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#280 Was versteht man unter “dem Universum”?

May 13, 2018
F

Ich habe eine Frage in Bezug auf die Kosmologie der Gegenwart und die Art, wie das Wort „Universum“ häufig verwendet wird. Wie Sie wissen, wenn ein Vertreter des Kalam-Argumentes das Wort „Universum“ benutzt, versteht er darunter „die gesamte Raumzeitmannigfaltigkeit“. Vor einiger Zeit hat jedoch jemand in den Foren und auf der Website, zu der der Link unten führt, erklärt, wenn Physiker wie Vilenkin das Wort „Universum“ verwenden, verwenden sie es anders als die Vertreter des Kalam-Argumentes. Er führt dann ein Zitat von Vilenkin an (offenbar aus einer E-Mail Korrespondenz), das besagt:

“Es ist gewiss mehr als das, wozu wir Zugang haben können. Gebiete jenseits unseres kosmischen Horizontes gehören dazu. Aber wenn es andere Universen gibt, deren Raumzeit völlig von der unseren losgelöst ist, dann sind sie nicht mit eingeschlossen. Somit verstehe ich unter „Universum“ die gesamte verbundene Raumzeitregion. – Alex V.“

Wenn das stimmt, was bedeutet dies dann für den wissenschaftlichen Beweis, den Sie und Craig verwenden, um Prämisse (2) des Kalam-Argumentes zu verteidigen? Danke für die Zeit, die Sie sich nehmen.

Die Quelle für das Zitat kommt von hier: http://debunkingwlc.wordpress.com/2012/03/03/universe-kalam-and-equivocation/

Ein Wahrheitsuchender

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Diese Frage wurde eigentlich meinem Kollegen James Sinclair zugesandt, der seine Antwort darauf freundlicherweise als geeigneten Kandidaten für eine Frage der Woche weiterleitete. Da ich immer froh bin, unsere Leser mit Jims Arbeit vertraut zu machen, pflichte ich dem bei. Aber bevor ich seine Antwort weitergebe, möchte ich die einfache Antwort geben, die mir im Ganzen als adäquat erscheint:

Vilenkin und ich verwenden das Wort „Universum“ mit exakt derselben Bedeutung. Ob es weitere kausal unverbundene Universen gibt, ist völlig irrelevant für die Stichhaltigkeit des kalam-kosmologischen Argumentes. Denken Sie nach: Nehmen wir, um auf das Argument einzugehen, an, es gibt andere Universen, die mit unserem nicht kausal verbunden sind. Sie sind genau aus diesem Grund irrelevant für die Schlussfolgerung des Kalam-Argumentes. Insbesondere können sie nicht die Ursache des Universums sein, von dem in der Schlussfolgerung des Argumentes gesprochen wird. Somit gehen alle meine Argumente in Bezug auf die Eigenschaften der Ursache des Universums weiter so durch wie zuvor.

Somit kann der Nicht-Theist Gott nicht durch die metaphysische Vermutung vermeiden, andere losgelöste Universen könnten existieren. Natürlich, wenn der Nicht-Theist vermutet, dass diese anderen Universen kausal mit unserem verbunden sind, dann schließt das Universum diese in sich ein und wir sind wieder genau bei Vilenkins Argumenten, dass es kein haltbares Modell des so beschriebenen Universums gibt, das keinen Anfang in der endlichen Vergangenheit hat. Die sogenannte „Null-Topologie“, die von Jim unten diskutiert wird, ist, wenn sie als physikalisch real interpretiert wird, per Definition Teil des Universums und somit wiederum in Bezug auf ihre Entstehung erklärungsbedürftig.

Jims wissenschaftlich anspruchsvollere Antwort können Sie nun hier weiterlesen:

Danke für die Frage. Lassen Sie mich mit der Bemerkung beginnen, dass das Thema, um das es geht, die zweite Prämisse des Kalam-Argumentes (2. „Das Universum begann zu existieren“) überhaupt nicht beeinflussen würde, noch viel weniger den wissenschaftlichen Beweis, den Prof. Craig und ich zum Tragen bringen. Die Frage scheint mit der Schlussfolgerung des Kalam-Argumentes zu tun zu haben:

3. Darum hat das Universum eine Ursache.

Hier akzeptiert der Blogger die Schlussfolgerung des Kalam-Argumentes, dass das Universum eine Ursache hat, aber er bestreitet die Identität der Ursache. So, denke ich, werden wir dem weiter nachgehen.

Ich stelle fest, dass Vilenkin in seiner Antwort die Sprache der Allgemeinen Relativitätstheorie (ART) verwendet. Er spricht über Raumzeiten, was bedeutet, dass wir die Existenz von Raumzeiten als fundamentale Entitäten ernst nehmen. So werden wir jetzt erst einmal auch die Sprache der ART verwenden.

Wenn Raumzeiten nicht miteinander verbunden sind, dann haben sie nichts miteinander zu tun, was auch auf kausale Relationen zutreffen würde. Es wäre interessant, der theologischen Frage nachzugehen, ob Gott (der unverursachte, nicht veränderbare, zeitlose, extrem mächtige und nicht materielle Schöpfer, den Prof. Craig verkündigt) für diese anderen Universen verantwortlich ist. Aber es würde nicht die Schlussfolgerung des Kalam-Argumentes (oder (2)) beeinflussen. In diesem Falle ist die relevante Definition des „Universums“ die von Vilenkin.

Lassen Sie uns jedoch dem Gegner entgegenkommen und versuchen wir, an einen Fall zu denken, den er sich vielleicht vorstellen mag. Nun, Raum allein kann losgelöst werden, wie in dem Fall des Guth-Farhi-Prozesses, wodurch ein Mutterraum ein Baby gebiert. Ein Wurmloch verbindet die Mutter und das Baby, das schließlich abgeschnürt wird, ganz ähnlich wie die Nabelschnur bei einer menschlichen Geburt abgetrennt wird. Hier ist die Mutter die Ursache des Babys. Somit ist ein materielles „Universum“ verantwortlich für ein anderes „Universum“. Schließlich werden Mutter und Baby kausal völlig voneinander losgelöst. Aber die volle Raumzeit ist immer noch verbunden. Hier würde ich „Universum“ als die volle Raumzeit definieren, die das Baby, die Mutter, deren Mutter usw. umfasst.

Nehmen wir an, wir lebten in einem Guth-Farhi Baby (was aktiver Bestandteil des Sean Carroll-Jenifer Chen Modells ist). Wie würden wir das Argument dann fortsetzen? In diesem Fall gibt es ein sehr gutes thermodynamisches Argument von Brett McInnes, dass Babys ihren thermodynamischen Zeitpfeil von ihrer Mutter erhalten müssen. Wenn ein Mutteruniversum selbst wiederum das Baby eines anderen ist, dann könnte es sich nicht selbst seinen Pfeil beschaffen haben. Somit gibt es in dieser Anordnung ein ultimatives Mutteruniversum, das McInnes „Eva“ nennt.

Wir würden dann unsere üblichen Argumente in Bezug auf „Eva“ anwenden, um zu argumentieren, dass die volle Raumzeit einen transzendenten Ursprung hat. Oder wir könnten argumentieren, dass ein Universum mit ewiger Vergangenheit immer noch die Frage des Zeitpfeils offenlässt. Dies würde der Kritik von Stephen Hawking an nachewigen Universen ähneln: Sie haben alle willkürliche Grenzbedingungen, die ihnen „in“ der vergangenen Unendlichkeit auferlegt wurden.

Im Falle des Carroll-Chen-Modells ist „Eva“ ein De Sitter-Vakuum (ein Raum, in dem nichts ist, außer einer gewissen Art dunkler Energie). Das ist der mustergültige Fall für die Anwendung des Borde-Vilenkin-Guth Theorems. Es hat einen Anfang für die endliche Vergangenheit, es sei denn, man nimmt (wie Carroll & Chen) an, dass der Zeitpfeil sich am Ende umkehrt.

Okay, was ist also, wenn der Zeitpfeil sich umkehrt? In diesem Fall argumentieren Prof. Craig und ich, dass der Teil der Raumzeit mit dem umgekehrten Pfeil in keiner Weise die Vergangenheit des Teiles der Raumzeit ist, in der wir leben. Vielmehr hat man dann, wie bei Victor Stengers „Doppelwende“-Vorschlag, wirklich zwei Universen mit einem gemeinsamen Ursprung. Wenn man zu argumentieren versucht, dass das die Vergangenheit ist, endet man mit einem Widerspruch: es ist sowohl früher als auch nicht früher als unser gegenwärtiges Universum. Alternativ (wie Antony Aguirre es als eine Möglichkeit für sein eigenes ähnliches Modell vorgeschlagen hat) kann es sein, dass man letztendlich lediglich eine redundante Beschreibung von nur einem Raumzeitpfeil hat.

Wenn man die ART hinter sich lässt und zu einem Quantengravitätsmodell übergeht (wie Vilenkins „Tunneln aus dem Nichts“ – Modell), was dann? In diesem Fall entspringt die materielle Realität aus dem „Nichts“ ins Dasein. Die Frage ist, was bedeutet „nichts“? Soweit es das Modell betrifft, ist „nichts“ ein „Punkt“. Es ist eine Topologie, die Null-Dimensionen hat. Wir leben in einem 4-dimensionalen Raum, der aus einem 0-dimensionalen „Ding“ entstanden ist. Was ist es dann also? Ist es nur ein Modell? Oder soll es etwas Reales auf wahrhaft sachliche Weise darstellen? Die Optionen scheinen in etwa so auszusehen:

  1. Es ist nur ein Modell. Es repräsentiert nichts Reales, sondern ist lediglich von instrumentalem Wert.

2) Es repräsentiert Physik inadäquat, indem es versucht „nichts“ in seinem eigentlichen Sinne der „Abwesenheit von allem“ auszulegen. In diesem Fall kann die Physik nicht anders, als „nichts“ als eine Art von „Ding“ auszulegen. Aber in dem Augenblick, wo man das tut, hat man „etwas“ (Lawrence Krauss schrieb ein ganzes Buch über dieses Thema und hat immer noch keine Lösung!)

3) Es ist eine mathematische Entität.

4) Es ist physikalisch.

Nun, ich neige zu der Annahme, dass (1) und (2) adäquate Erklärungen der Bedeutung (oder des Mangels an Bedeutung) der Null-Topologie sind. (3) scheitert, denn, wie der Mathematiker John Lennox in zahlreichen Büchern als Antwort auf Stephen Hawking erklärt hat, sind mathematische Entitäten abstrakte Universalien und haben als solche keine kausalen Kräfte. Die „Gesetze der Quantenmechanik“ sind darum nicht die Ursache für das Universum. Dies belässt die „Quantenmechanik“ als deskriptiv für eine Kraft, die irgendeine konkrete Entität besitzt. Nun, wie der Blogger vorschlägt, könnte hier (4) zutreffen? Könnte die Ursache des Universums ein physikalisches Ding sein?

Der Philosoph Quentin Smith nahm die Nulltopologie wörtlich und argumentierte für (4) in seiner Arbeit „Time Was Created by a Timeless Point“ [Die Zeit wurde durch einen zeitlosen Punkt erschaffen]. Ich glaube nicht, dass der Blogger auf die Sicht von Smith anspielte, aber das Beste ist, das Plädoyer des Gegners aufzugreifen und es zu verbessern, damit man erkennt, welches Potenzial es hat.

Nun, wenn eine dynamische (oder zeitliche) Sicht der Zeit wahr ist, dann versagt (4) als eine Erklärung. Wie Prof. Craig argumentiert hat, wenn der Schöpfer ein unpersönliches Ding ist, dann müssen der Schöpfer und das Geschaffene gemeinsam in zeitloser Ewigkeit koexistieren. Übrigens, wenn Leute wie Lawrence Krauss und Victor Stenger sagen, „nichts ist unstabil“, dann ist die einzige verständliche Art, ihre Behauptung zu interpretieren ein dynamischer Prozess. Somit scheinen sie, in dem Maße wie sie das Thema durchdacht haben, eine dynamische Sicht der Zeit zu unterstützen.

Ich denke, dies belässt eine immaterielle Entität als die beste Erklärung für die Ursache des Kalams. Beachten Sie: Ich setze das nicht auf die Liste. Ich denke, es ist gefährlich, eine Entität in einem physikalischen Modell mit Gott zu identifizieren. Ich denke beispielsweise, dass Frank Tiplers aufrichtige Versuche, reinen Physikalismus mit christlichen Glauben abzugleichen, fehlschlagen und unbeabsichtigt zu einer pantheistischen Sicht der Realität führen.

Wenn der Blogger an ein anderes Beispiel denkt (und er der Behauptung etwas mehr konkreten Gehalt gibt), dann schreiben Sie mir und lassen Sie mich es wissen.

Mit freundlichen Grüßen,

Jim Sinclair

(Übers.: B. Currlin)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/what-does-one-mean-by-the-universe

- William Lane Craig