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Gott, Zeit und Ewigkeit

Summary

Ist Gottes Ewigkeit als zeitlos oder als temporal auszulegen? Geht man davon aus, dass das Universum zu existieren begann, bedeutet eine relationale Auffassung der Zeit, dass auch die Zeit zu existieren begann. Aus Gottes Existenz „vor“ der Schöpfung oder ohne die Schöpfung würde nicht die Existenz der Zeit folgen, wenn Gott in einem solchen Zustand änderungslos ist. Doch wenn Gott reale Beziehungen mit der Welt hat, wird durch die Koexistenz Gottes und der Welt impliziert, dass Gott ab dem Moment der Schöpfung temporal ist. Angesichts der Überlegenheit einer relationalen gegenüber einer nicht-relationalen (Newtonschen) Auffassung der Zeit, sollte Gott als ohne Schöpfung zeitlos creation und nach der Schöpfung temporal betrachtet werden.

Source: „God, Time, and Eternity“, Religious Studies 14 (1979): 497-503.

Gott ist der „der Hohe und Erhabene, der in Ewigkeit wohnt“, [1] erklärte der Prophet Jesaja, doch wie wir den Begriff der Ewigkeit genau verstehen sollen, ist nicht klar. Traditionell hat die christliche Kirche ihn im Sinne von „zeitlos“ verstanden. Doch Oscar Cullmann hat in seinem klassischen Werk über dieses Thema behauptet, dass das Neue Testament „keine philosophische, qualitative Unterscheidung zwischen Zeit und Ewigkeit trifft. Es kennt nur die lineare Zeit…“ [2]  Er behauptet: „Das Urchristentum weiß nichts von einem zeitlosen Gott. Der „ewige“ Gott ist der, der am Anfang war, ‚jetzt‘ ist und in aller Zukunft sein wird, „der ist und der war und der kommt“ (Offb 1,4).“ [3] Infolgedessen, sagt Cullmann, muss Gottes Ewigkeit im Sinne einer endlosen Zeit ausgedrückt werden.

Wenn wir davon sprechen, dass Gott ewig ist, dann meinen wir damit entweder „zeitlos“ oder einfach „immerwährend“. Die Frage ist: Welches Verständnis von Gottes Beziehung zur Zeit ist zu bevorzugen? Mit einer scharfen Kritik an Cullmanns Studie hat James Barr gezeigt, dass die biblischen Angaben nicht determinativ sind. Er argumentiert, dass Cullmanns Studie zu stark auf Etymologie und Wortbetrachtungen beruht, und diese können nicht darüber entscheiden, was ein Begriff über seine Verwendung hinaus bedeutet. [4] Nach Barr kann die Genesis durchaus lehren, dass die Zeit zusammen mit dem Universum geschaffen wurde und dass Gott als zeitlos betrachtet werden kann. [5] Barrs grundlegende Behauptung ist, dass „eine gültige biblische Theologie nur auf den Aussagen der Bibel gegründet sein kann, und nicht auf den Wörtern der Bibel.“ [6] Wenn Letzteres geschieht, sind die biblischen Angaben nicht eindeutig: „… wenn eine Art christliche Zeitlehre entwickelt werden soll, muss die Aufgabe ihrer Erörterung und Entwicklung Gegenstand nicht der biblischen, sondern der philosophischen Theologie sein.“ [7]

Die Sache liegt also in der Hand des Philosophen, nicht des Theologen. Gibt es also gute philosophische Argumente, eine dieser konkurrierenden Vorstellungen von Gottes Ewigkeit der anderen vorzuziehen? Ich denke, es gibt sie.

Nach der christlichen Lehre der creatio ex nihilo hat das Universum vor einer endlichen Zeit angefangen zu existieren. Diese Lehre erfährt eine philosophische Bestätigung durch Argumente, welche die Absurdität eines unendlichen temporalen Regresses der Ereignisse [8] demonstrieren, und eine empirische Bestätigung aufgrund der Evidenz für das sogenannte „Urknall“-Modell des Universums. [9] Wenn wir darin übereinstimmen, dass das Universum zu existieren begann, macht dies dann auch einen Anfang der Zeit selbst notwendig? Die Antwort ist: Es kommt ganz darauf an. Wenn man glaubt, dass die Zeit unabhängig von Ereignissen existiert, sodass die Zeit auch dann existieren würde, wenn es keine Ereignisse gäbe, dann folgt aus unserem Argument nicht prima facie ein Anfang der Zeit. Wenn man dagegen akzeptiert, dass die Zeit nicht unabhängig von Ereignissen existieren kann, dann folgt aus einem Anfang der Ereignisse auch ein Anfang der Zeit.

Es gibt einige moderne Autoren, die einen von Ereignissen unabhängigen Status der Zeit voraussetzen und somit Erben des Newtonschen Konzepts der absoluten Zeit sind. Swinburne argumentiert, dass die Zeit, wie der Raum, aus logischer Notwendigkeit grenzenlos ist. [10] Denn jeder Augenblick der Zeit muss auf einen anderen Augenblick der Zeit folgen und einem anderen Augenblick der Zeit vorausgehen. Das physikalische Universum selbst kann einen Anfang gehabt haben – doch dies kann nur wahr sein, wenn es eine Zeitperiode vor dem Anfang gibt, in dem das Universum nicht existierte. Da die Zeit grenzenlos ist, ist sie aus logischer Notwendigkeit unendlich. Da es vor und nach jeder Periode der Zeit weitere Zeit gibt und da derselbe Augenblick der Zeit nie wiederkehrt, muss die Zeit immer weitergegangen sein und wird immer weitergehen. Während der Raum ohne physikalische Objekte nicht existieren würde, würde die Zeit es tun. Doch ohne physikalische Objekte, fügt er hinzu, könnte die Zeit nicht gemessen werden: In einer Periode der Zeit ohne Objekte könnte man eine Stunde nicht von einem Tag unterscheiden. [11] Somit waren Newtons Behauptungen über die absolute Zeit richtig. [12] Zu sagen, dass das Universum auf einer solchen Zeitskala zu existieren begann, würde einfach der Aussage gleichkommen, dass es vor einer endlichen Zeit keine physikalischen Objekte gab. [13]

Auch J. R. Lucas behauptet, dass die Zeit weder anfangen noch enden könnte. [14] Wenn die Zeit relational definiert ist, so erklärt er, dann müssten wir, wenn es ein absolut ruhendes Universum vor dem ersten Ereignis gab, sagen, dass die Zeit nicht existierte, bis das erste Ereignis auftrat. Am Anfang der Zeit konnten keine Vergangenheitsaussagen gemacht werden, da es keine Vergangenheit gab. Es ist aber offensichtlich, dass bestimmte Aussagen wie „Die Sterne waren in Bewegung“ sinnvolle – wenn auch in diesem Fall falsche – Aussagen sind, die man über den Zustand des Universums vor dem ersten Ereignis machen könnte. Lucas bestreitet nicht, dass das Universum einen Anfang gehabt haben könnte, aber wie Swinburne argumentiert er, dass die Zeit in einem solchen Fall dem Anfang des Universums vorausgehen würde und dass sie undifferenziert wäre. [15] Ohne eine Welt würde es keine Metrik geben, die man an die Zeit legen könnte.

Eine Variante der oben genannten Auffassung wird von Lawrence Sklar formuliert, dessen Theorien der Zeit stark durch die Relativitätstheorie beeinflusst sind. Er interpretiert die Minkowski-Raumzeit literalistisch, indem er behauptet, dass zukünftige Ereignisse „eine determinierte Realität haben“ und zukünftige Objekte „real existent“ sind. [16] Dementsprechend betrachtet er Zeit und Raum als in der Raumzeit unauflöslich miteinander verbunden. [17] Dies würde offenbar implizieren, dass auch die Zeit einen Anfang hätte, wenn das Universum einen absoluten Anfang ex nihilo hatte; wenn das Universum aber nur einen relativen Anfang ab einem zuvor ruhenden Zustand hatte, dann würde die Zeit keinen Anfang haben. Ian Hinckfuss argumentiert auch, dass es die Zeit auch dann geben würde, wenn das Universum zur Bewegungslosigkeit erstarrt wäre, weil temporale Dauer und temporale Messung nicht vom fortlaufenden Betrieb einer Uhr während dieser Zeit abhängig sind. [18]

Vermutlich würde für solche Denker aus dem Anfang der temporalen Reihe von Ereignissen kein Anfang der Zeit selbst folgen. Auf der anderen Seite betrachten diejenigen, die von einer relationalen Auffassung der Zeit ausgehen, den Anfang der Ereignisse im Allgemeinen als synonym mit dem Anfang der Zeit selbst. So behauptet Zwart zum Beispiel:

Nach der relationalen Theorie besteht der Ablauf der Zeit aus dem Geschehen von Ereignissen. Daher kann die Frage, ob die Zeit endlich oder unendlich ist, auf die Frage reduziert werden, ob die Reihe der Ereignisse endlich oder unendlich ist. [19]

Man könnte behaupten, dass es selbst nach der relationalen Auffassung der Zeit eine Zeit vor dem ersten Ereignis geben kann, weil man von einzelnen Ereignissen abstrahieren kann, sodass man das ganze Universum als eine Art Ereignis betrachtet, das bei seiner Erschaffung geschieht. Somit würde es in Bezug auf dieses Ereignis ein Vorher und Nachher geben: kein Universum/ein Universum. Und eine Relation des Vorher und Nachher ist die urtümliche Relation, aus der die Zeit besteht. [20] Andererseits ist diese Ebene der Abstraktion vielleicht ungültig und könnte eine Zeit über der Zeit voraussetzen. Denn wenn es vor dem Anfang des Universums überhaupt nichts gab, nicht einmal den Raum, scheint gewiss wahr zu sein, dass es dann auch keine Zeit gab. Denn angenommen, das Universum wäre nie in Existenz gekommen – würde es die Zeit dennoch geben? Doch wenn das Universum tatsächlich ex nihilo in Existenz kam, wie könnten wir sagen, dass dieses erste Ereignis eine Auswirkung auf die Realität hatte (doch es gab natürlich keine Realität!), bevor es je auftrat, besonders wenn sein Auftreten kontingent ist? Vielleicht wollen wir sagen, dass die Zeit nicht existiert, bis ein Ereignis auftritt, doch wenn das Ereignis dann auftritt, gibt es eine Art retroaktive Wirkung, die dazu führt, dass vergangene Zeit in Existenz springt. Dies scheint jedoch unsere mentale Fähigkeit des zeitlichen Zurückdenkens mit der progressiven, unidirektionalen Natur der Zeit selbst zu verwechseln. Obwohl wir – nach der Schöpfung – das Nichtsein eine Stunde vor dem ersten Ereignis denken können, gab es im Sinne der Realität keinen solchen Moment. Denn es gab einfach nichts, und die Schöpfung war nur eine zukünftige Kontingenz. Als das erste Ereignis auftrat, begann der erste Moment der Zeit.

Das sind schwer zu lösende Probleme, und es ist zumindest eine offene Frage, ob ein Anfang von Ereignissen einen Anfang der Zeit notwendig macht. Deshalb müssen wir fragen, ob es in irgendeiner Weise absurd ist, anzunehmen, dass die Zeit einen Anfang hatte. Einige Philosophen haben argumentiert, dass die Zeit keinen Anfang haben kann, weil jeder Augenblick der Zeit einen früheren Augenblick impliziert. Daher kann es keinen ersten Augenblick der Zeit geben. Nach einem Newtonschen Verständnis der Zeit würde dieses Argument, selbst wenn es gültig wäre, nur implizieren, dass das Universum einen Anfang in der Zeit statt mit der Zeit hatte. Doch es scheint in der Tat plausibel zu sein, bei einer relationalen Auffassung der Zeit zu behaupten, dass ein erster Augenblick existieren könnte, da ohne Ereignisse keine Zeit existiert. Stuart Hackett argumentiert:

Zeit ist nur eine Relation zwischen Objekten, die in einer Ordnung der Sukzession erfasst werden oder die objektiv in einer solchen Ordnung existieren: Die Zeit ist eine Form von Wahrnehmungserfahrung und von objektiven Prozessen in der (für den Verstand) externen Welt. So wird durch die Tatsache, dass die Zeit eine Relation zwischen Objekten oder Erfahrungen von sukzessivem Charakter ist, der Einwand ungültig, dass der Anfang der Welt eine zuvor leere Zeit impliziert: Denn die Zeit – als eine solche Relation der Sukzession von Erfahrungen oder objektiven Prozessen – hat getrennt von solchen Erfahrungen und Prozessen überhaupt keine Existenz. [21]

Wenn also nichts existierte und dann etwas existierte, ist es keine Absurdität, hier vom ersten Moment der Zeit zu sprechen. Brian Ellis stellt fest, dass wir zu der Auffassung neigen, dass ein Anfang der Zeit unmöglich ist, weil wir Ausdrücke wie „vor der Schöpfung“ oder „vor dem ersten Ereignis“ verwenden. [22] Ellis zieht jedoch eine sehr aufschlussreiche Analogie zwischen dieser Art von Rede und dem Sprechen über Temperaturen unter dem absoluten Nullpunkt. Wenn ein Physiker sagt, dass es Temperaturen unter dem absoluten Nullpunkt gibt, setzt die Verwendung von „unter“ nicht voraus, dass es solche Temperaturen tatsächlich gibt, sondern nur, dass wir sie uns in unserem Verstand vorstellen können. Genauso wird durch die Aussage, dass es eine Zeit gab, in der das Universum nicht existierte, nicht impliziert, dass eine solche Zeit gab, sondern nur, dass wir uns eine solche Zeit in unserem Verstand vorstellen können. Zu sagen, dass es keine Zeit vor dem ersten Ereignis gibt, entspricht der Aussage, dass es keine Temperatur von -273 °C gibt. Beide Aussagen handeln von Grenzen, über die nur der Verstand hinausgehen kann. Whitrow bemerkt in diesem Zusammenhang, dass viele Menschen Schwierigkeiten haben, sich einen Anfang der Zeit vorzustellen, weil sie ihn als eine Grenze betrachten, ähnlich wie die Grenze des Raumes. [23]  Letzteres lehnen wir ab, weil wir voraussichtlich die Grenze überschreiten könnten und auf der anderen Seite Raum vorfinden würden. Doch bei der Zeit ist es anders, weil wir uns nicht frei in der Zeit wie im Raum bewegen können. Wenn die Zeit mit Ereignissen koexistiert, dann impliziert ein Ursprung der Zeit nur einen Anfang des Universums. Der erste Moment der Zeit ist kein widersprüchlicher Begriff.

Es scheint also keine Absurdität im Begriff eines Anfangs der Zeit zu liegen. Die Vorstellung einer „Zeit vor der Zeit“ ist nur ein mentales Konstrukt, ein Produkt der Imagination. In der Realität scheint es nicht unmöglich zu sein, dass die Zeit zusammen mit dem Universum ex nihilo entsteht. Nach einer Newtonschen Auffassung der Zeit entsteht also das Universum in einer absoluten, undifferenzierten Zeit, während es nach einer relationalen Auffassung der Zeit mit der Zeit in Existenz kommt.

Doch es gab natürlich vor der Schöpfung nicht einfach nichts, sondern Gott. Würde seine Existenz die Gegenwart der Zeit vor der Schöpfung notwendig machen? Lucas argumentiert, dass ein personaler Gott nicht zeitlos sein kann und dass die Zeit, wenn Gott ewig ist, ebenfalls unendlich sein muss. [24] Hackett argumentiert jedoch überzeugend, dass ein personaler Gott nicht unbedingt eine temporale Abfolge mentaler Zustände erfahren muss. Er könnte den gesamten Inhalt der temporalen Reihe in einer einzigen, ewigen Intuition erfassen, so wie ich analog alle Teile eines Kreises in einer einzigen sensorischen Intuition erfassen kann. Gott könnte den Inhalt allen Wissens – vergangen, gegenwärtig und zukünftig – in einer simultanen und ewigen Intuition wissen. [25] Die Tatsache, dass der Schöpfer personal ist, macht also die Gegenwart der Zeit vor der Schöpfung nicht notwendig. Sturch argumentiert, dass Gottes Wissen zeitlos sein muss, um einen unendlichen temporalen Regress von Bewusstseinszuständen zu vermeiden. [26] Nach einer Newtonschen Auffassung der Zeit würde Gott änderungslos in einer undifferenzierten Zeit vor der Schöpfung existieren. Nach einer relationalen Auffassung der Zeit würde Gott änderungslos und zeitlos vor dem ersten Ereignis existieren, der Schöpfung, die den Anfang der Zeit markiert.

Doch wie ist es nach dem ersten Ereignis? Wenn Gott Beziehungen zur Welt unterhält, setzt das nicht voraus, dass er in der Zeit existiert? Das Problem stellt sich besonders akut für den, der die christliche Lehre der Inkarnation vertritt, denn wie Nelson Pike betont: „Es wird kaum unbemerkt geblieben sein, dass die Lehre von Gottes Zeitlosigkeit kaum mit der christlichen Standardauffassung zu vereinbaren ist, dass Gott einst eine endliche, menschliche Gestalt annahm (die Lehre der Inkarnation).“ [27] Søren Kierkegaard nennt dies das absolute Paradoxon; dies ist der Widerspruch der Existenz: die Gegenwart des Ewigen in der Zeit – wie Gott in die Raum-Zeit-Welt eintreten kann, ohne aufzuhören, der Ewige zu sein. [28]

Thomas von Aquin versuchte dieses Problem zu lösen, indem er argumentierte, dass Geschöpfe zwar real auf Gott bezogen sind, dass es in Gott aber keine reale Beziehung hin zu Geschöpfen gibt. [29] Gott existiert also zeitlos und nicht real auf Geschöpfe hin bezogen, während Geschöpfe in der Zeit sich in ihren Relationen zu ihm ändern. In der Inkarnation wird eine menschliche Natur in einer neuen Weise auf die zweite Person der Trinität bezogen, doch diese Person ist nicht in einer echten Relation mit dieser menschlichen Person verbunden. Diese Lehre ist allerdings überhaupt nicht überzeugend. Sie ist system-abhängig, indem sie eine Relation als ein Akzidens betrachtet, das einer Substanz zu eigen ist. Da Gott absolut einfach ist, hat er keine Akzidenzien und somit keine echten Relationen. Doch wenn wir die Aristotelische metaphysische Substanz- und Akzidens-Lehre ablehnen, scheint es unsinnig, zu sagen, dass Gott nicht wirklich als Schöpfer zum Geschöpf auf die Welt hin bezogen ist. Wenn er wirklich in einer Relation zur Welt ist, scheint es am vernünftigsten zu sein, zu behaupten, dass Gott nach der Schöpfung in der Zeit ist. Dies beseitigt auch Kierkegaards absolutes Paradoxon bei der Inkarnation, denn Gott wäre in der Zeit, bevor er eine menschliche Natur annimmt. Dieses Verständnis setzt keine Änderung in Gott voraus; er ist vielmehr einfach auf änderliche Dinge bezogen. Swinburne erklärt:

...da Gott mit der Welt existiert und es in der Welt Änderungen gibt, lässt sich gewiss argumentieren, dass man sagen kann, dass Gott für eine endlose Zeit weiter existiert, statt zeitlos zu sein. Im Allgemeinen wird von etwas, das gleich bleibt, während andere Dinge sich ändern, nicht gesagt, dass es außerhalb der Zeit ist, sondern dass es durch die Zeit fortbesteht. [30]

Nach einer relationalen Auffassung der Zeit würde Gott also „vor“ der Schöpfung zeitlos und unabhängig existieren; bei der Schöpfung, die er von Ewigkeit her als temporal beabsichtigt hat, beginnt die Zeit, und Gott unterzieht sich der Zeit durch seine Relation zu änderlichen Dingen. Nach der Newtonschen Auffassung würden wir dagegen sagen, dass Gott in der absoluten Zeit änderungslos und unabhängig vor der Schöpfung existiert und dass die Schöpfung einfach das erste Ereignis in der Zeit darstellt. [31]

Das sind also die Alternativen. Eine relationale Auffassung der Zeit scheint einer Newtonschen Auffassung überlegen zu sein, (1) weil schwer zu sehen ist, wie die Zeit unabhängig von Ereignissen existieren könnte und (2) weil der Newtonsche Einwand, dass jeder Augenblick der Zeit einen vorherigen Augenblick impliziert, durch die relationale Auffassung adäquat beantwortet wird. Das richtige Verständnis von Gott, Zeit und Ewigkeit wäre also, dass Gott vor der Schöpfung änderungslos sowie zeitlos und nach der Schöpfung in der Zeit existiert.

(Übers.: Marita Wilczek)
Link to the original article in English: http://www.reasonablefaith.org/ god-time-and-eternity-2

  • [1]

    Jesaja 57,15

  • [2]

    Oscar Cullmann, Christ and Time (London: SCM Press, 1962), S. xxvi.

  • [3]

    Ibid. S. 63.

  • [4]

    James Barr, Biblical Words for Time (London: SCM Press, 1962), S. 80.

  • [5]

    Ibid. S. 145-7.

  • [6]

    Ibid. S. 147.

  • [7]

    Ibid. S. 149.

  • [8]

    Historisch wurde dieses Argument verteidigt von Al-Kindi, Al-Kindi's Metaphysics: A Translation of ¡a' qub ibn Ishaq al-Kindi's Treatise ‚on first Philosophy', mit einer Einführung und einem Kommentar von Alfred L. Ivry (Albany, N.Y.: State University of New York Press, 1974); Al-Ghazali, Tahafut al-Falasifah (Inkohärenz der Philosophen), übers. von Sabid Ahmad Kamali (Lahore: Pakistan Philosophical Congress, 1958); Saadia Gaon, The Book of Beliefs and Opinions, übers. von Samuel Rosenblatt (New Haven, Conn.: Yale University Press, 1948); Bonaventure, 2 Sentences 1.1.1.2.1-6. Zu den modernen Verteidigern des Arguments gehören Stuart C. Hackett, The Resurrection of Theism (Chicago: Moody Press, 1957); G. J. Whitrow, The Natural Philosophy of Time ( London und Edinburgh: Thomas Nelson and Sons, 1961); Pamela M. Huby, „Kant or Cantor? That the Universe, if real, must be finite in Both Space and Time“, in: Philosophy, XLVI (1971),121-32. Zu einer ausführlichen Diskussion siehe mein Buch The Kalam Cosmological Argument (London: Macmillan, 1979).

  • [9]

    Zum Urknall-Modell siehe S. J. E. Peebles, Physical Cosmology (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1971); S. Weinberg, Gravitation and Cosmology (New York, Wiley, 1972). Dass dieses Modell eine creatio ex nihilo voraussetzt, erklärt Fred Hoyle in Astronomy and Cosmology (San Francisco: W. H. Freeman & Co., 1975), S. 658. Siehe auch mein in der vorherigen Fußnote genanntes Buch.

  • [10]

    R. G. Swinburne, Space and Time (London: Macmillan, 1968), S. 207-208.

  • [11]

    Ibid. S. 209.

  • [12]

    Ibid. S. 245.

  • [13]

    Ibid. S. 296.

  • [14]

    J. R. Lucas, A Treatise on Time and Space (London: Methuen & Co., 1973), S. 10-11

  • [15]

    Ibid. S. 311-312.

  • [16]

    Lawrence Sklar, Space, Time, and Spacetime (Berkley and Los Angeles: University of California Press, 1974), S. 274.

  • [17]

    Ibid. S. 297.

  • [18]

    Ian Hinckfuss, The Existence of Space and Time (Oxford: Clarendon Press, 1975), S. 72-73.

  • [19]

    S. J. Zwart, About Time (Amsterdam und Oxford: North Holland Publishing Co., 1976), S. 237.

  • [20]

    Ibid. S. 36. „… Zeit ist die auf alle Ereignisse ausgedehnte verallgeinerte Relation des Vorher-und Nachher“, (ibid. S. 43).

  • [21]

    Hackett, Theism, S. 263.

  • [22]

    Brian Ellis, „Has the universe a beginning in time?“, in: Australasian Journal of Philosophy XXXIII (1955), 33.

  • [23]

    G. J. Whitrow, What is Time? (London: Thames & Hudson, 1972), S. 146-147.

  • [24]

    Lucas, Treatise, S. 3, 309.

  • [25]

    Hackett, Theism, S. 286-7. Ich denke, dass die Personalität und Zeitlosigkeit Gottes am schlüssigsten im Kontext der trinitarischen Theologie zu verstehen ist. Denn in der ewigen und änderungslosen Liebesbeziehung zwischen den Personen der Trinität sehen wir, wie ein wirklich personaler Gott zeitlos existieren und sich selbst völlig genügen könnte. Die meisten Verfasser, die Einwände gegen einen zeitlosen, personalen Gott erheben, betrachten Gott nur nach der Schöpfung in seinen Beziehungen zu menschlichen Personen, nicht aber Gott vor der Schöpfung (z.B. Nelson Pike, God and Timelessness [London: Routledge & Kegan Paul, 1970], S. 121-129). Im ersten Fall scheint Gott in der Zeit zu sein, im zweiten Falle aber nicht, denn wenn Gott tri-personal ist, braucht er keine temporalen Personen, mit denen er in Beziehung ist, um persönliche Beziehungen zu genießen – die drei Personen der Gottheit würden vollkommene und ewige Gemeinschaft und Liebe erfahren und nicht darauf angewiesen sein, andere Personen zu erschaffen. Die Antwort auf die Frage: „Was tat Gott vor der Schöpfung?“ ist also nicht die alte Spöttelei, die Augustinus erwähnte: „Er bereitet eine Hölle für diejenigen vor, die sich anmaßen, solche hohen Geheimnisse zu ergründen“, sondern vielmehr: „Er genoss die Fülle göttlicher persönlicher Beziehungen, mit einem ewigen Ratschluss zur temporalen Erschaffung und Erlösung von Menschen.“ Warum fasste Gott diesen Ratschluss? Vielleicht um die Freude und Liebe der göttlichen Gemeinschaft mit Personen außerhalb von ihm selbst zu teilen und sich so zu verherrlichen. Andererseits fehlen uns vielleicht ausreichende Informationen, um diese Frage zu beantworten. Sobald jedenfalls temporale Personen erschaffen wären, würde Gott anfangen, mit ihnen temporale persönliche Beziehungen zu erfahren.

  • [26]

    R. L. Sturch, „The Problem of Divine Eternity“, Religious Studies X (1974), 492.

  • [27]

    Pike, God, S. 172.

  • [28]

    Søren Kierkegaard, Philosophical Fragments, übers. von David Swenson (Princeton, N. J.: Princeton University Press, 1936), S. xii, 72.

  • [29]

    Thomas von Aquin, Summa Theologiae Ia. 13.7. Siehe auch John Donnelly, „Creatio ex nihilo“, in: Logical Analysis and Contemporary Theism, hrsg. von John Donnelly (New York: Fordham University Press, 1972), S. 210-11; Peter Geach, („God‘s Relation to the World“, Sophia VII 1969), 1-9.

  • [30]

    R. G. Swinburne, „The Timelessness of God“, in: Church Quarterly Review CLXVI (1965), 331.

  • [31]

    Dies widerlegt wirksam den Einwand von Julian Wolfe gegen das kalam-kosmologische Argument in seinem Artikel „Infinite Regress and the Cosmological Argument“, in: International Journal for Philosophy of Religion II (1971), 246-249. Die entscheidende Prämisse sieht Wolfe darin, dass eine unendliche Zeit nicht vergehen kann. Er argumentiert, dass dies unzutreffend ist, weil die unverursachte Ursache in einer unendlichen Zeit existierte, bevor sie die erste Wirkung verursachte. Da das erste Ereignis nicht auftrat, muss eine unendliche Zeit vergangen sein. Doch erstens ist Wolfes Formulierung des Arguments fehlerhaft, denn die Behauptung ist, dass eine unendliche Zahl von Ereignissen nicht vergehen kann, nicht dass eine unendliche Zeit nicht vergehen kann. Da das Argument sich auf Ereignisse und nicht auf die Zeit bezieht, lässt sich Wolfes Analyse nicht anwenden, da es vor der Schöpfung überhaupt keine Ereignisse gab. Zweitens gilt, wenn der Relationist recht hat, dass vor der Schöpfung nicht eine unendliche Zeit vergeht, weil die Zeit mit der Schöpfung beginnt. Gott ist einfach vor dem ersten Ereignis zeitlos.