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#579 Dreieinigkeit und Unitarismus

February 03, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

vielen Dank für all den Aufwand, den Sie betreiben, um die Grundlagen des christlichen Glaubens zu vermitteln. Ich habe sehr von Ihrer Arbeit profitiert. Ich habe allerdings ein Problem mit einem zentralen Bestandteil des orthodoxen Christentums, nämlich der Lehre der Dreieinigkeit. Ich wurde als Zeuge Jehovas erzogen, und wie Sie wissen, glauben Zeugen Jehovas nicht an die Dreieinigkeit. Ich habe zwar (dank Ihnen) gesehen, wie fehlerhaft viele ihrer Lehren sind und inwiefern ihre Kritik an der orthodoxen Dreieinigkeitslehre scheitert, doch denke ich nach wie vor, dass sie in Bezug auf die Unipersonaliät Gottes Recht haben.
Ja, ich habe sogar durch persönliches Recherchieren herausgefunden, dass viele der Kirchenväter an einen unipersonalen Gott geglaubt haben. Sie glaubten an eine subordinatianistische Dreieinigkeit zwischen den drei Gottes-Personen. Ja, sogar das Bekenntnis von Nizäa war in vielerlei Hinsicht subordinatianistisch. Sie, Professor Craig, scheinen auch dieser Ansicht zu sein. Ich habe sogar herausgefunden, dass selbst das Bekenntnis von Nizäa die Unipersonalität Gottes bejaht.
Meine derzeitigen Ansichten zur orthodoxen Dreieinigkeitslehre scheinen viel mit denen des britischen Philosophen Samuel Clarke gemeinsam zu haben. Ich glaube, dass der eine Gott des Christentums nur der Vater ist. Er ist die Quelle der Göttlichkeit, aus der der Sohn und der Heilige Geist hervorgehen. Da die Dreieinigkeitslehre so wichtig ist, um als Christ akzeptiert zu werden, würden Sie sagen, dass meine derzeitigen Ansichten die orthodoxe Dreieinigkeitslehre korrekt repräsentieren? Und kann ich auch zum „Christentum schlechthin“ gehören, wenn ich diese Ansichten habe?

Adejimi
Nigeria

Nigeria

Prof. Craigs Antwort


A

Ich denke, Sie haben die Kirchenväter missverstanden, Adejimi. Sie setzen den Glauben, dass der Sohn und der Geist vom Vater ausgehen, mit dem Glauben an den Unitarismus gleich. Das ist schlichtweg falsch. Die Kirchenväter haben ersteren Glauben bejaht. Sie hielten den Vater für die Quelle der anderen beiden Personen der Trinität. Um genauer zu sein: Sie hielten den Sohn für vom Vater gezeugt – eine Überzeugung, die mit in das Bekenntnis von Nizäa aufgenommen wurde. Doch die Wucht des Wortes „gezeugt“ – im Gegensatz zu „geschaffen“ – liegt darin, dass der Vater und der Sohn dieselbe Natur haben, so wie Katzen Kätzchen bekommen und Hunde Welpen. Der Sohn und der Geist haben also dieselbe göttliche Natur und sind somit Gott. Deshalb heißt es im Bekenntnis auch „Gott von Gott.“

Wenn Sie also sagen, „der Vater … ist die Quelle der Göttlichkeit, aus der der Sohn und der Heilige Geist hervorgehen“, dann ist genau das die orthodoxe Dreieinigkeitslehre (es sei denn, Sie denken, der Sohn und der Geist sind nicht-personale Emanationen, was die Kirchenväter offensichtlich nicht dachten)!

Ob nun die Lehre vom Ausgehen des Sohnes und des Geistes vom Vater einen für manche anstößigen Subordinatianismus impliziert, ist eine andere Frage. Die Kirchenväter waren nicht dieser Überzeugung. Die drei Personen sind gleich göttlich und das gleiche Wesen. Wenn eine Person sich einer anderen unterordnet, hat das mit der ökonomischen Dreieinigkeit, nicht der ontologischen zu tun – das heißt, mit den jeweiligen Rollen, die die Personen im Heilsplan einnehmen.

Dies ist aber in einem gewissen Sinne zweitrangig. Denn die relevante Frage für den christlichen Glauben ist nicht, was die Kirchenväter gelehrt haben, sondern was das Neue Testament lehrt. Ich denke, das Neue Testament lehrt, dass der Vater, Sohn und Heilige Geist eigene Personen sind und dass jede dieser Personen Gott ist und dass es einen Gott gibt. Daher sollten wir Trinitarier sein – unabhängig davon, was wir über das Ausgehen einer Person von einer anderen denken.

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/trinitarian-procession-and-unitarianism

- William Lane Craig