um Visionen von verstorbenen geliebten Menschen und von Jesus handelt. Eine Vision ist eine Art mentaler Projektion von etwas, das der Verstand darlegt. Im Alten Testament haben wir viele Fälle von Menschen, die dazu veranlasst wurden, Visionen von Gott oder Visionen von anderen Menschen oder von Dingen zu haben. Sie sehen sie nicht buchstäblich. Es gibt keine Photonen, die von diesen Objekten abprallen und in ihre Augen fallen und ihren Sehnerv treffen. Sie sehen diese Dinge nicht buchstäblich, sondern ihr Verstand projiziert eine Art mentales Bild dieser Dinge. Obwohl Gott keinen Körper hat – Gott ist Geist – haben Menschen im Alten Testament manchmal Visionen von Gott in körperlicher Gestalt. Vielleicht hat Gott die Seele während dieses körperlosen Zwischenzustands so konstituiert, dass sie körperliche Bilder von anderen körperlosen Personen – sowie von sich selbst – projiziert, sodass es für diese körperlosen Seelen so aussieht, als wären sie in einer Welt, die von anderen Menschen mit Körpern bevölkert ist. Diese Personen in ihrer körperlosen Existenz leben möglicherweise in einer Art virtueller Realität, in der es ihnen so scheint, als würden sie mit anderen physischen Personen verkehren, während sie in Wirklichkeit nur körperlose Seelen sind. Aber sie projizieren körperliche Bilder von sich und anderen, sodass sie einander erkennen und sich austauschen können.

In diesem Fall handelt es sich bei dem, was diese Menschen erleben, gewissermaßen um Visionen von Personen, die in Wirklichkeit körperlos sind. Dies würde, so denke ich, einige Merkwürdigkeiten dieser Nahtod-Erfahrungen recht gut erklären. In dem Buch Den Himmel gibt’s echt sieht der kleine Junge Colton zum Beispiel seine jüngere Schwester, die gestorben ist, als ein zweijähriges Kind. Nun war seine Schwester bei ihrem Tod nicht zwei Jahre alt. Seine Mutter hatte eine Fehlgeburt und diese kleine Schwester kam nie zur Welt. Er sieht sie in seiner Nahtod-Erfahrung als Zweijährige. Also, warum sollte er sie in einem Alter von zwei Jahren sehen? Es ist nicht so, als hätte sie in diesem körperlosen Zustand zwei Jahre Zeit gehabt, heranzuwachsen. Warum ist sie nicht acht Jahre alt oder eine Erwachsene? Warum ist sie zwei Jahre alt? Nun, ich denke, es ist plausibel, dass dies die Art und Weise ist, wie er ein Bild von ihr projiziert, nämlich als Zweijährige, während sie in Wirklichkeit eine körperlose Seele ist.

Er sieht auch, dass Menschen im Himmel Flügel haben! In seiner Erfahrung haben sie Flügel wie Engel. Nun, die Bibel sagt nirgends, dass Menschen im Himmel Flügel haben. Unsere Auferstehungsleiber werden sein wie der von Christus, und er hatte keine Flügel. Ich denke, man kann kaum der Versuchung widerstehen zu denken, dass es sich nur um eine Projektion seines Denkens handelt, die auf beliebten Vorstellungen von Menschen im Himmel beruht, in denen man hingeht und seine Flügel bekommt – das ist eine Art kulturelles Bild vom Himmel. Das soll nicht heißen, dass seine Erfahrungen nicht authentisch sind, sondern eher, dass es Visionen sind, die von anderen Personen in dem Zwischenzustand und vielleicht sogar von Christus selbst handeln.

Nun, lassen Sie mich zusammenfassen, was wir festgestellt haben, bevor wir einige Anwendungen daraus ableiten. Wenn ein Mensch stirbt, liegt sein Körper im Grab, bis Christus wiederkommt. Die Seelen derjenigen, die zu Christus gehören, werden in diesem körperlosen Zustand in eine engere, vertrautere Beziehung zu ihm gezogen. Wir wissen tatsächlich nicht, wie diese körperlose Existenz ist. Es ist möglich, dass Seelen in diesem körperlosen Zustand mentale Bilder von einander und von sich selbst als körperlich projizieren, sodass sie miteinander in Kontakt treten können. Die Seelen von Ungläubigen gelangen dagegen in einen als Hades bezeichneten Zustand bewusster Qual und Trennung von Gott. Wenn Christus wiederkommt, wird er die Seelen der verstorbenen Gläubigen mit sich führen, und ihre sterblichen Überreste werden dann von den Toten auferweckt und in herrliche, kraftvolle Auferstehungsleiber verwandelt werden und ihre Seelen werden wieder mit ihren Körpern vereint werden. Nachdem sie vor dem Richterstuhl Christi erschienen sind, um ihre Belohnung zu empfangen, werden sie in die neuen Himmel und die neue Erde geleitet. Auch die Ungläubigen werden von den Toten auferweckt und wieder mit ihren Körpern vereint werden; und nachdem sie durch Gott gerichtet wurden, werden sie in die Hölle geworfen.

Nun, welche Anwendungen ergeben sich daraus für uns heute? Lassen Sie mich drei Dinge kurz erwähnen.

Erstens: Es bedeutet, dass der Tod nicht das Ende ist. Der Tod ist keine Auslöschung. Ihre Seele wird von ihrem Körper getrennt werden, aber Sie werden nicht aufhören zu existieren. Sie werden ewig leben, entweder bei Christus oder getrennt von ihm. Das bedeutet, dass das Leben, das wir jetzt führen, ewige Bedeutung in sich trägt. Wir haben das atemberaubende Vorrecht zu entscheiden, wo wir die Ewigkeit verbringen werden. Deshalb sind die Dinge, die wir jetzt in diesem Leben tun, von enormer, ewiger Bedeutung, weil wir für immer leben werden und diese Konsequenzen nie aufhören werden.

Zweitens: Es bedeutet auch, dass dieser Zwischenzustand uns dem Herrn Jesus Christus näher bringen wird. In diesem Zwischenzustand werden wir eine innigere und persönlichere Beziehung zu Christus erfahren und deshalb ist es etwas, worauf wir uns freuen können. Was immer Sie von diesen Nahtod-Erfahrungen halten, können wir, denke ich, sagen, dass sie uns eines lehren, nämlich dass das Sterben eine sehr angenehme Erfahrung ist! Jeder berichtet, dass das Sterben nahezu entzückend ist, und alle kehren ungern zurück. Wir brauchen den Tod somit nicht zu fürchten. Das Sterben ist offenbar etwas, das wir tatsächlich genießen werden, und dann werden wir in eine innigere Beziehung zu Christus gebracht. Wir brauchen keine Angst zu haben.

Drittens schließlich: Die Auferstehung wird eine vollständige körperliche und emotionale Heilung bringen. In der Auferstehung werden wir von jeder Behinderung, jedem Gebrechen, jeder Krankheit befreit, von unseren Rückenschmerzen bis zur Querschnittslähmung oder multiplen Sklerose. Das alles wird vorüber sein und wir werden einen herrlichen, unsterblichen, kraftvollen Auferstehungsleib haben. Die Auferstehung wird nicht nur körperliche Heilung bringen, sondern auch vollständige emotionale Heilung. Unsere Seelen sind dysfunktional. Sie sind gebrochen. Wir alle tragen emotionale Narben aus unserer Vergangenheit in uns. In der Auferstehung werden wir von all diesen Neurosen und Komplexen und emotionalen Narben befreit und wir werden zu verwandelten, transparenten, liebevollen Menschen, die im Einklang miteinander und mit dem Herrn Jesus Christus leben werden. Vollständige körperliche und emotionale Heilung erwartet uns! Was für eine Hoffnung und Aussicht!

Der Tod ist nicht das Ende. Unser Leben hat enorme und ewige Bedeutung. Dieser Zwischenzustand wird uns Christus näher bringen. Wir brauchen uns nicht davor zu fürchten. Und dann ist die Auferstehung schließlich unsere Hoffnung auf vollständige körperliche und emotionale Heilung. Gelobt sei Gott!

William Lane Craig

(Übers.: M. Wilczek)

Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/popular-articles-what-happens-when-we-die

  • [1]

    Don Piper und Cecil Murphey: Meine 90 Minuten im Himmel. Ein Blick auf das Leben nach dem Tod. Asslar 2009: Gerth Medien (Originaltitel: 90 Minutes in Heaven. Baker Publishing Group.)

  • [2]

    Todd Burpo und Lynn Vincent: Den Himmel gibt's echt. Die erstaunlichen Erlebnisse eines Jungen zwischen Leben und Tod. Holzgerlingen 2015: SCM Hänssler. (Originaltitel: Heaven Is for Real: A Little Boy's Astounding Story of His Trip to Heaven and Back, Large Print Press 2011).

    Zu dem Buch gibt es auch eine DVD und mehrere Begleitbücher, ebenfalls auf Deutsch bei SCM Hänssler.