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Forum über die Auferstehung Jesu – mit William Lane Craig

Summary

Podiumsteilnehmer: Mark Ballin, Christian Dennis, Elliot Drallmeier, Alex Kim und Sunny Sidhu

Diskussion mit Studenten, die sich mit der Historizität der Auferstehung Jesu befassen

M: Wissenschaftlich gesprochen gibt es keine Erkenntnisse, oder irgendetwas, das nur annähernd beweisen würde, dass dieses Ereignis stattgefunden haben konnte. Es gibt so gut wie gar keine Indizien, die dies irgendwie bestätigen könnten. Jedenfalls soweit ich weiß, es sei denn, mir ist etwas entgangen.

Prof. Dr. Craig: Ich denke, das ist richtig. Je mehr wir wissenschaftlich über das erfahren, was beim Tod mit den Zellen des Körpers geschieht, desto mehr erkennen wir, dass es eigentlich unmöglich ist, dass so etwas wie die Auferstehung geschah. Wenn sie also doch geschah, muss sie buchstäblich ein Wunder gewesen sein, denn es wäre etwas, das bei normalen biologischen Prozessen, die bei einem Leichnam auftreten, nicht geschehen würde.

M: Die Frage läuft also darauf hinaus, ob ein Wunder geschah oder nicht.

A: Ist es logisch möglich, dass die Auferstehung Jesu tatsächlich geschah?

Prof. C: Ja. Wir müssen zwischen logischer Möglichkeit und wissenschaftlicher Möglichkeit unterscheiden. Logische Möglichkeit bedeutet, dass kein Widerspruch enthalten ist. Nehmen wir als Beispiel die Behauptung, dass die Raumzeit des Universums gekrümmt ist, sodass man, wenn man in eine bestimmte Richtung geht, irgendwann wieder am Ausgangspunkt ankommt. Wenn das der Fall ist, dann ist es wissenschaftlich unmöglich, dass jemand für immer und ewig auf einer unendlichen geraden Linie weitergeht, ohne wieder dort anzukommen, wo er begonnen hat. Es besteht also ein großer Unterschied zwischen einer logischen Möglichkeit und einer wissenschaftlichen Möglichkeit. Im Fall der Auferstehung ist es kein logischer Widerspruch zu sagen, dass jemand von Gott wieder zum Leben erweckt wurde, auch wenn dies etwas ist, das dem normalen Verhalten der Naturgesetze widersprechen würde.

M: Um also zu wissen, ob ein Wunder geschah, müssen wir dann nicht von den historischen Aufzeichnungen der Menschen jener Zeit ausgehen? Bedeutet es nicht, den Worten einer Person im Gegensatz zu einer anderen zu glauben?

Prof. C: Ich stimme dem ersten Satz zu und nicht dem zweiten. Wenn Historiker die Vergangenheit studieren, versuchen sie, Zeugenaussagen und sonstige Spuren der Vergangenheit auszuwerten, und dann versuchen sie, auf der Basis der Indizien zu rekonstruieren, was in der Vergangenheit wahrscheinlich geschah. Ich glaube nicht, dass es im Fall der Auferstehung Jesu anders ist als bei anderen Ereignissen der antiken Geschichte – zum Beispiel: Verurteilte Pontius Pilatus Jesus von Nazareth zum Tod durch Kreuzigung? War Kaiphas der Hohepriester zu der Zeit, als Jesus von Nazareth lebte? – oder auch bei säkularen Ereignissen der Geschichte: Kehrte Julius Cäsar mit dem römischen Heer aus Gallien zurück, um Rom zu erobern und Staatsoberhaupt zu werden? Der Historiker wird versuchen, die Vergangenheit so zu rekonstruieren, dass die Indizien den besten Sinn ergeben. Ähnlich ist es bei der Auferstehung Jesu: Es geht nicht nur darum, sie im Glauben anzunehmen, sondern es geht um das, was Sie sagten: die Zeugenaussagen und alle anderen Evidenzen auszuwerten, um die Erklärung zu geben, die am sinnvollsten klingt.

M: Die historischen Dokumentationen wurden von Menschen geschrieben, die – zur damaligen Zeit – erst noch sehen müssen, wie sich ihre Überzeugungen und ihr Glaube entwickeln werden, nachdem sie diese Dokumentation geschrieben haben. Man muss sie also im Rückblick betrachten und lesen, was sie sozusagen zwischen den Zeilen schrieben.

Prof. C: Das ist richtig. Man muss die vorhandenen Quellen betrachten und Aspekte berücksichtigen wie ihre Voreingenommenheit und ihren Standpunkt und so weiter. Aber in diesem Sinn sind die Evangelien eigentlich nicht anders als andere Dokumente der antiken Geschichte. Die gesamte antike Geschichte wurde aus einem bestimmten Blickwinkel geschrieben. Jeder, der antike Geschichte schreibt, hat etwas, das er zu belegen sucht, oder einen Grund, weshalb er die Geschichte erzählt. In diesem Sinn sind die Evangelien eigentlich gar nicht so anders. Es gehört zur Aufgabe des Historikers zu versuchen, eine Unterscheidung zu treffen, ob etwas ein Produkt der Voreingenommenheit oder Perspektive einer Person ist oder nicht oder ob etwas tatsächlich geschah oder nicht. Das ist ein wesentlicher Aspekt der Arbeit des Historikers. Es wäre falsch zu meinen, dass eine Person, nur weil sie einen bestimmten Standpunkt hat, keine objektiven Tatsachen über die Vergangenheit wiedergeben könnte. Denken Sie zum Beispiel an Berichte über den Holocaust im Gegensatz zu heutigen Holocaust-Leugnern, zu Leuten, die sagen, der Holocaust wäre nie geschehen. Nun, die jüdischen Überlebenden des Holocaust haben ein persönliches Interesse, ein leidenschaftliches Interesse zu sagen, dass diese Ereignisse wirklich geschahen, dass sie wirklich diese Verfolgung durchgemacht haben und so weiter, aber das heißt nicht, dass ihre Zeugenaussagen dadurch abgewertet werden oder dass sie deshalb keine objektiven Tatsachen wiedergeben oder Ähnliches. Das leidenschaftliche Interesse einer Person, die einen Standpunkt einnimmt oder eine Geschichte zu erzählen hat, entkräftet also nicht automatisch die Wahrheit ihrer Aussagen.

C: Auf diesem Hintergrund ist es möglich, dass die Auferstehung nicht wahr ist. Wenn zum Beispiel genug Menschen sich einig wären, dass Sie in Wirklichkeit eine Frau sind und kein Mann, dann werden die Menschen in 20 Jahren oder wann immer Sie sterben, 20 Jahre später werden die Menschen sagen, dass Sie eine Frau sind. Wenn die Menschen sich darüber einig wären, würde dies zu einer historischen Tatsache werden. Also, formal könnten wir es eine Tatsache nennen.

Prof. C: Damit haben Sie eine ganze Reihe von Fragen aufgeworfen. Zunächst ist das Konzept eines sicheren Wissens hier falsch eingeordnet. Wir sprechen nicht über Mathematik. Wir sprechen über Geschichte, und ich denke, die Christen wären sehr froh, wenn die Auferstehung Jesu in vergleichbarer Weise belegt wäre wie andere normale Ereignisse der antiken Geschichte, etwa dass Hannibal während der punischen Kriege mit Elefanten nach Rom marschierte, um die Stadt zu erobern, oder dass Kaiser Augustus zur Zeit Christi als Kaiser herrschte. Wenn man zeigen kann, dass die Ereignisse in den Evangelien einen vergleichbaren Grad der Gewissheit haben wie andere normale Ereignisse der Geschichte, dann ist das, meine ich, alles, was man verlangen kann. Es geht also nicht darum, im Sinne einer mathematischen Gewissheit sicher zu sein. Aber Sie sollten auch nicht meinen, dass Fakten einfach das sind, worüber Menschen sich einig sind oder was man im Sinn hat. Wenn in 20 Jahren jeder denken würde, dass William Craig eine Frau war, wäre das dennoch keine Tatsache. Es wäre so, dass alle sich im Irrtum befinden würden, denn ich bin es nicht! Menschen können sich also über die Vergangenheit irren. Und die Frage wäre, ob wir gute Belege dafür hätten, welches Geschlecht ich wohl hatte, oder nicht. Ich halte es für sehr schwierig, dass die Evidenzen in der Zukunft überwiegend in die Richtung gehen würden, dass ich eine Frau war. Es gibt einfach zu viele Augenzeugen, zu viele Dokumente, wie zum Beispiel eine Geburtsurkunde, die etwas anderes nahelegen.

M: Ein Ereignis könnte stattgefunden haben und von einem Reporter berichtet worden sein. Irak ist ein sehr passendes Beispiel. Ich kenne viele Leute, die im Irak waren und über bestimmte Ereignisse gesprochen haben. Wenn die Information schließlich in Amerika ankommt, ist sie vielfach verdreht und verändert worden, je nachdem wie die Leute sie wahrnehmen und ihr zustimmen. Wenn sie schließlich über die Medien unsere Ohren erreicht, ist sie total entstellt und so absurd, dass man es kaum glauben kann. Und mit der Zeit wird es nur noch schlimmer.

Prof. C: Das ist ein guter Punkt. Jeder Historiker muss das berücksichtigen. Das gilt nicht nur für die Evangelien. Das ist einfach Geschichtsschreibung. Deshalb besteht einer der Wege, die Plausibilität zu erhöhen, darin, mehrere Zeugen zu haben, statt sich auf eine einzige Quelle zu verlassen. Wenn man mehrere unabhängige Quellen bekommt, erhöht dies die Glaubwürdigkeit der Berichte. Die andere Sache, die Sie ganz richtig erwähnten, ist der jeweilige Zeitfaktor. Die Zeitspanne zwischen dem Auftreten des Ereignisses und dem Moment des Berichts ist sehr wichtig, denn je kürzer diese Zeitspanne ist, desto größer ist die Glaubwürdigkeit der Darstellung. Eine Darstellung von Ereignissen, die mehrere hundert Jahre zuvor geschahen, ist weniger glaubwürdig als Berichte, die näher dran sind. Das ist einer der interessanten Aspekte der Evangelien im Vergleich zu anderen Ereignissen der antiken Geschichte. Die meisten Dokumente über die griechische und die römische Geschichte, die uns vorliegen, sind eine oder zwei Generationen oder sogar Jahrhunderte von den Ereignissen entfernt, die sie darstellen. Und doch rekonstruieren Historiker die Vergangenheit mit recht großer Zuversicht. Um ein Beispiel zu nennen: Die frühesten Berichte, die frühesten Biografien, die wir über Alexander den Großen haben, wurden über 400 Jahre nach seinem Tod geschrieben. Trotzdem verlassen sich Historiker auf diese Berichte, die sie für weitgehend verlässliche Berichte über das Leben von Alexander dem Großen halten. Bei Jesus von Nazareth haben wir zahlreiche unabhängige Berichte, die innerhalb der ersten Generation geschrieben wurden, als die Augenzeugen noch lebten. Diese Quellen sind also wirklich sogar noch wesentlich bessere Quellen als die über Alexander den Großen. Sie haben Recht, dass alle diese Faktoren sehr wichtig sind: die Zeit, die Notwendigkeit mehrerer Zeugen, usw. Was ich nun sagen würde ist, dass in jeder dieser Hinsichten die Evangelien im Vergleich zu anderen Quellen über Ereignisse der antiken Geschichte, die von den meisten Leuten akzeptiert werden, die bei den meisten Gelehrten allgemein anerkannt sind, sehr gut abschneiden.

E: Was die gegenständliche Evidenz betrifft, erinnere ich mich, dass ich in jüngeren Jahren davon hörte, dass Leute die Leinentücher fanden, in die Jesus eingehüllt war. Wurden nicht auch die Schriftrollen vom Toten Meer gefunden?

Prof. C: Nun, die Schriftrollen vom Toten Meer haben nichts mit der Auferstehung Jesu und nicht einmal direkt mit Jesus selbst zu tun. Sie liefern vor allem Hintergrundinformationen über die Kultur des Judentums im ersten Jahrhundert, die Licht auf die Hintergründe des Neuen Testaments werfen. Das Leinentuch, von dem Sie sprechen, ist das sogenannte Turiner Grabtuch. Es befindet sich in Italien in der Kathedrale von Turin, die Johannes dem Täufer gewidmet ist. Es befindet sich in einem Schrein. Die Kirche nahm es vor einigen Jahren heraus und ließ Untersuchungen daran vornehmen. Einige dieser Untersuchungen waren sehr überraschend, weil sie zeigten, dass sich auf dem Abbild des Mannes auf dem Grabtuch echtes Blut befand. Es waren dreidimensionale Daten darin eingebettet, die bei einem gewöhnlichen Gemälde oder einer Fotografie nicht eingebettet sind; es ist tatsächlich eine Negativabbildung wie beim Negativ eines Fotos, alles bemerkenswerte Dinge. Dies führte eine Reihe von Personen zu der Annahme, dass dies das authentische Grabtuch Jesu sein könnte. Aber es wurden Radiokarbon-Untersuchungen in drei verschiedenen unabhängigen Laboratorien durchgeführt, die das Tuch auf das Mittelalter datierten. Daher ist anzunehmen, dass es nicht authentisch ist, sondern eine mittelalterliche Fälschung. Das Geheimnis des Grabtuchs bleibt allerdings ein Rätsel. Wenn es sich um eine Fälschung handelt, weiß niemand, wie sie hergestellt wurde. Sie unterscheidet sich völlig von der mittelalterlichen Malerei jener Zeit. Wenn Sie einmal Gemälde aus der Renaissance betrachtet haben, wirken die Gestalten fast so flach wie die Figuren einer Cartoon-Zeichnung ohne perspektivische Darstellung, während der Mann auf dem Grabtuch anatomisch genau abgebildet ist. Es ist schon ein erstaunliches Bild. Deshalb glauben einige Gelehrte, die sich mit dieser ganzen Frage des Grabtuchs beschäftigt haben, dass die Radiokarbon-Untersuchung gewisse Abweichungen enthalten könnte, weil das Grabtuch durch ein Feuer Anfang des 16. Jahrhunderts beschädigt wurde. Als die Nonnen das Grabtuch restaurierten, fügten sie möglicherweise Gewebeteile ein, um Fissuren, Löcher oder Risse auszubessern. Es könnte sein, dass die zentimetergroße Probe vom Saum an einer solchen Stelle entnommen wurde, und so nehmen einige an, dass dies eine ausgebesserte Stelle war und nicht der ursprüngliche Stoff. Deshalb möchten sie die Untersuchung wiederholen, aber die katholische Kirche erlaubt dies nicht, denn wenn man solche Stoffproben einer Radiokarbon-Untersuchung unterzieht, wird die Probe dabei zerstört, und für sie bedeutet es, diese kostbare Reliquie zu zerstören. Sie gilt als heilig und deshalb will man das nicht. Die Kirche stimmt einer weiteren Untersuchung nicht zu, aber solange die bisherige Radiokarbon-Datierung nicht widerlegt wird, kann man meiner Meinung nach nicht sagen, dass das Grabtuch authentisch ist. Man müsste irgendwie nachweisen, dass diese Untersuchungen fehlerhaft waren. Abgesehen von diesen Untersuchungen sind die Details, die auf eine Echtheit des Grabtuchs deuten, recht bemerkenswert.

S: Welche sonstigen gegenständlichen Indizien gibt es denn für die Auferstehung?

Prof. C: Nun, wenn man über die Auferstehung nachdenkt, gibt es eigentlich keinen gegenständlichen Beweis dafür, abgesehen von dem leeren Grab selbst. Ich denke, dass das leere Grab der gegenständliche Beweis war, der bestehen blieb und in Jerusalem bekannt war. Als die Jünger anfingen, Jesus zu verkündigen, wäre es damals für die Einwohner von Jerusalem – wenn das Grab nicht leer gewesen wäre – ganz einfach gewesen, diese Jünger zum Schweigen zu bringen, indem sie auf das Grab verwiesen und den Leichnam gegebenenfalls exhumierten. Aber das taten sie nicht. Offensichtlich war das Grab leer. Das wäre der gegenständliche Beweis. Nun wissen wir heute nicht mit Sicherheit, wo sich das Grab befand, obwohl es eine starke historische Überlieferung gibt, nach der die sogenannte Grabeskirche in Jerusalem tatsächlich an der Stelle des leeren Grabes errichtet wurde. Im Inneren der Kirche unterhalb der Rotunde befinden sich die Überreste eines alten Grabes, und die Hinweise, die historischen Überlieferungen, dass dies authentisch ist, dass dies der tatsächliche Ort der Beisetzung Jesu war, sind ziemlich stark; sie reichen sehr weit zurück. Aber das ist nicht sicher. Was wichtiger ist, ist nicht, dass wir heute wissen, wo der Leichnam bestattet wurde. Wichtig ist, dass die Menschen jener Zeit wussten, wo der Leichnam begraben war, sodass sie nachprüfen konnten, ob sich ein Leichnam in dem Grab befand oder nicht, als die Jünger anfingen, in Jerusalem umherzugehen und zu verkünden: „Er ist von den Toten auferstanden.“ Das wäre eigentlich die Schlüsselfrage.

Die meisten Indizien für die Auferstehung ergeben sich aus dem, was Markus berichtete, aus Zeugenberichten. Das wären die unabhängigen Berichte, die man von dem Ereignis hat; sie reichen zurück bis in die erste Generation nach dem Ereignis, und ich denke, die Indizien beruhen letztlich auf Augenzeugenberichten.

M: Aber niemand sah die eigentliche Auferstehung. Was sie sahen, waren die Folgen der Auferstehung.

Prof. C: Das ist korrekt. Das gehört zu den interessanten Aspekten. Wenn man spätere legendenhafte Darstellungen der Auferstehung aus dem zweiten oder dritten Jahrhundert nach Christus betrachtet – es gibt ein sogenanntes Petrusevangelium, das eine Fälschung aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus ist –, dann hat man da eine Erzählung, wie Jesus aus dem Grab kommt, von Engeln begleitet, und die Köpfe der Engel reichen hinauf bis in die Wolken, und sein Kopf reicht bis über die Wolken hinaus und dann kommt ein Kreuz aus dem Grab, während eine Stimme aus dem Himmel zu dem Kreuz sagt: „Hast du denen gepredigt, die da schlafen?“ Und das Kreuz sagt: „Ja.“ So sieht eine echte Legende aus. Sie wird durch alle möglichen theologischen Ausschmückungen überhöht. Doch im Gegensatz dazu schildern die ursprünglichen Berichte, die zu den frühesten Dokumenten gehören, die Auferstehung nicht. Sie beschreiben keine Engel, die mit dem auferstandenen Jesus aus dem Grab kommen. Sie haben keine biblischen Belegtexte, die aus dem Alten Testament zitiert werden. Es sind Berichte, die theologisch in keiner Weise ausgeschmückt werden. Sie erzählen sehr schlicht, wie die Frauen früh am Sonntagmorgen zum Grab kamen und es leer vorfanden. Das, denke ich, spricht von Glaubwürdigkeit, dass es nicht diese theologischen Verzierungen gibt wie bei diesen legendären Geschichten einige Jahrhunderte später.

S: Woher wissen wir, dass diese Zeugen das alles nicht nur vortäuschten? Woher wissen wir, dass das alles real ist?

Prof. C: Das war eine Theorie, die Ende des 17. und Anfang des 18. Jahrhunderts von englischen und deutschen Deisten vorgeschlagen wurden. Ich nenne sie die „Verschwörungstheorie“. Diese Deisten sagten, dass den Jüngern das einfache Predigerleben gefiel, das sie mit Jesus kennen gelernt hatten, und damit sein Werk weitergehen konnte, stahlen sie den Leichnam und verbreiteten dann Lügen über die Erscheinungen und dachten sich das alles aus. Nun, kein moderner Gelehrte glaubt dies heute noch. Der einzige Ort, wo man sich darüber noch auslässt, ist die sensationsgierige Populärliteratur. Ich denke nicht, dass irgendjemand, der die Seiten des Neuen Testaments vorurteilsfrei liest, abstreiten kann, dass diese Leute aufrichtig an die Botschaft glaubten, die sie predigten und für die sie zu sterben bereit waren. Sie waren bereit, für die Wahrheit dieser Botschaft schrecklich qualvolle Tode zu sterben. Sie könnten sich geirrt haben, aber ich denke nicht, dass wir diese Leute als unaufrichtig bezeichnen können. Sie glaubten es wirklich. Also vertritt eigentlich niemand mehr eine solche Theorie. Ein zweites Problem bei der „Verschwörungstheorie“ ist, dass sie furchtbar anachronistisch ist. Sie betrachtet die Situation der Jünger im Rückspiegel der 2000-jährigen Geschichte des Christentums. Wir schauen heute zurück und sagen, die Auferstehung ist das, was wir davon halten oder was die Christen glauben, sodass sie das Ganze vielleicht vortäuschten und Lügen darüber verbreiteten. Aber wissen Sie, so etwas lässt sich im Nachhinein leicht behaupten. Was man tun muss, ist vielmehr, sich in die Lage eines Juden des ersten Jahrhunderts zu versetzen, in die Lage eines Jüngers, der Jesus von Nazareth im ersten Jahrhundert nachfolgte, und sich zu fragen, was man denken würde, wenn dieser Mann, den man für den Messias hielt, plötzlich durch die Römer gekreuzigt wurde. Die Juden erwarteten, dass der Messias der Befreier Israels sein würde. Er würde kommen und den Thron Davids, des größten alttestamentlichen Königs, in Jerusalem wiederaufrichten. Für die Juden des ersten Jahrhunderts bedeutete dies, das Joch des Römischen Reiches abzuschütteln. Der Messias würde Israel von Rom befreien. Sie würden befreit werden, um den Thron Davids aufzurichten und über die Feinde Israels zu triumphieren. Nirgendwo im Judentum gibt es die Vorstellung von einem Messias, der, statt über seine Feinde zu triumphieren, von ihnen gedemütigt und hingerichtet wird und stirbt. Auch war die Vorstellung, dass der Messias von den Toten auferweckt werden würde, im Judentum völlig unbekannt. Die Auferstehung ist – wie Sie, Mark, glaube ich, in Ihrer ersten Frage andeuteten – etwas, das nach dem Verständnis der Juden am Tag des Gerichts am Ende der Welt geschehen würde, und nicht etwas, das sich in der Geschichte ereignet. Die Reaktion eines Juden, der Jesus im ersten Jahrhundert nachfolgt und dann mit seiner Kreuzigung konfrontiert wird, wäre also zu fragen: „Was ist schief gegangen? Ich dachte, er wäre der Messias. Und nun ist er tot. Das ergibt einfach keinen Sinn.“ Er würde nicht denken: „Ich werde den Leichnam stehlen und behaupten, dass er von den Toten auferstanden ist und der Messias ist.“ So etwas ist völlig unjüdisch. Es ist, wie schon gesagt, eine Betrachtung im Rückspiegel christlicher Geschichte. In diesem Sinn ist die „Verschwörungstheorie“ völlig anachronistisch. Ich halte es für unplausibel im Blick auf die Bereitschaft dieser Menschen, für die Wahrheit dieser Botschaft zu sterben, die sie verkündeten. Das ist der Grund, weshalb heute eigentlich niemand mehr an der „Verschwörungstheorie“ festhält.

A: Es gibt vier Evangelien, und in den Berichten über das, was die Frauen sahen, als sie zum Grab kamen, scheint es Diskrepanzen zu geben. Wie erklären Sie diese Diskrepanzen?

Prof. C: Man stellt fest, dass diese Diskrepanzen in den sekundären Merkmalen der Berichte erscheinen. Im Kern stimmen sie alle überein. Alle vier stimmen darin überein, dass Jesus von Nazareth am Freitagabend durch ein Mitglied des jüdischen Sanhedrin namens Josef von Arimathäa bestattet wurde, dass eine Gruppe von Frauen, die zu den Nachfolgern Jesu gehörten, darunter Maria Magdalena, die in allen vier Berichten namentlich erwähnt wird, früh morgens zum Grab kommt. Sie finden den Stein vom Grab weggerollt vor. Sie sehen eine Engelserscheinung und sehen, dass das Grab leer ist. In diesem Kern stimmen alle vier Berichte überein. Die Unterschiede betreffen die nebensächlichen sekundären Details, die den historischen Kern nicht beeinträchtigen. Übrigens habe ich erst kürzlich etwas über den Charakter der mündlichen Überlieferung gelesen und erfahren, das mir sehr interessant erscheint. Wir sprechen von einer Gesellschaft, die eine mündliche Kultur hatte, in der die Fähigkeit, Informationen auswendig zu lernen und weiterzugeben, eine sehr wichtige und hoch entwickelte Fähigkeit war, anders als in unserer literarischen Gesellschaft. Wir haben diese Art von Merkfähigkeit nicht. In der mündlichen Tradition geht man so vor: Die Person, die eine Geschichte weitererzählt, muss den wesentlichen Verlauf der Geschichte richtig darstellen. Sie muss die Schlüsselwörter oder Schlüsselaussagen richtig wiedergeben. Besonders der Höhepunkt muss stimmen. Die übrigen Aspekte der Geschichte kann sie frei wiedergeben. Die sekundären Einzelheiten sind in der mündlichen Tradition nicht so stark festgelegt. Der Kern steht fest. Ich denke, eine wirklich gute Analoge zu dieser mündlichen Kultur ist das Erzählen eines Witzes. Wenn man bei verschiedenen Gelegenheiten verschiedene Personen denselben Witz erzählen hört, merkt man, dass sie in einigen Details variieren, aber es ist wichtig, dass sie den Witz in seinem wesentlichen Ablauf richtig erzählen, und besonders die Pointe müssen sie richtig hinbekommen. Jemand hat mir zum Beispiel einmal einen Witz erzählt und gesagt: „Haben Sie von dem Calvinisten gehört, der in den Aufzugschacht stürzte?“ „Nein“, sagte ich. Er fuhr fort: „Er stand auf, klopfte sich den Schmutz ab und sagte: ‚Puh, ich bin froh, dass das vorbei ist.‘“ (Wenn man den Calvinismus nicht kennt, versteht man die Pointe nicht. Der Calvinismus sagt, dass alles vorherbestimmt ist; deshalb ist er froh, dass das vorbei ist.) Später hörte ich, wie eine andere Person denselben Witz erzählte. Nur erzählte sie ihn so: „Was sagte der Calvinist, als er die Treppe hinunterfiel?“ Ich antwortete: „Ich weiß nicht.“ Sie fuhr fort: „Junge, bin ich froh, dass das vorbei ist!“ Sie sehen den Unterschied. Es gab geringfügige Unterschiede in der Art, wie der Witz erzählt wurde, aber entscheidend waren der eigentliche Verlauf der Geschichte und die Pointe. Wenn man die vier Evangelien betrachtet, die Lehren Jesu, die Geschichten über Jesus, ist es bei dem, was man in den vier Evangelien findet, ganz ähnlich. Sie haben denselben Kern, unterscheiden sich aber in den nebensächlichen sekundären Details. Der Kern ist konstant; und das ist besonders beim Bericht über die Bestattung und das leere Grab von Jesus der Fall. Für Historiker spielen solche Unterschiede in den sekundären Einzelheiten keine große Rolle. Bemerkenswert ist aber, dass wir hier mehrere unabhängige Dokumente haben, die alle in den Kernaussagen übereinstimmen, dass dies geschehen ist. Das ergibt eine sehr hohe Glaubwürdigkeit. Bei den meisten wichtigen Gestalten der Antike haben wir keine vier unabhängigen Quellen. Ich erwähnte Cäsar, der den Rubikon überquerte, als er aus Gallien nach Rom zurückkehrte. Die Überquerung des Rubikon gehört zu den berühmten Ereignissen in der Geschichte des Altertums. Es gibt fünf Berichte darüber, aber keiner davon beschreibt eigentlich die Überquerung. Sie sagen nur, dass er vorher hier und später in Italien war. Sie erzählen nicht, wie er den Rubikon überquerte. Und doch sind alle sich einig, dass er den Rubikon überquerte und nach Rom marschierte. Es ist wirklich erstaunlich, dass es um diesen obskuren palästinensischen Prediger geht, der in einem Winkel des Römischen Reiches gekreuzigt wird, und doch haben wir eine so gute historische Dokumentation nicht nur über sein Leben und seine Lehre, sondern auch über seinen Tod und die Ereignisse nach seinem Tod. Die Auferstehung ist ein Ereignis, das übernatürlich ist. Man würde nicht erwarten, über so etwas irgendein Indiz zu haben. Die erstaunliche Tatsache ist, dass wir sehr glaubwürdige Berichte darüber haben, dass sein Grab leer vorgefunden wurde, dass der lebendige Jesus nach seinem Tod verschiedenen Augenzeugen erschien, dass die ursprünglichen Jünger, die zuerst niedergeschlagene, mutlose und zweifelnde Juden des ersten Jahrhunderts waren, plötzlich mutig die Auferstehung verkündeten und bereit waren, dafür einen qualvollen Tod zu sterben. Das alles sind bemerkenswerte Fakten, die Historiker zu erklären haben. Das kann man nicht anhand einer „Verschwörungstheorie“ tun. Denn damit lassen sich die Daten nicht schlüssig erklären.

E: In den Evangelien wird gesagt, dass Soldaten das Grab bewachten. Was geschah mit ihnen? Gibt es irgendwelche Berichte von den Wachen?

Prof. C: Das steht nur im Matthäusevangelium, wo von den Wachen die Rede ist. Ich denke, dass die Soldaten zu dem Zeitpunkt, als die Frauen am Grab eintrafen, schon geflohen und in die Stadt zurückgekehrt waren. Wir haben keine selbstverfassten Dokumente von Wachen, die am Grab Jesu waren, und so etwas wäre auch nicht zu erwarten. Was wir aber haben, ist eine Zeugenaussage der Feinde über das leere Grab. Woher wir das haben? Nun, warum erzählt Matthäus die Geschichte von den Wachen? Warum legt er Wert darauf, diese Geschichte zu erzählen? Er sagt es ganz am Ende des Berichts. Der Bericht ist, dass das Grab sich bei dem Erdbeben öffnete und die Wachen entsetzt in die Stadt flohen. Im Matthäusevangelium steht, dass die jüdischen Hohenpriester den Wachen daraufhin ein Bestechungsgeld zahlten, damit sie den Leuten erzählten, die Jünger hätten seinen Leichnam gestohlen, während sie am Grab eingeschlafen waren. Diese Geschichte ist bei näherem Hinsehen völlig absurd. Römische Soldaten schliefen nicht ein, während sie ein Grab bewachten. Falls sie es doch getan hätten, wären sie nicht im Schlummer geblieben, während diese Männer kamen, den schweren, monströsen Stein wegrollten und in das Grab eindrangen, ohne sie aufzuwecken. Matthäus sagt, die Wachen erhielten ein Bestechungsgeld, und dann sagt er: „So kam diese Geschichte auf und wird bei den Juden bis heute weitererzählt.“ Er macht also deutlich, dass Matthäus darüber berichtet, um diesen jüdischen Versuchen entgegenzuwirken, das leere Grab mit der Behauptung wegzuerklären, die Jünger wären gekommen und hätten den Leichnam gestohlen. Hier haben wir sogar von den Gegnern der frühen christlichen Bewegung, nämlich den Juden, eine Evidenz für das leere Grab. Die Juden sagten nicht, dass der Leichnam im Grab lag. Stattdessen sagten die Juden als Antwort auf die Verkündigung der Auferstehung, dass die Jünger den Leichnam beseitigten. Diese Antwort setzt voraus, dass das Grab leer war. Die jüdischen Leiter wären nicht umhergegangen und hätten den Leuten erzählt, dass die Jünger den Leichnam beseitigten, wenn jeder gewusst hätte, dass der Leichnam sich immer noch in dem Grab in Jerusalem befand. Die Tatsache, dass Matthäus sich genötigt sieht, diese Geschichte zu erzählen, belegt, dass die Leute wussten, dass die Stätte des Grabes leer war. In diesem Sinn haben wir sogar eine Bestätigung durch Feinde, die bezeugen, dass das Grab leer war. Das ist für die Frage wichtig, die hier gestellt wurde: „Stammen die Dokumente nur von den Leuten, die eine bestimmte Position vertreten, die daran glauben?“ In diesem Fall gibt es eine Zeugenaussage von Feinden, die die Tatsache des leeren Grabes bestätigen, indem von jüdischer Seite behauptet wurde, der Leichnam sei gestohlen worden.

S: Gibt es Aufzeichnungen der Römer über die Kreuzigung Christi?

Prof. C: Es gibt einen römischen Historiker, Tacitus. Tacitus schrieb etwa um das Jahr 110. Jesus wurde im Jahr 30 gekreuzigt. In seinem Buch Annales schreibt Tacitus, dass Jesus von Nazareth nach einem Erlass von Pontius Pilatus in Palästina gekreuzigt wurde. Das ist eigentlich alles, was er darüber sagt. Diesen römischen Beleg haben wir. Wir haben auch einen jüdischen Beleg für die Kreuzigung Jesu. Es gab einen jüdischen Historiker namens Josephus, der sogar ein Zeitgenosse von Jesus war. Er schrieb eine Geschichte über das jüdische Volk. Er kollaborierte aber auch mit den Römern. Er glich den Franzosen, die während des Zweiten Weltkriegs mit den Nazis kollaborierten, wie den Franzosen des Vichy-Regimes, die als Verräter betrachtet wurden. Das war auch Josephus. Er war ein Jude, der mit Rom kollaborierte. Er schrieb diese Geschichte der Juden; und darin spricht er über Johannes den Täufer, Kaiphas und Hannas, der zur Zeit Jesu Hoherpriester war. Er spricht über Jesus und über seinen Bruder Jakobus, wie dieser gesteinigt wurde. Und er erwähnt, dass Jesus gekreuzigt wurde. Er sagt, dass Jesus von Nazareth ein Wundertäter war, der übernatürliche Taten vollbrachte, in Palästina umherzog und predigte und durch Kreuzigung hingerichtet wurde. Josephus sagt, dass die Gemeinschaften seiner Nachfolger nicht ausgestorben sind. Sie folgen ihm bis heute nach. Also haben wir solche säkularen Zeugenaussagen über Jesus in der römischen und in der jüdischen Geschichtsschreibung, wobei wie gesagt erstaunlich ist, dass solche Dinge darin enthalten sind.

E: Ich habe eine Frage darüber, warum die Frauen, als sie zu dem versiegelten Grab gingen, dorthin gingen, obwohl sie wussten, dass Wachen vor dem Grab waren und der Stein vor dem Eingang lag?

Prof. C: Wenn man jüdische Literatur liest, wie etwa die Mischna, die einige Jahrhunderte nach Jesus geschrieben wurde und von jüdischen Praktiken und religiösen Riten und so weiter handelt – wahrscheinlich reichen die Praktiken in der Mischna noch weiter zurück, sogar Jahrhunderte. Was Juden taten, wenn sie eine Person begraben hatten, war, in den folgenden drei Tagen zum Grab zu gehen. Sie salbten den Leichnam, indem sie Öl darüber gossen oder wohlriechende Kräuter und Ähnliches. Was über das Verhalten der Frauen in den Evangelien beschrieben wird, entspricht genau den Bestattungsriten, die in der Mischna beschrieben werden. Nun könnten Sie sagen: „Warum gingen sie hin, wenn sie doch wussten, dass dieser große Stein vor dem Eingang lag", und so weiter. Ich denke, das unterschätzt ihre Trauer und ihre Hingabe an Jesus. Vielleicht hofften sie, dass die Wachen den Stein für sie wegrollen würden, sodass sie das Grab betreten konnten. Tatsächlich steht in dem Bericht, dass sie auf dem Weg zum Grab überlegten: „Wer wird uns den Stein wegrollen?“ Sie stellten dieselbe Frage. Aber es waren keine menschlichen Maschinen. Es waren Frauen, die Christus innig liebten und das Richtige für ihn tun wollten. Also hofften sie vielleicht, dass die Wachen den Stein wegrollen und sie hineinlassen würden, damit sie ihre jüdischen religiösen Pflichten tun konnten, um ihm die letzte Ehre zu erweisen.

E: Es heißt, dass die Jünger nach der Auferstehung, als Jesus zu ihnen kam, ihn zuerst nicht erkannten. Deshalb ließ er einen seiner Jünger, Thomas, die Löcher in seinen Händen berühren. Warum erkannten sie ihn nicht?

Prof. C: Dieses Motiv des Nicht-Erkennens findet sich nur in drei Erscheinungsgeschichten in den Evangelien. Jesus erscheint Maria Magdalena im Johannesevangelium. Das Motiv findet sich auch in der Geschichte vom Erscheinen Jesu am Galiläischen Meer in Johannes 21. Und dann finden wir es bei Lukas in der Emmausgeschichte über die Jünger, denen Jesus auf dem Weg in das Dorf Emmaus begegnete. Aber in den anderen Geschichten gibt es keine Probleme, Jesus zu erkennen: sein Erscheinen in dem Obersaal, sein Erscheinen bei den Frauen, usw. Also müssen wir uns fragen: Woran liegt es, dass sie ihn zuerst nicht erkannten? Was Lukas in der Emmausgeschichte sagt, ist nicht, dass seine äußere Erscheinung irgendwie anders gewesen wäre; sondern er sagt: „Ihre Augen wurden gehalten, sodass sie ihn nicht erkannten.“ Er versteht es als eine übernatürlich auferlegte Beschränkung. Dann, in dem Moment, als Jesus sich hinsetzt und mit ihnen das Brot bricht, werden ihre Augen geöffnet und sie erkennen ihn. Es gab in Wirklichkeit nichts in seiner äußeren Erscheinung, das sich geändert hätte. Es war eine Beschränkung, die ihnen auf übernatürliche Weise auferlegt wurde, und im Augenblick der Enthüllung wurden ihre Augen geöffnet, und sie konnten ihn erkennen. Was wollen uns die Evangelien durch dieses Motiv des Nicht-Erkennens sagen? Was ist der Punkt? Ich denke, der Punkt ist vielleicht dies: Jesus versuchte den Jüngern verständlich zu machen, dass sie nicht mehr in derselben Weise mit ihm in Beziehung treten konnten, wie sie es bisher getan hatten, als er mit ihnen umherging und sie seine irdische Gegenwart erfahren konnten. Nun geht Jesus weg und wird nicht mehr auf äußerlich erkennbare Weise bei ihnen sein. Deshalb müssen sie sich an diese neue Art der Begegnung mit ihm in der Periode nach der Auferstehung gewöhnen. Das ist meine beste Vermutung darüber, was der theologische Punkt beim Motiv des Nicht-Erkennens und des Augenblicks der Enthüllung sein könnte.

M: Wenn all das zu glauben ist und sein Leichnam verschwindet, wirft das eine Reihe von Fragen auf: Wenn niemand ihn stahl, wie verschwand er; und zu welchem Zweck war er weg, warum ist er weg? Wie Sie sagten, ist es im Rückblick sehr offensichtlich, warum er weg war, aber zum damaligen Zeitpunkt hatte niemand irgendeine Vorstellung, warum er verschwinden sollte. So etwas hatte noch nie jemand gehört; warum also war er weg?

Prof. C: Das ist ein guter Punkt. Wenn man die Berichte über das leere Grab liest, weckt das bei den Jüngern keinen Glauben. Als sie das leere Grab sehen, sagen sie nicht: „Na so was! Er ist von den Toten auferstanden!“ Was sie sagen, ist, dass jemand den Leichnam gestohlen hat. Ihr Punkt trifft also genau zu. Als gute Juden des ersten Jahrhunderts gehen sie von einem Grabraub aus, als sie es sehen. Erst als Jesus ihnen erscheint, kommen sie zu dem Glauben, dass er von den Toten auferweckt wurde. Das leere Grab ist also nicht die Quelle ihres Glaubens – es war ein äußerer Beleg für die Auferstehung, aber es war nicht das, was sie zum Glauben brachte. Was sie zum Glauben veranlasste, waren die persönlichen Erscheinungen. Doch wohin ging er? Ich würde dazu neigen zu sagen: In seinem auferstandenen Zustand würde Jesus nicht mehr hier bleiben. Er stand im Begriff, dieses vierdimensionale Raum-Zeit-Kontinuum zu verlassen. Wenn man die Erscheinungsgeschichten in den Evangelien liest, ist das der Eindruck, den man bekommt. Er kann an dem einen Ort in dieses Raum-Zeit-Kontinuum eintreten und es wieder verlassen, um dann an einem anderen Ort wieder einzutreten, ohne die Distanz dazwischen zurücklegen zu müssen. So verschwindet er in Emmaus elf Kilometer von Jerusalem entfernt und erscheint dann in dem Obersaal in Jerusalem, ohne den Weg dazwischen zurückzulegen. Ich stelle mir dies wie eine hyper-dimensionale Wirklichkeit vor, so wie ich, der ich mich in drei Dimensionen befinde, in „Flachland“, in einer zweidimensionalen Ebene, zuerst an der einen und dann an der anderen Stelle die Fläche durchkreuzen kann. Die Menschen in Flachland können meinen Finger hier sehen, und dann sehen sie ihn einfach verschwinden. Dann sehen sie ihn hier und er verschwindet einfach wieder, hat aber die Distanz dazwischen nicht zurückgelegt. Das ist ungefähr das, was mit dem Auferstehungsleib Jesu geschah. In seinem Auferstehungsleib hat er die Fähigkeit, an jedem beliebigen Punkt in unser Raum-Zeit-Kontinuum einzutreten und wieder hinauszutreten. Nun hat er unser Raum-Zeit-Kontinuum verlassen. Christen erwarten, dass eines Tages die Wiederkunft Christi geschehen wird. Das zweite Kommen Christi wird das Ende der menschlichen Geschichte sein, wenn Christus wieder in körperlicher Gestalt in unser Raum-Zeit-Kontinuum eintreten und das Ende der menschlichen Geschichte herbeiführen wird.

E: Wenn man die Wunder ansieht, die in der Vergangenheit geschahen, warum würden Sie sagen, dass wir heute, obwohl er den Heiligen Geist zurückgelassen hat, eigentlich keine massenhaften Wunder erleben?

Prof. C: Wenn man die Bibel liest, stellt man fest, dass die Wunder in der Bibel sich eigentlich auf sehr enge zeitliche Perioden beschränken. Sie häufen sich besonders in der Zeit des Exodus, als Gott sein Volk aus Ägypten befreit – die Plagen für den Pharao und die Ägypter, das Rote Meer – und dann die Zeit von Elia und Elisa einige Jahrhunderte später und dann in der Zeit von Jesus von Nazareth, was wiederum mehr als ein Jahrtausend später ist. Dazwischen gibt es Perioden, in denen keine oder nur wenige Wunder geschehen. Die Bibel ist also nicht so prall mit Wundern gefüllt, wie man vielleicht meinen könnte. Eigentlich erkennt man enge Grenzen; sie häufen sich bei Ereignissen, die enormen Offenbarungscharakter haben, weil Gott sich in besonderer Weise offenbart, wie bei Mose, als Gott sein Volk aus der Gefangenschaft in Ägypten herausführte. Eine Reihe übernatürlicher Ereignisse zeigen, dass er der Befreier ist, der das Volk aus der Gefangenschaft befreien wird. Ähnlich ist es bei Jesus, bei den Wundern, die er wirkte. Er nennt sie „Zeichen“ für das Reich Gottes. Die zentrale Botschaft, die Jesus verkündete, war das Anbrechen des Reiches Gottes in Gestalt einer menschlichen Person. Die Wunder und Exorzismen, die Austreibungen von Dämonen, sind Zeichen für das Volk, dass das Reich Gottes in Jesus von Nazareth in die Menschheitsgeschichte eintritt. Der Höhepunkt ist natürlich seine Auferstehung, ein beispielloses Wunder. Gott hat die Behauptungen seines Sohne auf diese sehr dramatische und unvergleichliche Weise bestätigt, die sich seither nie wiederholt hat. Ich denke, Sie würden zustimmen: Wenn Jesus wirklich der Sohn Gottes war und wegen Gotteslästerung gekreuzigt wurde, dann hat Gott diese angeblich gotteslästerlichen Behauptungen auf unmissverständliche, dramatische Art und Weise bestätigt und gezeigt, dass Jesus der war, der er zu sein behauptete. Er hatte die Wahrheit gesagt. Er war kein Gotteslästerer. Die Auferstehung Jesu war die göttliche Bestätigung des Mannes, den die Juden als Gotteslästerer verworfen hatten.

Interessant ist in diesem Zusammenhang auch, dass die meisten Historiker glauben, dass Jesus von Nazareth ein Wundertäter war und Dämonen austrieb. Sie mögen zwar versuchen, dies wegzuerklären, indem sie es als psychosomatisch bezeichnen, aber sie leugnen nicht, dass Wunder und Dämonenaustreibungen zum Bild des historischen Jesus gehörten, als er auf der Erde lebte. Es sind keine späteren Legenden, die sich im Lauf der Jahrzehnte und Jahrhunderte entwickelten. Angesichts der beträchtlichen Zahl von Zeugen und unabhängigen Dokumenten glauben selbst liberale Gelehrte, dass Jesus von Nazareth als Zeichen für die Wahrheit des Reiches Gottes Wunder wirkte und Dämonen austrieb.

M: Sie haben Dämonenaustreibungen erwähnt. Warum haben wir, seit Jesus starb, keine Dämonen gesehen, wenn man so sagen kann, oder Situationen erlebt, in denen ein Exorzismus nötig war?

Prof. C: Es ist zwar umstritten, aber das haben wir. Haben Sie den Spielfilm Der Exorzismus von Emily Rose gesehen? Er beruht auf einer wahren Geschichte. Es gibt heute Berichte über Exorzismen bei dämonischer Besessenheit. Dieser eine Fall wurde in diesem Spielfilm dargestellt. Aber haben Sie von M. Scott Peck gehört, der das Buch Der wunderbare Weg und andere bekannte Bücher geschrieben hat? Er war Psychologe. Seine letzte Arbeit vor seinem Tod (er ist erst vor kurzem gestorben) befasste sich mit dämonischer Besessenheit. Er hat ein Buch geschrieben – ich habe es noch nicht gelesen, las aber Rezensionen darüber –, in dem er drei oder vier Exorzismen dokumentiert, bei denen er Augenzeuge war. Er sagt, dass er überzeugt ist, dass es sich um ein echtes Phänomen handelt, das sich nicht psychologisch erklären lässt. Er ist professioneller Psychologe. Peck steht nicht allein da. Es gibt andere Forscher, die sich mit dämonischer Besessenheit beschäftigt haben. Sie sagen, dass es sich um ein reales Phänomen handelt, das tatsächlich immer noch vorkommt. Man findet es nicht überall. Nach dem Wenigen, was ich über Dämonisierung gelesen habe, ist es so, dass diejenigen Menschen in dieser Gefahr stehen, die sich auf das Okkulte einlassen. Es geschieht etwas, wenn man sich auf okkulte Praktiken einlässt; es öffnet sozusagen eine Tür in den Gedanken eines Menschen für diese Art von dämonischer Aktivität. Aber wenn man sich von okkulten Dingen fernhält, ist man eigentlich sicher. Man wird nicht dämonisiert. Aus diesem Grund halte ich mich fern von so etwas wie Ouijaboards, Seancen, Versuchen, mit Verstorbenen Kontakt aufzunehmen, und ähnlichen Dingen. Ich glaube, dass es da eine Geisterwelt gibt und eine Einfallstür, die ihnen Zutritt verschafft.

M: An irgendeinem Punkt sagten Sie, dass Jesus derjenige war, der den Exorzismus ausübte, und dass er eine einzigartige Person war. Wie machen es andere Leute heutzutage?

Prof. C: Ich will nicht sagen, dass Jesus der Einzige ist, der Dämonen austreiben kann. Zu seiner Zeit gab es jüdische Exorzisten. Es gibt sogar nicht nur unabhängige jüdischen Quellen über diese Leute, sondern wir finden auch Hinweise auf sie in den Evangelien. Exorzismen waren nicht auf Jesus beschränkt. Ich denke, das Einzigartige an ihm ist, dass er Dämonen aus seiner eigenen Autorität austrieb. Er betete nicht zu Gott, um Dämonen auszutreiben oder Ähnliches zu tun. Er sagte einfach: „Ich gebiete dir, fahre von dem Mann aus.“ Er hatte die Macht, den Dämonen zu gebieten. Durch seine Macht, den Dämonen zu gebieten, bewies er seine geistliche Autorität über die Mächte der Finsternis, während Exorzismen heute normalerweise durch Fasten und Gebet geschehen, indem eine Gruppe von Menschen für die Person beten. Die römisch-katholische Kirche hat eine ganze Reihe vorgeschriebener Ereignisse, die man durchlaufen muss, wenn man eine Austreibung erfährt, was in dem erwähnten Spielfilm Der Exorzismus von Emily Rose sieht, wo der Priester dies zu tun versucht. Er wird mit diesem Mädchen konfrontiert, das von sechs dämonischen Geistern besessen ist. Sie überwältigt ihn und der Exorzismus scheitert. Es ist also ganz anders, wie Jesus Dämonen aus seiner eigenen Autorität austrieb. Das war es, was die Menschen an Jesus erstaunte: die Autorität, mit der er dies tat. Er wirkte Wunder aus seiner eigenen Vollmacht und gebot den Dämonen aus seiner eigenen Vollmacht. Er lehrte über das Gesetz aus seiner eigenen Vollmacht und lehrte aus eigener Vollmacht über das, was Gott im Alten Testament gesagt hatte. Oft veränderte er sogar aus eigener Vollmacht das Gesetz, das Gott im Alten Testament gegeben hatte. So findet man am Ende der Bergpredigt den Satz: „Da erstaunten die Volksmengen sehr über seine Lehre; denn er lehrte sie wie einer, der Vollmacht hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten.“ Deshalb steht jeder (ganz unabhängig von der Auferstehung) vor der Frage, die Jesus den Jüngern stellte: „Was sagt ihr, wer ich bin?“ War er ein Spinner? War er ein Rabbi? War er nur ein Morallehrer? War er, wer er zu sein behauptete? Ich denke, die Auferstehung gibt uns eine gute Antwort: Dass er der war, der er zu sein behauptete. Er war tatsächlich der Sohn Gottes, der das Reich Gottes verkündete. Dass Gott ihn von den Toten auferweckte, zeigt, dass er kein Gotteslästerer war.

M: Was macht Jesus so besonders, dass er auferstehen konnte?

Prof. C: Ich würde sagen, es liegt daran, dass Jesus von Nazareth göttlich ist. Er war Gott in menschlicher Gestalt. Er war die zweite Person des dreifaltigen Gottes: Vater, Sohn und Heiliger Geist. Er war die zweite Person der Trinität, der durch die Inkarnation in die Menschheitsgeschichte kam. Das Wort Inkarnation kommt aus den lateinischen Wörtern in, das „in“ bedeutet, und carnis, das „Fleisch“ bedeutet – also „Gott im Fleisch“. Das ist es, was Christen an Weihnachten feiern. Er ist die einzige Person, die das getan hat. Und es gibt keinen anderen, der so ist. Die Auferstehung Jesu ist also einmalig in der Menschheitsgeschichte. Es gibt nichts, was damit vergleichbar wäre.

William Lane Craig

(Übers.: M. Wilczek)


Link zum Originalartikel: http://www.reasonablefaith.org/forum-on-the-resurrection-with-william-lane-craig