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#547 Wie wird es mit uns im Himmel sein?

January 29, 2018
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich habe verschiedene Fragen über mein künftiges Leben im Himmel mit dem Herrn und suche immer noch einen Pastor oder Sonntagsschullehrer, der bereit ist, mir diese zu beantworten. Nehmen Sie z. B. die Frage: Wird der Himmel eine Fortführung unseres irdischen Lebens sein? Werden wir dort unsere Verwandten und Freunde treffen und mit ihnen reden? Werden wir wirklich durch „goldene Gassen“ gehen, und was wird daran so besonders sein? Werden wir in prächtigen Häusern wohnen? Wenn wir auf der Erde gerne Karten gespielt haben, werden wir das dann auch Himmel tun?

Sie sehen, worauf ich hinaus will. Mit anderen Worten: Wird der himmlische Bob genauso sein wie der irdische Bob?

Bob

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Dass Ihre Sonntagsschullehrer und Ihr Pastor so zögerlich sind, wenn es um Ihre Fragen geht, Bob, könnte damit zusammenhängen, dass wir so wenig über das Leben nach dem Tod wissen, dass solche Spekulationen fruchtlos sind. „Schauen wir mal, dann sehen wir schon“ ist da die bessere Lösung.

Aber eines kann man wohl schon jetzt mit Sicherheit sagen: Der „himmlische Bob“ wird mit Sicherheit nicht genauso sein wie der „irdische Bob“! Doch, Sie werden dieselbe Person sein, aber diese Person wird sich sehr verändert haben. Denn der irdische Bob ist ein Sünder, der voller Schwächen und Versagen ist und dem es einfach nicht gelingen will, sein Leben zur Ehre Gottes zu leben. Der himmlische Bob dagegen wird frei von Sünde sein, vom Heiligen Geist erfüllt und in allem, was er wünscht und tut, Gott wohlgefällig. Die Tatsache, dass in dem neuen Himmel und auf der neuen Erde das Böse keinen Platz mehr hat, erfordert eine Umwandlung unseres Wesens, wie wir sie uns kaum vorstellen können!

Ihre Annahme, dass wir im Himmel weiter solche Dinge tun können wie Karten spielen oder in Häusern wohnen, zeigt, dass Sie ganz korrekt erkannt haben, dass das Leben nach dem Tod nicht ein körperloses Schweben ist, wie Plato sich das vorstellte, sondern ein Leben in einem Körper. Ihr nächstes Leben wird nicht „im Himmel“ stattfinden, sondern auf der neuen Erde, die Gott nach dem Ende der Menschheitsgeschichte und der Auflösung des gegenwärtigen Universums beginnen wird. Wir werden neue Körper haben – Auferstehungskörper, die Paulus als herrlich, kraftvoll, unsterblich und übernatürlich beschreibt (1. Kor 15,42-44). Mit diesen Körpern werden wir ein neues Universum bewohnen, das seinerseits eine Auferstehung erfahren hat (Röm 8,21) und für immer frei von Tod und Verfall ist.

Die wohl beste Vorstellung davon, wie unser künftiges Leben sein wird, gibt uns der auferstandene Jesus Christus, denn er ist „auferweckt von den Toten als Erstling unter denen, die entschlafen sind“ (1. Kor 15,20 Luther). Hier dürfen wir gleichsam einen Augenblick lang durch den Vorhang schauen, und nach dem, was wir dort sehen, würde ich in der Tat sagen, dass der Himmel eine „Fortführung unseres irdischen Lebens“ sein wird. Als Jesus seinen Jüngern erschien, erkannte er sie wieder, und seine Wundmale waren Erinnerungen an das Leiden, das er in seinem irdischen Leben für sie durchgemacht hatte. „Fortführung“ heißt nicht, dass alles so bleibt wie früher. Es wird, wie Paulus beschreibt, zu einer radikalen Verwandlung kommen, aber es wird eben nicht so sein, dass das irdische Leben gleichsam auf den Müll geworfen und vergessen sein wird.

Ob wir unsere Verwandten und Freunde treffen werden? Jesus hat genau das getan. Er erschien seinem Bruder Jakobus (1. Kor 15,7) und sprach mit seinen Jüngern. Ich glaube daher, dass dies bei uns ähnlich sein wird. Heiraten werden wir im Himmel nicht, aber das ist kein Grund dafür, zu meinen, dass wir unserer Ehefrau (oder Ehefrauen!) im Himmel nicht als unserer Schwester begegnen werden.

Sie fragen weiter: „Werden wir wirklich durch ‚goldene Gassen‘ gehen, und was wird daran so besonders sein? Werden wir in prächtigen Häusern wohnen?“ Hier sollten wir vorsichtiger sein. Die Johannesoffenbarung, aus der diese Bilder stammen, gehört zur apokalyptischen Literatur, die für ihre überreiche Symbolik und Bildersprache bekannt ist. Die Beschreibung des himmlischen Jerusalem in Offb 21 und 22 versucht, uns die eigentlich unaussprechliche Schönheit der neuen Schöpfung durch Bilder nahezubringen. Andererseits bemerkte ein früherer Kollege von mir, ein bekannter Neutestamentler, mir gegenüber einmal wie nebenbei, dass er glaubte, dass wir im Himmel alle reich sein werden. Als ich mich von meiner Überraschung erholt hatte, kam es mir, dass wir dann, wenn wir dort einen Körper haben werden, ja wohl irgendwo wohnen werden, und für die auferweckten Heiligen Christi wären heruntergekommene Wellblechhütten wohl kaum das Richtige. Also: Warum keine himmlischen Villen und goldgepflasterten Straßen? Schön wäre es jedenfalls …

Ob wir auch im Himmel Karten spielen werden? Wer weiß? Mich persönlich reißen Kartenspiele nicht vom Hocker, aber wer weiß – vielleicht wird Beethoven im Himmel weiter komponieren und Rembrandt weiter malen? Mein größtes Bedenken gegen Kartenspiele im Himmel ist, dass wir dort Jesus Christus nicht mehr wie in einem halbblinden Spiegel sehen werden, sondern ungehindert von Angesicht zu Angesicht (1. Kor 13,12) und dass dies so überwältigend schön sein wird, dass niemand Lust haben wird, den himmlischen Lobpreisgottesdienst für ein Kartenspiel zu unterbrechen. Wenn Ihnen das jetzt langweilig klingt, haben Sie vielleicht noch nicht begriffen, was für ein unerhörtes Gut es ist, Gott zu kennen und zu begegnen. Ich glaube, die Menschen, die meinen, dass sie im Himmel ihre Zeit damit verbringen werden, zu malen oder Golf zu spielen, werden noch staunen, wie ihre Wünsche sich verändert haben, wenn sie erst einmal frei von der Sünde geworden sind und Gott schauen dürfen, wie er ist. Es wird unendlich schöner sein, als sie sich das je vorgestellt haben.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/how-will-we-be-different-in-heaven

- William Lane Craig