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#567 Eingeschüchtert von der Größe des Kosmos

November 18, 2018
F

Sehr geehrter Prof. Craig,

ich tue mir schwer damit, ernsthaft den christlichen Glauben anzunehmen. Früher war ich ein fanatischer Gläubiger, doch in letzter Zeit kann ich nicht wirklich an Christus als Gott glauben, wenn ich mir die Sterne ansehe. Ich glaube zwar an Gott und dass dieser Gott einer ist, aber ich kann nicht glauben, dass Gott sich wirklich so mit uns abgeben würde, dass er die Himmel über unseren Köpfen spannen und es uns verwehren würde, sie zu erreichen. Die Erde ist nur ein Staubkorn in einer Galaxie, die auch nur ein Staubkorn in einer riesigen Leere ist – einer Leere, die wir nie erreichen oder erforschen können. Wir sind gewiss nicht alleine im Universum. Wie kann ich an einen Gott glauben, der so auf die Menschen fokussiert ist? Es fühlt sich so an, als befände sich alles im Fluss und als würde ich nur mit dem Strom der Gesellschaft mitschwimmen, die auf subjektivem Grund gebaut ist. Alles in diesem modernen Zeitalter ist subjektiv, und wenn der Mensch nicht allein im Universum ist, dann ist alles, was wir sind, auch subjektiv (wenn das Sinn macht?). Ich war wirklich glücklich, als ich noch gläubig war, und möchte auch wirklich wieder glauben können. Der Glaube an irgendeine schwammige „Gottheit“ ist allerdings nicht hilfreich. Ich suche Christus, werde aber weggezogen. Was soll ich tun, Prof. Craig? Sie sind viel schlauer als ich. Ihre Gedanken hierzu könnten mir also wirklich weiterhelfen.

Vielen, vielen Dank.

Tom
Vereinigte Staaten

United States

Prof. Craigs Antwort


A

Tom, ich verstehe, wie Sie sich fühlen. Wenn ich Bilder anschaue, die uns die unbegreifliche Größe des Universums und unsere vergleichsweise völlig unscheinbare Winzigkeit vor Augen führen, überkommt mich beinahe ein lähmendes Gefühl der Unbedeutsamkeit. Mir wird fast schon schwindelig, und ich verliere meinen Glauben an die Bedeutsamkeit des Menschen.

Klar ist aber, dass diese Reaktion auf unsere physische Größe relativ zum Kosmos rein emotional ist. Auf rationaler Ebene sieht es ganz anders aus: Eine der Implikationen der Erforschung der Feinabstimmung des Universums für körperliche Akteure, die sich ihrer selbst bewusst sind, ist, dass das Universum so alt sein muss, wie es ist, damit wir uns entwickeln konnten. Denn die schweren Elemente wie Kohlenstoff, aus denen unser Körper besteht, müssen sich zunächst im inneren der Sterne befinden und dann im ganzen Kosmos durch Supernova-Explosionen verteilt werden, um Planeten zu bilden, in denen auf Kohlenstoff basierende Formen entstehen können. Was bedeutet das? Wenn das Universum so alt sein muss, wie es jetzt ist, dann muss es auch so groß sein, wie es jetzt ist, da es sich seit seiner Entstehung im Urknall permanent ausgedehnt hat. Somit spielt die enorme Größe des Universums die Bedeutung menschlichen Lebens nicht herunter, sondern ist vielmehr eine Voraussetzung für menschliches Leben! Unglaublich! Die Größe des Kosmos, die uns so klein erscheinen lässt, ist ein Beweis dafür, dass sich der Schöpfer um uns kümmert, indem er ein Universum so fein abstimmt, dass wir existieren können.

Zudem kommt, dass wir vielleicht nicht alleine im Kosmos sind. Dass wir tatsächlich alleine sind, ist vielleicht die unausweichliche Schlussfolgerung des Naturalismus, doch gemäß dem Theismus – der vom Ursprung und der Feinabstimmung des Universums impliziert wird – ist es überhaupt nicht unwahrscheinlich, dass der Schöpfer körperliche Akteure, die sich ihrer selbst bewusst sind, über den ganzen Kosmos verteilt geschaffen hat. Wenn sie auch in Sünde gefallen sind, dann wird Gott auch für sie einen Heilsplan haben – wer weiß, vielleicht in Form von mehrere Inkarnationen des kosmischen Christus! Wenn die zweite Person der Trinität eine menschliche Natur zusätzlich zu seiner göttlichen Natur annehmen kann, warum dann nicht auch mehrere Naturen? Die riesige und vielleicht unüberwindbare Entfernung zwischen den intelligenten Lebensformen könnten sogar eine Manifestation der Barmherzigkeit Gottes sein. Die Geschichte des homo sapiens auf diesem Planet ist ziemlich erschreckend. Es ist also vielleicht besser so, dass außerirdische Lebensformen vor dem homo sapiens sicher sind, während wir durch den Weltraum reisen – sonst stecken wir sie vielleicht noch mit unserer Gewalt und dem ganzen Übel an.

Derlei moralische Gedankenspiele machen auf einen weiteren Punkt aufmerksam: Der moralische Wert eines Dings wird nicht an seiner physischen Größe gemessen. Der große Philosoph Frederick Copleston hat einmal gesagt, dass ein einziger Mensch mehr wert ist, als das ganze physische Universum zusammen. Das ist ganz offensichtlich wahr: ein moralischer Akteur wie ein Mensch hat einen intrinsischen moralischen Wert, wohingegen bloße Materie und Strahlung, ganz egal wie viel, moralisch neutral ist und somit keinen intrinsischen Wert haben. Warum sollte Gott sich also nicht um uns kümmern? Was spielt Größe denn für eine Rolle?

Außerdem: Warum sollte man die Größe des Kosmos nicht so verstehen, dass sie die Majestät und Größe Gottes, der ihn geschaffen hat, unterstreicht? Ich stelle mir Gott als kosmischen Künstler vor, der seine Leinwand auf extravagante weise mit Farben und Formen besprengt, die vielleicht keinen praktischen Zweck erfüllen, aber ästhetisch schön sind. Er spielt keine Spielchen mit uns, indem er „die Himmel über unseren Köpfen spannt und es uns verwehrt, sie zu erreichen“. Nein. Er führt uns seine Größe vor! Und der Mensch erforscht die Mysterien des Kosmos und erkennt so immer besser die Schönheit und Größe desjenigen, der den Kosmos geschaffen hat. Wir müssen nicht in der Lage sein, zwischen den Galaxien hin- und herzureisen, um die Tiefen des Kosmos naturwissenschaftlich zu ergründen und seine Gesetze und wundersamen Rätsel kennenzulernen. Sind Sie nicht froh darüber, dass wir all das zu erforschen haben? Ich bin es!

Daher sehe ich die einschüchternde Größe des Kosmos auf rationaler Ebene nicht als Faktor, der die Inkarnation in Frage stellt. Die Bibel hat schon immer betont, wie tief sich Christus in der Menschwerdung herabgelassen hat, „der, als er in der Gestalt Gottes war, es nicht wie einen Raub festhielt, Gott gleich zu sein; sondern er entäußerte sich selbst, nahm die Gestalt eines Knechtes an und wurde wie die Menschen und in seiner äußeren Erscheinung als ein Mensch erfunden, erniedrigte er sich selbst und wurde gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz“ (Philipper 2,6-8; Schlachter 2000). Dieser Punkt wird durch das bereits Besprochene nur verdeutlicht.

Ihre abschließenden Gedanken, Tom, über die Subjektivität der modernen Gesellschaft, sind noch irreführender. Sie denken wie ein Naturalist, nicht wie ein Theist, der eine objektive Base für seinen Glauben hat. Ich denke, Sie müssen sich von der nicht-rationalen, emotionalen Reaktion auf die Größe des Kosmos lossagen und rational darüber denken. Vielleicht müssen Sie sich auch nochmal die Evidenz für Jesus und seine Auferstehung ansehen. Dann führt Sie die Größe des Kosmos vielleicht sogar dazu, Gott und Christus zu loben und anzubeten.

(Übers.: J. Booker)

Link to the original article in English: https://www.reasonablefaith.org/writings/question-answer/lost-in-space

- William Lane Craig