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#573 Der Moment, in dem die Welt entstand

December 23, 2018
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich mache mir Gedanken über Gott in Bezug darauf, dass er ein ewiges und zeitloses Wesen ist. Doch bin ich auf eine Frage gestoßen, deren Beantwortung mir Mühe bereitete, deshalb dachte ich mir, ich frage Sie (weil Sie ja im Gebiet Zeit und Ewigkeit geforscht haben). Meine Frage lautet: Wenn Gott ewig (zeitlos) ist, wie konnte er dann einen Moment haben, in dem er das Universum erschuf? Als ich ein Kind war, dachte ich, dass die Ewigkeit einfach aus unendlich vielen endlichen Tagen bestand – weil ich über die Ewigkeit nur in Bezug auf ihre zeitliche Dauer nachdachte. Deshalb kam die hier gestellte Frage gar nicht erst auf. Doch als ich älter wurde und entsprechend schärfer nachdachte (jedoch nicht scharf genug, um diese Frage zu beantworten), habe ich festgestellt, dass ‚Ewigkeit‘ nicht die Ausdehnung der Zeit bedeutet, sondern die Abschaffung der Zeit. Doch das wirft die eben gestellte Frage auf. Wenn ich mich nicht irre, braucht es Zeit, damit es einen Moment geben kann. Ein zeitloses Wesen kann keinen Moment haben. Wie konnte Gott also einen Moment haben? Danke, Dr. Craig.

Daniel
Vereinigtes Königreich
 

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Ich denke, die Antwort auf Ihre Frage, Daniel, liegt in der Theorie der Zeit, die man vertritt. Was ist fundamentaler – die Zeit oder Ereignisse? Brauchen Ereignisse Zeit, um stattzufinden, oder ist Zeit eine Begleiterscheinung des Stattfindens von Ereignissen? Die Frage ist nicht, wie Sie sagen, ob „ein Moment Zeit braucht“, denn ein Moment ist ja ein Zeitpunkt oder ein Zeitintervall. Die Frage ist, ob Ereignisse Zeit brauchen, um stattzufinden.

Nun, ein Ereignis kann offensichtlich nicht ohne Zeit stattfinden; aber das beinhaltet nicht, dass Zeit die Basis dafür ist, dass Ereignisse stattfinden.  Gemäß einer relationalen Ansicht der Zeit, welche ich bevorzuge, sind Ereignisse die Basis für die Zeit. Ohne Ereignisse würde die Zeit nicht existieren. Daher kann eine leere Zeit nicht die Basis für das Stattfinden von Ereignissen sein. Vielmehr generiert das Stattfinden eines Ereignisses die Zeit.

Nun, wenn das stimmt, dann kommt die Zeit automatisch ins Dasein, wenn das erste Ereignis stattfindet. Ein zeitlos existierender Gott muss ‚lediglich‘ das erste Ereignis verursachen, um Zeit zu generieren. Die Zeit ist bloß eine ‚Begleiterscheinung‘ des ersten Ereignisses.

Nun kann „ein zeitloses Wesen keinen Moment haben“, wie Sie sagen. In welchem Moment verursacht Gott also das erste Ereignis? Nun, im Moment der Schöpfung natürlich – im allerersten Moment! Daher würde ich sagen, dass Gott sich aufgrund seiner kausalen Beziehung zur Welt im Moment der Schöpfung in die Zeit begibt. Gott ist ohne die Schöpfung zeitlos und seit der Schöpfung in der Zeit.

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/the-moment-of-creation

- William Lane Craig