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#632 Meine Van Daalen-Zitate

July 21, 2019
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

bei Ihren Ausführungen über das leere Grab Jesu nennen Sie häufig D.H. van Daalen. Sie zitieren ihn folgendermaßen: „Es ist extrem schwierig, das leere Grab aus historischen Gründen abzulehnen; die, die es ablehnen, tun dies aufgrund theologischer bzw. philosophischer Erwägungen.“ Ich sprach über dieses Zitat mit jemandem, der van Daalen für einen Skeptiker hielt, und da das Buch gar nicht teuer war, kaufte ich es mir. Das Originalzitat lautet so: „Es wäre jedoch extrem schwierig, die Grabesgeschichte aus rein historischen Gründen abzulehnen. Selbst wenn wir glaubten, dass die Geschichte einer beginnenden Verehrung des Grabes einen Riegel vorschieben sollte, würde dies nicht erklären, wie sie überhaupt entstehen konnte.“ Ich gebe gerne zu, dass die allgemeine Stoßrichtung dieselbe ist, finde aber, dass man doch exakt zitieren sollte. Leider hat sich das falsche Zitat jetzt über das halbe Internet verbreitet …

Andy

United Kingdom

Prof. Craigs Antwort


A

Besten Dank, Andy, dass Sie mich auf diesen Fehler hinweisen! Als ich Ihre Frage las, dachte ich erst: „Ach, das war doch gar kein wörtliches Zitat. Andy hat halt Anführungszeichen um meine indirekte Wiedergabe von van Daalen gesetzt, damit es wie ein Zitat aussieht.“

Tja, und dann war ich ganz platt, als ich mein Van-Daalen-Erwähnung in meinem Buch Reasonable Faith (Wheaton, Ill.: Crossway, 1994), S., 370 nachschlug, und siehe da, sie hat die Form eines direkten Zitates! Ich dachte: „Das kann doch nicht sein! Was ist hier los?“ Da ich gerade in Talbot war, bat ich Harry Edwards, der unseren Webstore unter sich hat, mir je ein Exemplar meiner Bücher The Son Rises: Historical Evidence for the Resurrection of Jesus (Chicago: Moody Press, 1981) und Assessing the New Testament Evidence for the Historicity of the Resurrection of Jesus (Toronto: Edwin Mellen, 1989) zu besorgen. Es sind meine ursprünglichen Bücher über die Auferstehung, auf denen das entsprechende Kapitel in Reasonable Faith basiert.

Ich schlug das Zitat in beiden Büchern nach, und es war so, wie ich es vermutet hatte: Beide Male ist meine Wiedergabe von van Daalen nicht ein wörtliches Zitat, sondern meine eigene Wiedergabe seiner Position:

Wie D.H. Van Daalen gezeigt hat, ist es extrem schwierig, das leere Grab aus historischen Gründen abzulehnen; die, die es ablehnen, tun dies aufgrund theologischer bzw. philosophischer Erwägungen (wie der Annahme, dass Wunder generell unmöglich sind). (The Son Rises, S. 84f.)

Wie Van Daalen bemerkt hat, ist es extrem schwierig, das leere Grab aus historischen Gründen abzulehnen; die meisten Gegner tun dies vielmehr aus theologischen oder philosophischen Überlegungen heraus. (Assessing, S. 271)

Hier gebe ich jeweils die Position von van Daalen mit meinen eigenen Worten wieder.

Ja, und dann müssen sich hier ein paar Anführungszeichen in den Text von Reasonable Faith eingeschlichen haben. Wie konnte das geschehen? Nun, Reasonable Faith ist die Neuveröffentlichung meines Buches Apologetics: An Introduction (Chicago: Moody Press, 1984). Gab es die Anführungszeichen schon dort? Als ich wieder zu Hause war, schlug ich in meinem mittlerweile vergriffenen Apologetics nach (S. 191), und siehe da, auch hier waren die Anführungszeichen! Möglicherweise hatte ein übereifriger Korrektor bei Moody Press die Fußnotenzahl gesehen und gedacht, dass ich die Anführungszeichen vergessen hatte.

Bleibt nur noch zu sagen, dass meine Zusammenfassung von van Daalens Position korrekt ist.[1] Etwas vorher auf derselben Seite wird van Daalen noch deutlicher: „Die meisten Autoren, die die Geschichte ablehnen, tun dies jedoch nicht aus historischen Gründen. Es ist gang und gäbe, zu sagen, dass die Geschichte in eine antike Weltsicht hineinpasst, aber nicht in unsere.“ Ein Blogger, der mir ein Fehlzitat vorwarf, schrieb: „Ich gestehe zu, dass die Bedeutung des Zitats nicht verändert wurde, aber sauberes wissenschaftliches Arbeiten verlangt, dass ein Zitat eine exakte Kopie des Originals ist und keine Paraphrase.“ Er hat natürlich recht, aber ich habe van Daalen nicht zitiert und deswegen keine Anführungszeichen benutzt.

Harry Edwards sagte mir, dass diese Sache ihn an die Art erinnert hat, wie die neutestamentlichen Manuskripte kopiert und weitergegeben wurden. Stimmt genau! Durch Vergleichen der Datierungen und Texte verschiedener Manuskripte können wir den Originaltext des Neuen Testaments mit 98 % Sicherheit rekonstruieren. In meinem Fall wird es so sein, dass jede Publikation, die in dem „Fluss der Tradition“ steht, der aus der Publikation bei Moody Press entspringt, diesen Fehler enthalten wird. Texte, die den früheren, nicht korrumpierten Text wiedergeben (z. B. W.L. Craig, „The Historicity of the Empty Tomb of Jesus“, New Testament Studies 31 [1985], S. 39-67)[2], werden frei von diesem Fehler sein. Man kann der ganzen Sache also etwas Positives abgewinnen.

Aber ich wünschte doch, ich hätte den Fehler bemerkt, als in meinem Apologetics: An Introduction die Anführungszeichen eingefügt wurden. Ich habe einen Brief an Crossway geschrieben und darum gebeten, in der nächsten Auflage von Reasonable Faith den Fehler zu korrigieren. Noch einmal vielen Dank für Ihren Hinweis, Andy!

(Übers.: Dr. F. Lux)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/misquoting-van-daalen

 

[1] Deutschen Theologen folgend, die vom „leeren Grab“ und der „Grabesgeschichte“ sprechen, nennt van Daalen die Geschichte vom leeren Grab die „Grabesgeschichte“. Französische Theologen dagegen benutzen die dem Englischen näher kommende Formulierung le tombeau vide.

[2] Deutsche Übersetzung: „Die Historizität des leeren Grabes Jesu“, <<auf der deutschen Seite von www.reasonablefeith.org noch nicht auffindbar! Bitte prüfen!!>>

- William Lane Craig