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#614 Taufe und Sühne

April 28, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich grüße Sie aus Ruanda und möchte Ihnen zunächst einmal erneut danken für den unerschütterlichen Mut, mit dem Sie das Evangelium unter die Leute bringen und mit großer Klarheit und überzeugenden Argumenten heiße christliche Eisen anpacken. Ich weiß, dass Sie sich zur Zeit mit Adam, dem 1. Buch Mose und dem, was sie für die Naturwissenschaft bedeuten, beschäftigen. Entschuldigen Sie also bitte, wenn ich auf ein älteres Werk von Ihnen zu sprechen komme, das Buch The Atonement. Ich konnte dieses Jahr mit großer Freude Ihre beiden exzellenten Werke The Son Rises und The Atonement lesen. Meine Frage betrifft Ihre gegenwärtige Position in der Soteriologie.

In The Son Rises zitieren Sie auf S. 150 zustimmend einen gewissen Herrn Dunn, der schreibt: „Man kann lange mit Jesus gegangen sein, den Glauben an ihn bekannt und sich auf den Namen des Herrn Jesus haben taufen lassen, man kann ganz und gar ‚rein‘ und Gott angenehm, ja sogar ein ‚Jünger‘ sein – und trotzdem ist man kein Christ, weil man noch nicht den Heiligen Geist empfangen hat.“ Und Sie fahren auf derselben Seite fort: „Ein Mensch wird nur dadurch ein Christ, dass er den Geist Christi empfängt und somit wiedergeboren ist.“

Bitte korrigieren Sie mich, falls ich Sie falsch verstanden habe, aber mir scheint, dass Sie in Ihrem Buch aus dem Jahre 1978 den Ausdruck „wiedergeboren werden“ und „den Geist Christi empfangen“ trennen von „auf den Namen des Herrn taufen“. Ihn Ihrem Buch Atonement dagegen (2018) schreiben Sie: „Die Aneignung des Segens, den uns Christi Sühnetod bringt, geschieht durch den Glauben, der in der Taufe gipfelt . . . Wir sind in Christus durch den Glauben und durch die Taufe, durch die wir uns mit seinem Tod und seiner Auferstehung identifizieren.“

Meine Frage ist ganz einfach, ob dies ein Hinweis darauf ist, dass Sie in den vergangenen 40 Jahren eine Entwicklung in ihrem soteriologischen Verständnis der „Taufe auf den Namen des Herrn“ durchgemacht haben. Könnte es sein, dass Sie heute die Erfahrung der „Taufe auf den Namen des Herrn“ mit der Gegenwart und dem Werk des Heiligen Geistes im Leben des Gläubigen, der die durch Christus gewirkte Versöhnung in Anspruch nimmt, verbinden? Voilà! Möge Gott Sie und Ihre Lieben reich segnen in dieser Weihnachtszeit. In Jesu Namen.

Eric

Rwanda

Prof. Craigs Antwort


A

Danke für Ihre durchdachte Frage, Eric! Es ist wunderbar, zu erfahren, dass es selbst im fernen Ruanda Menschen gibt, die mit Reasonable Faith arbeiten!

Ihre Frage kann ich kurz und bündig mit „Nein“ beantworten. Mein Denken zu diesem Thema hat sich nicht geändert. Meine frühere Aussage soll die Meinung zum Ausdruck bringen, dass die Taufe nicht eine hinreichende Vorbedingung zur Erlösung ist. Man kann sich auch nur zum Schein untertauchen lassen, was dann keine anderen Folgen hat, als dass man nass wird.

Diese Meinung ist voll vereinbar mit der Position, dass die Taufe eine notwendige Bedingung für die Erlösung ist, was meine spätere Aussage zu implizieren scheint. Man könnte von daher behaupten, dass Glaube und Taufe zusammen eine sowohl notwendige als auch hinreichende Bedingung dafür sind, zum Empfänger des Segens des Sühnetodes Christi zu werden.

Doch selbst diese Aussage wäre meiner Meinung nach noch zu extrem. Dem Schächer am Kreuz versprach Jesus das Paradies, obwohl der Mann sich definitiv nicht taufen lassen konnte. Und dann natürlich all die echt gläubigen Juden, die in den Generationen vor Jesus gelebt hatten und ebenfalls Nutznießer seines Sühnetodes wurden, obwohl sie nicht getauft waren.

Was ich gemeint habe, ist vielmehr dieses: Der im Taufakt gipfelnde Glaube ist die normale Art und Weise, wie ein Mensch den Segen des Sühnetodes Christi empfängt. Echter Glaube führt zur Wiedergeburt durch den Heiligen Geist, und der krönende Abschluss des Prozesses ist die Taufe. Die Taufe im Wasser ist der letzte Schritt im Bekehrungsprozess; sie ist nicht die Wiedergeburt, sondern die Neuorientierung des Lebens hinein in die Nachfolge Christi. Jemand, der durch Gottes Geist wiedergeboren ist, aber die Taufe verweigert, hat ein verkürztes Bekehrungserlebnis und macht seinem Herrn Unehre, indem er seinem Befehl zur Taufe nicht gehorcht.

Diese Sicht ist zu hundert Prozent auch die von J.D.G. Dunn, die Sie oben zitiert haben. Die Wiedergeburt durch den Heiligen Geist muss nicht mit der (Wasser-)Taufe zusammenfallen, aber die Taufe ist der krönende Abschluss des Glaubensprozesses, der zur Wiedergeburt geführt hat. Die Wassertaufe muss nicht der Augenblick sein, an dem die Wiedergeburt geschieht, wie Beispiele in der Apostelgeschichte zeigen.

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: www.reasonablefaith.org/writings/questions-answer/baptism-and-the-atonement

- William Lane Craig